Der grobe Gottlieb zu Dannenwalde

Was einen flüchtigen Strafgefangenen mit einer toten Preußenkönigin und sowjetischen Raketen verbindet.

Gleichsam am Ausgang des sogenannten Fürstenberger Zipfels, bis Ende 1933 zu Mecklenburg-Strelitz und seit Mitte 1950 zu Brandenburg gehörend, liegt das ehemalige Gutsdorf Dannenwalde. Der nebst Tornow südlichste mecklenburgische Ort, 1890 erstmals an der 200-Einwohner-Marke kratzend, zeigt auf dem Ansichtskartenmarkt verblüffende Präsenz. Dafür genügten im Grunde vier seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aufgenommene Fotomotive: das ganz gern als Schloss bezeichnete Guts- oder Herrenhaus, gefolgt von – in dieser Reihenfolge – Gastwirtschaft und neugotischer Oktogon-Kirche, und schließlich das 1877 errichtete Bahnhofsgebäude.

Die Häufigkeit des Gasthof-Motivs mag zunächst irritieren, aber das ändert sich bei genauerem Hinsehen. Denn die Ansichtskarten ließen den jeweiligen Dorfkrug-Inhaber nicht ungenannt: W. Albrecht, O. Günther, H. Lordain und Fritz Rickmann. Zumindest letzterer nannte sein mit drei verschiedenen Aufnahme-Perspektiven vertretenes Haus, vor welchem Hintergrund auch immer, „Der grobe Gottlieb“ und warb überdies mit „Gute Küche, solide Preise“.


Abb.: Dannewalde – Dorfstraße mit Gasthof (Foto: Landeshauptarchiv Schwerin: LHAS, 13.2-5, Nr. 1/170)

„Werbung“ ist dann wohl das Stichwort für die Präsenz der Wirtschaft auf den im Übrigen von verschiedenen Verlagen produzierten Ansichtskarten – die Inhaber nutzten sie für Werbezwecke. Einem der Verleger unterlief in der Herstellung ein vermutlich flüchtiger und dennoch schwerwiegender Fehler, aus dem sich diese „Archivalie des Monats Februar“ des Landeshauptarchivs Schwerin letztlich speist.

Die Buchbinderei und Papierhandlung Paul Fielitz in Fürstenberg vergaß ein „n“ zu setzen, so dass deren undatierte Postkarte nicht Dorfstraße und Gasthof im mecklenburgischen „Dannenwalde“ zeigte, sondern in einem nicht zu lokalisierenden „Dannewalde“! Über eventuelle Konsequenzen lässt sich lediglich spekulieren, aber das Wirtshaus bietet dann doch mehr als nur die Folie für ein Kuriosum. Einerseits stellte es zumindest 1925 ein Kunst- und Geschichtsdenkmal des Freistaates Mecklenburg-Strelitz dar, fand es sich doch mit Foto im gleichnamigen Kompendium des Stargarder Kirchenrates Georg Krüger wieder, im Übrigen neben bzw. nach der erwähnten Dorfkirche und dem Herrenhaus. Andererseits war der Dorfkrug am Morgen des 7. November 1850 nichts weniger als ein Schauplatz von National-, wenn nicht gar von Weltgeschichte. Und zwar weder erst- noch letztmalig.

Denn zum einen war er am 25. Juli 1810 der letzte mecklenburgische Ort bei der Überführung des Leichnams der am 19. Juli mit nur 34 Jahren in Hohenzieritz verstorbenen preußischen Königin Luise geb. Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, deren antinapoleonischer Patriotismus sie bereits zu Lebzeiten zur Ikone und nach ihrem Tod zum Mythos werden ließ, nach Berlin-Charlottenburg. Allerdings widersprechen sich die Quellen, ob der Wechsel von einer Strelitzer auf eine preußische Eskorte im mecklenburgischen Dannenwalde oder im preußischen Fischerwall – je keinen halben Kilometer entfernt von der über den sogenannten Wentow-Kanal zwischen Kleinem und Großen Wentow-See verlaufenden mecklenburgisch-preußischen Grenze – stattfand. Auf der einst preußischen Seite erinnert jedenfalls ein 1811 errichteter, 1910 restaurierter und 2002 sanierter Gedenkstein an das Geschehen.

Und zum anderen hätte am 14. August 1977 von Dannenwalde aus, seit 1952 dem DDR-Bezirk Potsdam zugehörig und damit letztlich nicht einmal mehr brandenburgisch, gut und gern ein dritter Weltkrieg seinen Lauf nehmen können. Vermutlich von einem Blitzschlag ausgelöst flogen zwischen 14.00 und 19.45 Uhr dort stationierte sowjetische Katjuscha-Raketen unkontrolliert da durch die Luft, wo auch Kern- oder chemische Waffen vermutet wurden. Zum Ärgsten kam es nicht, es ließen „nur“ 70 Angehörige der Roten Armee ihr Leben und zivile Sachschäden in Höhe von 37.000 DDR-Mark fielen an. Ob davon auch die nunmehrige Konsum-Gaststätte „Alter Dorfkrug“, wie der „grobe Gottlieb“ in der DDR hieß, betroffen bzw. zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch existent war, ist gegenwärtig nicht geläufig.

