Landesarchiv sucht alte Tagebücher in Niederösterreichs Haushalten

Unter dem Titel „Tagebücher: Weltgeschichte im Kleinen – Sichern Sie die Erinnerung Ihrer Vorfahren“ sucht das Niederösterreichische Landesarchiv alte Tagebücher aus dem Privatbesitz und bietet dafür professionelle Aufbewahrung, eine Digitalisierung und Unterstützung an.


Abb.: „Tagebücher sind Schätze der Erinnerung, die das Leben, die Gedanken oder auch die Gefühle des Verfassers gleichsam bewahren und somit ein wesentlicher Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses unserer Gesellschaft sind“, so der für Archive zuständige Landesrat Ludwig Schleritzko (1. v.l.) (Foto: NÖ Landesarchiv).

„Vielleicht interessiert sich die jüngere Generation nicht für diese Tagebücher bzw. fehlt es auch an Wissen und Möglichkeiten, diese historische Quelle richtig aufzubewahren. Wir bieten hier gerne unsere Dienste an und archivieren die Erinnerung an die Vorfahren in unseren Depots“, ergänzt Archivdirektor Dr. Roman Zehetmayer (rechts im Bild).

Tagebücher und autobiographische Aufzeichnungen, die älter als 50 Jahre sein sollten, können dem NÖ Landesarchiv als Schenkung oder als Leihgabe (Überbringer bleibt Eigentümer) übergeben werden. Das NÖ Landesarchiv achtet darauf, dass die Datenschutzbestimmungen penibel eingehalten werden. Zudem bietet das Niederösterreichische Landesarchiv dem Überbringer des Tagebuchs ein kostenloses Digitalisat an.

Wenn man das Tagebuch noch nicht aus der Hand geben will, so gibt es nichtsdestotrotz die Möglichkeit, das Tagebuch im NÖ Landesarchiv ebenfalls kostenlos digitalisieren zu lassen, anschließend aber wieder zu Hause aufzubewahren.

Kontakt:
Amt der NÖ Landesregierung
Abteilung NÖ Landesarchiv und NÖ Landesbibliothek
Landhausplatz 1, Haus Kulturbezirk 4
3109 St. Pölten
Tel: +43 (0)2742/9005-12059
Fax: +43 (0)2742/9005-12052
post.k2archiv@noel.gv.at

Quelle: NÖ Landesarchiv, Aktuelles, 29.3.2023

Gymnasium und Stadtarchiv Frechen vereinbaren Bildungspartnerschaft

Das Gymnasium der Stadt Frechen und das Stadtarchiv Frechen haben eine Bildungspartnerschaft geschlossen. Schulleiter Björn Küper und Bürgermeisterin Susanne Stupp haben im Lesesaal des Stadtarchivs die Kooperationsvereinbarung dazu unterzeichnet.


Abb.: Bürgermeisterin Susanne Stupp und Schulleiter Björn Küper (2.v.r.) unterzeichneten die Vereinbarung im Beisein von Hendrik Mechernich (l.) und Florian Braun (r.) (Foto: Stadt Frechen).

Die Initiative „Bildungspartner NRW – Archiv und Schule“ fördert die systematische Zusammenarbeit von Archiven und Schulen. Archive und Schulen sind der Vermittlung kultureller, historischer und politischer Bildung verpflichtet. Durch die eigenständige Arbeit mit vielfältigen Originalquellen unterschiedlicher Überlieferungsformen üben sich Schülerinnen und Schüler im forschend-entdeckenden Lernen und finden lebendigen Zugang zu vergangenen Epochen und zu den eigenen Wurzeln. Durch eine systematische und auf Dauer angelegte Kooperation von Archiv und Schule sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, die genannten Schlüsselkompetenzen sowie historische und politische Bildung gemeinsam zu fördern und eine strategische Bildungspartnerschaft in Frechen zu etablieren.

Die Kooperation der Schule und des Archivs umfasst Aktivitäten wie eine jährliche Exkursion der Stufe 6 in das Stadtarchiv, Mitarbeit bei der Ausgestaltung von Ausstellungen sowie die Vermittlung von lokalhistorischen Zusammenhängen während der Zeit des Nationalsozialismus für die Stufen 9 und 10. Die Laufzeit der Vereinbarung beträgt beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung zwei Jahre und wird nach Ablauf gegebenenfalls verlängert. Als Kontaktpersonen haben die Einrichtungen den Lehrer Florian Braun und Archivleiter Hendrik Mechernich bestimmt.

Kontakt:
Stadtarchiv Frechen
Hauptstraße 110-112
50226 Frechen
Tel.: 02234/501-1239 oder -1708
archiv@stadt-frechen.de
www.stadtarchiv-frechen.de

Gymnasium der Stadt Frechen
Rotdornweg 43
50226 Frechen
Telefon: 02234/95556-0
leitung@gymnasium-frechen.de
Braun@gymnasium-frechen.de
www.gymnasium-frechen.de

Quelle: Stadt Frechen, Pressemitteilung, 28.3.2023

Digitalisierung des Fotobestandes der Oberhausener Pressefotografin Ruth Gläser

Die Fotobestände der Pressefotografin Ruth Gläser (1928-2022) wurden komplett digitalisiert (fast 200.000 Scans) und sind ab sofort für die Nutzerinnen und Nutzer des Stadtarchivs Oberhausen verfügbar. Die Nutzungsrechte liegen beim Stadtarchiv Oberhausen, bei der Funke Medien Gruppe und der Erbin Ruth Gläser.


