»Ich war ein Missale« – Ausstellung in der Deutschen Digitalen Bibliothek

Das Projekt „Digitale Erschließung von Einbandfragmenten in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck“ hat das Landeskirchliche Archiv Kassel zwischen 2003 und 2017 – mal mehr, mal weniger – beschäftigt. 736 hoch spannende Einbandfragmente konnten in dieser Zeitspanne gefunden und erschlossen werden. Viele waren daran beteiligt, allen voran Konrad Wiedemann.

Die ddbstudio-Ausstellung „Ich war ein Missale – Recycling mittelalterlicher Handschriften im 16. und 17. Jh.“ präsentiert seit dem 25.6.2021 online exemplarisch die ganze Bandbreite entdeckter Fragmente, die auf zahlreichen liturgischen, aber auch medizinisch-pharmazeutischen, juristischen, hebräischen und mittelhochdeutschen Texten gründen.


Abb.: Pergamenteinband ohne Trägerband, Graduale 2. Drittel 15. Jh. (lateinisch), aus der Sammlung von: Landeskirchliches Archiv Kassel (CC-BY-4.0-INT)

Der Handel mit Pergamenthandschriften als Material für Bindungen nahm seit den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts einen starken Aufschwung. Die Entwicklung des Buchdrucks steigerte den Bedarf enorm. Im Zuge der Reformation verloren viele liturgische Handschriften ihre Funktion. Klöster wurden aufgelöst und Kirchengemeinden traten zum evangelischen Glauben über.

Nach Auflösung der Klöster wurden die scheinbar wertlosen Pergamente, auch ganze Pergamentcodices, zweckentfremdet. Buchbinder lösten aus den Holzdecken Bogen für Bogen und verwendeten das Material zur Heftung von Kirchenrechnungen oder als schützenden Einband für Kirchenbücher.

Der wichtigste Einbandwerkstoff war das beschriebene Pergament. Papier als Werkstoff findet sich eher als Stärkung in Einbänden, selten als äußerer Einband.

Heute gelten die damals recycelten Handschriften als hohe Zeugnisse kultureller Tradition. Anders im 16. Jahrhundert, als sich der Buchdruck ausbreitete. Viele bisher nur als Handschrift vorliegende Texte waren nun in „modernen“ Ausgaben verfügbar. Wer die Mittel hatte, ersetzte das Manuskript durch einen Druck. Die nun häufig als Einband verwandten Schriften waren durch die Liturgiereformen des Konzils von Trient unzeitgemäß geworden. Die Festlegung auf ein Einheitsbrevier 1568 (Brevier = Gebetsbuch) und ein Einheitsmissale 1570 (Missale = Texte der Messe für das liturgische Jahr) führten dazu, dass die Handschriften ihre eigentliche Funktion verloren. Als Folge der Reformation wurde die Bedeutung des Lateinischen als Sprache der Kirche zudem zurückgedrängt.

Zur Ausstellung:
https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/einbandfragmente/

Literatur:
Konrad Wiedemann, Bettina Wischhöfer, Einbandfragmente in kirchlichen Archiven aus Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 21), Kassel 2007.

Konrad Wiedemann, Einbandfragmente kirchlicher Provenienz aus Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien des Landeskirchlichen Archivs Kassel 37), Kassel 2017.

(Bettina Wischhöfer)

Kontakt:
Landeskirchliches Archiv Kassel
Lessingstraße 15 A
34119 Kassel
Tel.: (0561) 78876 – 0
Fax: (0561) 78876 – 11
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http://www.archiv-ekkw.de

Lingners Wirken im Desinfektionswesen Dresdens

An Desinfektionsmittelspender, die gerade in der jetzigen Pandemie vor jeder Tür stehen, war vor gut 124 Jahren ebenso wenig zu denken wie an multiresistente Keime. Dabei wurde in Zeiten von Tuberkulose, Diphterie, Pocken und Cholera die Bedeutung und Wirkung einer gründlichen Desinfektion immer deutlicher. Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde händeringend nach einer geeigneten Lösung zur Bekämpfung von Krankheitserregern gesucht. Denn im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts wurde der Zusammenhang zwischen Mikroorganismen und den ausbrechenden Seuchen und Krankheiten erkannt. Alle bisherigen Methoden zur Raumdesinfizierung brachten nicht den gewünschten Effekt.

Umso bedeutender war daher die Entwicklung des Lingner‘schen Desinfektionsapparates im Jahre 1897. Beworben wurde dieser Apparat, der in der Lage war Krankenhauszimmer, Wohnräume und sogar Ställe in nur drei Stunden tiefenwirksam keimfrei zu machen und gleichzeitig Oberflächen nicht anzugreifen, mittels umfangreicher Werbekampagnen. Ein Beispiel dafür bildet ein Werbefaltblatt aus dem Bestand der Gemeinde Torna – Archivale des Stadtarchivs Dresden für den Monat Juni 2021.