Doch zurück zur Weltgeschichte, die am 7. November 1850 kurz in Dannenwalde rastete. Die Deutsche Revolution von 1848/49 formte manchen Biedermann zum politisch Radikalen, so auch den Bonner Universitätsprofessor für Kunst-, Literatur- und Kulturgeschichte Gottfried Kinkel. Als Teilnehmer am Sturm auf das Siegburger Zeughaus und am Badischen Aufstand geriet er in die Fänge der preußischen Justiz, die sich mit einer lebenslangen Zuchthausstrafe revanchierte. Allerdings war diese Rechnung ohne den ehemaligen Studenten Carl Schurz gemacht, der seinen Professor in der Nacht vom 6. auf den 7. November spektakulär aus der Festung Spandau befreite. Sie entwichen gen Norden, „bis die Flüchtlinge die Strelitzsche Grenze bei Dannenwalde erreichten. Sie atmeten hoch auf, als sie das mecklenburgische Wappen erblickten. Die dringendste Gefahr war überstanden. In Dannenwalde machten sie kurze Rast. Der Gastwirth daselbst hat später gerichtlich ausgesagt, daß am 7. November Morgens 8 Uhr zwei Fremde in einer Chaise mit zwei dunklen abgetriebenen Pferden bei ihm angekommen wären. […]. Von Dannenwalde fuhren die Flüchtlinge in langsamerem Tempo nach der Strelitzschen Stadt Fürstenberg, wo sie anhalten und ausspannen mußten, weil die Pferde keinen Schritt mehr vorwärts konnten.“

So beschrieb es später der Rostocker Anwalt Moritz Wiggers, der beiden zu einem Schiff ins sichere England verhalf. Gottfried Kinkel reüssierte dann in England und der Schweiz, Carl Schurz in den USA – als Lincolns Botschafter in Spanien, als Unions-General im Bürgerkrieg, als Senator für Missouri und als Innenminister.

Kontakt:
Landeshauptarchiv Schwerin
Graf-Schack-Allee 2
19053 Schwerin
Tel.: 0385 / 588791 11
Fax: 0385 / 588794 12
poststelle@lakd-mv.de

Quelle: Dr. Matthias Manke, Landeshauptarchiv Schwerin, Archivalie des Monats Februar 2021

Vor 75 Jahren Naturkatastrophe von unfassbarem Ausmaß durch Hochwasser in Gütersloh

„Eine Naturkatastrophe von noch nicht übersehbaren Ausmaßen suchte unsere schöne Heidestadt heim“, so beschrieb ein Gütersloher Autor am Sonntag, 10. Februar 1946 die Katastrophe, die Gütersloh am Freitagabend, 8. Februar 1946 heimsuchte. Im Gütersloher Stadtarchiv ist dieses Ereignis kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs dokumentiert, an das sich ältere Gütersloher und Gütersloherinnen noch lebhaft erinnern.

Dämme rissen – Mauern wurden niedergedrückt
Als in den Abendstunden des 8.2.1946 wegen erhöhter Hochwassergefahr die Sirenen anschlugen, versammelten sich spontane Hilfstrupps, um das Schlimmste zu verhindern. Auch die in Gütersloh nach dem Krieg als Besatzungsmacht stationierten Briten und die “Deutsche Arbeitshilfe” packten mit an. Mauern wurden eingerissen, Abwassergräben gegen die immer größer werdende Wasserflut geschaufelt und Keller besonders gefährdeter Häuser leergeräumt, um wenigstens das Wichtigste in Sicherheit zu bringen. Aber mit dem Tempo des immer schneller ansteigenden Wassers konnten die Kolonnen auf Dauer nicht mithalten. Dämme rissen, Mauern wurden niedergedrückt und Brücken brachen unter den Wassermassen zusammen.

Durch die weit über die Ufer getretene Dalke war die Innenstadt schnell vom restlichen Stadtgebiet abgeschnitten, heißt es in den Quellen des Stadtarchivs Gütersloh. Die Bewohner und Bewohnerinnen der überfluteten Häuser versuchten sich mit Hilfe der aus Holz und leeren Kanistern zusammengezimmerten Boote in Sicherheit zu bringen.


Abb.: Die Dalkeüberschwemmung (hier an der Neuenkirchener Straße Ecke Dammstraße) im Jahr 1946 hatte teils verheerende Ausmaße (Foto: Stadt Gütersloh)

Großer Schaden durch Wassermassen
Wie sich schnell herausstellte, war der durch die Wassermassen entstandene Schaden immens. Lebensmittel und wertvolles Saatgut waren vernichtet, Keller komplett vollgelaufen, Häuser nicht mehr bewohnbar und die Schäden an Straßen, Brücken und Kanälen fast unüberschaubar – das ein dreiviertel Jahr nach Ende des Krieges, der auch in Gütersloh Tod und Zerstörung gebracht hatte. So lagen unter anderem der Bahnhof und die Blessenstätte in Schutt und Asche. Aber nicht nur die Gegend rund um die Dalke wurde schwer vom Hochwasser getroffen. Auch das nördlich gelegene Areal rund um den Schlangenbach wurde nicht verschont. Hier kam es durch die Überschwemmungen zu massiven Schäden an den überwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen.

„An größeren eingestürzten Brückenbauwerken ist die im Zuge der Reichsstraße 61 am Westring liegende Dalkebrücke und die im Zuge der Rhedaer Straße über die Wapel führende Brücke zu nennen. Bei dem Einsturz der Brücke am Westring ist auch der unter der Dalke liegende gedükerter (unterirdischer) Schmutzwasserkanal beschädigt und zum Teil vom Hochwasser fortgerissen.“ So geht es aus einem Schreiben der Gütersloher Verwaltung an den Regierungspräsidenten in Minden hervor. Es folgt eine vorsichtig in Reichsmark ausgedrückte Aufstellung der bis März festgestellten Schäden.

Die Dalke war an verschiedenen Stellen in einem solchen Ausmaß über die Ufer getreten, dass im Zentrum liegende Straßenzüge komplett unter Wasser gesetzt wurden. Hausbewohner, die sich nicht mit selbstgezimmerten Booten haben in Sicherheit bringen können, waren in ihren Häusern eingeschlossen. Das an der Dalke liegende Hospital (Elisabeth Hospital) wurde derart beschädigt, dass für die Patienten „Notspeisungen“ vorgenommen werden mussten.

Auch in den darauffolgenden Jahrzehnten ist es immer mal wieder zu Überschwemmungen gekommen. Eine derartige Überflutung wie 1946 ist heutzutage allerdings – dank Hochwasserschutz – nicht mehr vorstellbar. Rund um die Dalke wurden in den letzten Jahren große Renaturierungsflächen geschaffen, zum Beispiel am Ruhenstroths Weg oder im Westen der Stadt. Hier hat das Wasser deutlich mehr Platz, sich auszuweiten.

