Archiv und Wirtschaft 2/2020

In Kürze erscheint die Ausgabe 2/2020 von „Archiv und Wirtschaft“, der Zeitschrift der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e.V. (VdW).

Inhaltsverzeichnis „Archiv und Wirtschaft“ 2/2020

AUFSÄTZE

Peter Gleber: „Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht“. 15 Jahre Genossenschaftshistorisches Informationszentrum (60-67)
Michael Hartmann: Einschneidende Geschichte: STIHL Contra – Eine Säge wird 60. Bericht zu einem Produkt-Jubiläum aus Sicht des STIHL Unternehmensarchivs (68-75)
Vivian Strotmann und Stefan Przigoda: Gängige Leistungsindikatoren – Versuch eines Vergleichs und Überlegungen zur indikatorischen Handhabung elektronischer Nutzeranfragen (76-86)
BERICHTE

Benjamin Obermüller: Jahresbericht 2019/2020 des regionalen Arbeitskreises Düsseldorf der VdW (87-90)
REZENSIONEN

Louis P. Cain, Price V. Fishback and Paul W. Rhode (Ed.): The Oxford Handbook of American Economic History (Niklas Hellmich) (91-92)
Wiebke Glässer: Marktmacht und Politik. Das internationale Kartell der Ölgesellschaften 1960–1975 (Siegfried Buchhaupt) (92-94)
Alfred Reckendrees: Beiersdorf. Die Geschichte des Unternehmens hinter den Marken NIVEA, tesa, Hansaplast & Co. (Volker Beckmann) (94-96)

Nachrichten (96-97)
Leserforum (98)
Rezensionsliste (99-100)
Impressum (104)

Kontakt:
Dr. Martin Münzel
c/o F. Hoffmann-La Roche AG
„Archiv und Wirtschaft“
Bau 52/111
CH – 4070 Basel
Telefon: (0049) (0)159-06825241
martin.muenzel@wirtschaftsarchive.de
http://www.wirtschaftsarchive.de/veroeffentlichungen/zeitschrift

Bestandserhaltung im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg

„Papier ist nicht geduldig! Bestandserhaltung im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg“ heißt eine Ausstellung, die vom 29. Juni bis 6. September im Stadt- und Stiftsarchiv, Wermbachstraße 15, zu sehen ist. Die Eröffnung wird am Freitag, 26. Juni, um 15 Uhr als Livestream auf der Facebook-Seite des Archivs übertragen (www.facebook.com/stadtarchivaschaffenburg/).

Die historischen Dokumente des Aschaffenburger Stiftsarchivs werden seit dem vergangenen Jahr im Rahmen eines großen, mit Bundesmitteln geförderten Projekts umfassend konservatorisch behandelt und gesichert – und damit „fit für die Zukunft“ gemacht. Diese „Bestandserhaltung“ ist eine zentrale Aufgabe in Archiven.

Die Ausstellung präsentiert ausgewählte Archivalien aus dem Stiftsarchiv und aus den anderen Arbeitsfeldern des Stadt- und Stiftsarchivs: Mit welchen „Schadensbildern“ werden die Archivar*innen konfrontiert? Was ist „Tintenfraß“? Welche Gefahren bestehen bei einem Schimmelbefall in Archiven und Bibliotheken?

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht außerdem eine Präsentation des Arbeitskreises Nordrhein-Westfälischer Papierrestauratoren, in der typische Schäden und Restaurierungsmethoden, aber auch geeignete Verpackungen und Lagerungsbedingungen vorgestellt werden. Einen spannenden Einblick in die Entstehung von Handschriften in Klöstern vor der Erfindung des Buchdrucks vermittelt die Schau „Im mittelalterlichen Skriptorium“.

„Papier ist nicht geduldig!“ ist eine Ausstellung im Rahmen des Projekts „Stiftsarchiv Aschaffenburg: Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen an einem gefährdeten historischen Altbestand“ (Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Sondermittel zur Erhaltung des schriftlichen Kulturguts in Deutschland) und findet mit Unterstützung des Allgemeinen Schul- und Studienfonds Aschaffenburg, der Firma Schempp Bestandserhaltung GmbH sowie des Arbeitskreises Nordrhein-Westfälischer Papierrestauratoren e.V. statt. Der Ausstellungsteil „Im mittelalterlichen Skriptorium“ ist von Dr. Alice Selinger (Dreieich) erarbeitet worden.

Geöffnet ist die Ausstellung montags bis freitags von 11 bis 16 Uhr sowie am Samstag und Sonntag, 4. und 5. Juli, 1. und 2. August und 5. und 6. September jeweils von 11 bis 16 Uhr.

Der Eintritt ist frei.

Es gelten die aktuellen Verhaltensregeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie.

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: +49 6021 4561050
Telefax: +49 6021 29540
stadtarchiv@aschaffenburg.de

Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz ist 90 und voll

Eigentlich ist es ein Grund, glücklich zu sein: Das Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer hat von Jahr zu Jahr mehr zu tun. Historiker und Ahnenforscher wälzen im Lesesaal Papier. Es gibt Lesekurse für alte Handschriften und Drucke, Pfarrer und kirchliche Verwaltungsmitarbeiter lassen sich in Aktenführung fortbilden. Bei der Online-Recherche gewährt das evangelische Kirchenbuchportal Archion Einblick in die digitalen Schätze des Archivs.