Abb.: Archivleiter Dr. Magnus Dellwig und Michaela Schmitz-Oetjen, wissenschaftliche Facharchivarin, mit einem Foto aus dem Bestand Ruth Gläser (Foto: Stadt Oberhausen/Tom Thöne).

Gläser war von 1950 bis 1989 Pressefotografin für die Lokalredaktionen Oberhausen des Generalanzeigers und der WAZ. Das Stadtarchiv Oberhausen erhielt ihre Negative im Rahmen einer Schenkung im Jahr 1998. Ein kleiner Anteil des Bestandes enthält Fotos aus umliegenden Städten, z.B. Duisburg und Essen. Insgesamt geht es um knapp 200.000 Scans der Jahre 1950 bis 1989. Damit verfügt das Stadtarchiv über die uneingeschränkten Nutzungsrechte am Gesamtbestand und kann diese auch im Lesesaal den Kundinnen und Kunden zu Recherchemöglichkeiten zur Verfügung stellen.


Abb.: Auszug aus einer Traueranzeige für Ruth Gläser (21.12.1928-19.8.2022) (FUNKE Medien NRW GmbH)

Die Jahrgänge 1950-1972 wurden in den Jahren 2012-2023 vom LVR digitalisiert. Die Jahrgänge 1973-1989 wurden im Rahmen des Förderprojekts „WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive innerhalb von NEUSTART KULTUR“ in den Jahren 2022-2023 digitalisiert. Das Programm „WissensWandel“ des Deutschen Bibliotheksverbandes wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Kontakt:
Stadtarchiv Oberhausen
Eschenstraße 60
46049 Oberhausen
Tel.: 0208 3095209-0
Fax: 0208 3095209-39
stadtarchiv@oberhausen.de

Quelle: Stadt Oberhausen, Nachrichten, 27.3.2023

Nordhäuser Kabinettausstellung über deutschen »Militärstaat Ober Ost« (1915-1918)

Novelle des Schriftstellers Arnold Zweig „Was der Mensch braucht“ im Fokus.

Vor gut 100 Jahren tobte der Erste Weltkrieg, seine Folgen waren noch im Jahr 1923 spürbar. Nach ersten Rückschlägen hatte das Deutsche Reich 1915 Teile des damaligen Russisch-Polen und des Baltikums besetzen können. Dadurch entstand zwischen Ostsee und der oberen Weichsel ein deutsches Besatzungsregime. Es wurde zwischen 1915 und 1918 als „Militärstaat Ober Ost“ bekannt. Hier trafen deutsche Soldaten aus allen Teilen des Reiches auf eine Bevölkerung von Millionen Menschen mit einer ihnen meist unbekannten ethnischen Vielfalt und religiösen Fremdheit.

Die Ausstellung bietet und illustriert die in jener Zeit angesiedelte Novelle des Schriftstellers Arnold Zweig (1887-1968): „Was der Mensch braucht“. Er schrieb sie in Erinnerung an seine Militärdienstzeit in der Pressestelle des „Oberbefehlshabers Ost“, wo er für Zensur zuständig und unter anderem der ehemalige Nordhäuser Gymnasiast und spätere Ehrenbürger Max Hoffmann (1869-1927) Generalmajor Stabschef war.

In den besetzten Gebieten erlebte der jüdische und preußisch-deutsch gesinnte Arnold Zweig, befreundet u.a. mit Lion Feuchtwanger oder Sigmund Freud, das Janusgesicht des militaristischen Imperialismus. Im Weltkrieg lernte Zweig aber auch die Menschen des verwirrend vielgestaltigen Osteuropas: Polen, Balten, Russen, Ukrainer oder Ostjuden kennen.


Abb.: Fotoalbum des Richard v. Knobloch, 1914/1915, mit Schußspuren (Foto: Stadtarchiv Nordhausen)

Aus diesen Erfahrungen entstanden seine klassischen Romane zum „Großen Krieg der weißen Männer“ wie etwa „Junge Frau von 1914“, „Der Streit um den Sergeanten Grischa“ oder „Erziehung vor Verdun“.
Der Novellentext wird umrahmt von zeitgenössischen Frontfotos aus einem Erinnerungsalbum des Nordhäuser Offiziers Richard von Knobloch (1868-1924) und weiteren Originalen wie z.B. dem Kriegstagebuch des Nordhäusers Ernst Hartung (1894-1944).

Die Kabinettausstellung läuft bis zum 18.5.2023 im Grünen Salon der FLOHBURG I Das Nordhausen Museum immer dienstags bis sonntags, 10 bis 17 Uhr. Sie wurde möglich durch die freundliche Genehmigung des Aufbau-Verlages Berlin und konzipiert durch den Nordhäuser Stadtarchivar Dr. W.G. Theilemann. Reproduktionen und Bildbearbeitung besorgte Tino Trautmann. Dank gilt allen Unterstützern und Leihgebern, namentlich Frau Vera Choulant geb. Hartung.