Kontakt:
Stadtarchiv Gütersloh
Stephan Grimm
Moltkestraße 47
33330 Gütersloh
Tel.: 05241 / 82-2302
stephan.grimm@guetersloh.de

Quelle: Stadt Gütersloh, Aktuelle Meldungen, 4.2.2021

Vor 75 Jahren erste Sitzung der von der britischen Militärregierung ernannten Aachener Stadtvertretung

Am 5.2.1946 trat die von der britischen Militärregierung ernannte Stadtvertretung im Sitzungssaal der Handwerkskammer in der Couvenstraße erstmals zusammen. In dieser ersten Sitzung wurde Ludwig Kuhnen (4.11.1876 – 4.11.1955), der am 1.2.1946 von der britischen Militärregierung zum ehrenamtlichen Oberbürgermeister ernannt worden war, in sein Amt eingeführt.

Die erste Seite des gedruckten Protokolls der Sitzung vom 5. Februar 1946 stellt das Aachener Stadtarchiv als Archivalie des Monats Februar vor.


Abb.: Erste Seite des gedruckten Protokolls der Sitzung vom 5. Februar 1946 aus dem Stadtarchiv Aachen

Kuhnen, geboren im rheinländischen Kempen und von Beruf Journalist, war 1918 Mitglied im Aachener Arbeiter- und Soldatenrat, wurde Gewerkschafter und Sozialdemokrat; von Juli 1920 bis Oktober 1932 war er gewählter besoldeter Beigeordneter der Stadt Aachen. Nach dem Krieg war Kuhnen vor seiner Ernennung zum Oberbürgermeister erneut zum Beigeordneten bestimmt worden, zusätzlich wurde ihm die Leitung des Ernährungs- und Wirtschaftsamtes sowie des Amtes für Wirtschaftskonzessionen (seit 2.11.1945) übertragen.

Die ernannte Stadtvertretung bestand am Tag ihres Zusammentritts aus Kuhnen als Vorsitzendem, dazu kamen 41 ernannte Mitglieder und acht Angehörige der Stadtverwaltung. Bei der Zusammensetzung hatte die Militärregierung versucht, alle politischen Interessen zu berücksichtigen; neben drei Hausfrauen waren Arbeiter, Angestellte, Unternehmer, Kaufleute, Handwerker und Handwerksmeister, aber auch Akademiker und Landwirte vertreten.

Die Sitzung eröffnete Oberstleutnant G. F. Parrott, seit Juni 1945 britischer Kreis-Resident-Officer für den Stadtkreis, der sich mit einer Ansprache an die Anwesenden wandte. Er betonte: „… einzeln vertreten Sie verschiedene Parteien, Organisationen und Interessen innerhalb der Bürgerschaft Aachens, gemeinsam werden Sie die kommunale Verwaltungskörperschaft bilden; eine große Verantwortung liegt vor Ihnen, denn dies ist die erste Phase einer eigenen demokratischen und freien Regierung für Deutschland; auf Ihnen ruht die Verantwortung und Hoffnung für die Zukunft, Sie dürfen bei diesem höchst bedeutsamen Schritt vorwärts nicht versagen.“ Auch kündigte er Wahlen an – die erste Wahl der Stadtvertretung fand am 13.10.1946 statt –, vorsorglich wurden die Stadtvertreter aber für drei Jahre ernannt. Auch gab Parrott der Stadtvertretung grundlegende organisatorische Rahmenbedingungen an die Hand, die von der Militärregierung vorgegeben worden waren und in die neue Satzung der Stadt Aachen einfließen mussten, die am 19.2.1946 verabschiedet werden sollte.

In dieser ersten Sitzung folgten Ansprachen des Oberbürgermeisters Kuhnen und des Regierungspräsidenten Ludwig Philipp Lude (1895-1961), gefolgt von Ansprachen der Ratsherren und Ratsdamen – im damaligen Duktus des Protokolls mit z. B. „Ratsherr Frau Pascher“ benannt.

Oberbürgermeister Kuhnen appellierte in seiner Rede an die Versammlung, den Blick nach vorne zu richten, ohne die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft zu vergessen: „Ferner eine dringende Mahnung an die Frauen und Mütter: Erzieht Eure Kinder im Geiste des Friedens und der Völkerversöhnung. Helft mit ausrotten, was eine verkehrte und verbohrte Diktatur und Führerschicht in die Herzen der Kinder eingepflanzt hat. … Die Gangster eines Nationalsozialismus, die sich in großsprecherischer Weise ‚Führer des deutschen Volkes‘ schimpften, haben uns so oft erklärt, daß sie uns die Ehre und die Freiheit bringen wollten; in Wahrheit haben sie uns beides geraubt.“

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
Reichsweg 30 (Nadelfabrik)
52068 Aachen
Tel.: 0241 / 4324972
Fax: 0241 / 4324979
stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Stadtarchiv Aachen, Neuigkeiten, Rat der Stadt Aachen und Ausschüsse ab 1945, 29.1.2021

Buntpapier im Stadtarchiv Villingen-Schwenningen

Als Archivalie des Monats Februar stellt das Stadtarchiv Villingen-Schwenningen das für Einbände von Büchern und Schriften verwendete Buntpapier vor.

Das erste Buntpapier entstand bereits Ende des 8. Jahrhunderts in Japan (Suminagashi-Papier). Über Persien und die Türkei kam das Buntpapier um 1600 nach Europa. Es muss nicht unbedingt bunt sein. Es gibt auch einfarbige, sogar weiße Papiere. Ihnen allen ist gemeinsam, dass nach der Herstellung des Rohpapiers, dessen Oberfläche mit Farbe bestrichen, getränkt oder geprägt wird. Das Material wurde und wird für verschiedene Zwecke benutzt: Schachteln, Objekte, Tapeten, Einbände, Buchvorsätze etc.


