Ostergruß 1906 aus dem Kurort Godesberg am Rhein

Zumindest bis zum Weißen Sonntag, wenn nicht sogar bis Pfingsten, dürfen wohl Bezüge zum vergangenen Osterfest hergestellt werden. Der folgende, gezeichnete Ostergruß entstand durch den Wismarer Maler und Lithografen Friedrich Bremer (1860-1924), der sich 1906 als Patient in Dr. Franz Müllers „Sanatorium Schloß Rheinblick“ in Godesberg aufhielt.


Abb. Ostergruß des Wismarer Malers und Lithografen Friedrich Bremer (Stadtarchiv Bonn)

Ein Postkartenalbum mit 202 Zeichnungen des Künstlers hat sich im Stadtarchiv Bonn in der Sammlung „Aennchen Schumacher“ (SN 152) erhalten. Die naturgemäß zumeist postkartengroßen Malereien und Zeichnungen zeigen überwiegend Wismarer- und Küstenmotive; darunter befinden sich aber auch einzelne Rhein- und Godesberger Ansichten.

Bremer betrieb in Wismar eine Druckerei und Lithografieanstalt und fertigte Postkarten mit überwiegend Wismarer Ansichten, unter anderem des Wismarer Hafens. Nach seinem Sanatoriumsaufenthalt hatte der morphium- und alkoholkranke Maler weiterhin Beziehungen nach Bad Godesberg. So wohnte er 1908 sowie 1914 bis 1918 wiederum hier, und seine Schwester Ida Bremer, verwitwete Trendelburg, lebte später ebenfalls in – seit 1925 Bad – Godesberg.

Der Sammlungsbestand „Aennchen Schumacher“ umfasst hauptsächlich Fotografien und Postkarten, aber auch Briefe und Zeitungsartikel sowie Bücher mit Autorenwidmungen und dokumentiert das (studentische) Leben in Bonn und Bad Godesberg vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Zeit vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg. Die umfangreiche Sammlung hatte Aennchen Schumacher (1860-1935) bereits 1930 der Stadt Bad Godesberg vermacht, die 1931 ein Aennchen-Museum einrichtete. Nach Kriegszerstörung wurde das Museum nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wiederaufgebaut. 1971 gelangte die Sammlung ins Stadtarchiv Bonn.


Abb.: Porträt der Aennchen Schumacher, nach einer Fotografie von 1877, an der Hauswand ihres Gasthofes in Bonn-Bad Godesberg (Foto: Lämpel, bearbeitet von Sir James – Eigenes Werk des ursprünglichen Hochladers Übertragen aus de.wikipedia nach Commons).

Anna Sibylla Schumacher, genannt „Aennchen“, wurde am 22.1.1860 in Godesberg geboren. Nach dem frühen Tod ihres Vaters Wilhelm Schumacher übernahm sie mit nur 18 Jahren zusammen mit ihrer Halbschwester Gertrud Rieck im Jahre 1878 die Führung des „Gasthofs zum Godesberg“, den sie 1891 in „Zur Lindenwirtin“ umbenannte. Wegen der günstigen Lage am Fuße der Godesburg, aber auch wegen der Lindenwirtin selbst war die Gaststätte eine sehr beliebte Studentenkneipe.


Abb.: Bad Godesberg a. Rh. Gasthof „Zur Lindenwirtin“ (Ännchen), Kunstverlag Wilhelm Köhler, Bonn a. Rh. Nr. 294 (Foto: virtuelles Brückenhofmuseum in Königswinter-Oberdollendorf)

Aennchen Schumacher hatte selbst dazu beigetragen, dass sie „Lindenwirtin“ genannt wurde. Immer auf der Suche nach neuen Liedern, die sie abends den Studenten auf dem Klavier vorspielte und die dann gemeinsam gesungen wurden, war sie auch auf das Lied „Keinen Tropfen im Becher mehr“ gestoßen, das 1877 von Rudolf Baumbach gedichtet worden war. Ab da sangen die zahlreichen Besucher jeden Abend das Lied. Schließlich wurde sogar von einigen ihrer Gäste noch eine neue Strophe hinzugedichtet, in dem Aennchen Schumacher als die im Lied beschriebene Lindenwirtin bezeichnet wurde.


Abb.: Postkarte des Gasthofs zum Godesberg, der 1891 in „Zur Lindenwirtin“ umbenannt wurde (Stadtarchiv Bonn)

1925 wurde Aennchen Schumacher sogar die Ehrenbürgerwürde der Stadt Bad Godesberg verliehen. Sie starb am 26.2.1935 und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Burgfriedhof beerdigt. – Die biografischen Informationen zum Wismarer Maler und Lithografen Friedrich Bremer stammen überwiegend vom Stadtgeschichtlichen Museum Wismar.

Kontakt:
Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn
Berliner Platz 2
53111 Bonn
Tel.: 0228 / 772410
stadtarchiv@bonn.de

Quelle: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn, Zeitfenster, April 2021; Art: Aennchen Schumacher (Wikipedia)

Die Literaturzeitschrift »Rheinische Flora« der 1820er Jahre

In der Bibliothek des Stadtarchivs Aachen werden auch Zeitschriften aufbewahrt, die in Aachen erschienen sind, sich bestimmten Aspekten des kulturellen Lebens widmeten, hin und wieder durchaus überregionale Bedeutung erlangten und oft auch nur für kurze Zeit existierten. Ein Beispiel hierfür ist die Zeitschrift Rheinische Flora, Blätter für Kunst, Leben, Wissen und Verkehr.


Abb.: Titel der Ausgabe vom 28. April 1825 mit dem Frühlingsgedicht „Die Rose und der Schmetterling“ von Georg Graf von Blankensee (Stadtarchiv Aachen, Archivbibliothek, CZ 8)

Die Flora, die am 1. Januar 1825 mit einer Probenummer erstmals erschien, ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten; sie ist noch in sieben deutschen Bibliotheken neben dem Stadtarchiv Aachen nachweisbar, unter anderem in der Stadtbibliothek Aachen.