Kontakt:
FLOHBURG | Das Nordhausen Museum
Barfüßer Straße 6
99734 Nordhausen
0 36 31 / 4 72 56 80
flohburg@nordhausen.de

Quelle: Stadtarchiv Nordhausen: Neueste Publikation, 9.3.2023; Stadt Nordhausen, Meldung, 25.1.2023; Stadt Nordhausen, Meldung, 9.3.2023

Neue Vor- und Nachlässe im Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück

Neben der Überlieferung von Unterlagen aus Verwaltung, Forschung und Lehre, übernimmt das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück (situiert im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Osnabrück) auch Vor- und Nachlässe von bedeutenden Universitätsangehörigen. Als Vorlässe werden dabei die Übernahmen bezeichnet, die zu Lebzeiten und nach Rücksprache mit der Person stattgefunden haben. Planungen zu einer geordneten Übernahme werden oftmals bereits im Rahmen des Eintritts in den Ruhestand vorgenommen. Die Übernahme von Nachlässen ist dagegen oftmals dem Zufall oder dem Engagement der Hinterbliebenen geschuldet, die sich an das Archiv wenden. Die Nutzung der Vor- und Nachlässe unterliegt den archivgesetzlichen Regelungen oder individuellen Absprachen, so dass der Datenschutz, eine sichere Verwahrung und perspektivisch eine wissenschaftliche Nutzung gewährleistet ist.


Abb.: Das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück archiviert u.a. Vor- und Nachlässe sowie Sammlungen (Auszug Webseite)

Bei den Kriterien zur Übernahme ist dabei nicht alleine die wissenschaftliche Leistung ausschlaggebend – denn eine große Zahl von Professor:innen der Universität Osnabrück kann nach der Emeritierung auf beachtliche Leistungen in Forschung und Lehre zurückblicken. Zentral ist bei der Übernahme eines Vor- oder Nachlasses auch, inwiefern die Personen entscheidend bei der Gestaltung der Weiterentwicklung der Universität mitgewirkt haben oder welche Rolle sie im städtischen Kontext oder darüber hinaus hatten. Letztgenannter Aspekt ist für die Osnabrücker Abteilung des Landesarchivs von besonderem Interesse, weil sich oftmals Synergieffekte mit den ebenfalls dort aufbewahrten Archiven der Stadt, des Landkreises und der kreisangehörigen Gemeinden ergeben. Und schließlich wird auch jeweils geprüft, ob man durch die Übernahme eines Vor- oder Nachlasses Lücken in der Verwaltungsüberlieferung schließen kann. Die in den vergangenen Jahren übernommenen Vorlässe von Klaus Bade, Christian von Bar und Rainer Künzel sowie die Nachlässe von Jutta Held und Tilman Westphalen erfüllen jeweils mehrere dieser Kriterien.

Prof. Dr. Klaus J. Bade, geb. 1944 in Sierentz/Elsass, studierte Geschichte, Germanistik, Politik- und Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, wo er auch 1972 promoviert wurde und sich 1979 habilitierte. Nach einer Lehrstuhlvertretung an der Universität Augsburg 1980/81 wurde er 1982 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Neueste Geschichte (19./20. Jahrhundert) an der Universität Osnabrück berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 2007 innehatte. Einen Ruf an die Universität Freiburg lehnte er 1993 ab. Von besonderer Bedeutung für die Osnabrücker Universitätsgeschichte ist die durch ihn initiierte Gründung des „Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien“ (IMIS), dem er 1991-1997 und 2002-2005 als Direktor vorstand. Der Träger der Osnabrücker Möser-Medaille und des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse war auf Bundesebene u.a. auch Initiator des Rats für Migration (RfM), der Gesellschaft für Historische Migrationsforschung (GHM) und des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Arbeitsfelder von Klaus J. Bade sind die Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, Migration und Integration in Geschichte und Gegenwart, Migrations- und Integrationspolitik sowie kritische Politikbegleitung und -beratung. Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang und zu seinem Engagement als Wissenschaftler, Publizist, Verbands- und Politikberater.

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Christian von Bar, FBA, geb. 1952 in Hannover, studierte von 1970 bis 1974 Rechtswissenschaften in Freiburg, Kiel und Göttingen. Nach dem Ersten und Zweiten Staatsexamen (1974/1977) und der Promotion (1976) wurde von Bar 1979 an der Universität Göttingen habilitiert. Es folgten Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Bochum und Bonn. 1981 wurde von Bar auf eine Professur für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht am neu errichteten Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück berufen. Christian von Bar war nicht nur als Wissenschaftler und Hochschullehrer in Osnabrück tätig: Von 1985 bis 2003 war er Vorstandsmitglied im Institut für Europarecht, 1987 gründete er das Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, dessen Direktor er auch bis 2003 war, sowie 2003 das daran anschließende European Legal Studies Institute (ELSI), dem er bis 2020 vorstand. Rufe an die Universität München (1987) und an die Universität Heidelberg (1991) lehnte er ab. Von 1999 bis 2010 war Christian von Bar außerdem Leiter der Study Group on a European Civil Code. 2018 erhielt der mehrfach mit Ehrendoktorwürden und Preisen ausgezeichnete Rechtswissenschaftler das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, Korrespondenzen sowie Akten zu federführenden Tätigkeiten in Kommissionen auf europäischer Ebene.