Abb.: Buntpapier ist auch im Stadtarchiv Villingen-Schwenningen zu finden. Verschiedene Bücher und Schriften wurden mit dem hochwertigen Papier eingebunden (Foto: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen).

Im Stadtarchiv Villingen-Schwenningen finden sich die beiden letzten Anwendungen in großer Zahl. Vor allem Amtsbuchserien aber auch Titel der Wissenschaftlichen Spezialbibliothek des Stadtarchivs sind mit Buntpapier verschönert. Bei den Techniken sind vor allem Kleisterpapiere und marmorierte Papiere vertreten.

Die Grundlage der Kleisterpapiere bildet Kleister auf Stärke-, seltener auch auf Cellulosebasis. Ein Trägerpapier wird – meist vollständig – mit eingefärbtem Kleister bedeckt und anschließend ggf. noch mit einem Dekor versehen. Auch das Bedrucken mit Stempeln oder Modeln (Hohlform) war sehr beliebt. Die durch Wischen erzeugten Muster sind schwungvoll und bieten häufig reizvolle Farbeffekte.

Das Dekor von marmorierten Papieren entsteht durch das Aufbringen von flüssigen Farben auf den sogenannten Marmoriergrund. Die Farben können aufgetropft oder gesprüht und anschließend noch mit Nadeln oder Kämmen verzogen werden. Durch Auflegen eines Bogens Papiers auf den „Farbteppich“ wird das Dekor auf das Papier übertragen. Es gibt u. a. Steinmarmor-, Kamm-Marmor- und Wellenmarmorpapier. Bevor die städtischen Amtsbücher in Buntpapier eingebunden wurden, verwendete man Pergamente.

Nähere Informationen zu diesem Thema findet man in:
Mittelalterliche Einbandfragmente aus dem Stadtarchiv Villingen-Schwenningen. Edith Boewe-Koob, Villingen-Schwenningen: Verlag der Stadt 2018, 154 Seiten, ISBN 978-3-939423-30-0, 19,50 Euro
(erhältlich im Onlineshop des Stadtarchivs oder im Buchhandel) sowie auf der entsprechenden Seite über ‚Buntpapier‚ im Internet.

Kontakt:
Amt für Archiv und Schriftgutverwaltung
Winkelstraße 7, Bau D, 3. OG
78056 Villingen-Schwenningen
Abteilung Stadtarchiv
Lantwattenstraße 4
78050 Villingen-Schwenningen
Tel.: 07721 / 82-1810 und 07721 / 82-1817
stadtarchiv@villingen-schwenningen.de

Postanschrift:
Postfach 12 60
78002 Villingen-Schwenningen

Quelle: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen, Aktuelles, Februar 2021

Amerikaner in Wiesbaden von 1945 bis 1963

Die Innenwelt der Außenwelt.

Das Stadtarchiv Wiesbaden zeigt bis zum 12. März 2021 eine virtuelle Ausstellung, die unter dem Titel „Amerikaner in Wiesbaden 1945 bis 1963. Die Innenwelt der Außenwelt“ die deutsch-amerikanischen Beziehungen in der hessischen Landeshauptstadt zwischen 1945 und 1963 in den Blick nimmt. Anhand von Fotografien, Alltagsgegenständen und Dokumenten aus dem Stadtarchiv Wiesbaden, die Kurator Georg Habs mit erklärenden Texten versehen hat, wird gezeigt, wie das amerikanische Leben in Wiesbaden funktionierte, wie sich das deutsch-amerikanische Verhältnis von den Nachkriegsjahren bis zum „Wirtschaftswunder“ wandelte und welch entscheidenden Beitrag amerikanische Hilfen wie der Marshallplan zum Wiederaufbau des zerstörten Westdeutschlands leisteten. Auch Exponate, die der deutsch-amerikanische Historiker Dr. John Provan aus seiner Privatsammlung zur Verfügung gestellt hat, sind zu sehen.


Abb.: Das Foto zeigt die Bowling Bahn in der Lindsey Air Station 1950 aus der Sammlung von Dr. John Provan (Foto: Dr. John Provan / wiesbaden.de)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind amerikanische Truppen in Wiesbaden stationiert. Der Lebensstil der US-Soldaten und bald auch ihrer Familien prägte das Stadtbild in der Nachkriegszeit entscheidend mit. Seitdem gibt es dort zwei Parallel-Welten – »Little America« und das deutsche Wiesbaden.


Abb.: Die Amerikanerin Violet Morley neben einem brandneuen Cadillac in der Wiesbadener Virginia Straße 33, 1959 (Quelle: Sammlung Mike Leonard)


Abb.: Fahrzeuge anderer Art vor dem Hauptbahnhof, 1959 (Quelle: Stadtarchiv Sig. NE 001170, Foto Hans A. Scheffler)

Was für die einen die „Außenwelt“ darstellt, ist für die anderen die eigene „Innenwelt“. Die Freiheiten und Annehmlichkeiten, die Herausforderungen und Belastungen, die für Menschen hier wie dort bestehen, sind höchst unterschiedlich. Trotz der Zugangsbarrieren treffen die Einwohner dieser Parallel-Welten bei bestimmten Gelegenheiten aufeinander – bei der Arbeit, bei gemeinsamen Festen, beim Einkauf.


Abb.: Bewachtes Haupttor zur Lindsey Air Station, 1949 (Quelle: Sammlung Dr. John Provan)

Diese unmittelbaren Begegnungen sprechen für sich, offenbaren aber wenig von der Lebenswelt der anderen. Das ist heute so und war früher nicht anders. – Den einen oder anderen Blick auf die Realität hinter trennende Zäune zu riskieren, ist ein Angebot an alle Neugierigen. Auch dem wechselseitigen Verständnis kann solch genaues Hinsehen nur gut tun. Deshalb gibt es diese virtuelle Ausstellung zu den Anfangszeiten der Deutsch-Amerikanischen Beziehungen in Wiesbaden.