Abb.: Desinfektionsapparat von Karl August Lingner (Stadtarchiv Dresden, Repro, Bestand 8.53 Gemeindeverwaltung Torna, Sign. 49)

Die Grundlage für das Gerät bildete das von R. Walther und Dr. A. Schlossmann vom organisch-chemischen Laboratorium der Technischen Hochschule Dresden ebenfalls 1897 entwickelte Desinfektionsmittel Glycoformal. Die Mischung aus Formaldehyd, Glycerin und Wasser verdunstete nicht einfach, sondern drang in die mit Keimen bedeckten Oberflächen ein und vernichtete alle Erreger. Karl August Lingner (1861-1916), Erfinder und Namensgeber des Lingner‘schen Desinfektionsapparates sowie Vermarkter der bekannten Mundspülung „Odol“, ließ den Apparat in seinem Werk „Dresdner Chemisches Laboratorium Lingner“ herstellen.

In dem Faltblatt vom Juli 1898 wird die Funktionsweise wie folgt beschrieben. „Dieser Apparat besteht aus einem Ringkessel (B), in welchem Wasser zum Sieden gebracht wird. Der Wasserdampf steigt alsdann in ein Reservoir (A), das mit Glycoformal angefüllt ist. Es wird nun durch vier Düsen (d), die nach verschiedenen Richtungen aus dem Reservoir herausführen, durch den Wasserdampf das Glycoformal intensiv vernebelt und hinausgeschleudert.“ Nach ausgiebigem Lüften sind die Räume sofort wieder uneingeschränkt benutzbar. Die leichte Handhabung ermöglicht eine unkomplizierte und schnelle Einsatzbereitschaft, die überall möglich ist. Nach ausführlichen Tests wurde der Desinfektionsapparat schließlich für den Handel freigegeben und kostete 80 Mark.

Am 10. März 1901 empfahl auch die Königliche Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt die Verwendung des Desinfektionsgerätes. Im gleichen Jahr unterbreitet Lingner den Vorschlag, eine Desinfektionsanstalt in Dresden zu errichten. Dabei bezog er sich auf die Choleraepidemie 1892 in Hamburg.

Die Gründung der dortigen Anstalt hatte unzähligen Bürgern das Leben gerettet und die Epidemie gestoppt. Die Kosten für die Errichtung einer Desinfektionszentrale in Dresden übernahm Lingner selbst. Bereits im Juli 1901 wurde die „Öffentliche Zentralstelle für Desinfektion“ eröffnet. Es handelte sich um ein hochmodernes Institut, dessen Konzept die Vorzüge sowie die festgestellten Mängel anderer Einrichtungen miteinander verband. Neben den Aufgaben zur Desinfektion von Wohnräumen, Kleidung und Gebrauchsgegenständen gehörte ab 1902 auch die Ausbildung von Desinfektoren aus allen Städten Sachsens dazu. Damit wurde eine der ersten deutschen Desinfektorenschulen gegründet, die bis heute fortbesteht, seit 1965 jedoch mit Sitz in Leipzig. Ab 1906 gehörte die Anstalt zur öffentlichen Verwaltung. Ihre Arbeit wird heute durch die Dresden Schädlingsbekämpfung und Kommunalhygiene GmbH fortgesetzt. So gilt damals wie heute: Vorsorge ist eben besser als Nachsorge.

Kontakt:
Stadtarchiv Dresden
Elisabeth-Boer-Straße 1
01099 Dresden
Tel.: 0351 / 4881-515
Fax: 0351 / 4881-503
stadtarchiv@dresden.de

Quelle: Susanne Koch, Stadtarchiv Dresden, Archivalie des Monats Juni 2021

Archiv und Wirtschaft 2/2021

Am 6. Juli 2021 erscheint die Ausgabe 2/2021 von „Archiv und Wirtschaft“, der Zeitschrift der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e.V. (VdW).

Inhaltsverzeichnis 

AUFSÄTZE

Lysann Goldbach: Die KfW und ihr Archiv (56-61)
Stefan Tobler: Zur Geschichte des Schweizer Bankgeheimnisses. Mit einem Seitenblick auf die Quellen- und Archivlage (62-73)
Lukáš Nachtmann: Zur Situation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archive in Tschechien (74-83)

BERICHTE

Friederike Sattler: Firmenjubiläen und Archivrecherchen: Meistens ein Abenteuer! Zur Entstehung der Studie „Die DZ HYP: Eine genossenschaftliche Hypothekenbank zwischen Tradition und Wandel (1921–2021)“ unter den Bedingungen der Corona-Pandemie (84-89)
Rolf Herget: 50 Jahre Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank – ein Jubiläum unter besonderen Umständen (89-91)
Anna-Maria Frings, Nicolas Krocker, Hans-Christian Bresgott und Markus Trüeb: 1. und 3. VdW-Webinar „‚Von der analogen zur E-Akte‘: Von digitalem Aktenchaos, neuem Rollenverständnis und betriebswirtschaftlichem Archivmanagement“ am 4., 9. und 11. sowie am 25., 29. und 31. März 2021 (92-95)