Prof. Dr. Jutta Held (1933-2007) studierte an den Universitäten Tübingen, Freiburg/Breisgau, Münster und Hamburg. 1961 wurde sie zum Thema „Farbe und Licht in Goyas Malerei“ an der Universität Hamburg promoviert. Nach verschiedenen Stationen an Museen und Forschungsaufenthalten in Frankreich und Spanien war sie von 1969 bis 1971 Assistant Professor an der Queen’s University Kingston/Kanada. Im Jahr 1974 wurde Held an die neu gegründete Universität Osnabrück berufen, wo sie den Aufbau der Kunstgeschichte maßgeblich verantwortete und den interdisziplinären Austausch z. B. mit dem Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit beförderte. 1985 begründete sie die „Guernica-Gesellschaft“ zur Erforschung der antifaschistischen Kunst und Antikriegskunst. Der Nachlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, zur Entwicklung des Faches Kunstgeschichte an der Universität Osnabrück sowie zum Graduiertenkolleg „Bildung in der Frühen Neuzeit“.

Prof. Dr. Rainer Künzel, geb. 1942 in Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin von 1962 bis 1967 Volkswirtschaftslehre. Nach Abschluss des Studiums war Künzel wissenschaftlicher Assistent am Institut für angewandte Wirtschaftstheorie und Ökonometrie, 1974 erfolgte die Promotion. 1976 wurde er auf die Professur für Wirtschaftstheorie am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück berufen. Künzel war u.a. Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften sowie Mitglied der Aufbaukommission des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, von 1987 bis 1989 war er Vizepräsident der Universität Osnabrück. Von 1990 bis 2004 leitete Künzel als zweiter Präsident nach Manfred Horstmann die Geschicke der Universität Osnabrück. In diese Zeit fiel auch seine Tätigkeit als Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen (1993-1998) und als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (1994-2000). Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, Reden und Handakten aus der Zeit als Präsident sowie zu seiner Tätigkeit als Akademischer Direktor der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur (ZEvA), Hannover sowie als Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Landes Niedersachsen.

Professor Dr. Tilman Westphalen (1935-2021) studierte von 1955 bis 1960 Anglistik und Sport an der Sporthochschule Köln sowie der Universität zu Köln. Seine Promotion erfolgte im Jahr 1967 an der Ruhr-Uni Bochum, wo er auch von 1963 bis 1972 als Wissenschaftlicher Angestellter tätig war. In dieser Zeit war Westphalen ebenfalls zeitweilig Vorsitzender der Bundesassistentenkonferenz (BAK). Von 1972 bis zu seiner Emeritierung hatte Westphalen eine Professur für Anglistik an der Universität Osnabrück inne. Westphalen wirkte aber nicht nur in Forschung und Lehre in Osnabrück: Er beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Themen auch außerhalb der Universität. Dabei ist sein Name vor allem mit seinen Forschungen zu Erich Maria Remarque verbunden: 1986 gründete er die Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft. Dem daraus entstandenen Erich Maria Remarque-Friedenszentrum stand er bis 2000 als Leiter vor. In den 1990er Jahren war er außerdem für die Neuausrichtung der Osnabrücker Friedensgespräche zuständig. Der Nachlass Westphalens, noch als Vorlass übernommen, enthält Unterlagen zu seinem akademischen Werdegang, zu Forschung und Lehre u. a. aus den Anfangsjahren der Universität und dokumentiert seine vielfältigen Aktivitäten in Stadt und Landkreis Osnabrück.

Das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück freut sich über die Neuzugänge und das entgegengebrachte Vertrauen der Vorlassgeber bzw. der Familienangehörigen.

Kontakt:
Universitätsarchiv
Nds. Landesarchiv – Abteilung Osnabrück
Dr. phil. Thorsten Unger
Schloßstr. 29
49074 Osnabrück
Tel.: +49 541 33162-31
Fax: +49 541 33162-62
thorsten.unger@uni-osnabrueck.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Neuigkeiten, 2023

Rhein-Sieg Eisenbahn digital und in Sankt Augustin

Mehr als 2.500 Dokumente der Rhein-Sieg Eisenbahn aus den Jahren 1860 bis 1970 wurden im Stadtarchiv Sankt Augustin digitalisiert und sind nun für alle online frei abrufbar.

„Das ist eine Fundgrube für Eisenbahnfreunde genauso wie für historisch Interessierte der ganzen Region“, freut sich Stadtarchivar Michael Korn. Durch das Stadtarchiv Sankt Augustin sind mehr als 2.500 Dokumente der Rhein-Sieg Eisenbahn aus den Jahren 1860 bis 1970 online gegangen und nun für alle frei abrufbar – Lagepläne sowie Zeichnungen von Gebäuden, Brücken, Oberbauten, Fahrzeugen, mehrere Dampflok-Betriebsbücher und viele weitere Unterlagen zur ersten dem öffentlichen Verkehr dienenden Schmalspurbahn Deutschlands. Diese firmierte zunächst als Brölthaler Eisenbahn und betrieb Strecken von Waldbröl bis Beuel sowie von Asbach und Oberpleis bis Siegburg.