Die Rheinische Flora hatte in der regionalen Geschichtsschreibung zunächst durchaus Aufmerksamkeit erregt, sie war dann aber wieder weitgehend in Vergessenheit geraten. Im dritten Band der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins von 1881 setzte sich Alfred von Reumont (1808-1887) intensiv mit dem Blatt auseinander, indem er es als Hoffnungsstreifen an einem in literarischer Hinsicht von ihm sehr trüb gezeichneten Aachener Horizont beschrieb.

Nachdem Anfang der 1820er-Jahre erste vielversprechendere Publikationen in Aachen vorgelegt worden waren, gründeten die Herausgeber des Stadt-Aachener Anzeigers und des Unterhaltungs- und Literaturblatts, M. Urlichs und A. J. Cremer, die Rheinische Flora als belletristische Zeitschrift. Als Herausgeber engagierten sie Johann Baptist Rousseau (1802-1867).

Rousseau, 1802 in Bonn geboren, kam aus ärmlichen Verhältnissen, sein Vater war Stubenmaler. Durch die finanzielle Unterstützung eines reichen Onkels wurde ihm 1820 das Studium der Philologie an der Rheinischen Hochschule Bonn ermöglicht. Doch bereits 1821 musste er aus finanziellen Gründen sein Studium doch abbrechen, er verdiente seinen Lebensunterhalt nun als Hauslehrer, u. a. in Köln. Auch war er schon als Herausgeber anderer Literaturzeitschriften, z. B. des Westdeutschen Musenalmanachs tätig. Durch Rousseaus Freundschaft mit Wilhelm Smets (1796-1848) wurden die beiden Verleger auf Rousseau aufmerksam und stellten ihn ein.

Die Rheinische Flora veröffentlichte Lyrik und Erzählungen, Theaterkritiken, biographische Skizzen und Miszellen und vermittelte so den interessierten Bürgerinnen und Bürgern die verschiedenen Facetten des literarischen Lebens. In der Rheinischen Flora veröffentlichten namhafte Autoren: u.a. Heinrich Heine, Wilhelm Oertel, August Wilhelm Schlegel, Wilhelm Smets, Friedrich Arnold Steinmann, Adelheid von Stolterfoth und Jodocus Donatus Hubertus Temme.

Die Rheinische Flora erschien viermal, ab 1827 dann dreimal die Woche (mittwochs, freitags, sonntags), zum Teil mit Beilagen, und war im Abonnement zu jährlich 4 Talern erhältlich. Eine Ausgabe, in Halbbogengröße, hatte vier Seiten, dazu kam dann ggf. noch ein Blatt Beilage. Die Beilagen brachten mehr weltliche Themen: es gab hier z. B. Beiträge zum Wetter, zu laufenden Aachener Gerichtsverfahren oder auch Ankündigungen.

Im Stadtarchiv Aachen findet sich die Rheinische Flora vollständig, allein im ersten Jahrgang aus dem Jahr 1825 gibt es einzelne Lücken. Ende März 1827 erschien die letzte Ausgabe der Flora, das Blatt wurde nach dem Weggang Rousseaus in Richtung Hamm im Dezember 1826 nur noch ca. ein Vierteljahr weiter betrieben und dann eingestellt. Die Zeitschrift existierte somit nur etwas mehr als zwei Jahre.

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
in der Nadelfabrik
Reichsweg 30
52068 Aachen
Tel.: 0241 / 432-4972
Fax: 0241 / 432-4979
Stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Stadtarchiv Aachen, Neuigkeiten, Archivale des Monats April 2021, 31.03.2021

Archiv und Wirtschaft 1/2021

Die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e.V. (VdW), Archiv und Wirtschaft, erscheint in Kürze in seiner ersten Ausgabe des Jahres 2021. Zwischenzeitlich hat die VdW ihre Webseite www.wirtschaftsarchive.de überarbeitet, so dass sich die Übersicht aller Jahrgänge von „Archiv und Wirtschaft“ nunmehr unter einem neuen Link findet.

Die neue Ausgabe Heft 1/2021 von „Archiv und Wirtschaft“ beinhaltet u.a. einen Bericht über den 94. VdW-Lehrgang „Einführung in das Wirtschaftsarchivwesen (Einsteigen – Aufsteigen – Auffrischen)“, der vom 13. bis 18. September 2020 in Heidelberg stattfand.

Inhaltsverzeichnis „Archiv und Wirtschaft“ 1/2021

VdW-Jahrestagung am 3. Mai 2021 (Programm) (4-5)

AUFSÄTZE

Doris Eizenhöfer und Susan Becker: Nachhaltigkeit im Unternehmen – zwei Perspektiven (6-13)
Alexander L. Bieri: Roche in Riga – eine historische Wiedergutmachung (14-23)

DISKUSSIONSFORUM

Tobias Wildi: Honorar oder Lohn? Vielfältige Betreuungsmodelle fördern die Resilienz von Wirtschaftsarchiven (24-30)

BERICHTE

Maria Thumser: Kunst bewahren – Genossenschaftsgeschichte vermitteln (31-34)
Kai Balazs-Bartesch und Tobias Dörpinghaus: 94. VdW-Lehrgang „Einführung in das Wirtschaftsarchivwesen (Einsteigen – Aufsteigen – Auffrischen)“ vom 13. bis 18. September 2020 in Heidelberg (35-41)

REZENSIONEN

Christian Berg, Detlef Krause und Stefan Stein: Banken im Umbruch. Technik in der Commerzbank von 1870 bis heute (Siegfried Buchhaupt) (42-44)
Jens Heckl (Hrsg.): Unbekannte Quellen: „Massenakten“ des 20. Jahrhunderts. Untersuchungen seriellen Schriftguts aus normierten Verwaltungsverfahren, Bd. 4 (Matthias Weber) (44-46)

Nachrichten (46)
Rezensionsliste (47-48)
Impressum (52)