Die beiden unterschiedlichen Kulturen beeinflussten sich einander auf örtlicher Ebene. Eingebettet war dieses Wiesbadener Mit- und Nebeneinander in die allgemeinen Zeitläufe sowie die „große Politik“ der USA und der sich nach und nach herausbildenden Bundesrepublik Deutschland. Das eine ist ohne das andere nicht zu verstehen. Die Rückschau endet 1963. Nach dem Deutschland-Besuch und der Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, blieb nichts, wie es war.


Abb.: Von John F. Kennedy an Oberbürgermeister Georg Buch überreichtes Porträtfoto, 1963 (Quelle: Stadtarchiv Wiesbaden Sig. 16072)

Die historische Zäsur war tief. Von dem „Danach“ zu erzählen, wäre Aufgabe einer weiteren Ausstellung.

Kontakt:
Stadtarchiv Wiesbaden
Im Rad 42
65197 Wiesbaden
Tel.: 0611 / 31-3329 und 0611 / 31-3747
Fax: 0611 / 31-3977
stadtarchiv@wiesbaden.de

Quelle: Veranstaltungen Stadtarchiv Wiesbaden; Konzept der Ausstellung

Stadtarchiv Landau dokumentiert abgängiges Kaufhof-Gebäude

Erhalten, ordnen, verzeichnen und vermitteln: Das sind die Aufgaben des Landauer Stadtarchivs. Aktuell geht Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer einer ganz besonderen Tätigkeit nach. Mit der Kamera bewaffnet dokumentiert sie das Innere des Kaufhof-Gebäudes, das ab Anfang März 2021 abgerissen werden soll, und hält dieses so für die Nachwelt fest.


Abb.: Stadtarchivarin Christine Kohl-Langer bei fotografischen Dokumentationsarbeiten (Foto: Stadt Landau, MRN-News.de)

„Der Kaufhof war lange Jahre stadtbildprägend für die östliche Innenstadt und viele Menschen verbinden ganz persönliche Geschichten mit dem Geschäft, sei es die erste Cola, das Softeis samstags mit der Familie oder auch die Fahrt mit den ersten und lange einzigen Rolltreppen in der Stadt“, fasst die Stadtarchivarin zusammen.


Abb.: Auch das ist ein Stück Stadtgeschichte: Der Blick aus einem der oberen Stockwerke des maroden Kaufhof-Gebäudes in Landau (Foto: Stadt Landau)

Ihr besonderes Interesse auf Foto-Tour gilt „Originalteilen“ aus den 60er Jahren, als der Landauer Kaufhof eröffnet wurde, etwa alten Treppenläufen. Kohl-Langers Aufnahmen werden im Stadtarchiv Landau in der Maximilianstraße – und damit in unmittelbarer Nähe des Kaufhof-Gebäudes – verwahrt. Auch gibt es Pläne, täglich ein Foto vom Fortgang der Abrissarbeiten zu schießen, um auch dieses Stück Stadtentwicklung zu dokumentieren. An die Stelle des alten, maroden Gebäudes soll zukünftig ein moderner Mix aus Wohnen, Arbeiten und Einkaufen treten.

Vergessen wird der alte Kaufhof aber nicht: Dafür sorgen Christine Kohl-Langer und ihr Team. Das Stadtarchiv als zentrale Dokumentationsstelle ist das „historische Gedächtnis“ der Stadt Landau. Es umfasst über 500 laufende Meter Schriftgut, darunter Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Rats- und Gerichtsprotokolle, Tauf-, Ehe- und Sterberegister, Plakate, Bildträger, Zeitschriften und Zeitungen.

Kontakt:
Stadtarchiv Landau
Christine Kohl-Langer
Maximilianstraße 7
76829 Landau in der Pfalz
Tel.: 06341 / 13-4202
Fax: 06341 / 13-4209
archiv-und-museum@landau.de

Quelle: Stadt Landau, Pressemitteilung, 27.1.2021; MRN-NEWS.de – Aktuelle Nachrichten, Videos und Events für die Metropolregion Rhein-Neckar, 27.1.2021

Geschichte und Entwicklung des Turnens im Siegerland

In seinem „Klick in die Vergangenheit“ widmet sich das Stadtarchiv Siegen regelmäßig unterschiedlichen Episoden der städtischen Geschichte. Besondere Anlässe, historische Ereignisse, bislang unbekannte Aspekte oder bemerkenswerte Stücke aus den Archivbeständen sollen der Öffentlichkeit vorgestellt werden. In der neuen Ausgabe wird die Geschichte und Entwicklung des Turnens im Siegerland näher beleuchtet.


Abb.: Eine gezeichnete Außenansicht der ersten Turnhalle des Siegener Turnvereins in der Friedrichstraße (Vorlage: Stadtarchiv Siegen, Bestand 756, Nr. 1243)

Wie man in zahlreichen Vereinschroniken nachlesen kann, war die Siegerländer Turnszene schon immer sehr ausgeprägt und leistungsstark. Die Stadt beherbergt bis heute viele alte Vereine, von denen der älteste der Siegener Turnverein ist, der bereits 1846 gegründet wurde. Noch heute engagieren sich im ganzen Kreisgebiet viele Turner und Sportler in ihrer Freizeit. Siegens Turngeschichte beherbergt neben verschiedensten Episoden des Turnens auch einige bemerkenswerte Geschichten, wie den Skandal um Moritz Eichelsheim, den Revolutionär des Siegener Turnens und Sieger beim deutschen Turnfest in Paris.

Die wichtigsten Episoden der Geschichte des Siegener Turnens, dessen Entwicklung und Einfluss auf die Stadt hat das Stadtarchiv Siegen in der PDF-Dokumentation „frisch, fromm, fröhlich, frei“ auch in Siegen – Zur Geschichte und Entwicklung des Turnens im Siegerland von den Anfängen bis zum Wiederaufbau zusammengestellt. Parallel werden ausgewählte Exponate vom 25. Januar bis Ende Mai 2021 in zwei Glasvitrinen auf den Etagen des Stadtarchivs Siegen (3. Etage) und der Volkshochschule Siegen (2. Etage) im KrönchenCenter präsentiert. Auf Grund des Lockdowns ist das KrönchenCenter momentan leider für Publikumsverkehr geschlossen, so dass der Besuch der Präsentation vor Ort erst nach Wiedereröffnung des Gebäudes für die Öffentlichkeit möglich ist. Dann ist der Eintritt frei, es gilt jedoch, die coronabedingten Abstandsregeln und das Tragen eines Mund-Nasenschutzes zu beachten.