Abb.: Carsten Gussmann und Ulrich Clees vom Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn Asbach bestaunen mit dem Asbacher Ortsbürgermeister Franz-Peter Dahl und dem Sankt Augustiner Stadtarchivar Michael Korn (v.l.) einige der historischen Pläne (Foto: Stadt Sankt Augustin).

Möglich wurde die Digitalisierung der Unterlagen durch die Kooperation mehrerer Privatleute und des Stadtarchivs Sankt Augustin mit dem Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn in Asbach/Westerwald, dessen kompletter Planbestand auf diese Weise online zur Verfügung steht. Damit sind erstmals seit mehr als fünfzig Jahren große Teile der erhalten gebliebenen Papierdokumente physisch an einem Ort versammelt und zudem digital nutzbar.

Von den beiden Herzkammern der Rhein-Sieg Eisenbahn-Forschung spricht Ulrich Clees vom Asbacher Museum: „Die eine Herzkammer ist unser Museum, die andere ist das Stadtarchiv Sankt Augustin.“ Franz-Peter Dahl, Ortsbürgermeister von Asbach ergänzt: „Die gute Kooperation der beiden zeigt, dass durch beide Kammern dasselbe Blut fließt.“ Weil die Ortsgemeinde Asbach – sie ist Trägerin des Museums – kein historisches Archiv unterhält, hatte Dahl im Jahr 2020 mit seinem damaligen Sankt Augustiner Amtskollegen einen Vertrag geschlossen, in dem geregelt ist, dass die Eigentumsrechte in Asbach verbleiben, die Zeichnungen aber dauerhaft im Stadtarchiv Sankt Augustin archiviert werden. Carsten Gussmann und Ulrich Clees vom Asbacher Museum vermittelten weitere Sammlungen an das Stadtarchiv und erfassten Blatt für Blatt in einer Datenbank.

Die Finanzierung der hochwertigen Digitalisierung wurde durch das Projekt „WissensWandel“ im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) geförderten Programms “Neustart Kultur” ermöglicht. Die Digitalisate können über das Angebot des Stadtarchivs Sankt Augustin im bundesweiten Archivportal-D aufgerufen werden.

Dass überhaupt so viel Material erhalten geblieben ist, ist einigen engagierten Eisenbahnfreunden und Eisenbahnern zu verdanken, denn nach der Stilllegung der Bahn im Jahr 1967 übergab die Bahnverwaltung nur wenige Unterlagen an Archive. Der größte Teil der Firmenunterlagen wurde sich selbst überlassen – wenn sie überhaupt bis dahin überlebt hatten, denn ein beträchtlicher Teil des Firmenarchivs war bereits im Beueler Verwaltungsgebäude einem Rheinhochwasser zum Opfer gefallen. Aus den übrigen, am ehemaligen Firmensitz in Hennef nun herrenlosen Papieren nahmen Eisenbahner, was sie interessierte oder was sie anderweitig brauchen konnten. So hatte der Eisenbahnfreund Dirk Wilkesmann in den siebziger Jahren besonderes Glück, als er als Jugendlicher an einer Bushaltestelle einen RSE-Mitarbeiter beim Wechsel des Fahrplans antraf. Auf seine Frage, ob dieser noch alte Unterlagen der Rhein-Sieg Eisenbahn habe, antwortete ihm der RSE-Mitarbeiter, dass er noch ganz viel altes Papier von der Bahn zuhause habe, mit dem er eigentlich seinen Ofen anzünden wollte. Das dürfe der Eisenbahnfan haben. Dirk Wilkesmann nahm gerne an, es waren gut 1200 Blätter, die er nun alle dem Stadtarchiv Sankt Augustin überlassen hat.


Abb.: Lok 5“, Jung, Baujahr 1919 (Archivaliensignatur: Stadtarchiv Sankt Augustin, SN 175, 228), Sammlung Clößner/Gussmann/Clees/ Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn, Asbach >> Triebfahrzeug, Laufzeit: 08.10.1967, Provenienz: Willi Kissau, Maßstab: 1:20, Format: 31 x 86, Material / Beschreibstoff: Pergament, Bestand: SN 175 Sammlung Clößner/Gussmann/Clees/ Museum der Rhein-Sieg Eisenbahn, Asbach 

Der Grundstock der Zeichnungssammlung des Asbacher Museums kam von Bernhard Jordan, der als Zahnarzt in Hennef praktiziert hatte. Er war ebenfalls Eisenbahnfan und hatte es geschafft, am Tag vor dem Abriss des Hennefer Verwaltungsgebäudes einen Großteil der dort lagernden Pläne zu retten – so viel, wie in seinen Käfer passten. Das war der Inhalt eines der Kartenschränke, der noch erreichbar war. Vor dem zweiten Schrank war bereits der Boden eingebrochen, Herr Jordan kam nicht mehr sicher heran. Es war damals bereits dunkel, der Strom abgeschaltet, Herr Jordan konnte nicht erkennen, was er herausholte, alles auf gut Glück. Es waren uralte Zeichnungen aus der Frühzeit der Bahn dabei, aber auch viele nie ausgeführte Planungen. Für die späteren Museumsgründer Carsten Gussmann und Wolfgang Clößner war es wie Weihnachten und Ostern zugleich, als sie die Zeichnungen entgegennehmen durften.