Kontakt:
Dr. Martin Münzel
c/o F. Hoffmann-La Roche AG
Redaktion „Archiv und Wirtschaft“
Bau 52/111
CH-4070 Basel
Tel.: (0049) (0)159-06825241
martin.muenzel@wirtschaftsarchive.de
www.wirtschaftsarchive.de/publikationen/archiv-und-wirtschaft

Queer durch Tübingen: Forschungsprojekt des Stadtarchivs

LSBTTIQ steht als Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, intergeschlechtliche und queere Menschen – eine Personengruppe, die in der Geschichtsschreibung kaum auftaucht und oft unsichtbar bleibt. Ihr hat das Stadtarchiv Tübingen das Forschungsprojekt „Queer durch Tübingen“ gewidmet, das als erstes Vorhaben dieser Art in ganz Baden-Württemberg die lokale Geschichte von LSBTTIQ vom Mittelalter bis zur Gegenwart nachzeichnet.


Abb.: König Karl von Württemberg empfängt Studenten in Bebenhausen (Ausschnitt aus einer Lithographie zum Universitätsjubiläum 1877). Die homosexuellen Neigungen des Königs sind ein Thema bei „Queer durch Tübingen“. (Bild: Paul Sinner / Stadtarchiv Tübingen)

„Wir wollen Quellen zu Unterdrückung und Verfolgung, zu Freundschaften, Beziehungsmodellen und der Schaffung einer eigenen Lebenswelt sowie zum Kampf um gleiche Rechte und gesellschaftliche Teilhabe von LSBTTIQ zutage fördern. Dafür bietet Tübingen, das schon immer eine Stadt des Geistes, aber auch der Freigeister war, großes Potenzial“, sagt Stadtarchivar Udo Rauch, der das Projekt gemeinsam mit dem Historiker Karl-Heinz Steinle betreut.

Auf der städtischen Internetseite unter www.tuebingen.de/queer ist ab sofort ein Teil der bisherigen Forschungsergebnisse abrufbar. Hier kann man die Lebensgeschichte stadtbekannter homosexueller und queerer Persönlichkeiten nachlesen und sich über frühere Szene-Treffpunkte informieren. Video-Interviews mit den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Monika Barz, Helmut Kress und Herta Leistner machen deutlich, wie sehr sich die Lebenswelt queerer Menschen in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat und mit welchen Widerständen sie zu kämpfen hatten und noch immer haben.

Für die Fortführung seiner Recherchen ist das Tübinger Stadtarchiv auf der Suche nach privaten Beständen zu LSBTTIQ in Tübingen. „Ohne Unterlagen aus privaten Beständen erfahren wir nur wenig über die Lebenswege von Personen, die den Behörden nicht auffielen oder die den Behörden eben nicht auffallen wollten“, sagt Udo Rauch. Wer Briefe, Fotografien, Dokumente, Sammlungen von Zeitdokumenten, persönliche Erinnerungsstücke oder Alltagsgegenstände beisteuern möchte, kann sich mit dem Stadtarchiv in Verbindung setzen. Das Forschungsprojekt „Queer durch Tübingen“ mündet in eine gleichnamige Ausstellung, die ab September 2021 im Tübinger Stadtmuseum geplant ist.

Link: www.tuebingen.de/queer

Kontakt:
Universitätsstadt Tübingen
Fachabteilung Stadtarchiv
Am Markt 1
72070 Tübingen
Telefon 07071 204-1305
Telefax 07071 204-41446
archiv@tuebingen.de

Quelle: Stadt Tübingen, Pressemitteilung, 6.4.2021

Archivalien des Stadtarchivs Geseke sind »in Kur«

Das Stadtarchiv Geseke nimmt erstmals an der Landesinitiative Substanzerhalt (LISE) zur Bestandserhaltung von Archivgut teil. Akten und andere Archivunterlagen des 19. und 20. Jahrhunderts bestehen meist aus säurehaltigem Papier, das sich selbst bei optimalen Lagerbedingungen im Laufe der Zeit zersetzt.

Stadtarchiv (Foto: Stadt Geseke)

Das Problem ist seit mehreren Jahrzehnten bekannt. Wird nichts dagegen unternommen, sind die Archivbestände unwiederbringlich verloren. Auch wenn Archivalien zunehmend digitalisiert werden, ist der Erhalt der Originale unverzichtbar, da ein Original immer mehr Informationen enthält, als durch das bloße Abbild eines Digitalisats vermittelt werden kann.

Die Archive, deren gesetzliche Hauptaufgabe darin besteht, Archivgut auch für die Zukunft zu bewahren, stehen dabei unter Zeitdruck. Eine Entsäuerung muss unbedingt vor dem Zeitpunkt durchgeführt werden, an dem das Papier jegliche Flexibilität und Festigkeit verloren hat. Wird dieser Zeitpunkt verpasst, ist eine Entsäuerung sinnlos. Das Original ist dann nur noch mit enormem finanziellem Aufwand zu restaurieren. Restaurierung ist aber ungefähr vierzigmal teurer als Entsäuerung.

Erstmals nimmt das Stadtarchiv Geseke daher an der Landesinitiative Substanzerhalt teil. Die Landesinitiative Substanzerhalt des Landes Nordrhein-Westfalen, kurz LISE genannt, fördert in Kooperation mit den beiden Landschaftsverbänden Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) seit Oktober 2006 die Massenentsäuerung nicht-staatlichen, hauptsächlich kommunalen Archivguts mit einem Förderanteil von 60%. Neuerdings umfasst das LISE-Programm neben der Papierentsäuerung auch andere Maßnahmen zur Bestandserhaltung von Archivgut wie Reinigung und Dekontamination, die sachgerechte (Neu-)Verpackung und die Behebung mechanischer Schäden.

