LVR-AFZ hilft von der Hochwasserkatastrophe betroffenen rheinischen Archiven

Die Unwetterkatastrophe vom 14. Juli 2021 hat in zahlreichen Archiven im Rheinland zu großen Schäden geführt. Erste Meldungen erreichten das LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ) bereits am Tag nach der Katastrophe. Seitdem sind die Kolleg*innen im Dauereinsatz. Mehrere Teams zwischen zwei und fünf Personen aus den Bereichen Restaurierung und Archivberatung sind an unterschiedlichen Orten präsent. Zusätzlich koordiniert das LVR-AFZ von Brauweiler aus die Einsätze, die Hilfsangebote Dritter und die Materialbeschaffung für die betroffenen Häuser (Link: Katastrophenhilfe für Archive).

Vom Hochwasser zerstörtes Archivgut
im Stadtarchiv Bad Münstereifel (Foto: LVR-AFZ)

In den Tagen nach dem Hochwasser hat das LVR-AFZ per E-Mail und telefonisch Kontakt zu zahlreichen Archiven in den betroffenen Gebieten aufgenommen, um einen Überblick über die Situation zu erhalten. Durch die in Brauweiler eingehenden Informationen und die Einsätze vor Ort zeichnet sich inzwischen ein Eindruck von der Schadenslage im Verbandsgebiet des LVR ab. In einigen Archiven sind die gesamten Bestände durch Wasser, Schlamm und Schadstoffe durchnässt und verunreinigt, in anderen sind potenziell archivwürdige Registraturen betroffen. Hinzu kommen erhebliche Schäden durch mechanische Einwirkungen wie Schutt, Geröll oder zusammengebrochene Regalanlagen.

Stark durch das Hochwasser betroffen sind die Kommunalarchive in Stolberg, Kall, Bad Münstereifel, Eschweiler und Leichlingen, ebenso das Archiv des Nationalparks Eifel in Schleiden-Gemünd, das Archiv der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Düsseldorf und das Stadtmuseum Euskirchen. In Rheinbach und Swisttal sind große Teile der Registratur in den Rathäusern geschädigt worden. An allen Standorten wurde die Bergung mit Unterstützung des LVR-AFZ und zahlreicher Helfer aus anderen Archiven der Umgebung in den vergangenen Tagen durchgeführt. Der Notfallcontainer des Notfallverbundes Kölner Archive und Bibliotheken war in Stolberg für die Erstversorgung vor Ort.

In Bad Münstereifel dauert der Einsatz des LVR-AFZ noch an, in Leichlingen konnte erst am Montag, 26.07.2021, mit der Bergung begonnen werden. Hier unterstützen neben dem örtlichen Notfallverbund und anderen Kolleg*innen aus der Region zusätzlich Kräfte des Landesarchivs NRW die Arbeiten. An den anderen Einsatzorten sind die Arbeiten inzwischen beendet oder können durch örtliche Kräfte weitergeführt werden.

Weitere Archive und Registraturen wie Langerwehe, Rösrath und Overath waren ebenfalls betroffen, konnten aber nach telefonischer Beratung des LVR-AFZ die erforderlichen Maßnahmen mit eigenen Kräften vor Ort durchführen.

Ebenfalls durch die Unwetter betroffen sind einige katholische und evangelische Gemeindearchive. Die Kolleg*innen des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen und des Archivs der Evangelischen Landeskirche im Rheinland konnten mit Helfenden vor Ort die Schäden meist selbst beheben und große Teile des Archivguts sichern. Das LVR-AFZ tauscht sich seit den Unwettern mit den kirchlichen Archiven über die aktuelle Lage aus.

Einsatz und Koordinierung der Hilfsleistungen
Die Leitung der Einsätze in den Archiven übernahmen in der Regel die örtlichen Archivkräfte. Wo örtliche Mitarbeitende nicht oder nur eingeschränkt einsatzfähig waren, übernahm das LVR-AFZ ebenso die Koordination vor Ort.

Für die Erstversorgung von anspruchsvoll zu bearbeitenden Unterlagen wie Urkunden und Plänen wurde in einem derzeit leerstehenden Gebäude auf dem Gelände der Abtei Brauweiler ein provisorisches Reinigungszentrum und Zwischenlager eingerichtet. Andere Unterlagen werden dort für die Gefriertrocknung vorbereitet. Ebenso bemüht sich das LVR-AFZ, Ausweichflächen für das Archivgut betroffener Häuser zu organisieren.

Zu einem späteren Zeitpunkt wird auch Hilfe bei der konservatorischen Behandlung der getrockneten Archivalien in Anspruch genommen werden müssen.

Das LVR-AFZ steht betroffenen Archiven weiterhin als Ansprechpartner für die Rettung von Archivgut zur Verfügung: Kontakt: 02234 9854-225

Ausdrücklich dankt das LVR-AFZ den zahlreichen Helfenden vor Ort, den vielen Hilfsangeboten aus Deutschland und anderen Ländern sowie den Kolleg*innen, die seit fast zwei Wochen im intensiven Einsatz für die Rettung von Archivgut sind.