„Doch wir platzen aus allen Nähten“, sagt Archivdirektorin Gabriele Stüber zwischen Geburtstagsfreude und Kummer. Viele Pfarrämter trennten sich von ihren Aktensammlungen und schickten sie nach Speyer. Das Zentralarchiv am Domplatz 6 mit seinen bemerkenswerten Sammlungen, etwa zur Ostasienmission, zur Volksfrömmigkeit sowie zu Gesangbüchern und Bibeln, hat im 90. Jahr seines Bestehens vor allem ein Platzproblem und auch zu wenig Personal. Schon seit Jahren suche das Archiv ein Außenmagazin in oder um Speyer, erzählt Stüber.

Abb.: Sucht seit Jahren ein Außenmagazin: Archivdirektorin Dr. Gabriele Stüber (Foto: Landry)

Am 27. Mai 1930 ordnete der Landeskirchenrat die Gründung eines Archivs an, Pfarreien wurden aufgefordert, genaue Verzeichnisse ihrer Akten zu erstellen. Nach der Trennung von Staat und Kirche 1919 im Zuge der Weimarer Verfassung erkannte die Landeskirche, dass sie ihre in Pfarrämtern und Dekanaten verstreuten Unterlagen in einem zentralen Archiv sichern müsse, sagt Stüber.

Nur dadurch, so das Kalkül der Kirchenleitung, könne man seine Rechte gegenüber staatlichen Stellen und Privatpersonen geltend machen – und eine Erforschung der landeskirchlichen Geschichte ermöglichen. Auch die Feier des 400. Protestationsjubiläums 1929 in Speyer habe die Identität der Pfälzer Protestanten gestärkt und die Bedeutung historischer Dokumente bewusst gemacht. Über Ausstellungen, die Presse, Fachliteratur und das Internet vermittelt das Archiv die Bedeutung kirchlicher Themen. Schulen liefert es Arbeitsmaterialien zur Kirchenge­schich­te. Das internationale Interesse richtet sich vor allem auf Kirchenbücher und das Archiv der Ostasienmission. Dieses dokumentiert seit 1977 die Arbeit des 1884 in Weimar gegründeten „Allgemeinen Evangelischen Missionsvereins„.

Jetzt hat das Archiv eine überarbeitete Internetseite. „Gerade in Corona-Zeiten hilft die digitale Verfügbarkeit von Unterlagen, Anfragen zu bedienen“, sagt Stüber.

Kontakt:
Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz
Domplatz 6
67346 Speyer
Telefon: 06232/667-180
Telefax: 06232/667-234
zentralarchiv@evkirchepfalz.de
www.zentralarchiv-speyer.de

Quelle: Alexander Lang, Evangelischer Kirchenbote. Sonntagsblatt für die Pfalz, 5.6.2020

München zwischen Oktober 1918 und Juni 1919

Neue Publikation des Stadtarchivs München.

Die Beiträge der erfolgreichen Vortragsreihe des Stadtarchivs München, „Machtwechsel. München zwischen  Oktober 1918 und Juli 1919“, erscheint nun als reich bebilderte Publikation im Münchner Volk Verlag.

Abb.: Friedenskundgebung auf der Theresienwiese, 7. November 1918 (Foto: Stadtarchiv München: FS-REV-001)

Neun Monate – von Oktober 1918 bis Juni 1919 – veränderten das Gesicht der Stadt München grundlegend. Kriegserfahrung, Hungerwinter, Revolution und Räterepublik, Ende der Monarchie, Demobilmachung, blutige Straßenkämpfe und die Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft, schließlich ein demokratischer Neuanfang auf kommunaler Ebene, aber auch besorgniserregende Vorzeichen von Inflation, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise – das sind die komplexen und eng miteinander verwobenen Ereignisse und Zäsuren jener Zeit.

Das Stadtarchiv München widmete der Revolutions- und Rätezeit  2018/19 eine Vortragsreihe, in denen die Geschehnisse anhand von teilweise neuen Archivquellen und Zeitzeugnissen nacherzählt, aber auch rückblickend analysiert und gedeutet sowie in einen größeren zeitlichen Kontext gestellt wurden. Die überarbeiteten und mit eindrucksvollem Bildmaterial versehenen Beiträge der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs und der Staatlichen Archive Bayerns erscheinen nun als Buch.

Eine Buchpräsentation ist derzeit corona-bedingt leider nicht möglich.