Die organisatorische Durchführung obliegt für den Landesteil Westfalen-Lippe dem LWL-Archivamt für Westfalen. Möchte ein westfälisches Archiv im Rahmen der LISE Archivgut entsäuern lassen, so beginnt das Verfahren nach Antrag mit der Auswahl geeigneter Archivalien und dem vom LISE-Team organisierten Transport der Unterlagen zum LWL-Archivamt. Dort werden die Archivalien für die Entsäuerung vorbereitet. Nach dem Weitertransport zu Dienstleistern erfolgt die Entsäuerung entweder im Einzelblatt- oder Blockverfahren. Für die fadengehefteten Akten oder als Buch gebundenen Protokollbände des Geseker Stadtarchivs kommt dieses Mal nur das Blockverfahren in Frage.

Im Blockverfahren wird die gesamte Akte mit der nicht-wässerigen Entsäuerungsflüssigkeit geflutet, im Folgenden Vakuum-getrocknet und gegebenenfalls rekonditioniert. Zur Nachbereitung werden die entsäuerten Archivalien zurück zum LWL-Archivamt transportiert. Dort findet eine abschließende Qualitätskontrolle statt, nach der die fertig entsäuerten Archivalien zurück an das Archiv geliefert werden.

Bereits 2020 wurde der Antrag gestellt, an der 2021 stattfindenden Entsäuerungsmaßnahme teilnehmen zu können. Ebenfalls noch 2020 besuchte die LISE-Projektleiterin Gabriele Rotkegel das Geseker Archiv und begutachtete den von Stadtarchivarin Evelyn Richter zur Entsäuerung vorgeschlagenen Bestand. Da die Fördermittel des Landes begrenzt sind, erhält jedes teilnehmende Archiv ein bestimmtes festes Kontingent zugewiesen. Deshalb konnte das Stadtarchiv Geseke jetzt „nur“ 299 Kilogramm entsprechend vorbereitete Akten des Bestandes B – das entspricht immerhin 65 Archivkartons – an den Mitarbeiter des LWL-Archivamtes übergeben.


Abb.: Das Archivgut, dass zur Entsäuerung abgeholt wurde (Foto Stadtarchiv Geseke)

Von dort werden die Archivalien weiter zum ZFB (Zentrum für Bucherhaltung) in Leipzig und schließlich nach Abschluss der Maßnahme in ca. einem halben Jahr wieder nach Geseke zurück transportiert. Nach ihrer Rückkehr aus dem „Kuraufenthalt“ in Leipzig werden die Archivalien wieder der Benutzung durch Archivbesucher zur Verfügung stehen. Die Entsäuerung des gesamten gefährdeten Geseker Archivbestandes wird jedoch noch viele Jahre dauern.

Zur Zeit ist das Stadtarchiv Geseke allerdings geschlossen. Da es im obersten Stockwerk der Dr. Adenauer-Grundschule untergebracht ist, leidet es unter massiven Platzmangel. Deshalb werden im Moment Umbauarbeiten im Lesesaal durchgeführt. Für Anfragen ist Stadtarchivarin Evelyn Richter aber weiterhin erreichbar.


Abb.: Blick auf die Bauarbeiten im Lesesaal des städtischen Archivs. Hier wird Raum für ein neues Magazin geschaffen. (Bild: Stadtarchiv Geseke)

Eine Trennwand wird eingezogen, um auf diese Weise im abgetrennten Teil einen zusätzlichen Magazinraum zu schaffen. Der neue Raum wird künftig als Magazin für die Archivbibliothek dienen. Dafür werden weitere Regale beschafft und die Fenster zusätzlich mit UV-Schutzfolien verkleidet. Im Lesesaal werden Steckdosen und der Benutzercomputer-Anschluss neu verlegt sowie Reparaturmaßnahmen an den Außenjalousien von Lesesaal, Bibliotheksmagazin und Archivbüro vorgenommen. Die Anzahl der Besucherarbeitsplätze wird durch den Umbau dennoch nur geringfügig verringert.

Nicht nur das Stadtarchiv auch die Archivbesucher profitieren von dem Umbau. Künftig wird den Benutzern im Lesesaal WLAN zur Verfügung stehen und an jedem Besucherarbeitsplatz wird zudem unmittelbar eine Steckdose für den Laptop vorhanden sein. Auch hierfür werden derzeit die technischen Voraussetzungen geschaffen.

Kontakt:
Stadtarchiv Geseke
Ostmauer 2
59590 Geseke
Tel.: 02942 / 500-793
evelyn.richter@geseke.de

Postadresse:
Stadtverwaltung Geseke, Stadtarchiv
Postfach 14 42
59585 Geseke

Quelle: Stadt Geseke, Pressemitteilung, 25.3.2021; Stadt Geseke, Pressemitteilung, 8.3.2021

Wappenurkunde vom Kirchheimer Wertstoffhof

Normalerweise sind Urkunden, Handschriften und dergleichen fester Bestandteil des Archivs. Nicht so die Handschrift, die anlässlich der Verleihung des Kirchheimer Gemeindewappens im Jahr 1966 angefertigt wurde. Sie ist Anfang Februar 2021 Mitarbeitern des örtlichen Wertstoffhofs in die Hände gefallen, die sie dankenswerter Weise gerettet und der Gemeinde übergeben haben.


Abb.: Besonderer Fund auf dem Wertstoffhof in Kirchheim bei München: Eine Handschrift zur Verleihung des Gemeindewappens 1966. Unklar ist, ob es sich um das Original handelt (Foto: Gemeinde Kirchheim).

„Wie auch immer diese Handschrift in Privatbesitz und letztendlich zum Wertstoffhof gelangt sein mag, so sind wir nun umso mehr dankbar, dass dieses Zeitzeugnis erhalten bleibt, denn es beinhaltet wichtige Stationen der Kirchheimer Ortsgeschichte.“, erklärt Kulturreferentin Katharina Ruf. „Und gerade der letzte Absatz spiegelt wieder, dass Kirchheim und Heimstetten schon lange eine gemeinsame Planung vorantreiben. Über 50 Jahre später setzen wir nun eine andere, viel kleinere Planung um. Immer wieder spannend, wo wir herkommen. Und noch spannender, wo wir jetzt gemeinsam hingehen.“, ergänzt Erster Bürgermeister Maximilian Böltl.

