Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives

Ausstellung in der Akademie der Künste.

Das kulturelle Gedächtnis ist die Basis der menschlichen Zukunft. Dabei übernehmen Künste und Kulturinstitutionen eine entscheidende Rolle. Die Auseinandersetzung mit Erinnerung und Gedächtnisspeichern sind zentraler Gegenstand aktueller künstlerischer Praxis: Künstlerinnen und Künstler befragen Archive, überdenken Auswahlprozesse, tasten Lücken im Depot ab und erstellen eigene Archive gegen das Vergessen. Denn das Gedächtnis ist ein umkämpftes Feld: Inmitten der aktuellen Dynamik von digitalem Wandel, rechten und nationalistischen Erzählungen, postkolonialen Debatten um historische Verantwortung sowie dem Ringen um Nachhaltigkeit und Diversität gilt es, tradierte Wissens- und Erinnerungsräume zu verteidigen und zugleich neu zu bewerten.


Abb.: „Erinnern ist Arbeit“, Ausstellungsprojekt von Einar Schleef, 1992, im Marstall, Berlin. Foto © Ute Schendel. VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Anlässlich ihres 325-jährigen Bestehens reflektiert die Akademie der Künste auch die eigene Institution und ihre Archive als Erinnerungsspeicher. Eine Ausstellung mit 13 Auftragsarbeiten und 15 exemplarischen Positionen aus dem Archiv zeigt die Grammatik von Erinnern und Vergessen und stellt Aufbewahrtes in neue Kontexte.

Mit Arbeiten von: Mirosław Bałka, Candice Breitz, Ulrike Draesner, Arnold Dreyblatt, Thomas Heise, Susann Maria Hempel, Alexander Kluge, Eduardo Molinari, Matana Roberts, Cemile Sahin, Cécile Wajsbrot, Jennifer Walshe und Robert Wilson.

Paul Ingendaay zeigt sich in der FAZ begeistert von der Ausstellung (und dem „exzellenten“ Katalogheft) zum Themenkomplex Archiv, Erinnerung und historisches Gedächtnis („ein großartiger Rundgang“) und empfiehlt u.a. allen, „die es noch nie getan haben, sich mit den Zeugnissen aus der Geschichte der Akademien selbst (Ost und West) zu beschäftigen“.

Die Veranstaltung „Durch das Herz hindurchgehen. Eine Einführung“ bildete am 2.6.2021 den Auftakt der Gesprächsreihe zur Ausstellung „Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives“. Johannes Odenthal und Werner Heegewaldt führen in das Ausstellungsprojekt ein. Anschließend diskutieren Jeanine Meerapfel und Cécile Wajsbrot über die Rolle von Erinnerung und Vergessen für ihre jeweilige künstlerische Arbeit.

Info:
Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives. Ausstellungder Akademie der Künster
17.6.-19.9.2021, Di-So 11-19 Uhr
Ort: Pariser Platz, Berlin
adk.de/tickets

Kontakt:
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
Telefon +49 (0)30 200 57-0 / -1000
Telefax +49 (0)30 200 57-1702
info@adk.de
www.adk.de

Quelle: Akademie der Künste, Programm, Juni 2021; Paul Ingendaay: Jeder mit seinem eigenen Spaten, in: FAZ, 15.7.2021, 9.

Hochwasserschäden in NRW und angrenzenden Regionen

Stadtarchiv Stolberg zerstört.

Nach der Unwetter-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit Starkregen und Hochwasser melden die Behörden mittlerweile mehr als 150 Tote. Das Ausmaß der materiellen Schäden ist noch nicht absehbar. Seit Mitternacht (15./16.7.2021) läuft die Rurtalsperre über. Aufgrund des Überlaufs sind nach Angaben des Wasserverbandes Eifel-Rur entlang der Rur über Düren, Jülich und Hückelhoven bis in die Niederlande weitere Hochwasserschäden zu befürchten.

Ratshausstraße in Stolberg (Foto: WDR)

Zahlreiche Kultureinrichtungen sind betroffen, geschädigt oder gar zerstört. Beispielsweise sind drei Museen des Landschaftsverbands Rheinland so stark beschädigt, dass eine Öffnung derzeit nur teilweise oder überhaupt nicht möglich ist. Betroffen sind das LVR-Freilichtmuseum Kommern, das LVR-Industriemuseum Papiermühle Alte Dombach in Bergisch Gladbach sowie das Kraftwerk Ermen & Engels in Engelskirchen. Hart getroffen wurde auch die Stadt Stolberg, die durch die Fluten aus dem Vichtbach in zwei Teile geteilt worden ist. Das untere Stockwerk des Rathauses geriet unter Wasser, das Stadtarchiv Stolberg im alten Rathaus ist verloren.