Info:
Elisabeth Angermair/Andreas Heusler (Hg.)
„Machtwechsel. München zwischen Oktober 1918 und Juni 1919“
Volk Verlag : München 2020
ISBN: 978-3-86222-337-4; 24,90 € (zu erwerben im Buchhandel)

Kontakt:
Stadtarchiv München
Winzererstr. 68
80797 München
Tel. 089/2330308
stadtarchiv@muenchen.de

Digitales Kreisarchiv Calw verfügt jetzt über 270.000 Dateien

Stöbern in 122 weiteren alten Zeitungsjahrgängen möglich

Im Sommer 2018 ist das „digitale Kreisarchiv“ des Landkreises Calw online gestellt worden (siehe Bericht vom 29.8.2019). Seit kurzem sind im digitalen Calwer Kreisarchiv sage und schreibe 150.000 weitere Dateien zugänglich. „Damit stehen nunmehr rund 270.000 Digitalisate zur Verfügung“, erklärt Kreisarchivar Martin Frieß mit berechtigtem Stolz. Für alle an der Heimatgeschichte Interessierten oder sonst nach alten Zusammenhängen Suchenden ist das eine riesige Hilfe beim Recherchieren. Neu hinzugekommen sind Seite für Seite 122 Zeitungsjahrgänge des „Gesellschafters“. Dieser spiegelt auch die Entwicklung des Zeitungswesens. Vom einmal wöchentlich herausgegebenen Intelligenzblatt für mehrere Oberämter in der Art eines Amtsblatts mit etwas Unterhaltung erfolgte der Wandel bis zur sechs Mal wöchentlich erscheinenden Tageszeitung mit Berichten aus dem Kreisgebiet und aus aller Welt.

Wie beim schon länger bereitgestellten, anfangs „Wöchentliche Nachrichten für die Oberamtsbezirke Calw und Neuenbürg“ genannten Vorgänger der Kreisnachrichten und des Schwarzwälder Boten ist das Auffinden des jetzt hinzugekommenen Gesellschafters – der 1822 als „Intelligenzblatt für die Oberamtsbezirke Tübingen, Rottenburg und Nagold“ startete – denkbar einfach. Über die Internetadresse https://digital.kreisarchiv-calw.de kann direkt in die Sammlung gestartet werden. Wer mit dem Internet umgehen kann findet sich leicht zurecht: Alle Zeitungen ab 1850 und jünger sind mit Volltexterkennung – auch 05.05.2020 10:09 als OCR bekannt – versehen. Es muss also nur ein Begriff oder Name eingegeben werden, und schon erscheinen die Ausgaben, in denen das Wort vorkommt.

Auch Kalender- und weitere Suchfunktionen vorhanden
Weitere Suchmöglichkeiten bietet bei den Zeitungen die Kalenderfunktion: Klickt man auf eine Jahreszahl, wird ein Kalender mit den Erscheinungstagen angezeigt. Jetzt muss nur das gesuchte Datum angeklickt werden, schon zeigt der Bildschirm die betreffende Tagesausgabe. Gesucht werden kann auch nach verschiedenen Themen, Autoren, Verlagen, Verlagsorten oder Erscheinungsjahren. Das Digitalarchiv hat noch mehr zu bieten als Zeitungen. So sind dort Oberamtsprotokolle und ältere Kreistags-Niederschriften bis 1997 zu finden. In historischer Literatur kann geblättert werden und auch 14 Adressbücher zeigen Entwicklungen im Altkreis Calw auf, der ja das ehemalige Oberamt Neuenbürg bis zur Kreisreform 1973 komplett mit umfasste. In Arbeit ist die Digitalisierung und Aufnahme vom „Enztäler“ mit Vorgänger-Blättern bis 1945.

Martin Frieß weist darauf hin, dass das Projekt auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung, Schonung und Erhaltung der Originale ist. Sie werden jetzt nur noch selten für Präsentationen oder bei Führungen gebraucht. Zeitungen wurden bekanntlich nicht für die Ewigkeit gemacht. Die Digitalisierung erhält jetzt die Informationen, solange sie auf dem alten Zeitungspapier noch lesbar sind. Die Sicherung der Daten erfolgt im elektronischen Langzeitarchiv des Landratsamts. Außerdem werden sie auf dem Server des Hochschulbibliothekszentrums Köln gespeichert, mit dem der Dienstleister des Calwer Kreisarchivs zusammenarbeitet.

Calw unter den Kommunalarchiven im Land führend
Bei der Digitalisierung von Archivalien ist Calw im Bereich der Kommunalarchive im Land führend und findet deutschlandweit Beachtung. „Immer wieder wird nachgefragt, wie man so was macht und was dabei zu beachten ist“, sagt Martin Frieß. Die meisten digitalisierten Archivalien kommen aus dem Bestand des Kreisarchivs Calw. Aber beim „Gesellschafter“ gab es Lücken. Diese konnten mit Hilfe des Stadtarchivs Nagold und der Druckerei Zaiser als einer ursprünglichen Herausgeberin in der ehemaligen Oberamtsstadt gefüllt werden. Auch beim zu 90 Prozent erfassten „Enztäler“ wird noch das eine oder andere Exemplar vom Neuenbürger Stadtarchiv benötigt, mit dem Kreisarchivar Martin Frieß in Verbindung steht.