Hier steht: „Die Großplanung, die Kirchheim zusammen mit Heimstetten durchführen wird, beabsichtigt in 5-6 Bauabschnitte Wohnraum für 20-25000 Menschen zu schaffen. Möge also Kirchheim einer glücklichen Zukunft entgegengehen zum Wohle seiner Bürger […].“

Verbunden mit diesem Fund möchte die Gemeinde Kirchheim alle Bürgerinnen und Bürger darauf aufmerksam machen, bei alten Gegenständen, Schriften und Zeitdokumenten genau darauf zu achten, ob diese zum Wertstoffhof gebracht werden oder für das Gemeindearchiv von Interesse sein könnten.

Inhalt der Handschrift:

Vom modernen Leben durchpulst, freundlich und aufgeschlossen, so bietet sich unser Ortsbild dem Beschauer, der sich dabei aber kaum der uralten geschichtlichen Vergangenheit Kirchheim bewußt sein wird. Darum will diese Handschrift, anläßlich der Verleihung des Gemeindewappens durch das Bayerische Innenministerium, die wichtigsten historischen Stationen der Allgemeinheit und vor allem unserer Jugend nagebringen und überliefern.

Urbayerische und ältestes Herzogsgut ist unsere Heimat. Anno 756 findet im benachbarten Aschheim der 1. Bayer. Landtag, die erste Landessynode unter Herzog Tassilo III. statt, 771 in Neuching, 804 hören wir von Pliening, 805 und 806 von Erding (Altenerding) als Zentren des altbayerischen, herzoglichen Lebens. Wenn auch Kirchheim damals noch nicht erwähnt ist, so ist seine Existenz, infolge seiner Lage an der uralten Straße, doch so gut wie sicher. 788 kam Bayern unter die Überhoheit das Karolinger, die einzelnen Baue unterstanden wiederum den königlichen Baugrafen. Wir gehörten jahrhundertelang zum Gericht Wolfratshausen, das bis 1249 die mächtigen Grafen von Andechs innehatten, bis dieselben ihrem Erzfeind, den Wittelsbachern, unterlagen und das Gebiet an den Herzog fiel. Der dem Hause Dießen-Andechs entsprossene Bischof Otto III. von Bamberg vergab Kirchheim 1186 an das Kloster Dießen. Durch die verheerenden Einfälle der Ungarn (oder Magyaren, Hünnen) wurde bis 955 auch Kirchheim völlig zerstört. Doch erst 100 Jahre später, anno 1089, bringen die Freisinger Traditionen unter der Nr. 1515a die Nachricht, daß Kirche und Mayerhof zu „chirichhaimb“ dem Stift St. Andrae zu Freising zinspflichtig sind. Die weltliche Macht übten Ministralen der Andechser aus; das waren adelige Dienstmänner, die später in den Ritterstand aufgingen. Um 1130 erscheint Kirchheim erstmals als Schergenamt mit „Gramarium“ (Lagerhaus), das zum Amt Pahl am Ammersee gehörte und ebenfalls Andechser Besitz war. Herzog Otto II. der Erlauchte teilte sein Gebiet in 35 Ämter nebst 34 Unterämter (Schergenämter) ein. Der Landrichterei Kirchheim unterstand damals das Gebiet von Schäftlarn bis Freising. 1255 wird beurkundet, daß dem Amt Kirchheim die Orte Feldkirchen, Grasbrunn, Gerharting, Anzing, Forstern, Föhring, Trudering, Salmdorf, Riem, Gießing, Ebersberg, Perlach, Deisenhofen u.a. unterstanden. Kirchheim hatte damals 16 Höfe, die ihren Zehent oder Zins beim Zehetmeierhof (heute Zehmer) in Naturalien oder auch in Geld zu leisten hatten.

In der Frühzeit gehörte unser Gotteshaus zu der Pfarrei Aschheim, aber schon 1187/89 berichtet eine Freisinger Urkunde, die Vergebung eines Hofes in Hausen betreffend, von der Eigenschaft als „Pfarrei Chirchhain“. Der erste Pfarrer ist 1244 mit „Friedericus plebanus“ beurkundet. 1524 unterstand die Pfarrei Kirchheim der freien Collation des Bischofs von Freising. 1575 steht in einer Pfarrbeschreibung: „Diese Pfarr verleihen dem Monat nach der Bischof von Freysingen u. unser gnädigster Fürst der Herr Herzog Albrecht.“ Im unseligen dreißigjährigen Krieg belagerten die Schweden das befestigte München und verpflegten sich inzwischen durch Raub und Plünderung in der Umgebung der Landeshauptstadt. Auch Kirchheim wurde mehrmals geplündert und schließlich zerstört und verbrannt, sodaß nichts übrig blieb und auch unser Gotteshaus in Schutt und Asche fiel. Erst 1651-79, unter der Regierung des kurfürstlichen Ferdinand-Maria erstand aus kleinsten Anfängen ein neues Kirchheim. Infolge der Mittellosigkeit der Einwohner dauerte auch der Kirchenbau rund 10 Jahre. Der kurfürstliche Sekretarius Joh. Eisvogel und der Münchner Patrizier Fr. Anton Müller sahen bei einer Durchreise das unvollendete Gotteshaus und spendeten das Geld zur Vollendung der Kirche, die dann 1683 fertig wurde. An Tagen, allgemeinen Gedenkens wird dieser beiden Wohltäter noch heute gedacht.