Sind die Archivregale und -kartenschränke in Sankt Augustin damit nun voll? Der Stadtarchivar gibt Entwarnung. „Nein, wir haben noch ausreichend Platz für weitere historische Quellen zur Geschichte der Region.“ Es müssten auch nicht gleich tausend Objekte sein, die man abgebe. „Wenn uns jemand ein Foto etwa vom Familienausflug mit der Bahn überlässt, freuen unsere zahlreichen Nutzenden und wir uns ebenso darüber“, so Korn.

Links:

Kontakt:
Stadtarchiv Sankt Augustin
Markt 1
53757 Sankt Augustin
Telefon 02241/243-331
stadtarchiv@sankt-augustin.de
www.sankt-augustin.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Sankt Augustin, Pressemitteilung, 20.3.2023

Standortverlagerung des Stadtarchivs Koblenz beschlossen

Nach einer neuerlich kontroversen Debatte hat der Stadtrat der Stadt Koblenz nunmehr beschlossen, dass das Stadtarchiv Koblenz vorübergehend aus der Alten Burg am Rheinufer in den Kulturbau Forum Confluentes an den Zentralplatz umzieht. Dort soll es in den Räumen der „interaktiven Erlebnisausstellung Romanticum“ untergebracht werden.

Der Koblenzer Stadtrat beschloss mehrheitlich die Standortverlagerung des Stadtarchivs. Der bisherige Standort des  Stadtarchivs in der Alten Burg entspricht nicht mehr den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen und stellt eine gesundheitliche Gefährdung für die Mitarbeitenden dar. Daher wurden zwei Standortoptionen geprüft, und schlussendlich wurde sich für die Verlagerung in das Forum Confluentes entschieden.

Auch das Zentrale Gebäudemanagement der Stadtverwaltung Koblenz empfiehlt die Umsiedlung des Stadtarchivs in die bisherigen Räumlichkeiten des Romanticums. Dieses soll im Laufe des Jahres 2023 geschlossen werden. Eine weitere Betreibung des Romanticums wurde aufgrund von hohen Investitionsmaßnahmen ausgeschlossen. Zudem können durch eine Unterbringung des Stadtarchivs im Forum Confluentes die Bedeutung des Kulturbaus im Herzen der Stadt weiter gestärkt und Synergien zwischen den städtischen Kultureinrichtungen am Standort erzielt werden. Ebenfalls stimmt der Stadtrat einer außerplanmäßigen Auszahlung im Investitionshaushalt 2023 in Höhe von 1.030.000 Euro zu.

Kontakt:
Stadtarchiv Koblenz
Burgstraße 1
56068 Koblenz
Tel.: +49 261 129-2641
stadtarchiv@stadt.koblenz.de
stadtarchivkoblenz.wordpress.com/

Quelle: Stadt Koblenz, Pressemitteilung, 16.3.2023; Rhein-Zeitung, 19.3.2023

Großes Interesse bei der Eröffnung des Stadtarchivs Meerbusch in Osterath-Bovert

Am 11.3.2023 öffnete das neue Stadtarchiv Meerbusch in Osterath-Bovert erstmals seine Pforten für die Öffentlichkeit. Zahlreiche interessierte Meerbuscherinnen und Meerbuscher ließen sich von Stadtarchivar Michael Regenbrecht die Räumlichkeiten sowie einen Auszug aus den Archivalien zeigen. Bürgermeister Christian Bommers betonte in seiner Eröffnungsrede die Wichtigkeit des „historischen Gedächtnisses der Stadt“.


Abb.: Stadtarchivar Michael Regenbrecht führte die Interessierten durch das neue Gebäude und gab einen Überblick über das Archivgut (Foto: Stadt Meerbusch)

„Archive verwalten nicht nur Zeit, sie gehen mit der Zeit. Aus den finsteren Aktengräbern und staubigen Abstellkammern von einst sind moderne Informations-und Dokumentationszentren mit Bildungsauftrag geworden“, sagte Bürgermeister Bommers. Zudem trage ein Stadtarchiv dazu bei, dass Heimatgeschichte Identifikation schaffe und möglicherweise auch auf dem Weg in die Zukunft helfe. „In diesem Sinne freue ich mich, dass wir mit der Eröffnung unseres neuen Stadtarchivs nun ganz praktisch und greifbar Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbinden. Die Eröffnung des neuen Gebäudes ist für unsere gesamte Stadt ein selbstbewusster Schritt nach vorn. Darauf dürfen wir alle durchaus stolz sein“, so Bommers weiter.

Bei Führungen durchs Haus gab Stadtarchivar Michael Regenbrecht einen Einblick in das Archivgut und die Historie des Stadtarchivs selbst. Seine Mitarbeiterin Sandra Wilting zeigte den Interessierten die moderne Technik, mit der beispielsweise Archivgut digitalisiert werden kann.