REZENSIONEN

Paul Erker: Zulieferer für Hitlers Krieg. Der Continental-Konzern in der NS-Zeit (Claus W. Schäfer) (96-97)
Michael Farrenkopf, Andreas Ludwig und Achim Saupe (Hrsg.): Logik und Lücke. Die Konstruktion des Authentischen in Archiven und Sammlungen (Brigitta Hafiz) (97-98)

Nachrichten (99)
Rezensionsliste (99-101)
Impressum (104)

Kontakt:
Dr. Martin Münzel
c/o F. Hoffmann-La Roche AG
Redaktion „Archiv und Wirtschaft“
Bau 52/111
CH-4070 Basel
Tel.: (0049) (0)159-06825241
martin.muenzel@wirtschaftsarchive.de
www.wirtschaftsarchive.de/publikationen/archiv-und-wirtschaft

Wertheim auf Glasfaser

Findmittel zu den Stadtarchivalien der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts online.

Auf der Homepage des Archivverbundes Main-Tauber findet sich seit kurzer Zeit das Findmittel zum Bestand „Städtische Akten III“. Der Kern der Überlieferung umfasst die Jahre 1953-1984, vereinzelt beginnen Akten bereits im 19. Jahrhundert oder reichen bis ins 21. Jahrhundert. Zur Erforschung und Sichtung bereit liegen 2.131 Akten, die hintereinander aufgereiht eine Länge von 27 Metern erreichen.

In die Laufzeit des Bestandes fallen unter anderem die Kreisreform mit den Eingemeindungen der heutigen Wertheimer Ortschaften und die Sanierung der Wertheimer Altstadt. Beides schlägt sich in den enthaltenen Akten nieder.

Mithilfe des Bestandes lassen sich auch die Anfänge der Städtepartnerschaft mit Salon-de-Provence und der von Karl-Josef Scheuermann initiierte deutsch-jüdische Austausch nachvollziehen. Daneben können größere Bauprojekte wie der Bau der Main-Tauber-Halle, das Bundesdemonstrativbauvorhaben „Wohnanlage am Wartberg“ und der Bau des Mainhafens erforscht werden.

Auch der Aufschwung der Wirtschaft in Wertheim, die Ansiedlung vieler Firmen in Wertheim und insbesondere der Zuzug glaserzeugender und -verarbeitender Firmen nach dem Zweiten Weltkrieg lassen sich anhand der Akten nachvollziehen. Beispielsweise gibt es Unterlagen über die Erschließung des Firmengeländes für die Glaswerke Schuller GmbH und seine nachfolgenden Erweiterungen. Aus den Werbeunterlagen der Firma stammt auch die Zeichnung auf Glasfaservlies.


Abb.: Die Rathausgasse auf Glasfaservlies – Werbung nicht nur für die Glaswerke Schuller GmbH, sondern auch für Wertheims Altstadt. (Vorlage: Staatsarchiv Wertheim S-III Nr. 1785)

Die aufkeimende Naturschutzbewegung hat ebenfalls ihren Niederschlag in den Akten gefunden, wie etwa der eindringliche Appell auf der Rückseite einer Broschüre zum Waldlehrpfad Wertheim zeigt: „Denkt an die Natur! Schützt die Landschaft!“, erstellt „Im Naturschutzjahr 1970“.

Über diese Internetadresse gelangt man direkt zum Findmittel und kann dort nach Akten suchen. Die Akten selbst werden im Archivverbund Main-Tauber in Bronnbach verwahrt und können im dortigen Lesesaal während der Öffnungszeiten eingesehen werden. Die Bestellung der Archivalien für den Lesesaal erfolgt ebenfalls über das Findmittel, oder es können dort Reproduktionen bestellt werden. Für Fragen steht die Stadtarchivarin telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung.

Kontakt:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Staatsarchiv Wertheim / Archivverbund Main-Tauber
Anna Berger
Bronnbach 19
97877 Wertheim
Tel.: 09342 / 91592–16
anna.berger@la-bw.de
stawertheim@la-bw.de

Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Aktuelles / Nachrichten, 09.06.2021

Der Bundeswehrstandort Lingen

Ein in den 1950er Jahren sehr kontrovers diskutiertes Thema war die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Sollte sich das Land nur wenige Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur wieder militarisieren und damit womöglich den Kalten Krieg verschärfen? Oder waren Remilitarisierung und Nato-Beitritt ein geeignetes Mittel der Abschreckung? Auch im niedersächsischen Landtagswahlkampf 1955 spielte das Thema eine Rolle. Mitte April besuchte Bundeskanzler Adenauer Lingen und warb für den Beitritt zur Nato (vgl. Archivalie des Monats April 2015).

Keine vier Wochen später trat die Bundesrepublik tatsächlich der Nato bei. Parallel wurde die Gründung der Bundeswehr vorangetrieben. Der im September 1955 bekanntgegebene Aufstellungsplan der Streitkräfte sah vor, dass auch Lingen wieder Garnisonsstadt werden sollte. In Lingen hatten Stadtverwaltung und Öffentlichkeit aber schon im Juni von den Plänen erfahren.


