Fremdländische Händler im Weil des 18. Jahrhunderts

Dass Migration kein neuzeitliches Phänomen ist, sondern bereits in vergangenen Jahrhunderten festgestellt werden kann, zeigen zahlreiche Dokumente im Weiler Stadtarchiv. – Ein besonders prachtvolles Dokument aus den Archivbeständen zum Thema Wanderungsbewegungen wird als Archivale des Monats Juni 2021 vorgestellt. Im Urkundenbestand des Stadtarchivs Weil der Stadt findet sich neben den „üblichen“ spätmittelalterlichen Urkunden auch eine Urkunde für Mathäus de Crignis aus Tolmezzo im Monaital/Karnien, ausgestellt von Johannes Palazzini am 20.August 1716.

Auf welchem Weg diese Urkunde in das städtische Archiv gelangte ist unklar – das eigentlich private Lebensdokument könnte gegenüber der damaligen Stadtverwaltung als Nachweisdokument gedient und sich daraufhin in der städtischen Überlieferung erhalten haben.

Die Urkunde besteht aus Pergament und ist 59 cm breit und 50 cm hoch. Durch die Verzierungen mit floralen und ornamentalen Elementen ist in der Mitte der Markuslöwe dargestellt mit der Inschrift „Pax tibi, Marce, E[vangelista] M[eus]“ = „Friede sei mit Dir, Markus, mein Evangelist“, mittig am oberen Rand ist der venezianische Löwe zu sehen [Mit der Eroberung des Patriarchats durch die Republik Venedig kam 1420 auch Karnien unter venezianische Herrschaft und schied aus dem römisch-deutschen Reichsverband aus. 1796 kam es mit Venetien an Österreich, 1866 an Italien].

Die komplett in lateinischer Sprache gefasste Urkunde ist ein Leumundszeugnis für Mathäus de Crignis und bestätigt seine eheliche Abstammung sowie seine Herkunft aus Tolmazzo. Zugleich bittet der Aussteller um Schutz und Unterstützung für ihn.

Aus dem Friaul und besonders aus dem Gebiet der karnischen Voralpen setzte nach dem Dreißigjährigen Krieg eine beruflich und sozial bedingte Migration nach Süddeutschland ein. Landwirtschaftliche Saisonarbeiter, wandernde Händler und Hausierer kamen Ende des 17. Jahrhunderts in Scharen über die Alpen und boten hier ihre Waren und ihre Arbeitskraft an.

Für die Wanderhändler aus den karnischen Alpen wurde ein eigener Begriff geprägt. Sie waren die „Cramars“ (die heutigen „Krämer“, auch „karnischen Materialisten“ genannt) und handelten mit Stoffen und Gewürzen, die sie aus Venedig bezogen sowie mit selbstgefertigten handwerklichen Produkten. Es gab die Wanderhändler, die von Markt zu Markt zogen und diejenigen, die sich am Ziel ihrer Reise niederließen und als Ladenbesitzer heimisch wurden. Dabei waren die Gebrüder Crignis jedoch kein „Einzelfall“ – weitere Weiler Migranten früherer Jahrhunderte sind u.a. die Gaudy (Savoyen) oder auch die Familie Gall (aus Mailand bzw. vom Comer See).
Zu letzteren reisenden Händlern zählte auch Mathäus de Crignis. Er stammte aus Tolmezzo (deutschsprachig „Schönfeld“), welches ungefähr 40 km von der Grenze zu Österreich/Kärnten entfernt liegt. Wir wissen von ihm, dass er vermutlich um 1685 geboren ist und Anfang des 18. Jahrhunderts nach Weil der Stadt kam. Ob er zunächst nur gelegentlich nach Weil der Stadt kam und dabei seine spätere Frau kennen gelernt hat, oder ob er aus sonstigen Gründen bereits in Weil der Stadt ansässig war und dann erst in Kontakt zu Maria Stotz kam, können wir getrost der Phantasie überlassen. In jedem Fall hat er am 18. Januar 1712 in Weil der Stadt die Maria Eva Stotz geheiratet hat. Mit ihr hatte er sechs Kinder, von denen aber nachweislich nur die Tochter Maria Viktoria * 05.09.1722 das Erwachsenenalter erreicht hat. Am 26. April 1715 wurde Mathäus de Crignis ins Weil der Städter Bürgerrecht aufgenommen. Crignis ist am 16. März 1726 hier gestorben. Warum ihm aber, nachdem er in Weil der Stadt schon sesshaft geworden war, 1716 von Tolmezzo aus noch ein Abstammungsnachweis und ein Geleitschreiben ausgestellt wurde, konnte bislang nicht geklärt werden.

Matthäus de Crignis wurde nicht alleine hier ansässig, sondern auch ein Verwandter von ihm (vermutlich sein Bruder) mit Namen Johannes Crignis. Beide erhielten im Jahre 1715 das Weiler Bürgerrecht. Johannes Crignis heiratete am 14. Mai 1715 Anna Margaretha Elisabeth Hohenstein. Mit ihr hatte er 13 Kinder, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten.

Johannes Crignis taucht in verschiedenen Dokumenten des Stadtarchivs auf [WR Rechnungen Weil der Stadt, Stadtrechnung von 1715 sowie u.a. in den Waisengerichtsprotokollen , von 1748 und 1773], darunter auch im Waisengerichtsprotokoll des Jahres 1748 [wie Wolfgang Schütz herausgefunden hat]. Nach dem Tode des Apothekers August Öhler (* unbekannt, † 16. April 1748) stellte er bereits zu Lebzeiten Öhlers im April 1741 sowie nochmalig am 14. Mai 1748 eine siebenseitige Liste mit pharmazeutischen Handelsgütern auf. Diese hatte er über einen Zeitraum von 25 Jahren an Öhlers Apotheke geliefert, jedoch hat Öhler seine Schulden in Gesamtsumme von 28 Gulden laut Angaben von Crignis nie gezahlt. Dabei ist besonders interessant, welche Güter Crignis geliefert hat. Es finden sich so exotisch anmutende Produkte wie „1/2 lot Spermaceti“ (die ölige Substanz „Walrat“, welche aus dem Kopf von Pottwalen gewonnen wurde) oder auch „1 quintil ganzen orientalischen Safran“. Zu den weiteren Produkten, die sich Öhler für seine Apotheke durch Handelsmann Crignis liefern ließ, gehören auch Kupfervitriol, Dragant, Sassafras oder die als Potenzmittel bekannte „Spanische Fliege„.


Abb.: Auflistung der durch Johannes Crignis an Apotheker Öhler gelieferten Waren (Stadtarchiv Weil der Stadt)

Dass zumindest das hier gesprochene Deutsch oder gar der damalige schwäbische Dialekt nicht Crignis` Muttersprache war, könnte ein Erklärungsversuch für seine auch für das 18. Jahrhundert eigenwillige Schreibweise sein. Er schreibt schlichtweg nach Gehör, und man meint in der Einleitung seiner Auflistung fast einen italienischen Akzent zu hören:

„Weilerstatt d. 18. Aprili 1741. Ferzaichnis wohß mir der Herr Apetecker Herr Agustin Öheler nag unt nag hat bei mir ahabb ohlen lahsen unt mir schuldig ferblieben wie folgt.“

 


Abb.: Abstammungsurkunde des Italienischen Handelsmanns Mathäus de Crignis (Stadtarchiv Weil der Stadt)