Das neue Stadtarchiv am Neusser Feldweg in Osterath-Bovert hatte am Samstag, 11. März, erstmals seine Pforten für die Öffentlichkeit geöffnet. Nach dem symbolischen ersten Spatenstich im April 2021 und dem Richtfest knapp sechs Monate später hatten die Corona-Pandemie und der Kriegsausbruch in der Ukraine vor allem den Innenausbau des Hauses verzögert. Der aufwendige Umzug von der Adam-Riese-Schule in Büderich mit Tonnen von Archivmaterial und das Einräumen erforderten weitere Zeit. „Jetzt bin ich froh, dass wir das neue ‚historische Gedächtnis unserer Stadt‘ endlich den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen können“, so Christian Bommers.

Neben den klassischen Lagerbereichen mit insgesamt rund dreieinhalb Kilometern Rollregalen bietet das quaderförmige Gebäude auf knapp 500 Quadratmetern Platz für die Anlieferung, Säuberung, Sichtung und Digitalisierung neuen Archivguts. Dazu gibt es einen bunt gestalteten Besucherbereich und das Büro der Archivare. Über die technischen Anlagen des Erwin-Heerich-Hauses gleich nebenan wird der Neubau mit Energie versorgt. Das bestehende Treppenhaus mit Aufzug erschließt die oberen Etagen. Sensible Lüftungsgeräte regeln Temperatur und Luftfeuchtigkeit in den Lagerräumen, damit die Dokumente keinen Schaden nehmen. Eine klassische Heizung gibt es nicht, um eventuelle Risiken durch Rohrbrüche zu vermeiden. Lediglich das Achivbüro verfügt über eine Fußbodenheizung, eine Photovoltaikanlage auf dem begrünten Dach liefert Strom.

Zur Eröffnung hat Stadtarchivar Michael Regenbrecht eine eigene Broschüre über das neue Archiv und seinen Dokumentenbestand erstellt. Das Heft kann hier im PDF-Format (19MB) heruntergeladen werden: Stadtarchiv Meerbusch. Bilder – Daten – Fakten 1970 – 2023.

Kontakt:
Stadtarchiv Meerbusch
Neusser Feldweg
Osterath-Bovert
40670 Meerbusch
Michael Regenbrecht
Tel.: 02159 – 916 358
michael.regenbrecht@meerbusch.de
Sandra Wilting
Tel.: 02159 – 916 359
Sandra.Wilting@meerbusch.de

Quelle: Stadt Meerbusch, Nachrichten, 13.3.2023

Christliche Gemeinschaftsschule zu Gast im Stadtarchiv Gera

Auf den Spuren der Geraer Stadtgeschichte wandelten am 15. und 16. März 2023 mehrere Klassen der „Christlichen Gemeinschaftsschule Gera“ (CGG) im Stadtarchiv Gera. Hierbei nahmen die Erst- bis Drittklässler unter anderem das älteste im Stadtarchiv verwahrte Originaldokument aus dem Jahr 1436 in Augenschein und erfuhren Grundlegendes über die Aufgaben und die Arbeitsweise eines Archivs. Die Jungen und Mädchen interessierten sich besonders für historische Baupläne und Fotografien sowie Dokumente mit verschiedenen historischen Schriftbildern.

Foto: https://www.christliche-schule-gera.de/

Im Zuge der drei, jeweils fast zweistündigen Veranstaltungen wurde von den Kindern aber auch manch‘ originelle Frage gestellt, beispielsweise nach möglicherweise im Stadtarchiv verwahrten Schatzkarten, Edelsteinen oder Gemälden. Doch auch ganz praktische und zukunftsorientierte Themen beschäftigten die weit über 60 Schülerinnen und Schüler, zum Beispiel hinsichtlich der notwendigen beruflichen Qualifikation für die Arbeit in einem Archiv, der Arbeitszeiten, des Vorhandenseins eines Pausenraums oder auch die Frage, ob im Stadtarchiv zum Schutz der Unterlagen ausschließlich mit Handschuhen gearbeitet werden darf.

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Gera, News, 16.3.2023

Tod in Stasi-Haft: Das Leben des Matthias Domaschk

Podcast über Peter Wensierski und sein neues Sachbuch „Jena-Paradies“.

Im April 1981 starb der 23-jährige Matthias Domaschk in Gera in der Untersuchungshaft der Stasi. Sein Tod war ein schockierendes Ereignis für seine Freunde, mit langanhaltenden Konsequenzen. Was aber genau führte zu diesem Moment? Der Journalist und Autor Peter Wensierski, der seit Jahrzehnten auch in Stasi-Unterlagen recherchiert, hat sich an die Rekonstruktion des Lebens und der letzten Tage von Matthias Domaschk gemacht. Im Gespräch mit Dagmar Hovestädt, Leiterin der Abteilung Vermittlung und Forschung des Stasi-Unterlagen-Archivs im Bundesarchiv und frühere Kollegin in der ARD-Kontraste-Redaktion, für den Podcast „111 Kilometer Akten. Der offizielle Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs“ (Folge 75 vom 14.12.2022) gibt er einen Einblick in seine aufwändige Recherche für ein neues Buch „Jena-Paradies. Die letzte Reise des Matthias Domaschk“.