„Unsere komplette Stadtgeschichte ist abgesoffen, das ganze Archivmaterial stand im Wasser“, sagte Stolbergs Bürgermeister Patrick Haas (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe zahlreiche Helfer vor Ort, zudem habe das Kölner Stadtarchiv Experten zur Unterstützung geschickt. In einem „Kulturgutschutz-Container„, den die Domstadt vergangenes Jahr angeschafft hat, sollen Dokumente – von Urkunden aus dem Mittelalter bis hin zu jüngeren Bauanträgen – gesäubert und sichergestellt werden. Notwendig ist vielfach die Gefriertrocknung der Materialien, um weitere Zersetzungsprozesse zu verhindern.

Aktuelle Informationen speziell zu Stolberg findet man auf dem Facebookprofil der Stadt Stolberg und auf der Webseite der Stadt Stolberg. Für dringende Fragen ist ein Bürgertelefon eingerichtet worden (02402/12751183). Auf Facebook hat sich eine Gruppe gegründet, die das vollgelaufene Stadtarchiv retten möchte: „Stadtarchiv Stolberg – Initiative zum Wiederaufbau“.

Quelle: WDR, Nachrichten, 16.7.2021; WDR, Nachrichtenseite; Aachener Nachrichten, 15.7.2021; LVR, Pressemeldung, 15.7.2021; Stadt Köln, Pressemitteilung, 8.10.2020; Deutschlandfunk Kultur, 20.7.2021

Stadtarchiv Nordhausen mit MdA-Webpräsenz

Das Stadtarchiv Nordhausen geht in dieser Woche online. Neben der Beständeübersicht im Archivportal Thüringen bietet das Stadtarchiv ab sofort erstmals unter nordhausen.mitteldeutschearchive.de eine fachbezogene, selbst moderierte und aus Haushaltsmitteln der Stadt Nordhausen finanzierte Internetpräsenz.

Auf Basis einer vertraglich fixierten Zusammenarbeit mit dem 2015 begründeten Mitteldeutschen Archivnetzwerk (MdA) stelle das Stadtarchiv Nordhausen auf der eigenen Homepage seine Aufgaben und Bestände klar strukturiert, übersichtlich und reich bebildert vor, erläutert Dr. Wolfram G. Theilemann, Leiter des Nordhäuser Stadtarchivs. Über die vier Menüpunkte „Archiv“, „Benutzung“, „Bestände“ und „digitale Recherche“ könne man eine Fülle von Informationen ansteuern: bibliografische Daten, Links zu Partnern und weniger bekannten Findmitteln sowie Hinweise auf andere Archive im Südharz für Heimatforscher, Familienhistoriker, Wissenschaftler aller Couleur“, so Theilemann weiter.

Künftig werden diese Daten regelmäßig von den Beschäftigten des Stadtarchivs ergänzt. Zudem werden besondere Archivalien, aktuelle Informationen zu Öffnungszeiten, Formulare oder Neuerscheinungen und vieles mehr die digitale Nachfolge der 2019 „Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter“ antreten. „Geplant ist schließlich, ab dem Jahr 2022 über diese Webseite auch eine präzise Eigenrecherche nach genealogischen Daten aus den im Stadtarchiv aufbewahrten Personenstandsregistern zu ermöglichen“, zeigt Dr. Theilemann die kommende Perspektive auf.

Die neue Seite des Stadtarchivs ist mit der städtischen Homepage verlinkt.

Die Beteiligung am Mitteldeutschen Archivnetzwerk steht jedem der rund 200 Archive im mitteldeutschen Raum, in Sachsen-Anhalt, in Sachsen und in Thüringen offen. Folgende Institutionen, vor allem Hochschul- und Stadtarchive, haben sich seit 2014/2015 bereits zur Mitarbeit entschlossen: Universitätsarchiv Leipzig, Ratsarchiv Görlitz, Stadtarchiv Borna, Hochschularchiv TU Chemnitz, Hochschularchiv Bauhausuniversität Weimar, Hochschularchiv HGB Leipzig, Stadtarchiv Kamenz, Stadtarchiv Neuburg, Stadtarchiv Radebeul, Stadtarchiv Zwickau, Hochschularchiv TU Dresden, Hochschularchiv Universität Jena, Hochschularchiv Universität Rostock, Stadtarchiv Nordhausen, Hochschularchiv TU Merseburg, Hochschularchiv TU Madgeburg, Hochschularchiv HTWK Leipzig, Hochschularchiv TU Bergakademie Freiberg, Hochschularchiv HMT Leipzig, Universitätsarchiv TU Ilmenau, Stadtarchiv Delitzsch.