Das Einscannen übernimmt eine zuverlässige Esslinger Firma, die Präsentation ein Unternehmen mit Hauptsitz in Bielefeld von seinem Betrieb in Aachen aus. Die jetzt neu aufgenommenen Daten haben 25.000 Euro Aufwand verursacht. Interessierten stehen sie kostenlos zur Verfügung. Das Interesse an dem digitalen Material unterstreicht die automatisch erfasste Statistik: 2019 erzeugten 13.055 unterschiedliche Nutzer 164.860 Zugriffe und luden sich 918 Dateien herunter. In diesem Jahr werden diese Zahlen wohl übertroffen, denn schon jetzt sind knapp über 90.000 Zugriffe registriert. Auch die Verweildauer der einzelnen Besucher wird erfasst: Im letzten Jahr waren dies 38 Minuten; 2020 liegt sie bei gut zweidreiviertel Stunden. „Das kann eventuell der Corona-Krise geschuldet sein“, meint Kreisarchivar Martin Frieß.

Linkhttps://digital.kreisarchiv-calw.de/

Kontakt:
Kreisarchiv Calw
– Schulen und Kultur
Kultur und Kreisarchiv –
Martin Frieß
Vogteistraße 42-46
75365 Calw
Telefon: 07051/160-314
Fax: 07051/795-314
Martin.Friess@kreis-calw.de

Quelle: Hans Schabert, 213. Nachrichtenbrief (2020), Kreisgeschichtsverein Calw e.V., S. 12; Schwarzwälder Bote, 19.5.2020

Die Michelsburg bei St. Lorenzen

Archivale des Monats Mai 2020 im Südtiroler Landesarchiv.

Die Michelsburg, eigentlich St. Michaelsburg, wurde im späten 12. Jahrhundert als Lehen der Bischöfe von Brixen vermutlich von den Grafen von Andechs errichtet. Nach deren Entmachtung fiel sie um 1210 an die Grafen von Tirol und anschließend an die Görz-Tiroler. Seit dem 13. Jahrhundert war die Burg auch Sitz des gleichnamigen Gerichts, das zunächst an Dienstleute (Ministerialen) ausgegeben wurde, ab dem 14. Jahrhundert wurden eigene Pfleger mit der Verwaltung von Burg und Gericht betraut, die ihrerseits Richter einsetzten oder selbst als Burghauptmann und Richter fungierten.

Die Michelsburg, 1941 (Bildarchiv Mario und Benjamin Geat, Nr. 1008, Südtiroler Landesarchiv)

Im Jahr 1500 fiel das Görzer Erbe im Erbweg an die Habsburger und wurde territorial mit der Grafschaft Tirol vereinigt. Wenige Jahre später verpfändete Maximilian I. jedoch die Burgen Michelsburg, Schöneck, Uttenheim und Heinfels für 24.000 Gulden an den Bischof von Brixen. Doch blieb es nicht dabei: Die Burg und das Landgericht Michelsburg, das seinen Sitz zu dem Zeitpunkt jedoch bereits in einem eigenen Gerichtsgebäude in St. Lorenzen hatte, durchlebten im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Besitzerwechsel; zeitweise wurde die Burg wieder vom Landesfürsten übernommen, an verschiedene Adelsfamilien zu Lehen ausgegeben, einige Zeit auch vom Damenstift in Hall genutzt, fiel dann wieder an das Hochstift Brixen und wurde schließlich wiederum vom Tiroler Landesfürsten übernommen. 1678 wurden Burg und Gericht an die Freiherren von Künigl verpfändet, 1810 wurden die Gerichte Michelsburg, Schöneck, Bruneck und Sonnenburg unter bayerischer Herrschaft zum Landgericht Bruneck vereinigt. Wieder unter österreichischer Herrschaft wurden die Rechte der Grafen Künigl 1827 endgültig abgelöst, das Gericht ging in die staatliche Verwaltung über und wurde endgültig in das Landgericht Bruneck einverleibt, während die im Wesentlichen funktionslose Burg ins Eigentum der Künigl überging, die sie schließlich 1969 verkauften.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Michelsburg, hier in einer Aufnahme von Mario Geat aus dem Jahr 1941, bereits stark von Verfall gekennzeichnet, Teile der Burg waren eingestürzt. Erst in den 1960er Jahren wurden erste Sicherungsmaßnahmen eingeleitet, in den 1990er Jahren folgten durch den aktuellen Eigentümer umfangreiche Sanierungsmaßnahmen, die der Burg ihr altes, beeindruckendes Gepräge wiedergegeben haben.

Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats, 6.5.2020

Evangelische Bühnengilde Koblenz

Digitale Ausstellung des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland

Dank der Deutschen Digitalen Bibliothek konnte die Zeit im Home Office ideal genutzt werden. Das neue Ausstellungs-Tool DDB Studio erlaubt es selbst dem größten Technikmuffel eine digitale Präsentation zu gestalten, sofern man geeignetes Schaumaterial zur Verfügung hat. Die DDB bietet das Programm kostenfrei für bei ihr registrierte Institutionen an und steht dabei jederzeit mit guten Rat und, sofern nötig, auch Tat zur Seite. Eine einmalige Möglichkeit, die Bestände der Kultureinrichtungen einem breiten Publikum zu eröffnen.