Transkription und Übersetzung der Abstammungsurkunde des Mathäus Crignis

[1] In Christi nomine amen
[2] Universis et singulis has nostras [3] litteras inspecturis lecturis atque audituris, serenissimis DD(ominis) principibus, ducibus, illustrissimis DD(ominis) comitibus, marchionibus, illustrissimis [4] et reverendissimis DD(ominis) archiepiscopis, episcopis, abbatibus, civitatum et quorumcumque locorum rectoribus, pr(a)etoribus, passuumque [5] custodibus, omnibus denique maioribus nostris cultum et observantiam, paribus vero et aliis salutem dilectionemque annunciantes,
[6] nos Ioannes Palazini, pro ser(enissi)mo Dominio Venetiarum Gastaldio, Capitaneus, Camerarius, Provisores, Iudices, Consiliarii et Rectores [7] communitatis terrae Tulmetii totiusque provinciae Carniae praesidentes, harum tenore fidem indubiam facimus ac publice attestamur [8] prudentem et bene morigeratum virum D(ominum) Mathaeum de Crignis de Valle Monaii Quarterii Gorti, praesentium exhibitorem, fuisse procreatum [9] ex legitimo et laudabili matrimonio contracto inter D(ominum) Nicolaum de Crignis de supradicta valle Monaii nostrae Iurisdictionis ex una <parte>, [10] et Honestam Dominam Leonardam Iugalem ex altera <parte>.
Quod quidem nobis maxime compertum est, tum ex communi eum agnoscentium [11] fama, tum praecipue ex attestatione prudentum et proborum hominum DD(ominorum) Petri Chitera et Sebastiani Casanova amborum de suprad(dict)o [12] loco Vallis Monaii, qui delato eis per nos ex sancta legum institutione iuramento supradicta omnia nobis affirmarunt atque [13] sincere testati sunt.
Qua propter Nos antelati Gastaldio, Capitaneus, Camerarius, Provisores, Iudices, Consiliarii et Rectores [14] Supradictum D(omnium) Mattheum de Crignis dilectum nostrum nobis ob eius virtutes, carissimum omnibus et singulis, ad quos se ipse [15] contulerit, ardentissimo studio commendamus, ac cuiuslibet Principis Ser(enissi)mi et ius dicentis benignitatem et iustitiam rogamus, ne quam [16] ei per suas regiones proficiscenti artemque institoriam exercenti, iniuriam inferri sinant, eique in omnibus, quae aequa et iusta peti(v)erit, [17] se faciles praebeant atque singulari (quoad fieri poterit) humanitate complectantur.
Quod quidem nobis adeo gratum [18] futurum erit, ut ibi dilectis hominibus, si quos ad nos pervenire contigerit, complectendis omnique ope, gratia et auctoritate [19] nostra fovendis, iis, qui erga hunc carissimum nostrum aliquid officii contulerint, parem gratiam nos relaturos esse [20] polliceamur.
In quorum omnium fidem et testimonium has nostras patentes literas scribi ac duplicis communis [21] nostri maioris sigilli impressione muniri mandavimus. In quorum…
[22] Datum in terra n(ost)ra Tulmetii [23] anno Domini MDCCXVI (millesimo septingentesimo sexto decimo) die XX(vicesimo) augusti.
[24] Ioannes Palarini pro ser(enissi)mo dominio veneto Gastaldio
[25] Franciscus de Piccolis Capitaneus
[26] Sylvius Fussacus Camerarius
[27] Placidus Decianus Provisor
[28] Joseph Flamia phil(osophiae) et med(icinae) d(octo)r iudex
[29] Franciscus Camprinus Cancell(ariu)s [30] mag(istrat)us communitatis Tulmetii [31] per alienam sibi fidam manum [32] fideliter et solitis sigillis ipsius [33] munivit.

[1] In Christi Namen Amen
[2] Allen insgesamt und jedem einzelnen, die diesen unseren [3] Brief betrachten, lesen und hören werden, den hocherhabenen Herren Fürsten und Herzögen, den äußerst vornehmen Herren Grafen und Markgrafen, den sehr erhabenen [4] und erwürdigen Herren Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten, den Vorstehern und Richtern eines jeden Ortes und den Pass-[5]Wächtern, und schließlich all unseren im Range Höheren entbieten wir Verehrung und Ehrerbietung, den Gleichgestellten aber und allen anderen Heil und Liebe.
[6] Wir, Ioannes Palazini, Gastaldus im Namen der hocherhabenen Herrschaft der Republik Venedig, sowie der Capitaneus, der Kämmerer, die Sachwalter, Richter, Räte und Vorsteher [7] der Landgemeinde von Tolmezzo und die Vorsteher der ganzen Provinz Karniens beglaubigen unzweifelhaft den Inhalt dieses Briefes und bestätigen öffentlich, [8] dass der kluge und wohlgesittete Mann, Herr Mathaeus de Crignis, aus dem Monai-Tal aus der Gegend des Gorto, Vorzeiger des vorliegenden Briefes, hervorgegangen ist [9] aus rechtmäßiger und löblicher Ehe, geschlossen zwischen dem Herrn Nicolaus de Crignis aus obengenanntem Monai-Tal in unserem Amtsbezirk einerseits, [10] und der ehrenwerten Frau Leonarda, seiner Gattin, andereseits.
Dies ist uns unstrittig in höchstem Maße bekannt, einmal aus dem allgemeinen Ruf bei denen, die ihn kennen, [11] dann vor allem aus der Bestätigung weiser und rechtschaffener Männer, der Herren Petrus Chitera und Sebastianus Casanova, beide aus dem obengenannte [12] Ort des Monai-Tals, die, nachdem ihnen durch uns aufgrund der heiligen Satzung der Gesetze ein Eid auferlegt worden war, all das obengenannte uns bekräftigt und [13] ehrlich bezeugt haben.
Deswegen empfehlen wir, der vorgenannte Gastaldus, der Capitaneus, der Kämmerer, die Sachwalter, Richter, Räte und Vorsteher [14] den obengenannten, Herrn Mathaeus de Crignis, unseren von uns aufgrund seiner Tugenden Geliebten und Teuersten, allen und jedem einzelnen, zu denen er sich selbst [15]begeben haben wird, mit glühendstem Eifer, und erbitten eines jeden erhabensten Fürsten und Rechtsprechenden Güte und Gerechtigkeit, damit sie [16] ihm, wenn er durch ihre Gegenden reist und seine Kunst und seinen Handel ausübt, nicht irgendein Unrecht zufügen lassen, und bei allen Dingen, die er auf recht und billige Art und Weise erbeten wird, ihm [17] sich gefällig erweisen und ihm (soweit dies geschehen kann) mit einzigartiger Freundlichkeit begegnen.
Dies wird uns unstrittig in solchem Maße zu Dank [18] sein, sodass die verehrten Menschen, wenn es geschehen wird, dass sie zu uns gelangen, hier von allem Beistand umfasst und von unserer Gunst und unserem Ansehen unterstützt werden sollen, und sodass wir diesen, die gegenüber unserem sehr Teuren irgendeinen Dienst erwiesen haben, versprechen, uns gleichermaßen dankbar zu erweisen. [20].
Zu all dessen Beglaubigung und Zeugnis haben wir befohlen, dass dieser unser offene Brief geschrieben und [21] mit dem Aufdruck des doppelten großen Siegels unserer Gemeinde bekräftigt wird. Zu dessen…[22] Geben in unserem Land von Tolmezzo im Jahr des Herrn 1716, am zwanzigsten Tag des August.
[24] Ioannes Palarini, Gastaldus im Namen der Namen der hocherhabenen venezianischen Herrschaft
[25] Franciscus de Piccolis, Capitaneus
[26] Sylvius Fussacus, Kämmerer
[27] Placidus Decianus, Provisor
[28] Joseph Flamia, Doktor der Philosophie und der Medizin, Richter
[29] Franciscus Camprinus, Kanzler [30] des Rats der Gemeinde von Tolmezzo, [31] hat dies durch fremde, ihm gegenüber zuverlässige Hand [32] treu und mit den gewohnten Siegeln desselben [33] bekräftigt.