Abb.: Mit diesem Telegramm des Bundestagsabgeordneten Heinrich Eckstein erfuhr die Stadtverwaltung im Juni 1955 von der geplanten Wiederbelegung der Lingener Kasernen. Die ursprüngliche Zeitplanung ließ sich allerdings nicht einhalten (Stadtarchiv Lingen (Ems))

Bürgermeister Koop war daraufhin zusammen mit seinem Stadtkämmerer und seinem Stadtbaumeister ins Bundesverteidigungsministerium nach Bonn gereist, um Details zu erfahren. Die Soldaten sollten in der ehemaligen Doppelkaserne untergebracht werden, die die Nationalsozialisten 1935 in Reuschberge errichtet hatten (vgl. Archivalie des Monats Februar 2021).

Dazu musste das Staatshochbauamt die Kasernen erst einmal wieder in Stand setzen. Außerdem mussten nun Überlegungen angestellt werden, wie die letzten Displaced Persons, die noch immer in der Walter-Flex-Kaserne wohnten, anderweitig untergebracht werden könnten (vgl. Archivalie des Monats April 2021).

Mit Erlass des Verteidigungsministers vom 20. Juni 1956 vor nunmehr 65 Jahren wurde in Lingen eine Standortverwaltung errichtet. Am 15. Juli bezog ein zahlenmäßig begrenztes Vorkommando der Bundeswehr die bereits fertiggestellten Unterkünfte an der Gelgöskenstiege. Die Reparaturarbeiten liefen noch, als Anfang September die ersten 180 Soldaten des Panzeraufklärungsbataillons 3 anrückten.

Am 19. September 1956 wurden die Soldaten der Lingener Garnison offiziell empfangen. Um acht Uhr morgens wurde zunächst vor dem Ehrenmal am Alten Friedhof ein Kranz niedergelegt, um den Toten der beiden Weltkriege zu gedenken. Um 10:30 Uhr wurde die Kaserne offiziell übergeben. Dann marschierten die Soldaten mit einem Musikkorps Richtung Marktplatz, vorbei an geflaggten Häusern und der versammelten Bevölkerung, die den Soldaten Blumen an die Uniform hefteten.

Von der Treppe des Alten Rathauses aus wurden sie von Bürgermeister Koop begrüßt. „Der unglückliche Ausgang zweier Weltkriege und die nachfolgenden Notjahre“, so Koop, habe „das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Deutschen nicht zerstören können.“ Er habe das Vertrauen, dass Soldaten und Bevölkerung sich „unter dem Vorzeichen der Toleranz und gegenseitigen Achtung verstehen werden“. Kaplan Westholt äußerte den Wunsch „Möge die Wehrmacht nur dem Frieden dienen“. General Müller schließlich bat in seiner Rede um Nachsicht, denn die Jahre seit Kriegsende seien „nicht spurlos vorübergegangen“. Durch die „Diffamierung der Soldaten nach 1945“ herrsche in der Bevölkerung noch immer Misstrauen. Und den eigenen Soldaten empfahl er, sich zwei preußische Feldherren zum Vorbild zu nehmen: „Seien Sie klug und feinfühlig, verschlagen wie Zieten und mutig wie Seydlitz“. Die Kundgebung endete mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes und dem Rückmarsch der Soldaten in die Kaserne.


Abb.: Abschiedsgeschenk des scheidenden Panzeraufklärungsbataillons 3 vom 30. Januar 1959 (Stadtarchiv Lingen (Ems))

Zum 1. Februar 1959 wurde das Panzeraufklärungsbataillon 3 nach Lüneburg verlegt, und so wurde Lingen im Mai Sitz der Panzerbrigade 33. Dessen Kern bildete das Panzerbataillon 333 mit rund 500 Soldaten und über 50 Kampfpanzern. Am 3. Juni 1959 stellte sich die Brigade der Lingener Bevölkerung auf dem Marktplatz vor.


Abb.: Bürgermeister Koop begrüßt im Juni 1959 die ersten Soldaten der Panzerbrigade 33 in Lingen. An seiner Seite geht Brigadekommandeur Oberst Lüder, dahinter der Kommandeur des Panzerbataillons 333 Oberstleutnant Deichen (Stadtarchiv Lingen (Ems))

Erneut wurde sie von Bürgermeister Koop begrüßt, der wünschte, dass sich die 33er in Lingen genauso wohl fühlen mögen wie zuvor die Aufklärer. 1976 wurde auch die Panzerbrigade abgezogen und nach Celle verlegt. Nun zog das Heimatschutzkommando 14 in Lingen ein und übernahm auch das Kommando über das weiterhin in Lingen stationierte Panzerbataillon.

Da sich der Truppenübungsplatz in Schepsdorf als zu klein erwies, fanden Übungen auch im freien Feld statt, was mitunter zu Schäden und Störungen führen konnte. Allerdings betrieb die Bundeswehr auch eine rege Öffentlichkeitsarbeit. Man veranstaltete Waffenschauen und Tage der offenen Tür, beteiligte sich an der Emslandschau 1972 und der Lingener Tausendjahrfeier 1975.