Kontakt:
Stadtarchiv Siegen
KrönchenCenter
Markt 25
57072 Siegen
Tel.: 0271/ 404-3095
Fax: 0271/ 404-3099
stadtarchiv@siegen.de

Quelle: Meldungen aus dem Stadtarchiv Siegen, ‚Klick in die Vergangenheit‘: „Frisch, fromm, fröhlich, frei“ auch in Siegen – Zur Geschichte und Entwicklung des Turnens im Siegerland von den Anfängen bis zum Wiederaufbau vom 25.01.2021

3D-Digitalisierung im montan.dok

Im Schnitt sind etwa 90 Prozent aller musealen Sammlungen nicht in den Dauerausstellungen von Museen zu sehen. Sie bleiben damit für die Besuchenden weitestgehend unsichtbar. Mithilfe von 3D-Digitalisierung macht das Deutsche Bergbau-Museum Bochum seit Sommer 2020 Teile dieser verborgenen Schätze, allesamt Bestände des Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok), sichtbar. Realisiert wird das Vorhaben im Rahmen des Aktionsplans für Leibniz-Forschungsmuseen.

Abb.: 3D-Digitalisierung einer Grubenlampe im montan-dok (Foto: Helena Grebe, DBM Bochum)

Digitale 3D-Technik hat vermehrt Einzug in unseren Alltag gehalten, unter anderem in Kinofilmen, VR-Brillen mit immersiven Spielen oder AR-Anwendungen auf Smartphones. Auch für den kulturellen Sektor bietet die 3D-Technik Perspektiven und Möglichkeiten, neue Zielgruppen zu erschließen und die Reichweite über den musealen Raum hinweg auszudehnen. Im Rahmen des Aktionsplans II für Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft widmet sich ein Teilprojekt den Anwendungsmöglichkeiten von 3D-Modellen für die eigenen Sammlungsbestände. Mit 3D-Scannern werden im Montanhistorischen Dokumentationszentrum (montan.dok) Nutzen und Grenzen dieses Verfahrens ausgelotet. Ausgewählt wurden in erster Linie solche Exponate, die technik-, kultur- sowie alltagsgeschichtlich oder geowissenschaftlich relevant sind und einzigartige Schätze der Sammlungen darstellen.

Vorteil 3D
Die 3D-Erfassung ermöglicht die Ansicht aller Seiten eines Objektes aus sämtlichen Blickwinkeln sowie die Reduzierung auf die Form durch Entfernung der Farbigkeit (Textur), so dass Inschriften deutlicher lesbar und Risse oder Erhebungen für restauratorische Maßnahmen besser erkennbar werden. Damit bieten 3D-Aufnahmen oftmals tiefere Einblicke in die Beschaffenheit des Objekts als ein Foto oder gar das Original selbst. 3D-Digitalisate eröffnen neue bzw. vertiefende Aussagen zur Materialität und Funktionsweise eines Objektes und ergänzen die Objektgeschichte um wertvolle Aspekte.

Bisher wurden am Deutschen Bergbau-Museum Bochum 3D-Modelle von Exponaten in vereinzelten Versuchen durch das auf Kameras basierende Verfahren der Photogrammetrie hergestellt, aufbauend darauf wird ein Vergleich der Techniken angestrebt. Langfristig werden nun weitere Potenziale der 3D-Technik in Bochum erforscht und die Lerneffekte für eine nachhaltige Nutzung im montan.dok festgehalten, um beispielsweise eigene digitale Ausstellungen zu kuratieren und die Daten in speziell auf diese Technik aufbauende Formate zu implementieren. Weitere Vorteile liegen dabei auf der Hand: Nationale und internationale Ausstellungskooperationen, für die etwa Objekte nicht transportiert werden können, lassen die Zusammenführung bis dato undenkbarer Objektkonstellationen zu.

Dem Ausstellungsraum sind keine physischen Grenzen mehr gesetzt, ebenso wenig dem Besuchserlebnis, so dass das Entdecken und Verstehen der Objekte und Geschichte(n) des Bergbaus nicht mehr allein an den musealen Ort gebunden ist.

Das Vorgehen
Ein 3D-Scanner schießt fünf Bilder in der Sekunde und erfasst dabei zusätzlich Maße und Formen. Aus den so entstandenen hunderten bis tausenden Fotos rechnet die zugehörige Software ein vorläufiges Konstrukt zusammen. Der ebenfalls aufgenommene Untergrund wird nachträglich entfernt. Um alle Seiten des Objektes aufzunehmen, muss es mehrfach aus unterschiedlichen Blickwinkeln gescannt werden, dazu gehört auch die meist verborgene Unterseite, auf der früher oftmals die Inventarnummern vermerkt wurden.

Die Teilaufnahmen des Objektes werden in der Software manuell zu einem Gesamten zusammengesetzt und auf Lücken geprüft, die nachgescannt und schließlich in ein Gitter umgerechnet werden müssen. Diese Netze werden für die Darstellung im Internet verkleinert, um die Dateigröße zu reduzieren. Schließlich wird die Textur wieder auf das so entstandene Gittermodell aufgetragen.

Die für Scanner problematischen Objekte, wie solche mit glänzenden Oberflächen, bei denen der Blitz zu weißen Flecken führt, und verborgene Winkel, die durch die Sensoren und Kameras nicht erreicht werden, müssen nachträglich bearbeitet werden. Manche Materialien, wie zum Beispiel Glas, werden von den Sensoren nicht erfasst, weshalb sie von dem Verfahren vorerst ausgeschlossen werden müssen. Aus konservatorischen Gründen werden keine Sprays angewendet, die die Scanbarkeit dieser Materialien zwar ermöglichen, aber die Farbigkeit verfälschen würden.