Neues Elend brachten die Erbfolgekriege des 18. Jahrhunderts, als Kirchheim nicht selten seitens durchziehender österr. Soldateska zu leiden hatte. 1770 war ein Hungerjahr, ein Jahr völliger Mißernte. Ein Schäffel Weizen kostete 300 fl., Gerste 50 fl.. Für ein gutes Brot soll bei uns ein Acker mit 3 Tgw. eingetauscht worden sein. Von 1801 bis 1809 waren bei uns die sog. Napoleonischen Kriege durch Requirierungen und Zwangsrekrutierungen zu spüren. Weiterhin brachte der Anfang des vorigen Jahrhunderts Teuerung, Hunger und Not. Einwanderer aus Rheingau, Württemberg und Baden machten sich damals hier ansässig, man nennt sie heute noch „Überrheiner“. Bei uns waren es die Familien Huber, Kratzer und Radl. Die Überrheiner waren es, die viel Moosgrund kultivierten und den Grundstein für den heute betrachtlichen Kartoffelanbau legten. 1817 bildete sich die erste politische Gemeinde unter Führung des sog. „Vierrerrates“, im Volksmund die „vier Windigen“. Es waren dies die Bauern vom „Moarhof, Seininger Hof, Schrollhof (beim Schrey) und der alte Wirt“. Die waren die Spender der Windfahne, was aber von den Kirchheimern mehr als Machtdemonstration aufgenommen wurde. Im Laufe der Zeit verquickte sich das mittelalterliche Schergenamt des 12. Jahrh. mit den „Vier Windigen“ des 19. Jahrh., sodaß man die vier Windigen irrtümllich in des Mittelalter versetzte.

Der erste Schulunterricht war in der Emmeramskapelle in Feldkirchen, 1835 wurde das erste Schulhaus auf dem „Scherbergütl“ erbaut, 1874 ein zweites, mehrmals vergrößert, bis der heutige Bau 1912 entstand. 1949 vernichteten Großbrände die meisten alten Häuser. Bis zum Jahre 1890 waren Überschwemmungen jedes Jahr an der Tagesordnung, bis die MIAG den Abfanggraben baute und somit die Überschwemmungsgefahr gebannt war. Dann folgte jedoch die Wassernot, bis 1928 die Wasserleitung gebaut wurde. Die Elektrifizierung war schon 1902 erfolgt, als die Gemeinde 346 Einwohner zählte, heute sind es 730.

Die Großplanung, die Kirchheim zusammen mit Heimstetten durchführen wird, beabsichtigt in 5-6 Bauabschnitte Wohnraum für 20-25000 Menschen zu schaffen. Möge also Kirchheim einer glücklichen Zukunft entgegengehen zum Wohle seiner Bürger und als Dank an die Männer, die das geschaffen haben, was Kirchheim heute ist, ein glückliches Gemeinwesen.

Geschrieben unter frdl. Mitarbeit von Obl. a.d. Frl. v. Münichsdorfer

Anno 1966

Das Wappen der Gemeinde Kirchheim  war geteilt von Blau und Gold, oben silberne Windfahne, unten rotes Andreaskreuz. Das Kreuz wies auf die seit 1098 bestehende Grundherrschaft des Freisinger Stiftes St. Andrä hin. Die Windfahne geht auf eine Geschichte zurück, nach der vier Bauern (die vier Windigen von Kirchheim) Anfang des 19. Jahrhunderts eine goldene Windfahne für den Kirchturm stifteten.

Infolge der im Jahr 1976 verabschiedeten Gebietsreform wurde Heimstetten am 1.5.1978 in die Gemeinde Kirchheim bei München eingegliedert. Im Zuge dieser Gebietsreform wurden die beiden Wappen der Gemeinden Kirchheim und Heimstetten vereint, wie man auch in Wikipedia nachlesen kann. Die linke Hälfte entspricht dem Wappen der Gemeinde Kirchheim, die rechte dem der Gemeinde Heimstetten. Dieses war geteilt von Gold und Schwarz, oben rotes Schwert und roter Palmenzweig, unten drei silberne Leisten. Das Wappen sollte durch die Farben gelb und schwarz die Beziehung zu München symbolisieren und an den Regensburger Bischof St. Emmeram erinnern, dessen Märtyrer-Attribute die Palme und das Schwert waren. Die silbernen Leisten wurden aus dem Wappen der Baierbrunner übernommen. Konrad IV. von Baierbrunn verkaufte 1324 seinen Kirchheimer Hof samt Zehent an den Münchner Bürger Martin Katzmair und schenkte 1328 dem Kloster Anger seine zwei Höfe in Heimstetten.

Kontakt:
Gemeinde Kirchheim b. München
Gemeindearchiv
Münchner Straße 6
85551 Kirchheim b. München
089/90909-1402 / -1404
archiv@kirchheim-heimstetten.de

Quelle: Gemeinde Kirchheim, Besonderer Fund, 4.2.2021

Religionswissen im Stadtarchiv Pforzheim

Im Rahmen der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit übergaben Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften Fotos an das Stadtarchiv Pforzheim, wo sie nun dauerhaft aufbewahrt werden. „Als Stadtarchiv überliefern wir nicht nur das Verwaltungshandeln, sondern sammeln auch Dokumente, um die ganze Breite der Stadtgesellschaft für die Nachwelt abzubilden. Dazu gehört auch die Vielfalt der Religionen in Pforzheim“, erläutert Archivleiterin Klara Deecke den Hintergrund der Aktion. „Die Woche der Brüderlichkeit zum interreligiösen Dialog war der ideale Anlass, fotografische Schlaglichter auf das religiöse Leben in die Bestände aufzunehmen, die heutigen und künftigen Archivbenutzerinnen und -benutzern wertvolle Informationen liefern werden“, so Deecke.