Gelöbnisse und Zapfenstreiche fanden in der Öffentlichkeit statt, und zum 25. Jahrestag der NATO trat man zum Appell auf dem Marktplatz an. Auch zur Stadtverwaltung pflegte man gute Beziehungen. Viele Soldaten stammten ohnehin aus der Region und waren in Vereinen oder Parteien aktiv. Nicht zuletzt stellte die Kaserne mit ihren rund 1200 Soldaten und 700 zivilen Mitarbeitern einen entscheidenden Wirtschaftsfaktor der Stadt dar. Ende des Jahres 2007 wurde der Bundeswehrstandort Lingen geschlossen.

Quellen und Literatur (Auswahl):

  • Stadtarchiv Lingen (StadtA LIN), Allg. Slg., Nr. 1175
  • StadtA LIN, Allg. Verw., Nr. 389
  • StadtA LIN, Emsländische Rundschau vom 20.9.56 sowie vom 28.5.1959
  • StadtA LIN, Fotoserien (Großformate).
  • StadtA LIN, Lingener Tagespost vom 2.1.2008
  • StadtA LIN, Lingener Volksbote vom 6.7., 4.9., 18.9. und 20.09.1956 sowie vom 4.6.1959.
  • Dein Standort Lingen/Ems. Informationen für Gäste und Soldaten, Koblenz/Bonn 1977

Kontakt:
Stadtarchiv Lingen (Ems)
Baccumer Straße 22
49808 Lingen (Ems)
Tel.: 0591 / 91671-11
stadtarchiv@lingen.de

Quelle: Stadtarchiv Lingen, Archivalie des Monats Juni 2021

Umfangreicher Nachlass Hilgendorff im Kreisarchiv des Enzkreises jetzt nutzbar

Waldensergeschichte kompakt.

„Es war eine besondere Überraschung“, schwärmt der Leiter des Kreisarchivs des Enzkreises, Konstantin Huber, „als im Herbst der engagierte Waldenserforscher Francis Guillaume aus Neuhengstett anrief und fragte, ob der Enzkreis ein besonderes Geschenk annehmen wolle“: die insgesamt 27 Stehordner umfassenden Unterlagen der Waldensergenealogin Natalie Hilgendorff.

Guillaume, langjähriger Beirat der Deutschen Waldenservereinigung, ist Träger der Heimatmedaille Baden-Württemberg für seine ehrenamtlichen Verdienste, unter anderem als Leiter des Arbeitskreises Zeitgeschichte Althengstett. Im Jahr 2013 hatte ihn die Natalie Hilgendorff, Betreiberin eines Übersetzungs- und Genealogiebüros aus Markdorf/Bodensee, angerufen und ihm angeboten, deren Forschungsunterlagen binnen vier Tagen abzuholen. Ansonsten würden diese vernichtet, da sie sich wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes in ein Heim begeben musste. Guillaume setzte sich spontan ins Auto, fuhr nach Norddeutschland, wo die damals 87jährige Dame seit 2009 lebte, und sicherte deren jahrzehntelange Arbeit für die Nachwelt.


Abb.: Waldenserforscher Francis Guillaume (links) übergibt an Archivleiter Konstantin Huber den aus 27 Ordnern bestehenden Nachlass der Waldenserforscherin Natalie Hilgendorff (Foto: Enzkreis/Sebastian Schmidt).

Es handelt sich um Fotokopien der Kirchenregister sowie Familienzusammenstellungen der deutschen Waldensergemeinden Pinache-Serres, Perouse, Groß- und Kleinvillars, Nordhausen, Dürrmenz sowie Gottstreu und Gewissenruh in Hessen. Eine besondere Abteilung bilden 5 Ordner mit Kirchenbüchern von Mentoulles im Val Cluson/Piemont von 1629 bis 1729, der Herkunftspfarrei vieler Waldenser. Darin können die Familien der deutschen Glaubensflüchtlinge weiter zurückverfolgt werden. Weitere Ordner betreffen verschiedene Listen mit Einwohnern und Abzugswilligen der einzelnen Siedlungen, Passagieren der auf dem Rhein transportierten Flüchtlinge sowie spezielle Ausarbeitungen zu den Familien Charrier, Conte und Simondet.

In den vergangenen Jahren sichtete Francis Guillaume den Gesamtbestand und fasste die Unterlagen übersichtlich zusammen. Natürlich zögerte Huber keine Sekunde, Bereitschaft zur Übernahme ins Kreisarchiv zu signalisieren, passt doch die Waldensergeschichte ganz besonders ins Forschungsprofil. Auch wenn die Sammlung weit über den Enzkreis hinausreicht, erschien es Guillaume und Huber zweckmäßig, diese in ihrer Gesamtheit dort zu archivieren und nicht auf verschiedene Archive zu zerstückeln. Mit Ausnahme der Unterlagen zu Neuhengstett, die Guillaume zunächst selbst detailliert auswerten und erst danach übergeben möchte, ist die Sammlung nun als Bestand P40 im Kreisarchiv für Interessierte nach Voranmeldung einsehbar.