Kontakt:
Stadtarchiv Weil der Stadt
Kapuzinerberg 1
71263 Weil der Stadt
Tel.: 07033 / 309-188
Fax: 07033 / 309-190
stadtarchiv@weilderstadt.de

Quelle: Mathias Graner, Stadtarchiv Weil der Stadt, Archivale des Monats Juni 2021, 21.05.2021

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg kooperiert mit Stadtarchiv Sankt Augustin

Seit ihrer Gründung 1995 hat sich in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg viel Material angesammelt, das über ihre Entwicklung Aufschluss gibt. Am 16.6.2021 unterzeichnete sie einen Vertrag mit dem Stadtarchiv Sankt Augustin, damit dieses Material nicht nur vor Verlust geschützt, sondern erschlossen und für eine wissenschaftliche und allgemeine Nutzung zugänglich gemacht wird. Direkt nach der Unterzeichnung nahm Stadtarchivar Michael Korn das erste Material in Empfang.


Abb.: Stadtarchivar Michael Korn (rechts) radelt gleich mit den ersten Materialien ins Stadtarchiv Sankt Augustin. Am Start dabei (von links): Hochschulkanzlerin Angela Fischer, Hochschulpräsident Hartmut Ihne und Sankt Augustins Bürgermeister Max Leitterstorf (Foto: H-BRS/Martin Schulz).

Drucksachen, wie Faltblätter, die Hochschulzeitung, Jahresberichte, Fotos, Urkunden und Verträge oder Sitzungsprotokolle, gehören dazu, aber auch kurios anmutende Gegenstände wie ein Stiftehalter in Backsteinform aus der Zeit vor der Gründung und ein Zierteller: Es ist sehr viel und sehr verschiedenartiges Material, das die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg seit ihren ersten Tagen gesammelt hat.

Der jetzt geschlossene Kooperationsvertag zwischen Hochschule und Stadt zielt darauf ab, dass archivwürdige Unterlagen und Gegenstände fachgerecht gesichtet, bewertet, katalogisiert und im städtischen Archiv gelagert werden. Es handelt sich um wichtige analoge oder digitale Unterlagen, die nicht mehr für die laufende Aufgabenerfüllung benötigt werden. Jedoch schreibt der Gesetzgeber insbesondere für historisch relevante Unterlagen eine langfristige Aufbewahrung vor.


Abb.: Die Hochschule hat seit ihrer Gründung viel Material aufbewahrt. Erhaltenswerte Unterlagen und Gegenstände werden künftig im Stadtarchiv fachgerecht gesammelt und für Recherche und Forschung bereitgestellt (Foto: H-BRS/Martin Schulz).

Beide Seiten profitieren somit von der Zusammenarbeit: Die Hochschule gewinnt einen fachkundigen Partner für die Archivierung ihrer historisch relevanten Unterlagen, während die Stadt einen bedeutsamen Teil der jüngeren und künftigen Stadtgeschichte umfänglich dokumentieren und allen Interessierten bereitstellen kann. Der größte Nutzen entsteht letztlich für die Gesellschaft, denn die Unterlagen stehen – unter Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen – dauerhaft und für jedermann zugänglich zur Erforschung bereit. Die Nutzung ist im Allgemeinen kostenfrei.

Für die Stadt unterzeichneten Bürgermeister Max Leitterstorf sowie der 1. Beigeordnete Ali Dogan den Vertrag, für die Hochschule Präsident Hartmut Ihne und Kanzlerin Angela Fischer. Die Hochschule betritt damit Neuland, wie Hochschulkanzlerin Fischer hervorhob, denn bislang war die Hochschule die Archivierung von Dokumenten und Unterlagen noch nicht angegangen. „Umso mehr freuen wir uns, mit dem Stadtarchivar Michael Korn für alle Fragen der Archivierung einen kompetenten und verlässlichen Ansprechpartner zu haben.“

Sankt Augustins Bürgermeister Max Leitterstorf freute sich anlässlich der Vertragsunterzeichnung über den Umstand, dass Hochschule und Stadt eine lange gemeinsame Geschichte haben, die Hochschule ist in diesem Jahr genau halb so alt wie die Stadt.

Leitterstorf hat zudem eine sehr persönliche Beziehung zur Hochschule, denn seit August 2019 ist er dort Professor für Rechnungswesen am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Doch auch wenn seine und andere Personalunterlagen in der Hochschule vorhanden sind, können künftige Archivnutzer sie dennoch nicht einsehen, wie Stadtarchivar Michael Korn betont, denn alle personenbezogenen Dokumente unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ohnehin verbleiben alle Akten, die im laufenden Geschäftsbetrieb gebraucht werden, in der Hochschule.

Eine besondere Herausforderung besteht für den Stadtarchivar darin, die Unterlagen dauerhaft zu archivieren, die nur in elektronischer Form vorliegen. Hier geht es darum, die Dateien zu sichten, den Entstehungszusammenhang festzuhalten und die vielen unterschiedlichen Dokumenttypen in langfristig auswertbare Formate umzuwandeln. Das Sankt Augustiner Stadtarchiv setzt dabei auf technische Lösungen in Zusammenarbeit mit dem „Digitalen Archiv NRW“. Es hat im vergangenen Jahr als eines der ersten Kommunalarchive in NRW überhaupt mit der komplexen digitalen Langzeitarchivierung begonnen.

Ganz analog und sogar abgasfrei nahm Stadtarchivar Korn nach Vertragsunterzeichnung erstes Material aus der Stabsstelle für Kommunikation und Marketing mit: Zwei Behälter mit Archivgut fasst der Fahrradanhänger, mit dem er auf dem Campus an der Grantham-Allee vorgefahren war.

Kontakt:
Stadtarchiv Sankt Augustin
Markt 1
53757 Sankt Augustin
Tel. 02241/243-337
stadtarchiv@sankt-augustin.de

Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Pressemitteilung, 17.6.2021

Multimediale interaktive Wanderausstellung des Bundesarchivs

Geschichte und Erinnerung.

Vom 17. Juni 2021 bis zum 30. Juni 2022 wird das Bundesarchiv mit einer multimedialen und interaktiven Ausstellung an 20 Standorten in deutschen Städten zu Gast sein.

Multimedial, interaktiv – mit der neuen Wanderausstellung verlässt das Bundesarchiv gewohnte Ausstellungspfade und bewegt sich aktiv auf Besucherinnen und Besucher zu. Die Präsentation der Ausstellung erfolgt in einem mobilen, barrierefrei zugänglichen Kubus mit schickem Design, der mit modernen Touchbildschirmen inklusive Kopfhörern und einem Großbildschirm mit Soundsystem ausgestattet ist. Es werden mehrere Kuben parallel unterwegs sein.


Abb.: Ausstellungskubus „Geschichte und Erinnerung – Das Bundesarchiv“ (3-D-Grafik) (Quelle: musealis GmbH)

Mit dem Titel „Geschichte und Erinnerung“ wird die Bedeutung des Bundesarchivs für die deutsche Gedächtniskultur und damit die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte hervorgehoben. Zwischen „Geschichte“ und „Erinnerung“ klingt zudem auch das Verhältnis zwischen allgemeiner Geschichte und persönlichen Erinnerungen an, das es dabei immer wieder zu verhandeln gilt – besonders auch in Bezug auf die dunklen Kapitel deutscher Geschichte. Damit die eigene Geschichte in einer offenen Gesellschaft immer wieder neu erforscht, korrigiert und diskutiert aber gleichzeitig an die historischen Fakten zurückgebunden werden kann, übernimmt das Bundesarchiv die Aufgabe, das materielle Gedächtnis Deutschlands – in Aufzeichnungen, Ton-und Bildaufnahmen – zu bewahren und für alle zugänglich zu machen.

Einen kleinen Vorgeschmack auf die multimediale Wanderausstellung erhält man auch durch einen kurzen Trailer. Die neue Tourneeausstellung des Bundesarchivs weckt Neugier auf das sogenannte „Gedächtnis der Nation“ und gibt Antworten auf viele Fragen – kompakt auf neun Quadratmetern, multimedial und interaktiv. Die Ausstellung lädt ein, die vier Grundwerte zu entdecken, die die Arbeit und das Selbstverständnis des Bundesarchivs maßgeblich bestimmen: Verantwortung, Vertrauen, Verlässlichkeit und Offenheit. Eine spannende und zugleich unterhaltsame Entdeckungsreise, an deren Ende die Besucher und Besucherinnen ein lebendiges Archiv mit eigener Geschichte, interessanten Aufgaben und sympathischen Menschen kennengelernt haben.