Kontakt:
LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum
Postfach 2140
50250 Pulheim
Tel 02234 9854-225
Fax 02234 9854-202
AFZ.Archivberatung@lvr.de

Quelle: LVR-Archivberatungsstelle, Pressemeldung, 27.7.2021

Objekte für Zucker-Ausstellung gesucht

Am 14. Juni 1871 wurde die Dessauer Zucker-Raffinerie gegründet und am 1. September 1871 in das Handelsregister eingetragen. Das Unternehmen war in Dessau gegründet worden, um dort das von den Chemikern Max Fleischer und Emil Fleischer entwickelte Verfahren der Zuckergewinnung durch Melasseentzuckerung mit Hilfe von Strontium-Verbindungen in die industrielle Praxis zu überführen. Mittels dieses Verfahrens ließ sich einfach und kostengünstig Konsumzucker gewinnen.

Die Zucker-Raffinerie entwickelte sich zu einem der wichtigsten Wirtschaftsunternehmen der Stadt Dessau, zu dem auch die Strontian- und Pottaschefabrik in Roßlau gehörte. Anlässlich der Entstehung der Dessauer Zucker-Raffinerie vor 150 Jahren bereiten das Stadtarchiv Dessau-Roßlau und das Museum für Stadtgeschichte Dessau derzeit unter dem Titel „Zucker aus Rüben – Ein ,Kraftstoff der Moderne'“ eine Ausstellung vor, die nicht nur die Geschichte der Dessauer Zucker-Raffinerie bis hin zur heutigen Gärungschemie Dessau GmbH beleuchten wird.

Die Dessauer Zucker-Raffinerie entwickelte sich zu Beginn der 1920er Jahre in ein allgemeines Chemieunternehmen. Es war der Haupthersteller von Zyklon B, einem Produkt zur Entwesung, das auch zum Massenmord in nationalsozialistischen Vernichtungslagern eingesetzt wurde. Nachdem das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR (als „VVB Zuckerraffinerie Dessau“) weitergeführt worden war, wurde es 2003 endgültig aufgelöst.


Abb.: Eine Zuckerdose aus den Beständen des Museums für Stadtgeschichte Dessau (Foto: Museum für Stadtgeschichte Dessau)

Mit dem Anbau von Zuckerrüben und der Rübenzuckerindustrie waren auch moderne technische Entwicklungen und zahlreiche Innovationen in Agrarwirtschaft, Maschinenbau, chemischer Industrie sowie Nahrungs- und Genussmittelproduktion verbunden, sie hatte aber auch großen Einfluss auf Alltagsleben, Politik, Kultur, Migration und zahlreiche andere gesellschaftliche Bereiche. Diese komplexen Zusammenhänge werden in der Ausstellung für Dessau-Roßlau und die Region Anhalt anhand von zahlreichen Objekten, Modellen, Grafiken, Fotos und Filmaufnahmen erstmals in den Blick genommen.

Zucker war einst ein Luxusgut. Mit dem wachsenden Produktionsvolumen von Rübenzucker konnten sich spätestens ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aber auch die Angehörigen der ärmeren Bevölkerungsschichten Zucker für das Süßen von Kaffee oder Tee und zuckerhaltige Produkte wie Bonbons, Marmelade, Süßgebäck, Kuchen und Torten leisten. Wohl in jeder Familie standen Zuckerbehälter in der Vorratskammer oder Zuckerdosen auf dem Esstisch. Auch diese Veränderungen im Alltagsleben der Menschen sollen in der Ausstellung gezeigt werden. Hierfür suchen die Ausstellungsmacher noch nach aussagekräftigen Objekten, insbesondere Zuckerdosen und Vorratsbehältern für Zucker, mit denen eine außergewöhnliche Geschichte oder eine besondere Erinnerung verbunden ist. Auch Zuckertüten oder originale Süßigkeitenverpackungen – z.B. von der Firma Flemming oder der Schokoladenfabrik RAVIA in Alten sind willkommen. Melden kann man sich mit seinem Objekt und der damit verbundenen Geschichte im Stadtarchiv Dessau-Roßlau oder im Museum für Stadtgeschichte Dessau. Beide Einrichtungen freuen sich auf Ihre „Schätze“.

Info:
Zucker aus Rüben – Ein „Kraftstoff“ der Moderne
Ausstellung des Stadtarchivs Dessau-Roßlau und des Museums für Stadt­geschichte Dessau
26. September 2021 bis 31. Januar 2022
Orangerie beim Schloss Georgium

Kontakt:
Stadtarchiv Dessau-Roßlau
Heidestraße 21
06842 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340/204-1024
stadtarchiv@dessau-rosslau.de

Museum für Stadtgeschichte Dessau
Törtener Straße 44
06842 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340/8003790
museum@stadtgeschichte.dessau.de

Quelle: Stadtarchiv Dessau-Roßlau, News, 21.7.2021; Wikipedia, Art. Dessauer Zuckerraffinerie, 27.11.2020

Digitalisierung führt Archivbestände in Arnsberg und Münster zusammen

Die Bestände an Dokumenten aus dem Landständearchiv der Stadt Arnsberg sind jetzt auch digital verfügbar. In enger Zusammenarbeit mit dem Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen in Münster ist damit die digitale Zusammenführung der auf analoge Art getrennt bewahrten Dokumenten an den jeweiligen Standorten abgeschlossen. Wertvolle historische Dokument können so von Interessierten deutlich einfacher eingesehen werden.