Kontakt:
Kreisarchiv des Enzkreises
Östliche-Karl-Friedrich-Straße 58
75175 Pforzheim
(Postfach 101080, 75110 Pforzheim)
Tel.: 07231/308-9423
Kreisarchiv@enzkreis.de

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung, 25.6.2021

Aschaffenburger Kulturerbe digitalisiert und online gestellt

Das historische Erbe am bayerischen Untermain hat am 25.6.2021 einen großen Schritt in die digitale Zukunft gemacht. Im Ridingersaal des Aschaffenburger Schlosses wurden in Anwesenheit der bayerischen Digitalministerin Judith Gerlach zwei Projekte von Stadt- und Stiftsarchiv und Hofbibliothek Aschaffenburg präsentiert, die wiederum durch den Freistaat Bayern im Kontext des Internetportals “bavarikon” gefördert worden sind. Tausende Digitalisate von Handschriften, Urkunden und anderen historischen Dokumenten stehen ab sofort im Kulturportal bavarikon.de online zur kostenfreien Nutzung bereit. Das bavarikon.de-Projekt wird maßgeblich vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales getragen.


Abb.: Albrecht II. Mainz, Erzbischof, Kurfürst, Kardinal (1490-1545); Verfasser: Missale Hallense des Kardinals Albrecht von Brandenburg – Hofbibliothek Aschaffenburg Ms. 10

Staatsministerin Judith Gerlach betonte: „Mit diesem Projekt machen wir unsere heimische Geschichte online erlebbar. Der Bayerische Untermain hat eine bewegte und spannende Vergangenheit. Mit Hilfe der Digitalisierung kann jetzt jede und jeder Interessierte immer und überall kostenlos in diese Historie eintauchen. Das ist eine wichtige Brücke vom Gestern ins Morgen. Denn wie hat unser früherer Bundeskanzler Helmut Kohl gesagt: Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“

Dr. Klaus Ceynowa, Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek, ergänzte aus Sicht von bavarikon: “Die Digitalisierung von schriftlichem Kulturerbe gewinnt zunehmend an Bedeutung – und das nicht erst seit der Corona-Krise. Durch die digitale Präsentation der Aschaffenburger Kulturschätze in bavarikon können wichtige historische Quellen erstmals einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Besonders freut uns, dass in diesem Zusammenhang auch die älteste erhaltene Originalurkunde im Stadt-und Stiftsarchiv Aschaffenburg wiederentdeckt werden konnte.”


Abb.: „Protocollum camerae vicariarum“ des Stifts St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg (Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg – Signatur: StiftsA 5970)

Mit dem neuen Auftritt bei bavarikon mache auch die Stadt Aschaffenburg deutlich, so der für die städtische Digitalstrategie zuständige Bürgermeister Eric Leiderer, dass die Digitalisierung alle Lebensbereiche umfasst: “Gerade die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtung der Digitalisierung ist. Die digitale Teilhabe im Bereich der Kultur ist für die Stadt Aschaffenburg ein zentraler Baustein ihrer Digitalstrategie – hierfür steht auch der vor einigen Monaten eröffnete Digitalladen des Stadtlabors am Aschaffenburger Roßmarkt. Wir danken dem Freistaat herzlich für die tatkräftige Unterstützung der jetzt beendeten Projekte.”

Hintergrund
Zwischen 2019 und 2021 konnten in der Hofbibliothek Aschaffenburg sowie dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg wichtige Quellengruppen und Handschriften-Schätze digital erfasst und über das Internetportal bavarikon zugänglich gemacht werden. Hierzu zählen die Zimelien des kleinen, aber herausragenden Handschriften- und Inkunabelbestandes der Hofbibliothek ebenso wie die Urkunden des Kollegiatstifts St. Peter und Alexander (mit einem Neufund der ältesten Aschaffenburger Urkunde aus dem Jahr 982), Amtsbuch- und Protokollserien sowie ausgewählte historische Ansichten aus dem Stadt- und Stiftsarchiv.

Neben der bavarikon-Förderung des Freistaats haben die Stadt Aschaffenburg sowie der Geschichts- und Kunstverein Aschaffenburg und der Allgemeine Schul- und Studienfonds die Arbeiten an den Projekten finanziell unterstützt.

Die Sammlungen sind abrufbar unter diesen Links:

https://www.bavarikon.de/hofbibliothek-aschaffenburg (Hofbibliothek)

https://www.bavarikon.de/stadtarchiv-aschaffenburg (Stadt- und Stiftsarchiv)

Über bavarikon
bavarikon ist das Internetportal zu Kunst, Kultur und Landeskunde des Freistaats Bayern. Es macht das vielfältige kulturelle Erbe Bayerns weltweit kostenlos zugänglich und richtet sich sowohl an die breite kulturinteressierte Öffentlichkeit als auch an wissenschaftliche Nutzer:innen. Mittlerweile sind über 370.000 Inhalte von mehr als 110 Kultureinrichtungen online. bavarikon ist ein Gemeinschaftsprojekt des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Staatsministeriums für Digitales. Die Bayerische Staatsbibliothek trägt den laufenden redaktionellen, technischen und organisatorischen Betrieb.

Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Digitales, Aktuelles, 25.6.2021; Stadt Aschaffenburg, Aktuelles Meldungen, 25.6.2021

Doppeljubiläum der Dessauer Franzschule und ihres Direktors David Fränkel 1849

Im Jahr 1849 feierte die renommierte israelitische Franzschule in Dessau gleich zwei Jubiläen, den 50. Jahrestag ihres Bestehens und das 50-jährige Dienstjubiläum ihres Direktors Dr. David Fränkel. David Fränkel, ein Großneffe des gleichnamigen Rabbiners, gehörte zu einem Verein jüdischer Intellektueller, die 1799 nach dem Vorbild Mendelssohns in Berlin eine jüdische „Frey-Schule“ in Dessau gründeten.

Bis Ende des 18. Jahrhunderts beschränkte sich die traditionelle jüdische Bildung auf die Vermittlung religiöser Kenntnisse. In der 1801 fürstlich sanktionierten Freischule hingegen sollten die Schüler eine umfassende Allgemeinbildung erhalten, die sich an den Lehrmethoden bekannter Reformpädagogen orientierte. Neben Hebräisch und jüdischer Religion wurden nun auch Deutsch, moderne Fremdsprachen und naturwissenschaftliche Fächer als Voraussetzung für eine spätere Erwerbstätigkeit unterrichtet. Die Schule erwarb sich schnell einen ausgezeichneten Ruf und wurde in ganz Deutschland als eine Stätte moderner Bildung bekannt. Als die ausschließlich aus Beiträgen, Spenden und Schulgeldern finanzierte „Israelitische Hauptschule“ 1815 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gewährte Herzog Franz ihr einen jährlichen staatlichen Zuschuss und dem Direktor Fränkel erstmals ein Gehalt. Ein Jahr später wurde eine neue Schulordnung genehmigt. Die Lehranstalt durfte sich nun offiziell „Franzschule“ nennen.

Das Jubiläumsjahr 1849 markierte eine einschneidende Zäsur für die Schule. Infolge der Revolution von 1848/49 erhielten die Anhalt-Dessauer Juden ihre bürgerlich-rechtliche Gleichstellung. Jüdische Kinder durften nun staatliche Schulen besuchen. Um den Fortbestand der Franzschule zu sichern, schlug David Fränkel dem Anhaltischen Staatsministerium ihre Umwandlung in eine staatliche Handelsschule vor. In einem Bericht vom 26. Oktober 1849 informierte das Staatsministerium den Herzog über die Eröffnung der neuen Handelsschule anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten am 5. November 1849.


Abb.: Festordnung anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten am 5. November 1849 (Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Z 104, Nr. 437)

Die dem Bericht beigefügte „Festordnung“ wird als Archivale des Monats Juni 2021 in den Räumlichkeiten des Archivverbunds Dessau zu sehen sein. Die Quellen zur Geschichte der Franzschule sind online recherchierbar und in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt einsehbar.

In der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt hat ein Wechsel in der Leitung stattgefunden. Am 3. Mai 2021 hat Dr. Hermann Kinne die Leitung der Abteilung 4 (Dessau) des Landesarchivs Sachsen-Anhalt übernommen.


Abb.: Dr. Hermann Kinne, Leiter der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt (Foto: privat)

Herr Kinne folgt auf Dr. Andreas Erb, der die Abteilung seit 2008 leitete und jetzt als Leiter zum Stadtarchiv Amberg gewechselt ist. Dr. Hermann Kinne, geboren 1977 in Leipzig, studierte in Leipzig Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Archivwissenschaften und Namenkunde. Promoviert wurde er mit einer Untersuchung zum Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von dessen Gründung vor 1221 bis zum Jahr 1569. Er war u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig, nach dem Archivreferendariat in Detmold und Marburg Mitarbeiter des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, beim Bundesbeauftragen für Stasiunterlagen in Berlin und von 2017 bis 2021 in der Abteilung Merseburg des Landesarchivs Sachsen-Anhalt tätig.

Für die kommenden Jahre sieht Hermann Kinne einen Schwerpunkt bei der Entwicklung und Erprobung neuer Angebote für Nutzer und Nutzerinnen des Archivs. Mit der Digitalisierung und Online-Stellung verschiedener Bestände auch der Abteilung Dessau hat man bereits heute die Möglichkeit, von überall auf Archivalien des Landesarchivs Sachsen-Anhalt zuzugreifen. Die digitale Nutzung muss zugleich durch erweiterte Zugänge zu demjenigen – deutlich größeren – Teil des Archivguts ergänzt werden, der noch immer und dauerhaft nur in analoger Form benutzbar sein wird. Die auch in Dessau veränderten Nutzungsgewohnheiten werden konsequent in die Planung und Ausrichtung der Abteilung sowie die Umsetzung angepasster archivischer Angebote einfließen.