Besucherinnen und Besucher werden eingeladen, virtuell in Magazine, Werkstätten oder Arbeitsräume zu schauen und die Menschen, die dort arbeiten, zusammen mit ihren Tätigkeiten kennenlernen. Dabei werden bewährte Verfahren, aber vor allem auch aktuelle Veränderungen und archivfachliche Herausforderungen beleuchtet und verständlich gemacht. Anhand bewusst ausgewählter und interaktiv in Szene gesetzter Archivalien wird deutsche Geschichte erlebbar gemacht.

Da gibt es kurze Filmclips, die viele unerwartete „Blicke hinter die Kulissen“ ermöglichen. Oder Interviews mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verschiedener Abteilungen des Bundesarchivs, die ihre tägliche Arbeit anschaulich erläutern: Was kommt überhaupt ins Archiv? Was muss getan werden, um historische Quellen dauerhaft zu sichern und Zugang für jeden Interessierten zu gewährleisten? Einige dieser Quellen werden in der Ausstellung ausführlicher vorgestellt: Beispielsweise erinnern Dokumente, darunter eine handschriftliche Notiz von Bundeskanzler Helmut Schmidt, an die dramatischen Ereignisse im „Deutschen Herbst“ 1977.

Zu den modern aufbereiteten Ausstellungsinhalten gibt es außerdem interaktive Spielangebote. So kann man sein Verständnis archivischer Fachbegriffe testen, Handschriften bekannter Personen erraten oder sich im Puzzeln von historischen Dokumenten üben. Wer lieber entspannen mag, schaut in der „Galerie der Fundstücke“ Fotos zu starken Frauen in den 1920er Jahren oder zu Sommer, Sonne, Strand und Meer.

Ein besonderes visuelles Element der Ausstellung ist der 20-minütige Einführungsfilm, der die Tätigkeit des Bundesarchivs umfassend vorstellt und durch eine geschickte Bildsprache und kurzweilige Erzählweise neugierig auf die Ausstellungsinhalte macht. Der Film ist untertitelt.

Eröffnung der Ausstellung
Am 17. Juni 2021 wird die Ausstellung zeitgleich im Menschenrechtszentrum e.V. in Cottbus, im Institut für Zeitgeschichte in München, in der Dokumentations- und Gedenkstätte der ehemaligen Untersuchungshaft der Staatssicherheit in Rostock sowie im Bundesarchiv in Koblenz mit einer Live-Stream-Veranstaltung eröffnet. Diese beginnt um 17.30 Uhr und wird von dem Journalisten und Autor Martin Becker moderiert. Die Zuschauer erwarten 80 spannende und informative Minuten, die die neue multimediale Ausstellung vorstellen: interessante Filmclips mit unerwarteten Einblicken ins Bundesarchiv, interessante Interviews mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verschiedener Abteilungen über deren Aufgaben und Gespräche mit den Ausstellungsmachern zum Entstehen dieser Ausstellung.

In den Live-Schalten zu diesen Orten wird es kurze Interviews geben, unter anderem mit Professor Dr. Andreas Wirsching, Leiter des Instituts für Zeitgeschichte München, Dr. Steffi Brüning, Leiterin der Dokumentations- und Gedenkstätte in RostockSylvia Wähling, Geschäftsführende Vorsitzende Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. und Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus, sowie mit dem Zeitzeugen und ehemaligen politischen Häftling Gilbert Furian.

Im Anschluss an diese Veranstaltung kann der Festakt anlässlich des Übergangs des Stasi-Unterlagen-Archivs in die Verantwortung des Bundesarchivs ebenfalls als Live-Stream-Veranstaltung geschaut werden. Dieser beginnt um 19:00 Uhr. Die Veranstaltung wird über den Youtube-Channel des Bundesarchivs übertragen:

Hintergrund der Ausstellung
Am 17. Juni 2021 geht die Zuständigkeit für das Stasi-Unterlagen-Archiv auf das Bundesarchiv über. Zu den aktuell ca. 930 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesarchivs werden mehr als 1.350 Kolleginnen und Kollegen der Stasi-Unterlagen-Behörde in Berlin und den Außenstellen hinzukommen. Die Menge des Schriftguts, das beim Bundesarchiv aufbewahrt wird, wird um ca. 110 km auf über 540 km anwachsen. Die Akten verbleiben in Berlin und den östlichen Bundesländern.

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit einer Agentur entstanden ist, beleuchtet auch den Überführungsprozess der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen (BStU) in das Bundesarchiv und macht die damit verbundenen archivfachlichen Herausforderungen und Chancen verständlich.

Kontakt:
Bundesarchiv
Potsdamer Straße 1
56075 Koblenz
Tel.: 0261 / 505-0
Fax: 0261 / 505-226
koblenz@bundesarchiv.de

Ansprechpartnerinnen für die Tourneeausstellung:
Maria Dziobek
Tel.: 0261 505 308
m.dziobek@bundesarchiv.de

Manuela Hambuch
Tel.: 0261 505 350
m.hambuch@bundesarchiv.de

Vera Zahnhausen
Tel.: 0261505255
v.zahnhausen@bundesarchiv.de

Quelle: Das Bundesarchiv, Öffentlichkeitsarbeit, 23.04.2021; Das Bundesarchiv, Pressemitteilung, 09.06.2021; Das Bundesarchiv, Aktuelles, VeranstaltungenExpose „Geschichte und Erinnerung“ zur Ausstellung

1. FC Nürnberg findet jüdische Mitglieder-Kartei

In einem Kellerraum des Fußballclub-Geländes des 1. FC Nürnberg am Valznerweiher (s. Abb.) wurde die Mitgliederkartei von 1928 bis 1955 gefunden. Sie galt bislang als verschollen. „Damit ist es jetzt endlich möglich, die Rolle jüdischer Bürger beim 1. FC Nürnberg zu erforschen“, sagt Niels Rossow, Kaufmännischer Vorstand des 1. FC Nürnberg, im Rahmen der Pressekonferenz des 1. FC Nürnberg am 15.6.2021, zur Vorstellung des Fundes der Mitgliederkartei. „Es freut uns besonders, dass gerade im bundesweiten Gedenkjahr ‚1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland‘ und in Zeiten zunehmenden Antisemitismus‘ der Club nun die Grundlage besitzt, den in der NS-Zeit zu Unrecht aus dem Verein ausgeschlossenen jüdischen Mitgliedern ein Gesicht zu geben und ihre Biografien öffentlich zu machen“, so Rossow.

In einem ungenutzten Keller lagerten unscheinbare Kartons, gefüllt mit den für verschollen gehaltenen rund 12.000 Karteikarten von Mitgliedern des 1. FC Nürnberg. Die Kartei deckt den Zeitraum von Januar 1928 bis November 1955 ab und damit auch die Zeit des Nationalsozialismus. Kaum ein Fußballverein der 1. und 2. Bundesliga verfügt über eine solch vollständige Mitgliederkartei, die die NS-Zeit umfasst. „Der 1. FC Nürnberg wird durch einen Antrag zur Mitgliederversammlung 2021 darauf hinwirken, dass der Ausschluss der jüdischen Mitglieder für unrechtmäßig erklärt und rückgängig gemacht wird“, ergänzt Niels Rossow.

Stellung des Vereins zur „Judenfrage“
Jüdische Bürger durften im Nationalsozialismus nicht mehr länger Mitglied in „deutschen“ Sportvereinen sein. Bis 1933 waren rund 7% der 520.000 Juden in Deutschland in konfessionsneutralen Sportvereinen organisiert. Bei einem Treffen in Stuttgart am 9. April 1933 verabschiedeten dann 14 Vereine des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbands – darunter der 1. FC Nürnberg, Bayern München, 1860 München, Eintracht Frankfurt, die SpVgg Fürth, der 1. FC Kaiserslautern und die Stuttgarter Kickers – eine Resolution, wonach sie sich „freudig und entschieden der nationalen Regierung zur Verfügung“ stellten. Sie taten dabei ihren Willen kund, die jüdischen Mitglieder aus den Vereinen zu entfernen.