Abb.: Regierungspräsident Hans-Josef Vogel und Bürgermeister Ralf Paul Bittner machten sich bei Prof. Dr. Mechthild Black-Veldtrup und Michael Gosmann ein eigenes Bild über die Erfolge bei der Digitalisierung alter Dokumente aus dem Stadt- und Landständearchiv in Arnsberg (Foto: Stadt Arnsberg).

Die Trennung von Dokumenten aus dem Archiv der Landstände in Arnsberg hat eine 200-jährige Geschichte: Rund 90 Prozent der Archivalien sind schon im 19. Jahrhundert zum heutigen Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen nach Münster gekommen. Rund zehn Prozent der Bestände, darunter wertvolle Protokolle aus den Landtagsversammlungen der Landstände in Arnsberg, sind am Ort ihres Entstehens verblieben. Ganz konkret im Rittersaal des Alten Rathauses in Arnsberg fanden Jahrhunderte lang bis 1803 die Versammlungen statt, die von Schreibern eifrig mitgeschrieben wurden. Die gemeinsame Anstrengung des Landesarchivs NRW in Münster sowie des Stadt- und Landständearchivs in Arnsberg hat jetzt eine komfortable digitale Verfügbarkeit der Unterlagen ermöglicht. Das Projekt ist von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 129.000 Euro unterstützt worden. Personelle Dienstleistungen im Wert von rund 60.000 Euro steuerte noch einmal das Landesarchiv Münster hinzu.

Deutsche Forschungsgemeinschaft hat Projekt unterstützt
Im Rittersaal des Alten Rathauses in Arnsberg würdigten im Juni 2021 Regierungspräsident Hans-Josef Vogel und der Arnsberger Bürgermeister Ralf Paul Bittner im Beisein der Leiter der beteiligten Archive, Prof. Dr. Mechthild Black-Veldtrup (Münster) und Michael Gosmann (Arnsberg), die für die Dokumente aus Arnsberg bereits abgeschlossenen Arbeiten. „Viele Menschen sind hier vom Angebot des Stadtarchivs fasziniert“, so Bürgermeister Ralf Paul Bittner, man sei mit viel Herzblut bei der Sache. Das Projekt sei bestens angelaufen und habe Prozesse modern gestaltet und die Tradition dabei bewahrt, so Bittner weiter. Der Arnsberger Bürgermeister lobte den digitalen Mehrwert, der durch die Erfassung historischer Schriften erreicht werden kann.

Arnsberger Bürgermeister lobt digitalen Mehrwert
Die Leiterin der Abteilung Westfalen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Mechthild Black-Veldtrup, beschrieb ihre Arbeit in Münster, deren Schwerpunkt inzwischen die Digitalisierung der Dokumente sei. Vor dem Landesarchiv steht noch eine große Aufgabe: Erst 6,3 Prozent aller zu erfassenden Unterlagen sind bislang digitalisiert worden, und es warten noch rund 37 laufende Kilometer Akten, die zu digitalisieren sind. Die jetzt schon erreichte digitale Zusammenführung ist aber bereits ein Erfolg, so Prof. Dr. Veldtrup. Warum ein Teil der Akten aus Arnsberg nicht in Münster angekommen ist, bleibt nach Aussage der Forscherin aber unklar. Ob das Material aus „Fach 2“ der Archiv-Bestände in Arnsberg absichtlich oder zufällig nicht beim Abtransport berücksichtigt wurde, kann derzeit nicht geklärt werden.


Abb.: Territorialkarte des Herzogtums Westfalen, 1. Hälfte 18. Jh., kol. Stich von Matthäus Seutter (LAV NRW W, W 051/Kartensammlung A, Nr. 11720)

Dokumente über 200 Jahre getrennt gelagert
Den Forschenden im Land bringt die Zusammenführung dieser wichtigen historischen Dokumente nach über 200 Jahren Trennung nun aber einen großen Vorteil: In einem weit gestreuten Archivbezirk für das Landesarchiv NRW in Münster müssen Interessierte jetzt nicht mehr von Standort zu Standort reisen. Alle digitalisierten Unterlagen sind über die Homepages des Landesarchivs und des Stadtarchivs nun von jedem Ort der Welt aus einsehbar. „In Arnsberg hängt man an seiner Geschichte“, so Prof. Black-Veldtrup, das sorge bei ihr für viel Verständnis und große Sympathie und sei ein wichtiger Treiber für die Umsetzung des Projektes mit Arnsberg gewesen.

Altes Kaufmannsbuch konnte zugeordnet werden
Der Leiter des Stadt- und Landständearchivs in Arnsberg, Michael Gosmann, beschrieb den Nutzen anhand von praktischen Beispielen: So habe die Veröffentlichung von Akten über die Homepage des Landesarchivs dazu geführt, dass der Verfasser eines alten Kaufmannsbuchs aus den Beständen des Stadtarchivs durch Kontakt von außen ausfindig gemacht werden konnte. Die digitalisierten Objekte sind in der Regel im Original zu sehen, eine hochdeutsche und damit für alle leserliche Übersetzung der Texte gibt es aber noch nicht. An Techniken, eine automatische Übersetzung zu ermöglichen, wird derzeit noch geforscht. „Die Forschung für Interessierte hat mit der Digitalisierung der Dokumente auf jeden Fall einen Riesensprung gemacht“, so der Leiter des Stadtarchivs Michael Gosmann. Besonderes Interesse finden bei den Anfragen und Zugriffen vor allem alte Steuer-Listen, die Familien-Forscher/innen wertvolle Informationen geben können.