Um einen Einblick in den Bestand des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland zu geben, wurden einige der dortigen Fotoschätze mit dem Programm DDB Studio in einer digitalen Ausstellung arrangiert. Die Bilder stammen aus dem Nachlass Walter Hoerder und dokumentieren die Arbeit der Evangelischen Bühnengilde Koblenz (EBK). Die Ausstellung zeigt eine Auswahl des Repertoires der Laienschauspieltruppe und skizziert anhand dessen die 14-jährige Geschichte der EBK.

Abb.: An einem sogenannten Grenzlandabend 1934 führte die EBK das Drama ‚Ostmark‘ von Berthold H. Withalm im Sinne des völkisch-nationalen Zeitgeistes auf. Walter Hoerder begrüßte den nationalen Aufbruch und glaubte an eine friedliche Rückgewinnung deutscher Gebiete im Osten unter Hitlers „genialer Führung“: „Inzwischen aber fiel der Vorhang über einem tragischen Aufzug unserer Geschichte […]. Die Szene wechselte nun und zeigte gottlob ein freundliches hoffnungsreiches Bild“ (Hoerder im Jahresbericht über die Arbeit der Evangelischen Bühnengilde Koblenz im Winter 1933/34)

Die Journalistin Bettina Förster untersuchte im Archiv Boppard den Nachlass von Walter Hoerder, weil sie bei Prof. Dr. Volker Neuhaus an der Universität zu Köln über die Entwicklung des evangelischen Laienspiels von der Weimarer Republik bis 1959 promoviert. Hier beantwortet sie einige Fragen zur Motivation und Tätigkeit der Gilde.

Was zeichnete die Arbeit der EBK aus?
Walter Hoerder war während der gesamten Zeit von 1922 bis 1935 der verantwortliche Leiter der Bühnengilde. Er wirkte auch als Regisseur und übernahm Rollen. Wenn man die zahlreichen Kisten aus seinem Nachlass durchsieht, dann wird ganz schnell klar, dass er und die Gruppe diese Arbeit mit großer Leidenschaft gemacht haben. Die Aufführungen sind durch Fotos, Berichte und Zeitungsartikel akribisch dokumentiert. Sie haben in der Online-Ausstellung, die Sie gemacht haben, eine repräsentative Auswahl getroffen. Eigentlich war Hoerder gelernter Bankkaufmann und auch die anderen Spieler waren alle Laien. Die Kulissen und Kostüme gestalteten sie sehr aufwendig – es muss stundenlang gedauert haben, diese Kostüme zu nähen. Die jungen Erwachsenen spielten aber nicht nur zusammen Theater, sondern sie machten auch Wanderungen oder Singabende. Seine Nichte hat mir geschrieben, dass die Spieler eine intensive Freundschaft verband. Offiziell hieß es, dass die EBK an Gemeindeabenden das „ausserkirchliche Leben in bewusst deutsch-evangelischem Sinne“ [Hoerder, Walter: 10 Jahre Evangelische Bühnengilde Koblenz. In: AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18] fördern wollte. Einige Berichte hat Hoerder auch in der Zeitung Das Evangelische Rheinland geschrieben und hier formuliert er, dass sie spielten, weil sie innerlich ergriffen waren.

Wovon waren die Spieler ergriffen?
Vom Theaterspielen und vom Gemeinschaftsgedanken. Die Einnahmen wurden traditionell nach Abzug der Unkosten gespendet. Hoerder dokumentiert zum Beispiel über die Spielzeit Winter 1933/34, dass sie neben dem Anliegen „in volksbildnerischer Weise in der Gemeinde künstlerische Arbeit“ [Hoerder, Walter: Bericht vom 28. Mai 1934. In: AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18] zu leisten auch den Zweck darin sahen, die Not mit dem Ertrag zu lindern. So gingen auch aus dieser Saison die Eintrittsgelder nach Abzug der Unkosten an die Armenpflege der Gemeinde und an das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes. Dieses gilt als wichtiges Propagandaelement der Nationalsozialisten. Hoerder war begeistert vom Nationalsozialismus. Sie spielten auch für die Hitler-Jugend. 1933 wollte er Schlageter aufführen, das erfolgreiche Stück vom Nationalsozialisten Hanns Johst, aber er bekam die Rechte dafür nicht.

Was ist über den Spielplan zu sagen?
Auffällig ist die Bandbreite des Spielplans und die Tatsache, dass die EBK Stücke des Berufstheaters aufführte. So gaben sie zum Beispiel 1926 auch den Jedermann von Hugo von Hofmannsthal. Beim Publikum besonders beliebt und erfolgreich waren Lustspieldarbietungen. Bei der Aufführung von Die goldene Eva von Franz von Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld im November 1931 war der Saal wohl „beängstigend“ überfüllt. Die Bühnengilde führte aber auch Stücke auf wie 1929 Zeitenwende vom Laienspielautor Paul Figge. Zu dieser Aufführung kamen sogar dreitausend Besucher.