Schon knapp drei Wochen später, am 27. April 1933, beschloss der Verwaltungsausschuss des 1. FC Nürnberg einstimmig die oben abgebildete „Stellung des Vereins zur Judenfrage“. Der 1. FCN strich demnach „die jüdischen Mitglieder mit Wirkung vom 1. Mai 1933 aus seiner Mitgliederliste“. Schon am nächsten Tag, am 28. April 1933, setzte der 1. FCN per Brief seine jüdischen Mitglieder davon in Kenntnis. Ein solches vom 2. Vorsitzenden Karl Müller unterzeichnetes Schreiben – adressiert an den jüdischen Kaufmann Franz Anton Salomon („Wertes Mitglied … mit sportlicher Hochachtung“) – findet sich im Leo Baeck Institute in New York.


Abb.: Franz Anton Salomon (Foto: Stadtarchiv Nürnberg)

Hinter den Namen verbergen sich bewegende Biografien
Bislang war Franz Anton Salomon das einzig bekannte jüdische Mitglied, das 1933 aus dem Club ausgeschlossen wurde. Auch in den Folgejahren schloss der 1. FC Nürnberg jüdische Mitglieder aus. „In der Kartei sind insgesamt 143 Mitglieder aufgelistet, bei denen es sich aufgrund des Stempels ‚30. APR. 1933‘ in der Rubrik ‚Austritt‘ um jüdische Mitglieder handeln dürfte“, erläutert Club-Historiker Bernd Siegler. Bei 121 konnte dies bislang verifiziert werden. Von diesen gehörten 86 zur Abteilung Tennis und je fünf zu Fußball, Leichtathletik und Schwimmen, 11 waren passive Mitglieder. 34 waren Frauen.

Von den Mitgliedern, bei denen in der Kartei per Hand ‚Jude‘, ‚Soll Jude sein‘ oder ,Nicht-Arierin‘  vermerkt wurde oder bei ‚Austritt‘ per Stempel ‚31.DEZ.1933‘ eingedruckt worden war, dürften auch etliche jüdischen Glaubens sein.  Der 1. FCN hatte, so Siegler, 1933 knapp 2.000 Mitglieder (1920 3.336 Mitglieder).

„Erste Recherchen ergaben, dass sich hinter den Namen sehr bewegende Biografien verbergen“, berichtet Siegler. Viele der jüdischen Club-Mitglieder wie beispielsweise Franz Anton Salomon, Ilse Bechhold und Werner Gruber konnten emigrieren, meist in die USA, nach Großbritannien oder Palästina, und überlebten oft erst nach einer wahren Odyssee. Fritz Löb und Justin Isner sowie weitere sechs jüdische Club-Mitglieder wurden in den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern Auschwitz, Riga-Jungfernhof, Majdanek, Theresienstadt, Stutthof sowie im Ghetto Izbica ermordet bzw. für tot erklärt. Ein jüdisches Club-Mitglied wurde im Rahmen der Euthanasie in Hadamar ermordet.

Kooperationen mit IGKN und Stadtarchiv Nürnberg
„Der 1. FC Nürnberg wird dieses dunkle Kapitel der Vereinsgeschichte weiter aufarbeiten und die Möglichkeit schaffen, universitäre Forschungsprojekte zu realisieren“, kündigt Niels Rossow an. „Schon in der Vergangenheit konnte der FCN klare Zeichen gegen Antisemitismus und Rassismus setzen – zum Beispiel durch interne Schulungen mit Nachwuchs-Spielern des FCN, der Fahrt mit Fans zur Gedenkstätte Flossenbürg, der dritten Auflage des ‚Jenö-Konrad-Cups 2021‘ mit Nürnberger Schülern oder den derzeit digital stattfindenden ‚Clubverführungen‘ auf unserer sozialen Community-Plattform UnserClub.de, u. a. über das Reichsparteitagsgelände oder die NS-Geschichte des 1. FC Nürnberg.“

Der Club freut sich, dass das Stadtarchiv Nürnberg Unterstützung signalisiert hat und die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg mit im Boot ist. „Wir unterstützen die Recherchen durch die Arbeit unseres Historikers und Archivars Leibl Rosenberg“, verspricht IKGN-Vorsitzender Jo-Achim Hamburger. Ihm geht es auch um die Erforschung der Rolle jüdischer Bürger beim Club, seinem „Herzensverein“. Hamburger erinnert dabei an den jüdischen Rechtsanwalt Dr. Leopold Neuburger, der als Präsident des 1. FCN von 1912 bis 1914 und von 1919 bis 1921 wichtige Weichen für die erfolgreiche Entwicklung des Vereins gestellt und Sport immer als Instrument zur Völkerverständigung verstanden hatte.

Kontakt:
1. FC Nürnberg
Valznerweiherstr. 200
90480 Nürnberg
Tel.: +49 91194079100
Fax: +49 91194079510
info@fcn.de
https://www.fcn.de/

Quelle: 1. FC Nürnberg, News, 15.6.2021

Neuer Leiter des Staatsarchivs Nürnberg

Mit Wirkung zum 1. Mai 2021 wurde Archivdirektor Dr. Christian Kruse unter gleichzeitiger Beförderung zum Ltd. Archivdirektor zum Leiter des Staatsarchivs Nürnberg bestellt. Er folgte damit Ltd. Archivdirektor Prof. Dr. Peter Fleischmann nach, der mit dem 31. Januar 2021 in den Ruhestand getreten ist.

Prof. Dr. Fleischmann leitete das Staatsarchiv Nürnberg seit 1. Dezember 2012 und kehrte damit nach Stationen im Staatsarchiv Augsburg und Staatsarchiv München – in beiden Staatsarchiven hatte er die Leitung inne – wieder an das Staatsarchiv zurück, in dem seine berufliche Tätigkeit nach seiner Ausbildung an der Bayerischen Archivschule begonnen hatte.

Anlässlich des Amtswechsels betonte Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler: „Archive schlagen Brücken zwischen unserer Geschichte und der Gegenwart. Prof. Dr. Fleischmann hat mit seiner langjährigen, engagierten Arbeit zahlreiche solcher Brücken gebaut. Mit der Generalsanierung des Staatsarchivs hat er zudem ein Projekt angestoßen und begleitet, das nun eine der Aufgaben sein wird, die auf seinen Nachfolger warten. Ich freue mich sehr, dass wir mit Dr. Christian Kruse einen neuen Archivleiter begrüßen dürfen, der einen breiten Erfahrungsschatz mitbringt, um das Staatsarchiv in die Zukunft zu führen und damit das Gedächtnis unseres Landes zu bewahren.“


Abb.: Dr. Christian Kruse, neuer Leiter des Staatsarchivs Nürnberg (Fotografin: Agnes Zettel, Staatsarchiv Nürnberg)

Dr. Christian Kruse, in Kiel geboren, studierte an den Universitäten Erlangen und Wien Geschichte und Deutsch für das Lehramt an Gymnasien. Er wurde mit einer Arbeit über „Franz Friedrich Anton von Sachsen-Coburg-Saalfeld 1750–1806“ in Erlangen promoviert. Nach der Ausbildung zum wissenschaftlichen Archivar an der Bayerischen Archivschule 1988 bis 1991 arbeitete er von 1991 bis 2002 im Bayerischen Hauptstaatsarchiv und von 2002 bis 2007 in den Staatsarchiven Augsburg und Nürnberg.

2007 bis 2008 war er als ständiger Vertreter des Leiters im Staatsarchiv München tätig, von 2008 bis 2018 war er in der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns als Abteilungsleiter für Archivbau, Bestandserhaltung, Veröffentlichungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Seit 1. Dezember 2018 leitete er das Staatsarchiv Bamberg.