Nutzung & Verbreitung
Das jeweils erstellte 3D-Modell wird auf der Online-Plattform Sketchfab veröffentlicht. Interessierte können damit jedes Detail eines Objektes im Netz von allen Seiten betrachten und erforschen. Durch die Verlinkung mit der digitalen Datenbank lässt sich das Objekt, dessen Geschichte und Bedeutung für den Bergbau erfahren. Über eine dazugehörige App ist auch ein Platzieren der Objekte durch Augmented Reality möglich. So gelangt etwa die digitalisierte Grubenlampe in das eigene Wohnzimmer, auf den Bahnsteig oder in Nachbars Garten.
Sinn der Veröffentlichung auf der digitalen Plattform ist es auch, neuen digitalaffinen Zielgruppen einen innovativen und niederschwelligen Zugang zum Thema Bergbau und seinen vielfältigen Facetten zu verschaffen. Zudem haben Besuchende des Leibniz-Forschungsmuseums für Georessourcen die Möglichkeit, sich bei einem Besuch über die Inhalte der Dauerausstellung hinaus über Objekte der Bergbaugeschichte zu informieren und neue Perspektiven auf das materielle Bergbauerbe zu entwickeln. Die Ergebnisse der Aktivitäten fließen auch in weitere wissenschaftliche Projekte des montan.dok ein.

Kontakt:
Deutsches Bergbau-Museum Bochum
Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen
Am Bergbaumuseum 28
44791 Bochum
+49 234 5877-0
info@bergbaumuseum.de
www.bergbaumuseum.de

Quelle: Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Pressemitteilung, 29.1.2021

Materialien zur Skisprungschanze im Eichwald im Stadtarchiv Crailsheim

Am Tag vor dem denkwürdigen 20. Januar 1952 fiel der erwartete Schnee im schwäbischen Crailsheim. In den späten Abendstunden fuhr ein Lautsprecherwagen durch Crailsheim – eine sensationelle Nachricht wurde verkündet: Die Crailsheimer Skiwettkämpfe konnten beginnen und die neu gebaute Skisprungschanze sollte erstmals in Betrieb genommen werden! Laut eines Berichts im Hohenloher Tagblatt strömten zahlreiche Schaulustige in den Eichwald, um die Sensation zu erleben: „Der Hang des Kreckelbergs war am Sonntagnachmittag schwarz von Menschen.“ Die Besucher wähnten sich in einem der prominenten Skisprungorte: „Der Blick von der Höhe des Berges, auf dem das Anlaufgerüst steht, bot das aus so vielen Wochenschauen vertraute Bild einer großen wintersportlichen Veranstaltung: eine weiße Bahn inmitten einer Waldschneise, von weit mehr als 1000 Menschen umsäumt, mit zungenartig verbreitertem Auslauf, schneebehangene Bäume und in der Ferne hinter der weißen Ebene die verschneiten Berge.“


Abb.: Gespannt hält das Publikum den Atem an: Ein wagemutiger Springer stürzt sich beim Eröffnungsspringen von der Eichwaldschanze (Foto: Stadtarchiv Crailsheim)

Abb.: Springer Ernst Röhm in perfekter Haltung (Foto: Stadtarchiv Crailsheim)

Für das Testspringen wurde die neue Schanze am Sonntagvormittag mit weiterem Schnee „gepolstert“. Am Nachmittag wagte der Leiter der Skiabteilung des TSV Crailsheim, Julius Habermeier, den ersten Sprung. Noch wurde mit verkürztem Anlauf gestartet, was die Zuschauer vielleicht etwas enttäuschte: Der weiteste Sprung gelang Walter Erben mit gerade einmal 16,5 m. Die Eichwaldschanze bestand damit jedoch ihre „Feuertaufe“. Schon eine Woche später fanden die Jugendmeisterschaften des Bezirks Ostalb auf ihr statt, nun wurde die ganze Schanze genutzt. Walter Erben konnte in der „Allgemeinen Klasse“ mit 22 m und 22,5 m seine Sprungweite deutlich ausbauen und seine Führung amtlich machen. Am weitesten sprang allerdings in der Altersklasse ein Sportler des SV Unterkochen: 23,5 m. Der „offizielle“ Schanzenrekord von 24,5 m wurde 1953 von Berthold Kieninger aufgestellt.

Die Anlage der Eichwaldschanze ist aus mehreren Dokumenten nachvollziehbar, die von Günter Utz an das Crailsheimer Stadtarchiv übergeben wurden. Im „Abschlussbericht über den Bau der Eichwaldschanze“ sind die freiwillig geleisteten Arbeitsstunden, die Kosten und die Spenden verzeichnet. Demnach wurde mit dem Bau der Schanze am 1. Juli 1950 begonnen, die Bauleitung hatte der Vermessungsingenieur Hans Pauschinger. Vereinsmitglieder und weitere Freiwillige leisteten 3450 Stunden für Planung, Erd-, Beton- und Zimmererarbeiten. Crailsheimer Firmen spendeten Material und Lohnkosten in Höhe von 2010 DM. Eine mit Maßen und Werten versehene Zeichnung veranschaulicht die Geometrie der Schanze, beispielsweise liegt der Kritische Punkt bei 25 m. Am 16. Dezember 1951 war die rund 7 m hohe Holzkonstruktion fertig gestellt. Bauherrschaft und Bauleitung vermeldeten stolz: „Die Sprungschanze wurde durch Vertreter des Bezirks Ostalb im Schwäbischen Skiverband abgenommen und als gut befunden.“


Abb.: Heute sieht man nur noch wenige Betonpfeiler, die Holzkonstruktion wurde abgebaut (Foto: Stadtarchiv Crailsheim)


Abb.: Ein großes Publikum zog das Faschingsspringen an (Foto: Stadtarchiv Crailsheim)

Die Eichwaldschanze sorgte in mehreren kalten, schneereichen Wintern für Abenteuer und Vergnügen. Spektakuläre Aufnahmen aus der Fotosammlung des Stadtarchivs zeigen die wagemutigen Crailsheimer Springer. Besonders viele Zuschauer zog das Faschingsspringen an, bei dem die Männer verkleidet antraten – einmal wurde auf diese Weise ein „Internationales Damenspringen“ veranstaltet, lange bevor Skispringen auch für Frauen zur Wettbewerbsdisziplin wurde. Die aus Nadelholz gebaute Schanze zerfiel mit der Zeit, wärmere Winter machten eine Instandsetzung nicht rentabel. Die in den Wald geschlagene Schneise ist längst zugewachsen. Nur noch einzelne Betonpfeiler im Wald künden von Crailsheims Glanzzeit als Skisprungort.