Warum hörte die Arbeit auf?
Das war ein längerer Prozess. Kurz zusammengefasst: 1934 gab es Korrespondenzen mit dem Stadttheater, der Landesstelle des Propagandaministeriums und der Reichstheaterkammer. Darüber berichtet Hoerder 1935 im Evangelischen Sonntagsblatt. Werke der Berufsbühne und abendfüllende Stücke wurden ihnen nicht mehr erlaubt und Hoerder wollte keinen „kunstlosen Vereinsbühnenkitsch“ fabrizieren. Pastor Wilhelm Winterberg sprach ihm für seine Arbeit innigen Dank aus, aber dies kann Hoerder nicht wirklich getröstet haben. Er schrieb in einem Bericht im Oktober 1935 wehmütig, dass ihm der Abschied besonders schwerfiel.

Quelle und Interview: Maike Schwaffertz: Die evangelische Bühnengilde Koblenz – Eine digitale Ausstellung mit DDB Studio, in: blog.archiv.ekir.de. Blog des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland, 22.5.2020

Link: Digitale Ausstellung „Evangelische Bühnengilde Koblenz“

Kontakt:
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland
Hans-Böckler-Straße 7
40476 Düsseldorf
www.archiv-ekir.de

Düren dokumentiert aktuelles Zeitgeschehen

Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Düren will Alltagserfahrungen in Corona-Krise für die Zukunft bewahren

Seit Beginn des Jahres 2020 hat das Stadt- und Kreisarchiv Düren einen neuen Leiter, Daniel Schulte, der sich nun mit einem Appell an die Öffentlichkeit wendet: „Das Corona-Virus verändert zurzeit das Leben von uns allen. Einwohnerinnen und Einwohner des Kreises Düren, die über ihr aktuelles Leben analog oder digital Tagebuch führen, oder die Auswirkungen der Pandemie auf andere Weise dokumentieren (Fotos oder Filme) möchten wir bitten, diese dem Stadt- und Kreisarchiv Düren nach der Krise zur Verfügung zu stellen. Wir würden die wertvollen Quellen zu diesem Zeitgeschehen sehr gerne archivieren (Kontakt: stadtarchiv@dueren.de).“

Abb.: Der Leiter des Stadt- und Kreisarchivs Düren, Daniel Schulte (Foto: K. Hennecken)

Diplom-Archivar Daniel Schulte ist sich bewusst: Was heute Gegenwart ist, ist die Vergangenheit von Morgen und muss im Gedächtnis von Stadt und Kreis, also im Archiv, nicht nur aufbewahrt werden, sondern auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Daniel Schulte war zehn Jahre im Landesarchiv NRW in Münster tätig, hat das Stadtarchiv Steinfurt geleitet und war zuletzt stellvertretender Leiter des Archivs im Rhein-Sieg-Kreis.

Nach Düren hat er viele Ideen und Pläne mitgebracht, die er nach einer Einarbeitungszeit durch seinen Vorgänger Hans Helmut Krebs nun gemeinsam mit dem Team des Stadt- und Kreisarchivs umsetzen will. Dazu gehört neben der Bestandspflege, dem Ausbau der Digitalisierung, Ausstellungen und Publikationen zu Jubiläen auch als ein Schwerpunkt die Intensivierung der Archivpädagogik. Daniel Schulte: „Ich sehe das Stadt- und Kreisarchiv als modernen Dienstleistungsbetrieb, der sich den Herausforderungen des Digitalen Zeitalters in ganz besonderem Maße stellen muss. Wir sind die kulturelle Schatzkammer des Kreises und der Stadt Düren und begrüßen es, wenn unsere Bestände nicht nur durch Verwaltungsakten, sondern auch durch alte Briefe, Fotos, Nachlässe, Vereinsunterlagen und Urkunden von den Bürgerinnen und Bürgern Dürens ständig weiter ergänzt werden.“

Link:
Interview mit Kreisarchivar Daniel Schulte: Aktuelles Zeitgeschehen dokumentieren (Aachener Nachrichten, 8.5.2020)

Kontakt:
Daniel Schulte
Leiter des Stadt- und Kreisarchivs
Haus der Stadt, Zimmer B 213
Stefan-Schwer-Straße 4-6
52349 Düren
Telefon: 02421 25-2555
Telefax: 02421 25-180-2550
d.schulte@dueren.de
www.dueren-kultur.de

Quelle: Stadt Düren, Pressemitteilung, 6.5.2020

 

Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 2/2020

Unter dem Titel „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ berichtet das Stadtarchiv Gera vierteljährlich über aktuelle Entwicklungen und historische Themen rund um eigene Arbeit. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie hatte auch das Stadtarchiv Gera für rund zwei Monate seine Türen für die öffentliche Benutzung schließen müssen. Unter Berücksichtigung der allgemein geltenden Hygieneregeln (Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und Einhaltung der Abstandsregeln) ist das Stadtarchiv Gera seit dem 18.5.2020 wieder für die Benutzung geöffnet. Da aufgrund der geltenden Hygienevorgaben nur eine beschränkte Anzahl an Benutzerinnen und Benutzern im Lesesaal zeitgleich forschen kann, ist eine vorherige schriftliche oder telefonische Anmeldung und Terminbestätigung durch das Stadtarchiv zur Einsichtnahme in das Archivgut unerlässlich.