Das Staatsarchiv Nürnberg hat – von den Auswirkungen der Coronapandemie abgesehen – große Herausforderungen zu bewältigen: Sein Stammquartier an der Nürnberger Archivstraße 17 wird generalsaniert, die Büroräume wurden 2020 in die Rollnerstraße 14 verlagert, die Archivalien in vier Standorten ausgelagert (Außenstelle Lichtenau bei Ansbach, Staatsarchiv Augsburg, Staatsarchiv Landshut, Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern).

Die Generalsanierung des Staatsarchivs Nürnberg – des 1880 errichteten ersten Archivzweckbaus des Königreichs Bayern – soll bis voraussichtlich Herbst 2026 dauern. Das Staatsarchiv Nürnberg hat rund 8,2 Millionen Archivalien im Umfang von 36,8 km in seiner Verwahrung. Es ist zuständig für die Überlieferung aller Behörden, Gerichte und Staatsanwaltschaften der mittleren und unteren Ebene im Regierungsbezirk Mittelfranken. Für die Zeit vor dem 19. Jahrhundert überliefert das Staatsarchiv die Urkunden, Amtsbücher, Akten und Pläne des Fürstentums Brandenburg-Ansbach, der Reichsstadt Nürnberg, des Hochstifts und Domkapitels Eichstätt sowie der eichstättischen Klöster, des Deutschen Ordens, kleinerer Reichsstädte, von Reichsritterschaften, des Adels und des Patriziats.

Kontakt:
Staatsarchiv Nürnberg
Rollnerstr. 14
90408 Nürnberg
Tel.: 0911/935190
Fax: 0911/9351999
poststelle@stanu.bayern.de

Quelle: Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Aktuelles, 29.04.2021 bzw. 10.05.2021

ARCHIV-info 1/2021

Dr. Wilhelm Füßl am Archiv des Deutschen Museums in den Ruhestand getreten.

Das Mitteilungsblatt „ARCHIV-info“ des Archivs des Deutschen Museums in München, das zwei Mal im Jahr über Neuerwerbungen, Projekte und Bestände informiert, erscheint in seiner Ausgabe 1/2021 in erweitertem Umfang und als Würdigung des zum 1.6.2021 in den Ruhestand getretenen Archivleiters Dr. Wilhelm Füßl.

Der stellvertretende Leiter des Archivs des Deutschen Museums, Dr. Matthias Röschner, führt im Editorial zu ARCHIV-info 1/2021 unter anderem aus, dass sich das Archiv des Deutschen Museums in den letzten drei Jahrzehnten unter der Leitung von Dr. Wilhelm Füßl zu einem der führenden Spezialarchive für die Geschichte der Naturwissenschaft und Technik entwickelt habe. in ARCHIV-info 1/2021 kommen externe Autorinnen und Autoren zu Wort, um auf gemeinsame Projekte und die Zusammenarbeit mit dem Archiv des Deutschen Museums und Dr. Wilhelm Füßl in den vergangenen Jahren zurückzublicken.

Die feste Verankerung des Archivs im Deutschen Museum dokumentieren dabei die Beiträge von Generaldirektor Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl und Forschungsdirektor Prof. Dr. Helmuth Trischler sowie von den Leitern des Forschungsinstituts PD Dr. Ulf Hashagen und der Bibliothek Dr. Helmut Hilz. Die Vernetzung des Archivs in der nationalen, regionalen und lokalen Archivlandschaft repräsentieren in diesem Heft der Präsident des Bundesarchivs Dr. Michael Hollmann, die Generaldirektorin der Staatlichen Archive Bayerns Dr. Margit Ksoll-Marcon, der Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums am Deutschen Bergbau-Museum Bochum Dr. Michael Farrenkopf, die Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs Dr. Eva Moser sowie die Leiterin der Abteilung Karten und Bilder an der Bayerischen Staatsbibliothek Dr. Cornelia Jahn.

Für die enge und langjährige Verbundenheit mit Bestandsbildnern und StifterInnen, FreundInnen und Förderern des Archivs sowie mit der Familie des Museumsgründers Oskar von Miller stehen Prof. Dr. Michael Dröscher, Schatzmeister und Generalsekretär der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Bernd Junkers, Enkel und Bewahrer des Erbes von Hugo Junkers, Dr. Sabine Rojahn, Vorsitzende des Freundes- und Förderkreises Deutsches Museum, sowie Marie von Miller-Moll im Namen der Familie von Miller.

Aus dem großen Reigen externer und interner Kooperationspartner steuern Dr. Bettina Irina Reimers, Leiterin des Archivs an der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF in Berlin, und Dr. Johannes-Geert Hagmann, Leiter der Hauptabteilung AII Technik im Deutschen Museum, Beiträge bei. Die Sicht eines erfahrenen Archivnutzers, der zugleich mehrere Nachlässe an unser Archiv vermittelt hat, bringt der Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Dieter Hoffmann zum Ausdruck, während die Kuratorin für Musikinstrumente im Deutschen Museum Silke Berdux auf das immense Potenzial der historischen Verwaltungsunterlagen des Museums eingeht. Einen Einblick in die internen Abläufe der Archivarbeit gewährt Dr. Matthias Röschner.

Dr. Wilhelm Füßl
(Foto: Archiv des DM)

Zum Schluss kommt Dr. Wilhelm Füßl selbst zu Wort. Er sah die anderen Beiträge in diesem Heft – im Unterschied zu seiner bisherigen Herausgeberschaft von ARCHIV-info – erst beim Erscheinen, das rechtzeitig zum 31. Mai 2021 fertig gestellt werden konnte.

Kontakt:
Deutsches Museum
Archiv
80306 München
Tel.: (089)  2179 220
Fax: (089)  2179 465
archiv@deutsches-museum.de

Stuttgarter Bauten und jüdisches Leben

Die Architekten Bloch und Guggenheimer.

Eine neue Freiluftausstellung im Innenhof des Stadtarchivs Stuttgart zeigt vom 10. Juni bis 14. November 2021 Leben und Werk der Architekten Oscar Bloch (1881-1937)  und Ernst Guggenheimer (1880-1973). Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag, 8 bis 20 Uhr, bis Ende September auch sonntags von 11 bis 17 Uhr, frei zugänglich.

Die Lebens- und Schaffenszeit der beiden Architekten ist weit gespannt; sie reicht vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis in die Nachkriegszeit und spiegelt die architekturgeschichtliche Entwicklung jener Jahrzehnte.

Sitz des Architekturbüros und Lebensmittelpunkt der Architekten war Stuttgart, weshalb in der Ausstellung der Fokus auf die Stuttgarter Bauten gelegt wird. Das Wirken steht in enger Verbindung mit der jüdischen Gemeinschaft in Stuttgart. Die Bauherren – auch im persönlichen Umfeld – zählten zum Netzwerk der Gemeinde, für die die Architekten Projekte vor und besonders nach 1933 realisierten. Ein städtischer Auftrag gehört zu den wenigen Ausnahmen. Dieses Netzwerk, die Biografien der Bauherren und die Geschichte der jüdischen Gemeinde sind ebenfalls Gegenstand der Ausstellung, die ein Beitrag zum 2021 begangenen bundesweiten Jubiläumsjahr „1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ ist.

Bloch & Guggenheimer
Die Architekten Bloch & Guggenheimer, die beide 1909 ihre Zweite Staatsprüfung ablegten, gründeten noch im selben Jahr ein gemeinsames Büro. Zunächst bauten sie Einfamilienhäuser, der Auftrag für die Israelitische Waisenanstalt in Esslingen (1912/13) machte sie bekannt. Es folgten vor allem Wohnbauten, Geschäftshäuser und Entwürfe für Synagogen. Der Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 beendete den Erfolg. Als Schweizer konnte Oscar Bloch zwar weiter bauen, aber vieles blieb Projekt. Nach dessen Tod führte Ernst Guggenheimer die Projekte zu Ende und musste für die Israelitische Vereinigung an der Einrichtung von Zwangsaltenheimen mitwirken. Nach Kriegsende wagte Guggenheimer die Neugründung des Büros und konnte mit der Neuen Synagoge in Stuttgart seinen wichtigsten Nachkriegsbau umsetzen.