Kontakt:
Stadtarchiv Nordhausen/Harz
Markt 15, Neues Rathaus
Tel.: 03631/696-441 und -450
Fax.: 03631/696 87 450
stadtarchiv@nordhausen.de
nordhausen.mitteldeutschearchive.de

Quelle: Stadt Nordhausen, Meldung, 14.7.2021

Entwürfe des Völkermanifests Kaiser Franz Josephs I. ans Österreichische Staatsarchiv übergeben

Die Direktoren der gemeinnützigen Klimt-Foundation, Peter Weinhäupl und Sandra Tretter, übergaben dieser Tage der österreichischen Bundesministerin für EU und Verfassung, Karoline Edtstadler, ein Konvolut aus bisher unbekannten Entwürfen zur Kriegsproklamation Kaiser Franz Josephs I. (1830-1916) aus dem Juli 1914 als Schenkung für das Österreichische Staatsarchiv. Die Bundesministerin, die innerhalb der Bundesregierung für das Staatsarchiv zuständig ist, zeigte sich beeindruckt, ein Zeitdokument in den Händen zu halten, das im weiteren Verlauf das Schicksal Europas so nachhaltig beeinflusst hat.


Abb.: Bundesministerin Karoline Edtstadler (in der Bildmitte) nimmt die Dokumente gemeinsam mit ÖStA-Generaldirektor Helmut Wohnout (1. v.l.), HHStA-Direktor Thomas Just (2. v.l.), Peter Weinhäupl (Direktor Klimt-Foundation, 2. v.r.) und Sandra Tretter (stv. Direktorin Klimt-Foundation, 1. v.r.) in Augenschein (Foto: ÖStA).

Der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Helmut Wohnout, betonte in seinen Dankesworten, dass diese großzügige Schenkung eine wertvolle Abrundung der im Staatsarchiv vorhandenen Bestände zum Kriegsausbruch bedeute. Das Manifest wird nun im Haus-, Hof- und Staatsarchiv verwahrt und nach der archivarischen Erfassung für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung gestellt.


Abb.: Es handelt sich bei den übergebenen Dokumenten um Entwürfe jenes Völkermanifests vom Juli 1914, das die Kriegserklärung an Serbien zum Inhalt hatte (Foto: ÖStA).

Es handelt sich bei den übergebenen Dokumenten um Entwürfe jenes Völkermanifests, das nach dem Attentat auf das Thronfolgerehepaar, Erzherzog Franz Ferdinand und Sophie Herzogin von Hohenberg am 28. Juni 1914 in Sarajevo und der infolge auftretenden Juli-Krise, entstand und die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien zum Inhalt hatte. Dieses wurde zum Auslöser der zum Ersten Weltkriegs führenden politischen Kettenreaktion.

Kontakt:
Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Minoritenplatz 1
1010 Wien
Telefon: +43 1 795 40-640801 (Sekretariat)
hhsta@oesta.gv.at

Quelle: Österreichisches Staatsarchiv, Nachrichten, 9.7.2021

Fotoschätze aus dem Stadt- und Kreisarchiv Nienburg

„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ – diese Redewendung umschreibt sehr passend, warum Fotografien in einer zunehmend visuell orientierten Gesellschaft solch eine Bedeutung haben. – „Bei uns im Stadt- und Kreisarchiv Nienburg werden einige tausend Fotografien verwahrt, und der Bestand wächst. Es gehört zu den Aufgaben eines Archivs, das fotografische Erbe zu sichern. Dabei konzentrieren wir uns auf Bildquellen mit Nienburg-Motiven“, berichtet Archivleiterin Patricia Berger.


Abb.: Alte Weserbrücke in Nienburg, Amateur-Aufnahme von W. Eickhoff jun. aus der Fotosammlung des Stadt- und Kreisarchivs Nienburg

Schwerpunkte der Überlieferung sind historische Postkarten, Fotos von Bauwerken und wichtigen Ereignissen, aber auch Luftbilder. Im Bereich der Postkarten wurde gerade das 1000. Stück eingepflegt. Das älteste Foto stammt aus der Zeit um 1860.

