Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv?

Nach der überraschenden Entscheidung Otto Schilys, die Stasi-Unterlagen-Behörde zum 1. Januar 2005 der Kulturstaatsministerin zu übertragen, war die Empörung bei DDR-Bürgerrechtlern, die das Mielcke-Erbe 1990 vor weiterer Spurenbeseitigung schützten, groß. Die Bundesbeauftragte Marianne Birthler nahm Anstoß am selbstherrlichen Stil des Ministers, konnte der Ankündigung aber auch Positives abgewinnen. Gleichwohl ist auch nach ihrer Auffassung zunächst eine Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für die Übertragung der BStU nötig.

Gleichzeitig begann eine Debatte über die zukünftige archivische Zuständigkeit für die Stasiunterlagen. Zwar gibt es Stimmen, die besagen, dass eine Übertragung der Stasiunterlagen in die Obhut des Bundesarchivs aus archivfachlicher Perspektive so begründet wäre, wie die Einlagerung von Akten aus Frankfurt/Main im Stadtarchiv von Frankfurt/Oder, doch mehrt sich auch die Riege der Befürworter einer solchen langfristigen Perspektive, da im Jahr 2006 mit den Überprüfungen für den öffentlichen Dienst eine zentrale Aufgabe der BStU wegfallen wird.

In seinem Kommentar für die FAZ postuliert auch Rainer Blasius, dass das Mielcke-Erbe als staatliche Überlieferung früher oder später in die Obhut des Bundesarchivs resp. Unterlagen der Bezirksverwaltungen in die der Landesarchive gehöre – auch wenn die Akten großenteils rechtsstaatswidrig zustande gekommen sind. „Für die nächsten sechs Jahre ist anzunehmen“, so Blasius, „daß die Behörde ihre gegenwärtige Struktur behalten wird, zumal mit einer zweiten und letzten Amtszeit von Frau Birthler zu rechnen ist. Um für die Zeit danach gerüstet zu sein, sollte sich die Behörde allerdings 2010 von ihren Unterlagen trennen, zumal die Nutzungsbedingungen nach Bundes- und Landesarchivgesetzen schon jetzt forschungsfreundlicher sind.“

Quelle: Rainer Blasius, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.12.2004, Nr. 302 / S. 1

Digitale Daten für die Ewigkeit

Die neueste Ausgabe (Heft 1/2005) der Technology Review beinhaltet u.a. einen Schwerpunkt zum Thema „Daten für die Ewigkeit“ ( portokostenfreie Bestellung online). In einem Interview mit dem Technologiemagazin erläutert Hartmut Weber, der Präsident des Bundesarchivs, die Folgen des zunehmenden E-Mail- und Datenbankeneinzugs in Regierungsbehörden für die Dokumentierung von Regierungsaktivität. Selbst das Löschen von Daten nach Erledigung der Sache komme vor, wenngleich es der Geschäftsordnung der Bundesministerien widerspreche.

Die neue Art von Archivgut erfordere neue Methoden bei der Sicherung und Erhaltung. So seien 3.000 Datenbankdateien aus der früheren DDR – in fremden Formaten und auf teils obsoleter Hardware – zunächst in reine ASCII-Dateien umgewandelt und dann in XML-Strukturen umgesetzt worden. Grundsätzlich müssten digitale Informationen alle fünf bis sieben Jahre umkopiert werden. Diskutiert werde auch eine Emulation älterer Programmumgebungen durch Software oder die Speicherung auf analogen Formaten wie etwa Mikrofilm.

Quelle: heise online, 23.12.2004

Hitlerjunge Quex im Cinema Münster

Mehr als 1.100 Spielfilme wurden zwischen 1933 und 1945 in Deutschland gedreht. Rein quantitativ lässt sich das sogenannte „Dritte Reich“ damit als absolute Boomzeit der Kinokultur in Deutschland klassifizieren.

Eine cineastische Rarität präsentiert das Westfälische Landesmedienzentrum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gemeinsam mit dem münsterischen Programmkino Cinema am 6. Januar 2005: den NS-Propagandafilm „Hitlerjunge Quex„. Er beschreibt, wie der Druckerlehrling Heini Völker aus Berlin sich vom Kommunisten zum mutigen Hitlerjungen wandelt, für den die braune Jugend zum Familienersatz wird. Als er eines Tages von Kommunisten erstochen wird, stirbt er mit dem Hitlerjugend-Lied auf den Lippen einen dramatisch inszenierten Märtyrertod. In der „melodramatischen Schlussapotheose“ (Hilmar Hoffmann) tritt aus dem Körper des sterbenden Hitlerjungen Quex ein Heer aus Braunhemden und Fahnen ins Blickfeld, bis das Hakenkreuz einer Fahne als Erlösung signalisierendes Emblem das Film füllt.“

Szenenfoto

Die 1933 von Hans Steinhoff inszenierte Produktion mit dem Untertitel „Ein Film vom Opfergang der Jugend“ griff auf mehrere populäre Leinwandidole der Weimarer Zeit (Heinrich George, Berta Drews, Hermann Speelmans) zurück, um die „Kampfzeit der Bewegung“ zur Legende zu stilisieren.