Auszug aus dem Transkript zur Folge 75 des Podcasts „111 Kilometer Akten“:

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich viele Menschen mit dem Fall Matthias Domaschk beschäftigt. Als du vor zwei Jahren zu uns ins Stasi-Unterlagen-Archiv kamst, haben wir die Recherche noch mal ganz neu angelegt. Was war für dich denn wichtig im Zugriff auf die Unterlagen? Wo hast du angefangen, und wie hat sich das Feld möglicherweise verändert im Laufe der Recherche?

Die Stasi-Akten sind schon ein ziemlich heftiges Archivmaterial, man kann zwar manchmal auch lachen über die Schreib- und Tippfehler, die Formulierungen und das Unwissen mancher Offiziere, aber es ist ein Trauerspiel, was da vor einem liegt. Doch die Dokumente sind sehr nützlich zur Erkenntnisgewinnung und ein Schatz, ein seltener Fundus, um aus der Geschichte zu lernen. Ich habe nicht erwartet, der Weisheit letzten Schluss allein aus Stasi-Akten zu ziehen. Für mich waren die Gespräche mit den Zeitzeugen extrem wichtig. Ich sprach mit immer mehr Freunden und Freundinnen von Matthias Domaschk, die ich zum Teil überhaupt erst mal ausfindig machen musste. Und auch mit MfS-Mitarbeitern. Allerdings sind Zeitzeugenaussagen allein auch problematisch. Jeder hat andere Erinnerungen, es wird sich mitunter falsch erinnert. Auch in den Stasi-Akten stehen fehlerhafte Sachen, vor allem in den IM-Berichten.

Erst die Kombination von Zeitzeugengesprächen, von alten Fotos und anderen persönlichen Dokumenten, von MfS- und vielen anderen Akten ergibt dann ein Gesamtbild. Deshalb suchte ich auch in Archiven der Volkspolizei, der Transportpolizei, in Staats- und Landesarchiven, im Archiv von Carl Zeiss Jena, in polnischen und tschechischen Archiven.

Die Kerngeschichte ist, dass Matthias Domaschk in Stasi-Haft umgekommen ist und bis heute nicht so richtig klar ist, unter welchen Umständen. War das ein Ehrgeiz für dich, das mit dieser erneuten Recherche herauszufinden?

Ich wollte vor allem aus dem Leben von Matthias und dem seiner Freunde erzählen, denn das ist mir bisher zu kurz gekommen. Was war das für ein Jugendlicher, wovon träumte er, was wollte er? Was haben er und seine Freunde eigentlich genau gemacht? Mich interessierte der Ausbruch aus dem Reich der Eltern, der Aufbruch zu neuen Ufern. Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre ging es vielen jungen Menschen im Westen wie im Osten um eine Veränderung der jeweiligen Gesellschaft. Jena war in der DDR ein besonderer Kristallisationspunkt, eine Stadt der Jugend, mit Universität und Tausenden in den Lehrlings- und Jungarbeiterwohnheimen. Hier entstanden schon Mitte der 70er-Jahre legendäre Wohngemeinschaften. Das waren in den Augen der Ordnungshüter unkontrollierbare Treffpunkte. Die Jugendlichen versuchten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sie hatten Spaß am Zusammensein, an Kunst, Kultur, Büchern, Musik, Filmen. Sie trampten kreuz und quer durchs Land, zu Bluesfestivals, bis nach Polen, Bulgarien, Rumänien. Matthias interessierte sich sehr für die politischen Entwicklungen, als in Polen gestreikt wurde und die Solidarność entstand. Da hatten sie den Westdeutschen einiges voraus.

Ein Stück weit hast du das auch in den Akten nachvollziehen können?

Man muss sich Zeit nehmen für die Archivarbeit. Und gerade bei Stasi-Akten muss man nach Gegenüberlieferungen und Zusammenhängen suchen, aus einer IM-Akte allein geht zu wenig hervor. Die Recherche nahm teilweise kriminalistische Züge an. Dann war es auch sehr wertvoll, dass ich mit ehemaligen MfS-Mitarbeitern sprechen konnte, die natürlich auch Zeitzeugen sind. Nun gelten Stasi-Leute nicht als die Glaubwürdigsten, aber wenn sie was erzählen, kann man das abgleichen mit Akten, mit den Erinnerungen anderer Zeitzeugen, auch mit den Erzählungen anderer Stasi-Offiziere. Das lohnt und ist seit 30 Jahren zu wenig gemacht worden.

Als Journalist muss man bei einer Recherche ja immer mit möglichst vielen Leuten sprechen, die unterschiedlichsten Quellen nutzen. Von Betroffenen bis zu möglichen Tätern und Experten.

Link: Hier geht’s zur gesamten Folge des Podcasts „Tod in Stasi-Haft: Das Leben des Matthias Domaschk
Folge 75 vom 14. Dezember 2022″


Abb.: Informationsbericht des Operativen Einsatzstabes „Kampfkurs X“, datiert vom 10.04.1981 (Signatur: BStU, MfS, BV Gera, AP, Nr. 1097/81, Bl. 12-17)

Link: Ch. Links Verlag: Tod nach dem Stasi-Verhör – Das viel zu kurze Leben von Matthias Domaschk

Link: Matthias Schmidt (MDR KULTUR-Literaturkritiker): „Jena-Paradies“: Packendes Sachbuch über den Tod des DDR-Oppositionellen Matthias Domaschk, MDR Kultur, 15.3.2023