„Bislang konzentriert sich die Verzeichnung auf die analogen Fotos, der Bestand der rein digital vorliegenden Fotos befindet sich im Aufbau“, so Archivfachangestellte Linda Oerzen, die für die Fotosammlung des Nienburger Archivs verantwortlich ist. Kontinuierlich wird die Sammlung durch Übernahmen aus der Verwaltung, Schenkungen oder Ankäufe ergänzt. Neben spezifischen klimatischen Verhältnissen muss für die archivgerechte Aufbewahrung der empfindlichen Fotografien gesorgt werden. Wichtig für die Nutzung der Bildquellen ist es zudem, Informationen rund um das Foto bereit zu stellen. Was genau ist dargestellt? Aus welcher Zeit stammt das Foto? Wer hat fotografiert? In welchem Kontext steht das Foto?

Abb.: Archivmitarbeiterin Linda Oerzen inmitten einiger Nienburger Fotos (Foto: Stadt- und Kreisarchiv Nienburg)

Die Einsichtnahme in die Fotobestände erfolgt in der Regel analog im Lesesaal des Archivs. Der Digitalisierung und Onlinestellung von Fotografien sind durch die Urheberechtsgesetzgebung Grenzen gesetzt. Um dennoch einen digitalen Service anzubieten, stellt das Archiv ganz aktuell ausgewählte Fotos über den Onlinedienst flickr.com zum kostenlosen Stöbern bereit, erreichbar über die Internet-Seite des Stadtarchivs. „Darunter befinden sich alte Stadtansichten ab Ende des 19. Jahrhunderts, aber auch neuere Ereignisse wie die Errichtung der Wesertorbrücke im Jahre 1999“, erklärt Oerzen, „Es ist geplant diesen Dienst regelmäßig durch weitere Fotos zu ergänzen“.

Kontakt:
Stadtarchiv Nienburg
Verdener Straße 24
31582 Nienburg/Weser
Telefon: 05021 87-235
p.berger@nienburg.de

Quelle: Stadt Nienburg, Aktuelle Meldungen, 13.7.2021

Wanderausstellung #StolenMemory der Arolsen Archives

Am 1.7.2021 gingen die beiden #StolenMemory-Ausstellungscontainer der Arolsen Archives auf Tour und werden bis Ende des Jahres an über 20 Orten in ganz Deutschland Halt machen, um ihre Türen für Besucherinnen und Besucher zu öffnen.


Abb.: Flügeltüren auf und aus einem Überseecontainer wird eine ungewöhnliche Ausstellung im öffentlichen Raum: Der #StolenMemory-Container tourt durch durch Deutschland (Foto: Arolsen Archives)

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Schicksale von zehn KZ-Häftlingen aus verschiedenen europäischen Ländern, deren persönliche Gegenstände Teil der Sammlung der Arolsen Archives sind. Einige dieser Erinnerungsstücke konnten wir bereits an die Familien der Verfolgten zurückgeben. In den anderen Fällen suchen wir noch die Angehörigen. Die Ausstellung lädt das Publikum ein, selbst auf Spurensuche zu gehen und die von den Nazis gestohlenen Erinnerungsstücke zurückzugeben.

Die Ausstellung im Übersee-Container wird durch die Maßnahme „Kultur im ländlichen Raum“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert und ist deshalb an vielen Standorten mit weniger als 20.000 Einwohnern zu Besuch. Die Wanderausstellung wird aber auch in größeren Städten wie Hamburg und Dortmund zu sehen sein.

Begleitet wird die Wanderausstellung durch eine speziell für Jugendliche entwickelte Website mit animierten Filmen, Webstories, Interviews und pädagogischen Begleitmaterialien. Im Juni 2021 zeichnete die Jury des Grimme Online Awards die #StolenMemory-Website (https://stolenmemory.org/) in der Kategorie „Bildung und Wissen“ aus.

Außerdem können Besucherinnen und Besucher mit der #StolenMemory-App beim Ausstellungsbesuch Videoportraits von Angehörigen ansehen, die über die Bedeutung der Rückgaben sprechen.

Schon bald kann die Wanderausstellung #StolenMemory mit einem zusätzlichen Ausstellungscontainer auf Tour gehen. Möglich wird dies durch die eine Schenkung in Höhe von 100.000 Dollar des Außenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika und den US-Botschaften in Berlin und Warschau. Der zusätzliche Container wird in den ostdeutschen Bundesländern und Polen zu sehen sein.