Abb.: Fotoarchivarin Sonja Anžič-Kemper, Yavus Cevik von der Fatih Moschee, Tobias Gfell vom katholischen Dekanat Pforzheim, und Archivleiterin Klara Deecke (v. l. n. r.) bei der Übergabe des Bildmaterial der Religionsgemeinschaften an das Stadtarchiv (Foto: Stadt Pforzheim, Eugen Schüle)

Die ersten Fotos wurden von Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften nun in die Schubladen des Archivmagazins gelegt – symbolisch, denn es handelt sich um Digitalfotos, die auch digital archiviert werden. Und ehe das Material zu Archivgut wird, wählt das Stadtarchiv die geeignetsten Bilder aus, ermittelt Zusatzinformationen und klärt die rechtlichen Rahmenbedingungen. Yavuz Cevik von der DITIB Fatih Moschee war einer der ersten, der Fotos schickte: „Wir renovieren gerade die Fatih Moschee. Dabei entstehen viele Fotos vom Gebäude, die wir dem Stadtarchiv übergeben. Aber auch Fotos von religiösen Feiern sowie dem interreligiösen Austausch sind dabei.“ Hasan Akbaba von der alevitischen Gemeinde bekräftigt: „Uns ist die Beteiligung an der Aktion mit dem Stadtarchiv sehr wichtig und wir haben Bilder zu den Höhepunkten der letzten Jahre ausgesucht.“ Tobias Gfell vom katholischen Dekanat der Stadt Pforzheim ergänzt: „Wir haben Fotos von eigenen sowie gemeinsamen Veranstaltungen übergeben. So eine Sammlung von Bildern zeigt erfreulich und überraschend, wie vielfältig katholisches Engagement in dieser Stadt ist.“ Fotoarchivarin Sonja Anžič-Kemper, die die Bilder in die digitale Fotosammlung des Stadtarchivs integrieren wird, fügt hinzu: „In unserer Fotosammlung steht oft die Architektur von Kirche, Synagoge, Moschee usw. im Vordergrund. Die Bilder zum religiösen Alltagsleben ergänzen dies um einen wichtigen Aspekt.“

Der Aktion im Stadtarchiv vorausgegangen war ein Aufruf des Pforzheimer Kulturamts im Zuge der Vorbereitung der interreligiösen Veranstaltungswoche. Denn das Jahresmotto der Woche der Brüderlichkeit lautet „… zu Eurem Gedächtnis – Visual History“. „Dieses Motto haben wir in die Zukunft gewendet und die Idee des Aufrufs zur Abgabe von Archivmaterial war geboren“, so die stellvertretende Kulturamtsleiterin Claudia Baumbusch. Vom katholischen Dekanat, der alevitischen Gemeinde und der Fatih Moschee hat das Stadtarchiv bereits Bildmaterial erhalten. „Wir freuen uns, dass der Aufruf auf so große Resonanz gestoßen ist und erneuern die Einladung an die anderen Religionsgemeinschaften, sich zu beteiligen“, unterstreicht Baumbusch.

Kontakt:
Stadtarchiv Pforzheim – Institut für Stadtgeschichte
Dr. Klara Deecke
Kronprinzenstr. 28
75177 Pforzheim
Tel.: 07231 / 39-2898
klara.deecke@pforzheim.de

Quelle: Stadt Pforzheim, Pressemitteilung, 13.3.2021

Neuer Leiter des Stadtarchivs Leer

Das Stadtarchiv Leer als „Gedächtnis der Stadt“, startet durch mit einer neuen Leitung und zeitgemäßem technischen Know How. Bürgermeisterin Beatrix Kuhl wird demnächst mit Doris Ulfers-Brandt vom Fachdienst Kultur, den 38jährigen Jan Böttche aus Ribnitz-Damgarten als neuen Leiter des Leeraner Stadtarchivs willkommen heißen.


Abb.: Jan Böttche aus Ribnitz-Damgarten ist neuer Leiter des Stadtarchivs Leer (Foto: Stadt Leer)

Jan Böttche ist Nachfolger von Menna Hensmann, die ihren Ruhestand angetreten hat. Er ist ausgebildeter Archivar. Mit großer Freude sieht er seinen zukünftigen abwechslungsreichen Aufgaben entgegen.

Mit dem Ziel, die unzähligen kulturhistorisch wertvollen Unterlagen des Stadtarchivs digital und jederzeit abrufbar zur Verfügung zu stellen, wird Jan Böttche sich auch mit dem Aufbau einer zeitgemäßen digitalen Infrastruktur beschäftigen. Dafür gilt es zunächst, das mehrere Hundert Regalmeter umfassende Archivgut, digital zu erfassen. Für diese Mammutaufgabe wird der z.T. sehr wertvolle Bestand aus historischen Schriften, Urkunden, Bildern sowie das umfangreiche Kartenmaterial gesichtet, erschlossen und durch Digitalisierung öffentlich zugänglich gemacht.

Bürgermeisterin Kuhl freut sich, dass dieser Digitalisierungsprozess in Kürze im Stadtarchiv Leer, dank einer umfangreichen Förderung des Bundes aus dem neu aufgelegten Programm „WissensWandel“ – dem Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive“, gestartet werden kann. Den Hinweis auf das Förderprogramm gab Gitta Connemann (MdB).

Kontakt:
Stadtarchiv Leer
Rathausstraße 1
26789 Leer (Ostfriesland)
Tel.: 0491 / 9782-411
Fax: 0491 / 9782-247
archiv@leer.de

Quelle: Stadt Leer, Pressemitteilung, 25.03.2021

Digitalisierung und Erschließung der Stammbuchsammlung des Nds. Landesarchivs Wolfenbüttel

Am 1. März 2021 hat das Projekt „Digitalisierung und Erschließung der Stammbuchsammlung des Niedersächsischen Landesarchivs – Abteilung Wolfenbüttel“ begonnen. Es wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und ist aktuell eines von drei DFG-Projekten des Niedersächsischen Landesarchivs.

In den kommenden zwei Jahren sollen unter Bearbeitung von Dr. Magnus Ulrich Ferber und archivfachlicher Leitung von Dr. Philip Haas über 300 Stammbücher einer Einzelblatterschließung unterzogen und mit hochauflösenden Farbdigitalisaten verknüpft werden.