Kontakt:
Stadtarchiv Crailsheim
Marktplatz 1
Gebäude: Arkadenbau
Folker Förtsch
74564 Crailsheim
Tel.: 07951 / 403-1290
https://www.stadtarchiv-crailsheim.de/ 

Quelle: Stadtarchiv Crailsheim, Aktuelles, Archivale des Monats Januar

Mehr als 70 Bücher zur Geschichte Brandenburgs kostenlos zugänglich

Open Access: Digital Forschen und Lesen im Lockdown.

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv in Potsdam macht seine Publikationen kostenfrei digital zugänglich. Mehr als 70 Bände stehen seit Januar 2021 im Open Access zum Herunterladen bereit. Damit ermöglicht das Landeshauptarchiv einen offenen Zugang zu zahlreichen Grundlagenwerken der landesgeschichtlichen Forschung. Weitere Bände folgen.

Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle äußert dazu: „Der digitale Wandel ist ein Kulturwandel und das richtige Instrument für herausragende Wissenschaft und Forschung im Land Brandenburg. Die neue Initiative des Brandenburgischen Landeshauptarchives, mit der alle kostenfreien Zugang zu ihren Publikationen erhalten, ist eine große Chance für Gegenwart und Zukunft. Fortan sind zahlreiche Grundlagenwerke in digitaler Form weltweit zugänglich und nutzbar. Damit zeigt sich das Landeshauptarchiv als digitaler Impulsgeber und folgt dem Grundsatz unserer Open-Access-Strategie: Öffentliches Geld, öffentlich zugängliche Erkenntnisse.“

Forschung unverstellt zugänglich machen
Gemeinsam mit zahlreichen Autor*innen und Kooperationspartner*innen hat das Landeshauptarchiv in den letzten Jahrzehnten mehr als 180 Bände in seinen Reihen publiziert. Quelleditionen und Inventare, Monografien und Sammelbände vermitteln Forschung zur brandenburgischen Landesgeschichte und sind Wegweiser zu den Quellen des Archivs. „Die Bände zeigen die regionale Vielfalt unserer Geschichte“, so Mario Glauert, Direktor des Landeshauptarchivs. „Dieses gesammelte Wissen allen Interessierten unentgeltlich bereitzustellen, ist unser Ziel. Denn wir sind überzeugt, dass öffentlich finanzierte Forschung auch möglichst breit und unverstellt zugänglich sein sollte.“

Zum Auftakt sind zunächst zwei Reihen des Landeshauptarchivs in den Open Access gestartet: die Traditionsreihe „Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs“ und die mit der Historischen Kommission zu Berlin herausgegebene Schriftenreihe „Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“. Beide Reihen erscheinen im Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV).

Für den digitalen Zugang mussten viele ältere Titel gescannt und bearbeitet werden. Sie stehen jetzt als vollständig durchsuchbare E-Books in der E-Library des Verlags zur Verfügung. Erstmals ist auch das zwölfteilige Historische Ortslexikon für Brandenburg vollständig digital zu finden. Weitere Titel werden nach und nach in Zusammenarbeit mit den Verlagen in den freien Zugang entlassen.

Neue Publikationen in Zukunft „auf dem goldenen Weg“
Aktuelle Publikationen des Archivs erscheinen ab sofort „auf dem goldenen Weg“, sind also zeitgleich zur Printausgabe als E-Book kostenfrei zugänglich. Die ersten beiden dieser druckfrischen und digitalen Bände liegen bereits vor: „Belastung und Bereicherung. Vertriebenenintegration in Brandenburg ab 1945“ von Peter Bahl, sowie „»Man bleibt eben immer der Flüchtling«. Eine Quellenedition zur Flucht und Vertreibung aus dem Kreis Arnswalde 1945-1947“ von Veronica Kölling.

Zu finden sind die freien E-Books über die Website des Landeshauptarchivs sowie über die E-Library des Berliner Wissenschafts-Verlages:
Website des Landeshauptarchivs: blha.brandenburg.de/index.php/service/publikationsreihen
Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs: blha.bwv-verlag.de
Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte: bbpg.bwv-verlag.de

Das Brandenburgische Landeshauptarchiv
Das Brandenburgische Landeshauptarchiv (BLHA) ist das zentrale staatliche Archiv des Landes Brandenburg. Als Gedächtnis des Landes ist es zuständig für das Archivgut der Brandenburger Behörden und Einrichtungen sowie ihrer Rechts- und Funktionsvorgänger – epochenübergreifend von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Unterlagen zu übernehmen, zu bewahren und für Öffentlichkeit und Forschung zugänglich zu machen. Seine Überlieferung umfasst mehr als 50.000 laufende Meter Archivgut. Das Landeshauptarchiv ist eine nachgeordnete Einrichtung des brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur und wird im Jahr 2021 mit rund 9,6 Millionen Euro Haushaltsmitteln ausgestattet.

Kontakt:
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Am Mühlenberg 3
14476 Potsdam
OT Golm

Postanschrift:
Postfach 600449
14404 Potsdam
poststelle@blha.brandenburg.de

Quelle: BLHA, Pressemitteilung 1/2021, 27.1.2021