Links:

Kontakt:
Arolsen Archives
International Center on Nazi Persecution
Große Allee 5-9
34454 Bad Arolsen
Deutschland
Tel.: +49 5691 629-0
Fax: +49 5691 629-501
https://arolsen-archives.org

Quelle: Arolsen Archives, Events; Pressemitteilung 25.6.2021

Gelände des KZ Kemna auf dem Weg zu einem Erinnerungsort

Die Evangelische Kirche in Wuppertal ist Eigentümerin des Kemna-Geländes mit der ehemaligen Putzwollfabrik. Was hat sie mit dem ehemaligen KZ-Gebiet vor? Ein Interview mit Vortrag.

Wie kam es zu dem Kauf des Areals? Und wie soll das historische Grundstück an der Beyenburger Straße in Zukunft würdig gestaltet werden? Darüber sprachen die Wuppertaler Superintendentin Ilka Federschmidt und Michael Sengstmann, Vorsitzender des Gesamtverbandes der Gemeinden im Kirchenkreis Wuppertal, mit Antonia Dicken-Begrich, Mitglied der Kirchenkreis-Leitung.


Abb.: Das Gebäude des ehemaligen KZ-Kemna, 2007 (Foto: Frank Vincentz/wikimedia.org/CC BY-S)

An das Interview schließt sich ein Vortrag von Dr. David Mintert an, der sich im Rahmen seiner Dissertation ausführlich mit dem KZ Kemna beschäftigt hat: „Die Konstellation der doppelten Hochburg linker und rechter Anschauungen im Bergischen Land war der Hauptgrund, warum die politischen Auseinandersetzungen besonders erbittert und von brutaler Gewalt begleitet waren.“


Abb.: Im Gespräch: Michael Sengstmann, Antonia Dicken-Begrich, Ilka Federschmidt (v.l.; Foto: KK Wuppertal). Das gesamte Video-Statement findet man unter https://youtu.be/bobKg7IHLg0

Bewusste Kaufentscheidung
„Der Kauf des Geländes war ursprünglich reiner Zufall“, berichtet Michael Sengstmann. „Wir waren auf der Suche nach einer Industrieanlage, weil unser Kirchenarchiv in Ronsdorf aus allen Nähten platzte“, so der Vorsitzende des Gesamtverbandes der Gemeinden. Als feststand, dass die Adresse der angebotenen Immobilie genau die Adresse war, auf der sich das ehemalige KZ befand, auf dem die Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1934 ihre politischen Gegner gefoltert hatten, war die Entscheidung, dort einen Gedenkort zu errichten, schnell gefallen. „Wir haben das Gelände nicht trotz seiner Vergangenheit, sondern gerade wegen seiner Vergangenheit gekauft“, sagt Sengstmann als Eigentümer für den Gesamtverband der Gemeinden.

Kirche hat versagt
Für die Kirche ist das auch eine Chance, das Grundstück, das bisher durchgängig gewerblich genutzt wurde, umzugestalten. Mit Blick auf das Versagen der Evangelischen Kirche von damals sieht sich die Evangelische Kirche in Wuppertal heute nämlich in der Pflicht, dort einen Erinnerungsort zu errichten. „Diese Schuld kann man konkret an den beiden KZ-Seelsorgern festmachen, die zu den Deutschen Christen gehörten und die für eine Gleichschaltung von Kirche und Staat waren. Sie haben die Situation der Gefangenen als Gelegenheit gesehen, die aus ihrer Sicht auf den falschen Weg gebrachten Sozialisten zu missionieren, statt ihnen gegen die Misshandlungen beizustehen“, so Superintendentin Ilka Federschmidt. „Darum sind wir in der Pflicht etwas zu tun.“ Das begrüßt auch Dr. David Mintert zum Ende seines digital aufgezeichneten Vortrages: „Es ist gut, dass sich die Kirche heute dieser Verantwortung stellt.“

Zukünftig: Erinnerungsort und Archiv
Wie genau der Erinnerungsort aussehen soll, steht noch nicht fest. Derzeit führen Experten auf dem Gelände bauhistorische Untersuchungen durch (sog. Machbarkeitsstudie), um authentische Anknüpfungspunkte zu dem KZ von damals zu finden. „Unserer Vorstellung nach soll auf dem Gelände auch ein Lernort entstehen, bei dem das Thema Demokratie heute vermittelt werden soll“, so Federschmidt. Das wichtige Mahnmal für das KZ auf der gegenüberliegenden Straßenseite soll bei allen Überlegungen einbezogen werden, so die grobe Planung. Dafür wird die Evangelische Kirche Kontakt zu den jeweiligen Partnern aufnehmen.

Da das Gelände groß genug ist, soll auch das Kirchen-Archiv dort angesiedelt werden. Einen konkreten Zeitplan für die Umgestaltung gibt es allerdings noch nicht. „Es ist noch viel zu tun. Die Machbarkeitsstudie ist wichtig und richtig. Das geht nicht innerhalb eines halben Jahres über die Bühne“, sagt Michael Sengstmann.