Links:

Kontakt:
Stadt- und Landständearchiv Arnsberg
im Kloster Wedinghausen
Klosterstraße 11
59821 Arnsberg
Tel.: 02931 – 96 39 47 9 / -96 38 98 1 / -96 38 98 0
Fax: 02931 – 78 58 64
stadtarchiv@arnsberg.de

Quelle: Stadt Arnsberg, Pressemitteilung, 30.6.2021

Weitere Archivalien des Stadtarchivs Sankt Augustin bald online

Das Stadtarchiv Sankt Augustin erhält Fördermittel in Höhe von 36.000 Euro zur Digitalisierung der historischen Akten des rheinischen Amtes Menden. Die im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen Akten werden bis zum Jahresende 2021 hochwertig digitalisiert und stehen ab 2022 der Öffentlichkeit zur Verfügung.


Abb.: Digitalisiert wird auch die Akte ME-F69 über die Handhabung der Strafgesetze, von Verbrechen und Vergehen 1876-1907 (Foto: Stadtarchiv Sankt Augustin)

Das Stadtarchiv Sankt Augustin hat nach kurzer Zeit bereits einen zweiten Förderbescheid für die Digitalisierung von Archivgut erhalten. Diesmal wird die Maßnahme durch die Deutsche Digitale Bibliothek im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Programms NEUSTART KULTUR ermöglicht.

Mit den neuerlichen Fördermitteln von 36.000 Euro sollen bis Jahresende die im Amt Menden, dem Rechtsvorgänger der Stadt Sankt Augustin, entstandenen historischen Akten hochwertig digitalisiert werden und können ab 2022 u.a. im Portal www.archivportal-d.de kostenfrei genutzt werden.

Die zwischen 1815 und 1969 entstandenen Akten geben u.a. Auskunft über die Veränderungen von der französischen zur preußischen Zeit, die Industrialisierung, die sozialen Implikationen, beide Weltkriege sowie den allgemeinen Wandel von kleinen Dörfern hin zu städtischeren Strukturen u.a. mit einer Differenzierung des Vereinslebens, der religiösen Gruppierungen, der Bildungsmöglichkeiten sowie den erheblichen Ausbau der Infrastruktur.

Kontakt:
Stadtarchiv Sankt Augustin
Stadtarchivar Michael Korn
Markt 1
53757 Sankt Augustin
Tel. (02241) 243-508
stadtarchiv@sankt-augustin.de

Quelle: Stadt Sankt Augustin, Pressemitteilung, 14.7.2021

Stadtarchiv Baden-Baden soll umziehen

Der Archivgutbestand des Stadtarchivs Baden-Baden wächst stetig aufgrund der Unterlagen, die das Archiv von den Ämtern und Stellen der Stadtverwaltung übernimmt. Das Stadtarchiv ist in der Altstadt Baden-Badens im geschichtsträchtigen Gebäude „Baldreit“ untergebracht, in dem sich überdies eine Weinstube und zwei Dachgeschosswohnungen befinden.


Abb.: Eingang zum Stadtarchiv Baden-Baden (Foto: goodnews4-Archiv)

Seit etlichen Jahren ist auch der Stadtverwaltung bewusst, dass der Zustand des Archivs im denkmalgeschützten „Baldreit“ in der Kernstadt beklagenswert ist. Unter anderem mangele es am Brandschutz, wie eine Brandverhütungsschau im Jahr 2017 offenlegte. Eine umfangreiche Sanierung und ein Umbau des Gebäudes wären erforderlich, doch sind die Erweiterungsmöglichkeiten im „Baldreit“ begrenzt. Die Verwaltung beabsichtigt bereits seit Längerem, das Stadtarchiv in einen Neubau umzuziehen. Nun zeichnet sich eine Lösung ab.

In Zukunft soll das Baden-Badener Stadtarchiv in dem bisherigen Gebäude eines Gewerbebetriebs (Im Metzenacker), rund 4 Kilometer die Bundesstraße 500 hinauf, untergebracht werden. Der Bau- und Umlegungsausschuss beriet am 22.7.2021 über dieses Vorhaben und den erforderlichen Erweiterungsbau des Gebäudes. Die endgültige Entscheidung trifft der Gemeinderat Baden-Baden am 26.7.2021.

Kontakt:
Stadtarchiv Baden-Baden
Küferstraße 3
76530 Baden-Baden
Tel.: 07221 93-22 71
Fax.: 07221 93-22 77
museum.archiv@baden-baden.de

Quelle: Badische Neueste Nachrichten, 19.7.2021; FBB Baden-Baden, 23.10.2018

Luther in Worms – Bibel, Vernunft, Gewissen

Ausstellung vom 30. Juli bis 15. Oktober 2021 im Kreisarchiv in Ladenburg.