Abb.: Die Reitschule am Sächsischen Hof in Merseburg, Illustration zum Eintrag des fürstlich Sächsischen Rossebereiters Basilius Kühn vom 24. April 1669 (NLA WO VI Hs 13 Nr. 22 Aufn. 16; Bildrechte: Niedersächsisches Landesarchiv)

Stammbücher entstanden im 16. Jahrhundert aus Widmungs- und Autografensammlungen der Wittenberger Reformatoren. Diese Praxis wurde im Laufe der Frühen Neuzeit zu Büchern ausgeweitet, in denen insbesondere Studenten und Adlige auf Reisen Einträge von Kommilitonen, Professoren, Honoratioren, Machthabern und sonstigen Bekanntschaften sammelten. Zunehmend führten auch Frauen, Offiziere, Künstler, Musiker, Handwerker und Gelehrte Stammbücher von gruppenspezifischer Prägung. Die vielsprachigen, oftmals kunstvoll ausgestalteten und reich illustrierten Freundschaftsalben wurden zu memorialen Zwecken angelegt, sollten aber auch Beziehungsnetzwerke veranschaulichen und Dritten als Empfehlungsschreiben dienen. Damit sind sie eine wichtige historische Quelle für unterschiedliche Disziplinen und verschiedene Fragestellungen.


Abb.: Eintrag des fürstlich Sächsischen Rossebereiters Basilius Kühn vom 24. April 1669 (NLA WO VI Hs 13 Nr. 22 Aufn. 16; Bildrechte: Niedersächsisches Landesarchiv)

Mit der Stammbuchsammlung in der Abteilung Wolfenbüttel verfügt das Niedersächsische Landesarchiv über die größte Stammbuchsammlung in Niedersachsen und eine der größten weltweit. Ihre zeitliche Spannbreite erstreckt sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Inhaltliche Besonderheiten liegen zum einen im hohen Anteil an Stammbüchern von Frauenhand und zum anderen darin, dass das Projekt erstmals einen größeren Fundus an Stammbüchern aus dem nördlichen Deutschland erschließt und bereitstellt. Eine wissenschaftliche Tagung, Publikationen und Vorträge sind in Planung und werden die Ergebnisse des Forschungsprojekts gleichermaßen einer fachlichen und einer breiteren Öffentlichkeit näherbringen.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel
Forstweg 2
38302 Wolfenbüttel
Tel.: 05331 / 935 0
Fax: 05331 / 935 211
Wolfenbuettel@nla.niedersachsen.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Aktuelles, Neuigkeiten 2021, 15.03.2021

Widerstand gegen die Aufführung des Films »Die Sünderin«

Der 1950 uraufgeführte Film „Die Sünderin“ gehörte zu den Skandalfilmen der noch jungen Bundesrepublik. Der Film erzählt die Geschichte der Prostituierten Marina, gespielt von Hildegard Knef (1925-2002), die ihrem lebensmüden Geliebten beim Selbstmord assistiert. Die dominanten Themen des Films, insbesondere Prostitution, Wilde Ehe, Sterbehilfe und Selbstmord sowie Hildegard Knefs Freizügigkeit brachen mit den zeitgenössischen Tabus. Kirchen, Politik und Verwaltung riefen daher – mehr oder weniger stark – zum Boykott des Films auf und forderten ein Aufführungsverbot.


Abb.: Filmplakat (NLA OS Slg 100 I, Osnabrücker Tageblatt Jg. 67, Januar-März 1951, fol. 69v [18.01.1951, S. 8] ; Bildrechte: Niedersächsisches Landesarchiv)

Im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Osnabrück, befindet sich die Stellungnahme des Herzog-Film-Verleihs gegen die „Entschliessung vom 19.3.51 wegen des Filmes ‚Die Sünderin‘ etc.“. (NLA OS Dep 76 b Akz. 5/1988 Nr. 243). Unter dem Titel „Die Sünderin“ auf der Anklagebank (1951) wird diese Archivale unter der Rubrik „Aus den Magazinen des Landesarchivs“ im März 2021 vorgestellt.


Abb.: Stellungnahme des Herzog-Film-Verleihs gegen die Entschließung vom 19.03.1951 (Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Osnabrück)

Auch in den konfessionell geprägten ländlichen Regionen des Regierungsbezirkes Osnabrück sorgte der Film für gesellschaftliche Auseinandersetzungen und wurde als Frontalangriff auf die Grundwerte der jungen Demokratie gesehen. In Lingen und in Nordhorn veranlassten die Stadträte im März 1951 polizeilich angeordnete Aufführungsverbote und empfahlen allen emsländischen Kommunen, die Aufführung des Films zu verbieten.

Während der Rat der Stadt Nordhorn dieses Verbot bereits im Mai 1951 auf Anraten der Hannoverschen Städte- und Kommunalverbände wieder zurücknahm, blieben Rat und Kreistag in Lingen bei ihrer kompromisslosen Linie und wiesen die Beschwerden des Herzog-Film-Verleihs gegen das Verbot zurück. Im Januar 1952 bestätigte das Landesverwaltungsgericht in Osnabrück die Rechtswirksamkeit dieses Verbots (NLA OS Rep 970 Nr. 3 Teil 1). Dem widersprach allerdings das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg im November 1952: Der Polizei stünde bei geistigen Gütern nicht das Recht zu, eine Zensur auszuüben, zumal auch die öffentliche Ordnung durch den Film nicht gefährdet gewesen sei. Polizei und Verwaltungsgerichte stehe „das Amt des Sittenrichters und des Zensors nicht zu“ (NLA OS Rep 970 Nr. 3 Teil 1).

Erst eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1954 beendete die Diskussion: „Die Sünderin“ sei keine Meinungsäußerung, sondern gelte als Kunstwerk und sei damit durch die Kunstfreiheit geschützt. Einem polizeilichen Einschreiten gegen einen Film fehle damit die rechtliche Grundlage.

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Osnabrück
Schloßstr. 29
49074 Osnabrück
Tel.: 0541 / 33 162 0
Fax: 0541 / 33 162 62
Osnabrueck@nla.niedersachsen.de

Quelle: Aus den Magazinen des Landesarchivs, Abteilung Osnabrück, März 2021