Kontakt:
Landesarchiv Sachsen-Anhalt – Abteilung Dessau
Heidestraße 21
06842 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340/519896-13
Fax: 0340/519896-90
dessau@la.sachsen-anhalt.de

Quelle: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung, 11.05.2021; Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Neue Abteilungsleitung in Dessau

Schenkung einer Handschrift aus Texas für das Landesarchiv NRW

Sein großes Interesse an Paläographie veranlasst Farley Katz, einen privaten Sammler von Manuskriptfragmenten aus San Antonio (Texas, USA), seine Schätze an ausgewählte Bibliotheken in den Vereinigten Staaten zu verteilen – meist in die Bancroft Library in Berkeley.

Im Juni 2021 kam jedoch auch das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in den Genuss einer Schenkung, die durch die Leiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln, Bettina Schmidt-Czaia, vermittelt wurde. Denn sie verfasste 1992 ihre Dissertation über „Das Kollegiatstift St. Aegidii et Caroli Magni zu Wiedenbrück“ und wurde durch diese Arbeit als Expertin gefunden.


Abb.: Amtsbuch des Kollegiatstiftes Wiedenbrück (Landesarchiv NRW, B 905/Kollegiatstift Wiedenbrück – Akten, Nr. 49)

Das schmale Amtsbuch, ein Einkünfteregister der Hebdomadare und Kanoniker des Kollegiatstiftes Wiedenbrück (1571-1604), ist inzwischen im Landesarchiv NRW eingetroffen. – Auch die weitere Überlieferungsgeschichte des frühneuzeitlichen Amtsbuches dürfte interessant sein.

Kontakt:
Landesarchiv NRW
Schifferstr. 30
47059 Duisburg
Tel.: 0203 / 98721-0
poststelle@lav.nrw.de

Quelle: Landesarchiv NRW, Neuigkeiten, 22.06.2021

Tiroler Landeshauptmann durfte auf dem Index stehende Bücher einsehen

Am 11. Juni 1665 unterzeichneten die sieben Mitglieder der Inquisitionskommission in Rom, darunter die Kardinäle Francesco Barberini und Marzio Ginetti, eine Genehmigung, mit der sie Johann Dominicus Graf von Wolkenstein-Trostburg (1620-1675), dem Landeshauptmann der Gefürsteten Grafschaft Tirol, für die Dauer von fünf Jahren die Lektüre der Werke von Charles Dumoulin und Nicolò Macchiavelli erlaubten. Beide Autoren standen auf dem sogenannten Index, also der von den katholischen Kirchenbehörden erstellten Liste der verbotenen Bücher bzw. Autoren, deren Lektüre als Vergehen gewertet wurde und im äußersten Fall mit der Exkommunikation geahndet werden konnte.


Abb.: Genehmigung zur Lektüre der verbotenen Bücher durch die Mitglieder der Inquisitionskommission in Rom, 1665 (Südtiroler Landesarchiv, Archiv Toggenburg, Nr. 750)

Nicht von ungefähr war der Index bzw. die dafür zuständige Römische Inquisition (Indexkongregation) im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts errichtet worden, als sich die Reformation vor allem im deutschen Sprachraum dank massenhafter Verbreitung gedruckter Schriften „häretischen“ und kirchenkritischen Inhalts nahezu unkontrolliert ausbreitete. Dabei wurden nicht nur der Reformation zugeneigte Autoren auf den Index gesetzt, sondern auch katholische Schriftsteller, die abweichende Meinungen vertraten, sowie sämtliche Übersetzungen der Bibel in Volkssprachen, da das Lesen der Bibel durch Laien als gefährlich erachtet wurde.

Charles Dumoulin (1500-1566), ein viel beachteter französischer Rechtsgelehrter, war auf dem Index gelandet und langjährigen Anfeindungen ausgesetzt, da er die Missbräuche der katholischen Kirche bei der Erteilung von Dispensen oder der Vergabe von Benefizien scharf kritisiert hatte.

Die Werke des Staatsphilosophen Nicolò Macchiavelli (1469-1527) wurden bereits 1559 auf den Index gesetzt und in der Folge vielfach verdammt, während sie anderen als fundamentale Werke über die Natur des Regierens galten. Eine Genehmigung zum Lesen dieser beiden Autoren wurde augenscheinlich nur selten erteilt, umso interessanter ist, dass Johann Dominicus von Wolkenstein wohl seiner Funktion als Landeshauptmann wegen als auch wegen seines untadeligen Rufs auf fünf Jahre das Lesen ihrer Werke erlaubt wurde.

Die Zahl der von der katholischen Kirche verbotenen Bücher stieg im Laufe der Jahrhunderte auf circa 6.000 Werke an; der Index, der mehr als vierhundert Jahre bestanden hatte, wurde erst 1966 bzw. 1967 offiziell außer Kraft gesetzt.

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Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Aktuelles, Archivale des Monats Juni 2021, 07.06.2021