Im April 2021 jährte sich zum 500. Mal die Widerrufsverweigerung Martin Luthers (1483-1546) vor Kaiser Karl V. (1500-1558) auf dem Wormser Reichstag von 1521. Anlässlich der Wiederkehr dieses kirchenhistorisch wie weltpolitisch bedeutenden Ereignisses zeigt das Kreisarchiv des Rhein-Neckar-Kreises in Ladenburg vom 30. Juli bis 15. Oktober 2021 die Ausstellung „Luther in Worms – Bibel, Vernunft, Gewissen“. Die von dem Viernheimer Hobbyhistoriker Herbert Kempf kuratierte Ausstellung, die bereits von April bis Anfang Juli 2021 in der Feudenheimer Kulturkirche Epiphanias zu sehen war, macht damit auch in Ladenburg Station.

Im Mittelpunkt der überwiegend aus der umfangreichen Bücher- und Bibelsammlung Herbert Kempfs erarbeiteten Kabinettausstellung steht Luthers Auftreten vor den Reichsständen in Worms am 17. und 18. April 1521. Trotz des von Papst Leo X. (1475-1521) verhängten Kirchenbanns und der drohenden Reichsacht weigerte sich Luther unter Berufung auf die Vernunft und sein Gewissen, vor dem Kaiser seine Schriften zu widerrufen. Diese gegen die Autorität des Kaisers und die Macht der römischen Kirche gerichtete Verweigerung des Wittenberger Theologieprofessors stellt bis heute die entscheidende Wegscheide der modernen Kirchen- und Reformationsgeschichte dar. Untrennbar verbunden mit diesem von den Anhängern Luthers stilisierten „Mythos Worms“ ist seitdem der ihm (nachträglich) zugeschriebene Ausspruch „Hier stehe ich und kann nichts anders“.

Über 50 historische Exponate
Die Ausstellung ist in drei Abschnitte gegliedert und präsentiert über 50 historische Exponate, die große Mehrzahl davon sind Faksimiles. Im ersten Teil bietet sie – von der lateinischen, in Straßburg gedruckten Eggestein-Bibel um 1470 bis zu Luthers „Der Psalter teutsch“ von 1524 – einen spannenden Überblick über die im Oberrheingebiet seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert verbreiteten Bibelausgaben. Im zweiten Abschnitt „Humanismus und Reformation“ wendet sie sich dem literarisch-philosophischen Zeitkontext und dem Buchdruck zu, ohne den Luthers Wirken und sein Erfolg nach dem Wittenberger Thesenanschlag nicht zu erklären sind.

Gerade die Wiederentdeckung der antiken Philosophie und der antiken Quellen durch Erasmus von Rotterdam und seinen Schülerkreis und das im Gegensatz zur überkommenen kirchlichen Scholastik vorurteilsfreie Studium dieser Quellen sollten die alte kirchlich-autoritäre Gesellschaftsordnung und deren starres Lehrgebäude mehr und mehr infrage stellen. Die Humanisten rückten nun den Menschen, seine Vernunft und seine moralische Urteilskraft, sein Gewissen, in den Fokus. Entscheidend war hierbei vor allem der Buchdruck, der als neues Massenmedium diese Zeitenwende forcierte, wie die Ausstellung anhand eindrucksvoller Exponate unterstreicht. Und wegweisendes Zeichen dieses gesellschaftlich-politischen wie konfessionellen Umbruchs war letztlich Luthers – auf eigener Vernunft und eigenem Gewissen – gründender Widerspruch auf dem Reichstag zu Worms im April 1521, wie die Ausstellung im dritten Teil „In Worms kam alles zusammen“ dokumentiert. Die Kabinettausstellung, zu der auch ein 80-seitiger Begleitkatalog verfasst wurde, in dem alle Exponate ausführlich beschrieben werden, bietet insgesamt damit mehr als nur einen Einblick in die ebenso dramatische wie entscheidende Phase des Wormser Reichstags, der mit dem sogenannten Wormser Edikt vom 25. Mai 1521 und der Verhängung der Reichsacht über Luther sein formales Ende nahm.

Eintritt ist frei!
Die sehenswerte Ausstellung wird am 29. Juli 2021 um 19 Uhr von Landrat Stefan Dallinger eröffnet und kann in der Zeit vom 30. Juli bis zum 15. Oktober 2021, jeweils von Montag bis Donnerstag zwischen 9 und 16 Uhr und an Freitagen von 9 bis 12 Uhr besucht werden. Der Eintritt ist frei. Zudem ist sie an den beiden Sonntagen (5. September und 10. Oktober 2021) jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

Anmeldungen für Vernissage & Führungen erforderlich
Kurator Herbert Kempf, der bei der Vernissage gemeinsam mit Pfarrerin Dorothee Löhr in die Ausstellung einführt, wird auch am Mittwoch, 25. August 2021, sowie am Mittwoch, 29. September 2021, jeweils ab 17:30 Uhr eine Führung durch die Ausstellung anbieten. Für die Teilnahme an den Führungen ebenso wie für die Teilnahme an der Vernissage am 29. Juli 2021 sind aufgrund der aktuellen Pandemieregelungen Voranmeldungen mit der Erhebung der Kontaktdaten zwingend notwendig. Interessierte sollen sich deshalb möglichst frühzeitig telefonisch beim Kreisarchiv bzw. per Mail anmelden.