KZ Kemna
KZ: Das Konzentrationslager Kemna bestand von Juli 1933 bis zum 19. Januar 1934. In eine ehemalige Putzwollfabrik an der Beyenburger Straße direkt am Wupperufer pferchte die SA die Gefangenen unter katastrophalen hygienischen Verhältnissen zusammen. Folter und willkürliche Gewalt waren an der Tagesordnung. Die Zahl der Inhaftierten im Laufe der sieben Monate dieses KZs wird auf 2500 bis 3000 geschätzt. Inhaftiert wurden in erster Linie sogenannte politische Häftlinge aus den Reihen der KPD und der SPD aus dem Bergischen Land.

Mahnmal: Zum 50. Jahrestag der Einrichtung wurde gegenüber dem Fabrikgelände 1983 ein Mahnmal errichtet, an dem jedes Jahr eine durch die Mitglieder des Jugendrings Wuppertal organisierte Kranzniederlegung stattfindet. Entworfen wurde das Bronze-Relief durch eine Kunst-Arbeitsgemeinschaft des Wuppertaler Gymnasiums Am Kothen. Im Jahr 2019 erwarb der Gesamtverband evangelischer Gemeinden im Kirchenkreis Wuppertal die baulichen Reste des ehemaligen KZ. (Quelle: wikipedia.de)

Kontakt:
Kirchenkreis Wuppertal
Kirchplatz 1
42103 Wuppertal
Tel.: 0202 94770-0
info@evangelisch-wuppertal.de
www.evangelisch-wuppertal.de

Quelle: Nikola Dünow, Kemna – Auf dem Weg zum Erinnerungsort, in: Evangelisch in Wuppertal, 5.7.2021

Stuttgarts Stadtarchivleiter in den Ruhestand verabschiedet

Nach 25 Jahren als Leiter des Stadtarchivs Stuttgart ist Prof. Dr. Roland Müller am 2.7.2021 vom Ersten Bürgermeister des baden-württembergischen Landeshauptstadt, Dr. Fabian Mayer, offiziell in den Ruhestand verabschiedet worden, der Ende September beginnt.


Abb.: Erster Bürgermeister Dr. Fabian Mayer (li.) hat den Leiter des Stuttgarter Stadtarchivs, Roland Müller (re.), im Innenhof des Stadtarchivs in den Ruhestand verabschiedet (Foto: Stadt Suttgart).

Die Verabschiedung war eingebettet in eine Tagung des Stadtarchivs Stuttgart zum Thema „Vernachlässigte Quellen? – Die visuelle Überlieferung der NS‐Diktatur in Archiven und ihre Erforschung“. Die Open‐Air‐Tagung im Innenhof des Stadtarchivs wurde möglich durch sinkende Infektionszahlen.

Erster Bürgermeister Dr. Mayer, zuständig für Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht, sagte: „Unter Professor Müllers Leitung hat sich das Stadtarchiv unter schwierigen Ausgangsbedingungen zu einem modernen Gedächtnis der Stadtgesellschaft entwickelt. Es hat frühzeitig die Herausforderungen der digitalen Revolution erkannt und als erstes deutsches Kommunalarchiv ein digitales Langzeitarchiv eingeführt.“

Prof. Dr. Müller zeigte sich dankbar, „dass wir uns als modernes, professionelles Gedächtnis der Stadtgesellschaft profilieren sowie als Kompetenzzentrum für Stadtgeschichte und Lernort etablieren und breit vernetzen konnten. Es wird eine Herausforderung bleiben, vor allem die Grundlagenarbeit und den methodischen Umgang mit der Stadtgeschichte zu behaupten.“

Die Laudatio hielt Dr. Ernst Otto Bräunche. Der ehemalige Leiter des Stadtarchivs Karlsruhe war Müllers Vorgänger im Amt des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Archive im Städtetag Baden‐Württemberg und ehemaliger Vorsitzender der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag. Müller habe seit 1996 als Nachfolger von Paul Sauer „Ansehen und Leistungsfähigkeit eines der großen Stadtarchive in der deutschen Archivlandschaft kontinuierlich vermehrt. Er war über 18 Jahre eine maßgebliche Stütze in der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag.“

Roland Müller studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Stuttgart und promovierte bei Prof. Eberhard Jäckel über das Thema „Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus“, eine Pionierstudie zur Rolle der Kommunalverwaltung in der NS‐Zeit. Seit 1997 gehört er der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden‐Württemberg an. Seit 1995 ist er Lehrbeauftragter am Historischen Institut der Universität Stuttgart. Diese berief ihn im Dezember 2017 zum Honorarprofessor.