Abb.: Neue Synagoge, Hospitalstraße 36, 1952 (Stadtarchiv Stuttgart)

Frühwerk
Im Studium lernten Bloch & Guggenheimer die neuen Ideen Theodor Fischers (1862-1938)  kennen, und ihre ersten Einfamilienhäuser von 1910/11 zeigen die malerisch asymmetrischen Merkmale des aufkommenden Heimatstils.

Für die wenige Jahre später gebaute Fabrikantenvilla für Albert Levi griffen sie auf klassizistische Formen zurück und passten sich gestalterisch an kurz vorher errichtete Stuttgarter Adelsvillen an, wie beispielsweise die Villa von Gemmingen-Hornberg.

Hauptwerk
Die weithin beachtete Weißenhofsiedlung und die damit verbundene Akzeptanz des Neuen Bauens in aufgeklärten Kreisen beeinflusste auch die Arbeit von Bloch & Guggenheimer. Mit der Villa Dr. Oppenheimer am Bubenbad (1927/28) wandten sie sich vom bisherigen Stil ab. Noch deutlicher ist die Übernahme der Prinzipien des Funktionalismus am Haus Frankenstein zu sehen. Hier beherrschen verschachtelte Kuben, großzügige Fensterflächen und Terrassen die Gestaltung. In der Zeit bis 1933 konnten sie in Stuttgart und in der Zeit der Wirtschaftskrise auch in der Schweiz etliche moderne Bauten realisieren.

Biographien der beiden Architekten
Oscar Bloch (geb. 4. März 1881, gest. 6. Januar 1937)
Der in Zürich geborene Oscar Bloch zog 1883 mit seiner Familie nach Stuttgart. Nach dem Besuch des Karlsgymnasiums studierte er an Technischen Hochschule Stuttgart Architektur. 1909 gründete er mit Ernst Guggenheimer ein Architekturbüro. Bloch heiratete 1919 Alice Rothschild, das Ehepaar bekam bis 1929 drei Kinder. Nach 1933 wurde Bloch die Zulassung zur Reichskulturkammer verweigert, der Schweizer Staatsbürger konnte dennoch für jüdische Bauherrn und die Jüdische Gemeinde bauen. Er verstarb an den Folgen einer Operation in Stuttgart.

Ernst Guggenheimer (geb. 27. Juli 1880, gest. 12. September 1973)
Ernst Guggenheimer wurde in Stuttgart geboren, besuchte die Friedrich-Eugens-Realanstalt und studierte nach dem Abitur Architektur an der Technischen Hochschule Stuttgart. 1915-1918 leistete er trotz eines Gehörleidens freiwillig Kriegsdienst. Guggenheimer heiratete 1919 Frieda Schaper, eine Protestantin aus Hannover; der bis 1939 bestehenden Ehe entstammten zwei Söhne. Guggenheimer überlebte die Shoa in Stuttgart, zuletzt im Versteck. Er war von 1946 bis 1952 im Ausschuss sowie zeitweise im Vorstand der Israelitischen Kultusvereinigung aktiv.

Nähere Informationen zu Führungen und weiteren Veranstaltungen im Rahmen des Begleitprogramms sind auf der Webseite des Stuttgarter Stadtarchivs oder im Blog des Stadtarchivs Stuttgart zu finden. Einen Eindruck vom „Making of“ der Ausstellung bekommt man außerdem durch einen Film auf dem Archiv Blog:

Das „Making of“ einer Ausstellung – „Bloch & Guggenheimer – Stuttgarter Bauten und jüdisches Leben“

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 / 216-91512
Fax: 0711 / 216-91510
poststelle.stadtarchiv@stuttgart.de

Postanschrift
Kulturamt, Stadtarchiv
70161 Stuttgart

Quelle: Stadtarchiv Stuttgart, Aktuelle Veranstaltungen; Stadt Stuttgart, Pressemitteilung, 01.06.2021

Mainzer Archivdirektor a.D. Dr. Ludwig Falck verstorben

Das Stadtarchiv Mainz trauert um Ltd. Archivdirektor a.D. Dr. Ludwig Falck (5.2.1928 – 6.6.2021). Als erster fachlich ausgebildeter Archivar der Stadt Mainz sorgte er seit 1957 und seit 1980 in leitender Position dafür, dass moderne archivfachliche Standards im Stadtarchiv Mainz Einzug hielten.


Abb.: Ltd. Archivdirektor a.D. Dr. Ludwig Falck (Stadtarchiv Mainz)

Auch nach seiner Pensionierung 1993 blieb Dr. Falck dem Archiv eng verbunden. Jeden Vormittag kam er weit über 20 Jahre lang in steter Regelmäßigkeit ins Archiv, um an seinem Schreibtisch im 7. Stock des Magazins an der Quellensammlung zur Mainzer Geschichte zu arbeiten. Dabei beantwortete er als wandelndes Lexikon der Mainzer Geschichte und der Geschichte des Stadtarchivs auch immer gerne Fragen der Kolleginnen und Kollegen. Als Frucht seiner Forschungen konnte Dr. Falck noch 2007 und 2014 zwei Bände mit 2.000 Urkundenregesten zur Geschichte der Stadt Mainz 1200-1260 publizieren. Für sein großes ehrenamtliches Engagement wurde er von der Stadt mit dem Kaisermedaillon „Mogontiacum“ geehrt.

Kontakt:
Stadtarchiv Mainz
Rheinallee 3b
55116 Mainz
Tel.: 06131 / 12-2526
Fax: 06131 / 12-3569
stadtarchiv@stadt.mainz.de

Quelle: Stadtarchiv Mainz, Rubrikseite

Ein Plakat zur Modenschau 1961 in Halle (Saale)

Herrliche Stoffe und bezaubernde Modelle.

Mit einer Festwoche, zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen begeht die Stadt Halle im Juni 1961 ihr Stadtjubiläum. Dazu kündigt das heute in der Plakatsammlung des Stadtarchivs Halle (Saale) aufbewahrte Schriftplakat für den 28. Juni 1961 ein besonderes Ereignis in der HO-Gaststätte Wittekind an. Dieses Plakat stellt das Stadtarchiv Halle als Archivale des Monats Juni 2021 vor.


Die einfache Gestaltung auf rot-weißem Untergrund und mit schwarzer Schrift ist ganz der Vermittlung der Information verpflichtet und kommt ohne figürliche Darstellung aus. Durch Verschnitt des unteren Randes sind Angaben zur Herstellung nicht möglich. Ein Schrift-Logo verrät jedoch den hinter der Modenschau stehenden Namen.

Kein Geringerer als der damals bekannte Heinz Bormann, der „Modezar der DDR“ präsentiert seine neuesten Sommermodelle. Das kurz nach Kriegsende gegründete Unternehmen gehört in den 1950er Jahren zu den größten der DDR. Bormanns Bekleidung bestimmt die exklusive DDR-Mode der 1960er Jahre und findet auch international Beachtung. So zählen Künstler und Persönlichkeiten der Partei- und Staatsführung der DDR genauso wie westdeutsche Versandhäuser zu den Kunden. In Halle stellt Bormann später nochmals im Steintor-Varieté neue Kreationen vor. Mit Verstaatlichung des Betriebes Anfang der 1970er Jahre gerät sein Name in Vergessenheit.

An jenem Donnerstag im Juni 1961 strömen die Hallenser zu der angekündigten Modenschau. Bis auf den letzten Platz ist der weite Garten der Gaststätte „Bad Wittekind“ zu den beiden Vorstellungen besetzt. „Modisch ins neue Jahrtausend“, unter diesem, dem Stadtjubiläum verpflichteten Motto präsentiert Heinz Bormann Modelle seiner Kollektion 1961. Den Besuchern wird eine breite Palette vom Hausanzug über Sommermode bis hin zu Tages-, Cocktail- und Abendkleidern geboten. Begeistert berichten Reporter in den halleschen Tageszeitungen von bezaubernden Modellen, Brokat, Seide sowie anderen herrlichen Stoffen und Bekleidung von schlichter, vornehmer und doch farbenfroher Schönheit.