Weitere Informationen:
Flyer zur Ausstellung

Kontakt:
Kreisarchiv Rhein-Neckar-Kreis
Trajanstraße 66
68526 Ladenburg
Telefon 06221 522-7740
Fax 06221 522-7739
Kreisarchiv@Rhein-Neckar-Kreis.de

Quelle: Rhein-Neckar-Kreis, Pressemitteilung, 12.7.2021

Hochwassergeschädigtes Stadtarchiv Niedernhall nach 5 Jahren wieder nutzbar

Ein schweres Unwetter hatte Ende Mai 2016 große Schäden in vielen Kommunen im Kreis Schwäbisch Hall und im Hohenlohekreis verursacht. Besonders betroffen waren damals die Städte Künzelsau, Forchtenberg und Niedernhall. Mittlerweile ist dort nicht nur der Hochwasserschutz verbessert worden. Das Stadtarchiv Niedernhall (Hohenlohekreis) ist nunmehr auch wieder benutzbar.


Abb.: Aufräumarbeiten in der Innenstadt Niedernhalls Ende Mai 2016 (Foto: Stadt Niedernhall).

Am 29.5.2016 hatte außergewöhnlicher Starkregen zum Anschwellen des durch Niedernhall fließenden und in den Kocher einmündenden Forellenbachs und zur Überflutung weiter Teile der Innenstadt geführt. Das in den Kellerräumen des Rathauses untergebrachte Stadtarchiv Niedernhall lief infolgedessen bis zur Decke mit Wasser und Schlamm voll. Mit der Bergung der Archivalienhatte einen Tag später begonnen werden können. Rathausmitarbeiter und Helfer befreiten das Archivgut auf dem Platz vor dem Rathaus vom gröbsten Schmutz, bevor es der Gefriertrocknung zugeführt wurde. Durch die rasche Erstversorgung konnten knapp 99 Prozent des Archivgutes gerettet werden.

Zwischen August 2019 und 2020 wurde das in 329 Kartons aufbewahrte Archivgut neu geordnet und verzeichnet. Das neue Findbuch ist über die Webseite des Landesarchivs Baden-Württemberg online recherchierbar. Bis auf einige geschädigte Materialien, die sich noch einer professionellen Restaurierung unterzogen werden, ist der Großteil der Archivalien bereits wieder im Rathaus Niedernhall einsehbar. Der Bestand „Niedernhall I (Nie 1)“ hat nun einen Gesamtumfang von 148 lfd. Meter. Einige der 36 Urkunden, 2.137 Akten, 474 Bände und 5 Karten fehlen aufgrund des Hochwassers sowie durch vorherige Entnahmen. Die Laufzeit des Bestandes umfasst den Zeitraum von 1488 bis 2000. Bereits 1996 war vom damaligen Kreisarchivar Rainer Gross der nunmehr als „Niedernhall II“ bezeichnete Bestand gebildet worden.

Abb.: Innenstadt Niedernhall (Foto: Stadt Niedernhall)

Seit 2016 wird in Niedernhall auch kräftig in den Hochwasserschutz investiert. Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes erneuert der Landesbetrieb Gewässer im Regierungspräsidium Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Stadt Niedernhall die Hochwasserschutzeinrichtungen am Kocherufer, um das gesamte Stadtgebiet künftig vor einem hundertjährlichen Hochwasser einschließlich der zu erwartenden größeren Hochwasserstände durch Klimaveränderungen zu schützen. Aktuell im Bau befindlich ist ein großes Hochwasserrückhaltebecken. Dessen Kosten belaufen sich auf 6 bis 7 Millionen Euro, wovon das Land Baden-Württemberg 70 Prozent bezuschusst. Im September 2021 soll das Becken fertiggestellt sein. Weitere Maßnahmen sind in Niedernhall derzeit nicht geplant. – Niedernhalls historischer Stadtkern steht seit 1983 als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Im Rathaus in der Hauptstraße 30 ist neben dem Stadtarchiv auch das Heimatmuseum untergebracht.

Fachlich berät und unterstützt das Kreisarchiv des Hohenlohekreises die Stadt Niedernhall wie auch weitere Städte und Gemeinden des Landkreises, deren Archive nicht hauptamtlich verwaltet werden.

Kontakt:
Kreisarchiv Hohenlohekreis
Schlossstraße 42
74632 Neuenstein
Tel.: 07942 941264
Fax: 07942 941265
kreisarchiv@hohenlohekreis.de

Quelle: Fränkische Nachrichten, 21.7.2021; SWR aktuell, 29.5.2021; SWR aktuell, 21.7.2021; Regierungspräsidium Stuttgart, Baden-Württemberg, Pressemitteilung, 29.9.2020; Dr. Thomas Kreutzer (Kreisarchiv Hohenlohekreis): Findbuch-Einleitung Bestand Niedernhall I, Juni 2021; Heilbronner Stimme, 14.9.2021.