Seine berufliche Tätigkeit begann Müller 1987 als Referendar beim Generallandesarchiv Karlsruhe. Nach der zweiten Staatsprüfung 1989 führte ihn sein Weg über das Hauptstaatsarchiv Stuttgart zum Staatsarchiv Ludwigsburg. Seit dem 1. September 1996 leitet er das Stadtarchiv der Landeshauptstadt Stuttgart.

Als ein Meilenstein in seiner Amtszeit wurde im Januar 2011 das neue Stadtarchiv im Bellingweg eröffnet. Aus einem ehemaligen Lagerhaus im Neckarpark in Bad Cannstatt entstand ein fachgerecht ausgestattetes Archiv mit einer Fläche von rund 6.000 Quadratmetern. Es verfügt über einen modernen Lesesaal und Vortragsräume. Der Service für die Besucher konnte dadurch wesentlich verbessert werden. Es herrschen nun gute Bedingungen für die historische Bildungsarbeit, vor allem auch für die jüngere Generation. Damit wird ein wesentliches Anliegen der Arbeit des Stadtarchivs ermöglicht, nämlich die methodische Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte als unverzichtbarer Grundlage für ein demokratisches Gemeinwesen.

Ein herausragender Erfolg für das Stadtarchiv und seinen Leiter war im Jahr 2019 die Nominierung des Digitalen Stadtlexikons für den Grimme‐Online Award, den nationalen Medienpreis. Damit wurde ein innovatives Projekt zur Erforschung und Vermittlung von Stadtgeschichte von hoher inhaltlicher und technischer Qualität gewürdigt, das zugleich einen niederschwelligen Zugang bietet. Das Projekt „Stuttgart 1942“ in Kooperation mit den großen Stuttgarter Tageszeitungen wird in der breiten Öffentlichkeit viel beachtet. Regelmäßig ist das Stadtarchiv dadurch mit interessanten Beiträgen in den Printmedien vertreten.

Seine reichhaltigen Erfahrungen bringt Prof. Roland Müller bundesweit in der interkommunalen Zusammenarbeit ein. Von 2003 bis 2021 hatte er den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Archive im Städtetag Baden‐Württemberg und war in dieser Funktion Mitglied der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag. Persönlich engagiert er sich stark für die Erinnerungskultur in Stuttgart. Als Mitglied der Initiative „Gedenkstätte Killesberg“ erhielt er 2014 die Otto‐Hirsch‐Auszeichnung.

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 21691512
poststelle.stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Stadt Stuttgart, Aktuelle Meldungen, 2.7.2021

Ausstellung »Straßburg 1940-1944«

Am 1. September 1939 wurden Straßburg und das Grenzgebiet entlang des Rheins, der Pfalz und der Saar evakuiert. Nach dem „Sitzkrieg“ marschierte die deutsche Armee in Frankreich ein, dessen rasche Niederlage am 22. Juni 1940 zur Unterzeichnung eines Waffenstillstands führte. Das Elsass und die Mosel wurden de facto vom „Dritten Reich“ annektiert.

Die Straßburger, die im Sommer 1940 zurückkehrten, erhielten den Slogan: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer. Die befreiten Elsässer erinnern sich an den Führer! Heil Hitler!“. Für die Nazis wurde das Elsass durch Hitler „befreit“, der sein Ziel verfolgte, alle germanischen Bevölkerungsgruppen in einem Reich zu vereinen, das tausend Jahre dauern würde.

Aber was deckt dieser Slogan ab? Eine Realität, die irgendwie akzeptiert wird? Offenes und massives Festhalten am Nationalsozialismus? Welcher Widerstand, welcher Überlebensreflex waren möglich?

Der Blick eines zeitgenössischen Künstlers ermöglicht es, sich dem kollektiven Gedächtnis dieser schmerzhaften und immer noch sehr sensiblen Zeit mit einer Distanz zu nähern, die zum Nachdenken anregt. Die Ausstellung bietet die Möglichkeit, vier Jahre lang das tägliche Leben der bestürzten Straßburger zu entdecken. Es war notwendig, sich an die politischen Verhältnisse, an die nationalsozialistische Ideologie, an die Knappheit und die Rationierungen, an den Beschuss und die gewaltsame Wehrpflicht anzupassen.