In seinem 2. Informationsbrief 2020 spannt das Stadtarchiv Gera einen chronologischen Bogen von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit. Dabei werden die Streiche der „bösen Geraer Gassenjungen“ ebenso in den Blick genommen wie die um 1950 verpönte „Amerikanisierung im Tanzsaal“ in der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Wanderbericht aus einem historischen Stadtführer sowie die Bildvorstellung eines Exponates aus der neuen Ausstellung in der Geraer Kunstsammlung mit dem Titel „Wundersam Wirklich. Magischer Realismus aus den Niederlanden“ laden zur Erkundung der Stadt Gera und ihrer Sehenswürdigkeiten ein.


Abb.: Pyke Koch: Vrouwen in de straat (Frauen auf der Straße), 1962-1964

Zu dem Bild schreibt Dr. Claudia Schönjahn, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunstsammlung Gera, in den Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 1/2020: Pyke Kochs „Frauen auf der Straße“ könnten auch von dem Geraer „Spießerschreck“ Otto Dix stammen, der in den 1920er-Jahren mit seinen Darstellungen leichter Mädchen in aufreizender Haltung den braven Bürger provozierte. Der 1901 geborene niederländische Maler Pyke Koch, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Pieter Frans Christian hieß, benannte sich nach der Pykestraat, einer in Nimegens Rotlichtviertel gelegenen Straße, in der er einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Diese Kindheitserfahrungen prägten ihn grundlegend und so beschäftigte er sich in seinen Werken immer wieder mit Sexualität und Genderthemen zu einer Zeit, als dies noch ziemlich verpönt war. Tatsächlich ist der Titel „Frauen auf der Straße“, den der Maler seinem Gemälde gab, auch nicht ganz korrekt. Bei genauer Betrachtung wird erkennbar, dass die vermeintliche Dame in der Bildmitte mit roter Perücke und grauer Federboa eigentlich ein Mann ist, nämlich Pyke Koch selbst. Er und sein(e) Nachbar(in) zu seiner Rechten beobachten mit geöffneten Mündern einen Vorgang, der dem Betrachter verborgen bleibt, während die dritte Person im Bild ihren Blick in entgegengesetzte Richtung schweifen lässt. Die drei befinden sich vor einem herunter gekommenen Gebäude – der Ziegelbau mit dem metallenen Pflock im Vordergrund lässt an eine verlassene Fabrikhalle denken. Dass die drei eher am Rande der Gesellschaft stehen, wird nicht nur aus der Umgebung ersichtlich: Details wie die schlechten Zähne verweisen auf ihre prekäre soziale Stellung. Auch in weiteren Werken behandelt Pyke Koch solche Außenseiterthemen. So stellt er in seinem auf dem ersten Blick sehr romantisch wirkenden Gemälde mit dem Titel „Nocturne“ („Nachtstück“) ein Pissoir dar – ein bis dato unerhörtes Bildmotiv! Dazu kommt, dass solche Örtlichkeiten oft als Treffpunkt Homosexueller dienten. Auch hier lenkte er auf hintergründige Weise die Aufmerksamkeit auf Genderthematiken und war damit seiner Zeit voraus.

Die Ausstellung kann bis zum 30.8.2020 im Rahmen der Öffnungszeiten (Mittwoch bis Sonntag sowie an Feiertagen von 12.00 bis 17.00 Uhr) der Kunstsammlung Gera in der Orangerie besichtigt werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Gegen archivfachliche (Selbst-)Beschränkungen

In München steht ein Stadtarchiv.

Der Fachverband VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. appelliert in einer Stellungnahme an den Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt München, Dieter Reiter (SPD), bei einer geplanten Neuaufstellung des Stadtarchivs München archivfachliche Standards zu wahren und die Leitungsstelle fachlich zu besetzen (VdA-Stellungnahme vom 11.5.2020).

Das Stadtarchiv München gilt als eines der größten kommunalen Archive Deutschlands. Es ist eine Dienststelle des Direktoriums und gehört damit zum Aufgabenbereich des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München. Der seit 2008 amtierende Amtsleiter Dr. Michael Stephan ist zum 1.5.2020 in den Ruhestand getreten.

Abb.: Rand oder relevant? Selbstdarstellung des Stadtarchivs München auf seiner Homepage, Ausschnitt