Kontakt:
Stadtarchiv Halle (Saale)
Rathausstraße 1
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 / 221-3300

Postanschrift:
Stadt Halle (Saale)
Stadtarchiv
06100 Halle (Saale)

Quelle: Stadtarchiv Halle (Saale), Archivale des Monats Juni 2021

Geschichte eines Sportplatzes in Fallingbostel

Vom „Gemeindeplatz“ zum „Sportplatz“ an der Soltauer Straße in Bad Fallingbostel.

Heutzutage ist es selbstverständlich, dass die Kommunen erhebliche Summen aufwenden, um ihrer Einwohnerschaft gute Sportmöglichkeiten zu bieten. Doch auch schon vor mehr als 100 Jahren war es der Gemeinde Fallingbostel wichtig, einen Sportplatz zu schaffen. 1913 wurde der Platz eingeweiht.

Das Protokollbuch des Fallingbosteler Gemeindeausschusses, das sich im Besitz des Stadtarchivs Bad Fallingbostel befindet, verzeichnet als 3. Tagesordnungspunkt seiner Sitzung am 8. September 1913 im Köningschen Gasthaus die Beratung über einen „Gemeindeplatz“:


Abb.: Beginn der Protokollierung der „Besprechung über Ankauf eines Gemeindeplatzes“ am 8. September 1913 (Stadtarchiv Bad Fallingbostel, Bestand 1, Nr. 354)

III Besprechung über Ankauf eines Gemeindeplatzes

Wegen Beschaffung eines Gemeindeplatzes hat sich der Gemeindevorsteher [Kruse] mit dem Königl Domainenrentmeister Wittern in Harburg in Verbindung gesetzt um den seitens des Domänenfiskus an den Anbauer Fr. Wildung in Adolfsheide verpachteten Friedkamp östlich des Weges von der Chaussee nach Adolfsheide, Parzelle 206 Kartenblatt 10 von Fallingbostel, groß 2.4051 ha zu pachten.

Anbauer Wildung hat den Kamp bis zum 1 Oct. 1924 gepachtet für den jährlichen Pachtpreis von 93 M.

Der Gemeindevorsteher hat mit dem Pächter Wildung folgendes vereinbart: Wildung tritt an die Gemeinde cirka 4 ½ Morgen unter der Bedingung ab, daß ihm für Ganzes eine Abfindungssumme von 350 M gezahlt wird und dann der Rest des Grundplatzes ihm bis zum Ablauf der Pachtung 1 Oct. 1924 unkündbar gelassen werde für eine jährlich Pacht von 45 M. Der Vertrag soll vom Gemeindevorstand Herrn Direktor Helmke abgeschlossen werden.

Der Gemeindeausschuß beschließt einstimmig, diesen Vertrag mit Wildung anzunehmen.

Die Gemeinde stellt den Platz dem Ortsausschuß für Jugendpflege unter der Bedingung zu Verfügung, daß derselbe die Abfindungssumme von 350 M an Wildung und eine jährliche Pacht von 48 M an die Gemeinde zahlt, um Jugendspiele ausführen zu können.

Im Uebrigen steht der Platz der Gemeinde zur anderweitigen Benutzung frei.

Der Gemeindeausschuß beschließt einstimmig den vorliegenden, vom Vorsteher und dem Domänenrat Wittern Harburg gemachten Pachtvertrag anzunehmen und so bald wie möglich rechtskräftig zu machen.


Abb.: Abschluss der Protokollierung der „Besprechung über Ankauf eines Gemeindeplatzes“ am 8. September 1913 (Stadtarchiv Bad Fallingbostel, Bestand 1, Nr. 354)

Tatsächlich muss dies äußerst schnell gegangen sein, verzeichnet Wilhelm Westermann doch in seiner Ortschronik schon sechs Wochen nach der Gemeindeausschusssitzung unter dem Datum des 18. Oktober 1913 in seiner Ortschronik von Fallingbostel:

18. Oktober [1913]. Die Hundertjahrfeier der Völkerschlacht wird mit Einweihung des jetzt fertigen Sportplatzes und des Gedenksteins 1813/1913 begangen. [Der Gedenkstein befindet sich heute im Kurpark an der Quintus-Brücke.] Der Platz ist von dem Domänenfiskus gepachtet. Die Planung und Beleuchtung des Platzes ist 1927 durchgeführt. Lehrer W.[estermann] pflanzte 1912* mit den Schulkindern eine doppelte Reihe von verschiedenen Tannen zum Abschirmen nach der Straße hin.

*[Die Jahreszahl 1912 irritiert, denn der seit 1907 an der Fallingbosteler Schule tätige Lehrer Westermann müsste demnach schon ein Jahr vor dem Beschluss des Gemeindeausschusses tätig geworden sein!]

Das meiste Pflanzgut brachte der heutige Revierförster Otto Heidemann aus seines Vaters Revier in Oerbke mit. Leider ist der größte Teil dieser Pflanzung in den ersten Jahren zerstört. Die Feier am 18. Oktober schloß mit einem großen Freudenfeuer und geordnetem Rückmarsch zum Schulhof. Dort wurde der Marsch von dem Führer des Zuges, Lehrer W., mit dem Schillerwort geschlossen: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr.

Viele Teilnehmer ahnten damals Gewitterschwüle am politischen Horizont.

Westermanns Schlussbemerkung bezieht sich auf den 1. Weltkrieg, der ein Jahr später beginnen sollte. Wie Westermann in der Chronik weiter berichtet, begannen dann am 11. September 1914 militärische Übungen der Jugendlichen auf dem Sportplatz und in der Turnhalle, zu der eine Scheune des „Hotels zur Lieth“ ausgebaut worden war (Fertigstellung des Umbaus am 20. März 1914).

Fußball wurde auf dem – nun auch als Sportplatz – bezeichneten Gelände dann ab 1916 gespielt. Wenige Monate, nachdem in Walsrode der Verein „Germania“ gegründet worden war, entstand im Kreisort am 16. September 1916 die „Sportvereinigung Fallingbostel“, deren erster Vorsitzender Hermann Linnemann war. Beide Vereine spielten noch im September 1916 in Walsrode gegeneinander, wobei die „Germania“ einen 4:0-Sieg errang. Über das Rückspiel am 6. November 1916 berichtete die Walsroder Zeitung:

Am gestrigen Sonntage fand in Fallingbostel auf dem dortigen Sportplatz das Rückspiel des Sportvereins Fallingbostel und „Germania Walsrode“ statt. Die letzteren konnten den Platz als Sieger mit 2:0 verlassen. Das erste Tor fiel vor der Halbzeit nach 25 Minuten, das zweite 5 Minuten vor Schluß des Spieles. Walsrode konnte mit einer überlegenen Mannschaft antreten und daher mußte Fallingbostel einen harten Kampf kämpfen. Ein gemütliches Beisammensein der Vereine im Gasthof zur Lieth schloß den anregend verlaufenen Nachmittag.

Vergleichbar mit einem modernen Sportplatz waren die Bedingungen für Fußballspieler nicht.


Abb.: Fußballspiel auf dem Sportplatz an der Soltauer Straße 1941 (Quelle: Stadtarchiv Bad Fallingbostel)


Abb.: Fußballspiel auf dem Sportplatz an der Soltauer Straße 1941 (Quelle: Stadtarchiv Bad Fallingbostel)

Das lassen auch die Aufnahmen erahnen, die von einem Spiel gemacht wurden, das 1941 auf dem Sportplatz an der Soltauer Straße stattfand.

Kontakt:
Stadtarchiv Bad Fallingbostel
Dr. Wolfgang Brandes
Vogteistraße 1
29683 Bad Fallingbostel
Tel.: 05162 / 40118
stadtarchiv@badfallingbostel.de

Quelle: Stadtarchiv Bad Fallingbostel, Archivalie des Monats Juni 2021