Video: Straßburg unter deutscher Herrschaft (SWR)

Die kostenfrei zu besuchende Ausstellung „Straßburg 1940-1944“ des Stadtarchivs Strasbourg läuft noch bis zum 16.1.2022. Führungen sind nach vorheriger Reservierung (archives@strasbourg.eu) möglich.

Öffnungszeiten:
Montag und Dienstag: 14 bis 17 Uhr
Mittwoch bis Freitag: 9 bis 17 Uhr
Sonntag von 14 bis 18 Uhr

Kontakt:
Archives de la ville et de l’Eurométropole de Strasbourg
32 avenue du Rhin
67076 Strasbourg Cedex
Tel. : + 33 (0)3 68 98 51 10
archives@strasbourg.eu
https://archives.strasbourg.eu/de

Quelle: Stadtarchiv Strasbourg, Aktuell im Archiv; SWR: Aktuell: Stadtarchiv stellt aus: Straßburg unter deutscher Herrschaft, 6.7.2021

Heimerziehungs-Ausstellung mit Video-Führung und Übersetzung in Gebärdensprache

Die seit 2015 erfolgreich nicht nur durch Baden-Württemberg wandernde Ausstellung über die Heimerziehung in der baden-württembergischen Nachkriegszeit („Einmal Heimkind – immer Heimkind? Heimerziehung in Baden–Württemberg 1949-1975“) wird vom Landesarchiv Baden-Württemberg jetzt auch online als Video-Führung angeboten.

Die Ausstellung bietet einen Einblick, wie der Alltag in vielen Kinderheimen aussah – vielseitiges Bildmaterial und Dokumente wie Speisepläne, Aktenauszüge und Briefe geben Aufschluss darüber. Zeitzeugenberichte bereichern die Darstellung um die Perspektive der Betroffenen und geben tiefe Einblicke in die Gefühlswelten der ehemaligen Heimkinder. Die psychische und körperliche Gewalt, die vielfach an der Tagesordnung stand, wird ebenso thematisiert wie die oft nur kurzen Momente des Glücks.


Abb.: Strenger Zeitplan für die Zöglinge im Kinderheim Kleinglattbach (Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Fotosammlung, U 127)

Das System der Heimerziehung und die Rolle der Jugendämter beim Prozess der Heimeinweisung werden ebenso beschrieben wie die Aufsicht und Kontrolle der Träger und Einrichtungen. Zudem werden die rechtlichen Aspekte des Themas diskutiert. Wie verlief die Verfolgung von Straftaten, die in Heimen begangen wurden? Welche Möglichkeiten boten sich den Zöglingen zur Beschwerde oder Anzeige? Welche Probleme ergeben sich heute dabei, den Betroffenen „gerecht“ zu werden, die häufig noch in der Gegenwart unter den Folgen der Heimerziehung leiden? – Neben der historischen Darstellung der Heimerziehung wird auch der Aufarbeitungsprozess der Geschichte der Heimerziehung thematisiert.

Entstanden ist die Ausstellung im Projekt Heimerziehung (2012-2018) am Landesarchiv Baden-Württemberg. Auch über das Projektende hinaus stößt die Schau auf reges Interesse. Kein Wunder, ist doch das Thema nach wie vor aktuell. Die thematisierten Missstände beschränken sich nicht nur auf die Kinder- und Jugendhilfe. Viele Inhalte der Wanderausstellung treffen auch auf Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie zu – mit ihnen beschäftigt sich seit 2019 das Dokumentationsprojekt Zwangsunterbringung. Dazu gehören Internate von Gehörlosenschulen, in denen zahlreiche Betroffene belastende Erfahrungen gemacht haben. Daher hat das Landesarchiv Baden-Württemberg die Ausstellung um dieses Thema ergänzt und die Führung auch mit einer Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache (DGS) auf dem Youtube-Kanal des Landesarchivs zugänglich gemacht.

Auch die Begleitpublikation zur Wanderausstellung „Einmal Heimkind – immer Heimkind?“ leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschehnisse in baden-württembergischen Kinderheimen und gibt einen Überblick über verschiedene Fragestellungen zum Thema Heimerziehung. Analog zu den Kapiteln der Ausstellungen werden die Themen in jeweils mehreren Aufsätzen vertieft und erweitert. Zeitzeugenberichte ergänzen die Darstellung durch die Sicht von ehemaligen Heimkindern und einer Erzieherin.

Kontakt:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Eugenstraße 7
70182 Stuttgart
Telefon: +49 711 212-4272
landesarchiv@la-bw.de

Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Nachrichten, 17.6.2021, sowie Themen/Zugänge: Ausstellungsinformationen.