Bereits Ende Juli 2019 hat die Münchner Stadtratsfraktion Die Grünen/Rosa Liste beantragt, das Stadtarchiv zum Institut für Stadtgeschichte umzuwidmen: „Das im Direktorium angesiedelte Stadtarchiv wird als Institut für Stadtgeschichte mit der ‚Stadtgeschichte‘ des Kulturreferats zusammengeführt und im Kulturreferat angesiedelt – in enger Kooperation mit Stadtmuseum, Jüdischem Museum und NS-Dokumentationszentrum.“ In ihrer Antragsbegründung führt die Fraktion aus: „In aller Regel sind Stadtarchive Teil der Kulturverwaltung (z.B. in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, Gelsenkirchen). Die Münchner Besonderheit, das Archiv im Direktorium anzusiedeln, scheint einem veralteten Verständnis geschuldet, das die Aufgabe tendenziell als reines Sammeln von Behördenakten versteht. Eine moderne und zeitgemäße Form verbindet die archivarische mit historischer, forschender und an ein breites Publikum vermittelnder Arbeit (sowie Beratung von Verwaltung und Politik). Darum ist eine Überführung in das Kulturreferat (in einer Organisationseinheit mit der Stadtgeschichte) und eine enge Zusammenarbeit mit Stadtmuseum, Jüdischem Museum und NS-Dokumentationszentrum sinnvoll. So schafft man ein einheitliches Kompetenzzentrum für die Geschichte unserer Stadt. Der Begriff Institut für Stadtgeschichte ist dafür angemessen. So heißen schon entsprechende Einrichtungen in Frankfurt am Main und in Gelsenkirchen.“ (Antrag der grünen Stadtratsfraktion vom 31.7.2019)

Vor dem Hintergrund des Amtsleiterabschieds und der Kommunalwahl im März 2020 wird dieser Antrag zur vermeintlichen „Weiterentwicklung“ des Münchner Stadtarchivs derzeit weiter diskutiert. – In einem auch im Internet veröffentlichten Schreiben an Oberbürgermeister Reiter vom 11.5.2020 äußert der VdA seine Sorge hinsichtlich einer Umbildung des Stadtarchivs zu einem Institut für Stadtgeschichte mit Zuordnung zum Kulturreferat. Mit dieser Umbildung würde nach Auffassung des VdA-Vorsitzenden Ralf Jacob, der selbst Leiter eines Stadtarchivs ist, „die Gefahr der Schwächung der archivischen Kernaufgaben und Verengung des Tätigkeitsspektrums auf die historische Bildungsarbeit“ einhergehen. Die zugleich im Raum stehende Infragestellung der Notwendigkeit einer archivfachlichen Leitung des Stadtarchivs München alarmiere den VdA zusätzlich.

In dem ausführlichen Schreiben des VdA an den Münchner Oberbürgermeister wird vor allem mit dem Mittel einer Trennung von Kern- und Randaufgaben in der Archivarbeit und dem vermeintlichen Vorrang der „archivischen Kernaufgaben“ argumentiert. Historische Bildungsarbeit und Archivpädagogik werden hingegen lediglich als Bereicherung des kommunalarchivischen Tätigkeitsspektrums interpretiert, die nicht „auf Kosten der archivischen Kernaufgaben“ geschehen dürften. Als Kernaufgaben werden die Überlieferungsbildung und Bewertung, die Erhaltung, Erschließung und Nutzbarmachung von Archivgut angeführt. Erst deren professionelle Erfüllung ermögliche letztlich die Bildungsarbeit.

Der VdA hebt zurecht auf die Behördenfunktion von Archiven ab, auf ihre wichtige Rolle hinsichtlich der Transparenz des Verwaltungshandelns und der Gewährung bürgerschaftlicher Rechte, ja, auf die demokratische „Systemrelevanz“ von Archiven gerade in Zeiten von Fake News-Konjunkturen. Der VdA spaltet aber unnötigerweise die archivischen Fachaufgaben in Kern- und Randgebiete auf, in wichtige und unwichtige, vorgeschaltete und nachgeordnete Tätigkeiten und trennt damit letztlich auch seine Mitglieder in vor- und nachrangige Kasten. Gerade unter Verweis auf das Bayerische Archivgesetz, das der VdA zur Definition der „Kernaufgaben“ als „Pflichtaufgaben“ anführt, wäre es geboten gewesen, im Sinne des notwendigen Plädoyers für eine archivfachliche Amtsleiterbesetzung und die Belassung des Münchner Stadtarchivs beim Direktorium des Stadtverwaltung den umfassenden, inklusiven Aufgabenkanon im zeitgemäßen Selbstverständnis des Archivwesens auszudrücken: „Archivierung umfaßt die Aufgabe, das Archivgut zu erfassen, zu übernehmen, auf Dauer zu verwahren und zu sichern, zu erhalten, zu erschließen, nutzbar zu machen und auszuwerten.“ (Art. 2 Absatz 3 Bayerisches Archivgesetz vom 22. Dezember 1989). Die Auswertung des Archivgutes ist eine facharchivarische Tätigkeit. Es dreht sich bei der Aufgabenwahrnehmung der Archivarinnen und Archivare nicht nur darum, das Archivgut „nutzbar und auswertbar“ zu machen, damit Dritte es auswerten können. Es verbirgt sich dahinter vielmehr das gesamte Spektrum archivischer Aufgaben und Kompetenzen, die nicht zuletzt von den auf den Feldern der Archivpädagogik und Historischen Bildungsarbeit Tätigen seit über 30 Jahren mühsam vom Außenseiterdasein mitten in die Archive hinein, um es in der Bildsprache des offenen Briefes zu formulieren: vom Rand zum Kern archivischen Selbstverständnisses getragen worden sind. – Es muss bei dem wichtigen Engagement für den Schutz der Archive vor politischen Beschneidungen auch hierum gehen. Fachliche Selbstbeschränkungen sind hingegen genau das falsche Signal.