Geschädigtes Stadtarchiv Menden (Sauerland) nutzt Gefriertrocknung

Wie das Stadtarchiv Stolberg, so ist auch das Stadtarchiv Menden im Sauerland durch das Juli-Hochwasser 2021 stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Hatte es zunächst so ausgesehen, als sollte Menden verschont bleiben, stiegen am späten Nachmittag und in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag (14./15.7.2021) die Pegel von Hönne und Oese dann doch unerwartet und rasant an, so dass Menden ein Jahrhunderthochwasser erfahren musste.


Abb.: Bereits bis Donnerstag (15.7.2021) war die Feuerwehr zu 144 Einsätzen im gesamten Stadtgebiet Mendens gerufen worden (Foto: Feuerwehr Menden).

Am 14.7.2021 stand der Keller des Stadtarchivs am Westwall unter Wasser. Mit großem Engagement versuchten unter anderem der Hausmeister und die Feuerwehr so viele Materialien zu bergen, wie nur möglich war. Am Tag danach lag das dabei gerettete Archivgut in den Gängen des Erdgeschosses und Bilder lehnten an den Wänden, wie die Westfalenpost berichtete.

Mendens Stadtarchivar Stephan Reisloh, der die Kellerräume am Westwall nicht für archivtauglich erachtet, musste rasch entscheiden, wie mit den durchnässten Materialien umzugehen ist. Er konnte dabei auf die Unterstützung des LWL-Archivamtes für Westfalen in Münster zurückgreifen, das dafür sorgte, dass Dokumente aus Menden bereits der Gefriertrocknung zugeführt wurden. Die Restaurierungswerkstatt des LWL-Archivamtes besitzt jahrelange Erfahrung in der Bergung und Versorgung wassergeschädigter Archivalien. Sie verfügt über eine Vakuum-Gefriertrocknungsanlage, die bei Bedarf von geschädigten Institutionen genutzt werden kann. Das Gefriertrocknungsverfahren verhindert die weitere Zersetzung des Materials, zu dem in Menden auch historische Zeitungen gehören, und ermöglicht die spätere Restaurierung des geschädigten Archivgutes.


Abb.: Im Keller des Westwall 21-23 ist eine Compactus-Rollregalanlage eingebaut (Foto: Stadt Menden (Sauerland))

Zu den eigentlichen alltäglichen Aufgaben des Archivs – Verwahren, Erhalten, Erschließen und Nutzbar machen -, hat sich das Archiv der Stadt Menden auch daran gemacht, die Chronik der Stadt Menden (Sauerland) nicht nur in analoger, sondern auch in digitaler Form zu führen. So existieren seit 1992 Jahreschroniken als Videoproduktionen des Archivs auf DVD.

Derzeit befindet sich das Stadtarchiv Menden aufgrund der Hochwasserschäden im Notbetrieb und wird Anfragen vorübergehend nur bedingt beantworten können.

Link: Handlungsempfehlungen bei Wasserschäden des LWL-Archivamtes für Westfalen

Kontakt:
Archiv der Stadt Menden (Sauerland)
Westwall 21-23
58706 Menden
Tel.: 02373 903-1780
archiv@­menden.de

Quelle: Westfalenpost, 18.7.2021; Westfalenpost, 19.7.2021; Stadt Menden, Aktuelles; Feuerwehr Menden, Aktuelles, 16.7.2021.

Papst Franziskus will Filmarchiv gründen

Papst Franziskus möchte im Vatikan ein eigenes Filmarchiv einrichten lassen. Ihm schwebe eine Art Mediathek für audiovisuelles Erbe von hohem religiösen, künstlerischem und menschlichen Rang vor, sagt er in dem neuen Interviewbuch „Lo sguardo: Porta del cuore“ (Der Blick: Tür des Herzens), aus dem die Zeitung Il Messaggero am 18.7.2021 Vorabauszüge veröffentlichte. Dieses Filmarchiv könne neben Apostolischer Bibliothek und Vatikan-Archiv errichtet werden.

Die Filmbegeisterung verdankt das Kirchenoberhaupt seinen Eltern. Sie hätten ihn und seine Geschwister oft mit ins Kino genommen, so Franziskus. „Wohl zehn, zwölf Jahre lang habe ich jeden Film mit Anna Magnani und Aldo Fabrizi gesehen, von denen mir ‚Rom, offene Stadt‘ von Roberto Rossellini besonders gut gefallen hat.“ Der italienische Neorealismus habe ihm und seinen Altersgenossen besonders intensiv „die große Tragödie des Weltkriegs“ vermittelt, so der 84-Jährige.


Abb.: Filmplakat des Films „La Strada“ (Von Pabloglezcruz – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=25511713)

Ganz besonders faszinieren den Argentinier auch die Film von Federico Fellini. Er habe es geschafft, den Blick auf Menschen am Rande, die Zurückgelassenen zu richten, so Franziskus. Fellinis Werk „La Strada – Das Lied der Straße“ von 1954 sei sein Lieblingsfilm, auch weil es darin etliche implizite Hinweise auf Franz von Assisi gebe.

Die päpstliche Preisung Fellinis sei ein Politikum, urteilt Oliver Das Gupta in seiner SZ-Kolumne „Bester Dinge“, hatte die Kirche mit dessen Filmen doch einst „dicke Probleme“. In „La Dolce Vita“ planscht Anita Ekberg nicht nur im Trevi-Brunnen, gleich zu Beginn schwebt auch eine Jesus-Statue am Hubschrauber gen Petersdom – und sonnenbadende Römerinnen winken. Und in „Achteinhalb“, so Das Gupta weiter, „sucht der Protagonist Hilfe bei einem Kardinal, im Dampfbad, leider ohne Erfolg. Denn: Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil, so die stoische Antwort seiner Eminenz. Mit der Aufnahme im Film-Archiv vergibt der Vatikan nun doch noch den Fellini-Filmen das Prädikat ‚besonders wertvoll'“.

Siehe auch:
Katholische Filmkommission freut sich über Filmbegeisterung des Papstes (domradio.de, 20.7.2021)

Quelle: DLF, Kulturnachrichten, 19.7.2021; katholisch.de, 19.7.2021; Süddeutsche Zeitung, 19.7.2021

Justus Möser und das Tuchmachergewerbe in Bramsche

Ausstellung und Publikation.

„Das Tuchmacheramt zu Bramsche hat sich durch seine gute, treue und fleißige Arbeit seit kurzen Jahren dergestalt hervorgetan, dass es die größte Aufmerksamkeit und alle Unterstützung verdient“, schreibt Justus Möser 1766 in den Wöchentlichen Osnabrückischen Anzeigen. Bei allem Lob für ihre solide Handwerkskunst legt Möser doch gleich in seiner ersten öffentlichen Äußerung zu den Bramscher Tuchmachern den Finger in die Wunde, wie die Leiterin des Tuchmacher Museums Bramsche, Kerstin Schumann, in ihrem Vorwort zur Begleitpublikation der aktuellen Ausstellung „Die Leute sind Goldarbeiter“ erläutert: Die Wolle, mit der sie ihre Tuche weben, ist zu grob, mit auswärtigen Waren aus der feinen, spanischen Wolle können sie nicht konkurrieren: „Die Leute sind Goldarbeiter und sie haben nur Messing“.

Sein Versprechen um Aufmerksamkeit und Unterstützung löste Justus Möser (1720-1794) den Bramscher Tuchmachern gegenüber ein. Über 30 Jahre kümmerte er sich um die Entwicklung ihres Gewerbes. Das Bramscher Lagerhaus, das die Tuchmacher mit günstiger Wolle in guter Qualität versorgte und den Verkauf der Tuche zu einem angemessenen Preis ermöglichte, geht auf Mösers Initiative zurück. Doch welche Vorstellungen verfolgte er – und welche die Bramscher Tuchmacher?

Den 300. Geburtstag des einflussreichen Staatsmannes und in seiner Zeit viel gelesenen Publizisten Justus Möser nimmt das Tuchmacher Museum zum Anlass, seine Gewerbepolitik am Beispiel der Bramscher Tuchmacher näher zu beleuchten. Neben den Schriften Mösers und der Sekundärliteratur vermitteln insbesondere zeitgenössische Quellen ein detailreiches Bild des Tuchmachergewerbes in Bramsche in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.


Abb.: Merinoschaf, „Belier merinos. Dessine d’apres nature par Huet fils Peintre du Museum d’Histoire Naturelle“, Merinoschaf (Bock), Lithographie nach Nicolas Huet (1718–nach 1788), Wellcome Library, London, Nr. 40091i. Fotonachweis: Wellcome Library, London, Wellcome Collection. Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Ein besonderes Anliegen des Begleitbandes ist es, 24 ausgewählte Quellen aus dem Niedersächsischen Landesarchiv erstmals einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Herkunft, Auswahl und Einordnung der Quellen sowie die Kriterien dieser Edition beschreiben die Autorinnen und Autoren Rose Scholl, Martin Siemsen und Ilka Thörner im einleitenden Teil. Die gute Lesbarkeit der Texte war dabei ein Leitgedanke.

Den Hauptanliegen Mösers, der Verbesserung der Wollqualität, der Anlage eines Lagerhauses und der Etablierung einer Schönfärberei widmen sich zwei vorangestellte Aufsätze von Ilka Thörner und Rose Scholl, die mit neuen Erkenntnissen zum Tuchmachergewerbe in Bramsche und zum Bramscher Rot aufwarten.

Info:
Tuchmacher Museum Bramsche (Hrsg.):
„Die Leute sind Goldarbeiter – Justus Möser und das Tuchmachergewerbe in Bramsche“.
Bramsche 2021
272 S., 72 Abb., ISBN 978-3-89946-313-2, € 16,00.

Gleichnamige Ausstellung, Sonntag, 20. Juni bis Sonntag, 31. Oktober 2021, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr im Tuchmacher Museum Bramsche. Eintritt in das Museum 8,00 Euro, ermäßigt 4,00 Euro, bis 18 Jahre frei.

Ausstellung und Begleitschrift werden von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Kreissparkasse Bersenbrück, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dem Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. und dem Förderverein Tuchmacher Museum Bramsche e.V. gefördert.

(Rose Scholl)

Kontakt:
Tuchmacher Museum Bramsche
Mühlenort 6
49565 Bramsche
Tel.: 05461 94510
info@tuchmachermuseum.de
www.tuchmachermuseum.de