Das Westfälische Landesmedienzentrum zeigt den Film, der normalerweise nicht öffentlich aufgeführt werden darf, mit Unterstützung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung am Donnerstag, 6. Januar 2005 um 19.00 im Programmkino Cinema (Warendorfer Str.45-47, Münster). Als Referent wird mit Dr. Gerd Albrecht einer der profiliertesten Fachleute zum Thema „Spielfilme im Dritten Reich“ zur Verfügung stehen.

„‚Hitlerjunge Quex‘ macht beispielhaft deutlich, dass sich die Filmproduktion des ‚Dritten Reiches‘ zum Transport ihrer ideologischen Inhalte aller verfügbaren psychologischen und suggestiven Manipulationsmethoden bediente“, erläutert Dr. Markus Köster die Gründe, warum das LWL-Landesmedienzentrum den Film präsentiert.

Info:
Der Eintritt beträgt für Studierende 5 Euro, für sonstige Interessierte 6,50 Euro.
Vorbestellungen unter info@cinema-muenster.de; Tel. 0251/30300.

Kirchengeschichte Brockels

Im niedersächsischen Brockel (Kirchenkreis Rotenburg) kümmert sich Pfarramtssekretärin Doris Wesseloh auch um die Vergangenheit der Heilig-Kreuz-Kirchengemeinde. Pünktlich zum 200-jährigen Jubiläum der Kirche hat sie eine 68-seitige Broschüre über die Entstehung des Gotteshauses zusammengestellt, gespickt mit Geschichte und Geschichtchen aus der Gemeinde sowie einer Pfarrerliste von 1560 bis heute. 

Für ihre kleine Publikation (Auflage: 500) griff sie auf Unterlagen des Brockeler Kirchenarchivs zurück. Bei den bis ins 17. Jahrhundert zurückreichenden Quellen handelt es sich um Protokolle von Vorstandssitzungen, Verzeichnisse von Hochzeiten, Taufen und Todesfällen, Inventarlisten etc. Die erarbeitete Chronik wirft Streiflichter auf die wichtigsten historischen Ereignisse der Gemeinde und des Kirchbaus seit der urkundlichen Ersterwähnung 1190: Entworfen wurde Heilig-Kreuz in seiner heutigen Form von Moorkommissar Diedrich Kohlmann aus Bremervörde, dem Nachfolger des berühmten Jürgen Christian Findorff (1720- 1792), der eine wichtige Rolle bei der Besiedlung des Elbe-Weser-Dreiecks spielte. Dieser Kohlmann hat ein unkonventionelles Gotteshaus geschaffen: So steht der Turm nicht, wie üblich, im Westen der Kirche, sondern er wurde in den Osten verlegt. Neuartig war auch der Versuch, den Kanzelaltar vor der Mitte der südlichen Längswand aufzustellen.

Die jetzige Kirche ist die dritte in Brockel. Nach dem im 12. Jahrhundert erwähnten Gotteshaus erfolgte 1437 der erste Neubau als "Eigenkirche" des Klosters. Nachdem gegen Ende des 18. Jahrhunderts die alte Kirche baufällig wurde, konnte 1804 der Neubau eingeweiht werden.

Kontakt:
Ev.-luth. Pfarramt
Pastor W. Merz
Dorfstraße 4
27386 Brockel
Tel.: 04266/2216

Quelle: Rotenburger Rundschau, 22.12.2004

Urkunde von 1907 zur Turngeschichte in Worms

Turngeschichte lebt aus der Erinnerung. Umso glücklicher schätzt man sich, wenn Unterlagen und Exponate gefunden werden. Der Turngau Worms erhielt jetzt aus privater Hand eine prächtige Urkunde vom 33. Rheinhessischen Gauturnfest, das am 1. und 2. Juni 1907 in Eich stattfand.

Die Ehrenurkunde ist als Lithografie von Georg Frey (Mainz) ein Kunstwerk. Mit allen Attributen der Turnerwelt (Vier-F-Symbol, Fahnen, Eichenbaum und Wappen) ist jede Urkunde ein Unikat. Die Eintragung des Siegers mit seinen Leistungen ist handgeschrieben und kunstvoll. Die Urkunde werde nun in das Archiv des Nibelungen-Turngaues Worms aufgenommen, sagte die Vorsitzende Margot Ihrig.

Kontakt:
Nibelungen-Turngau Worms
Margot Ihrig
Kriegsheimer Str. 29
67590 Monsheim
Tel. 06243-8601, 
Fax 06243-908428

Quelle: Wormser Zeitung, 22.12.2004

Archivgesetz für Solothurn

Der Kanton Solothurn soll ein Archivgesetz erhalten, mit dem eine lückenlose Überlieferung gewährleistet werden soll. Denn derzeit noch sehe sich das Staatsarchiv immer wieder mit unzureichenden Aktenablagen und Datenverlusten konfrontiert. Akten wurden unkontrolliert vernichtet – nicht zuletzt weil verbindliche Gesetzesnormen fehlten. Die Folgen seien teilweise gravierende Überlieferungslücken. 

Mit dem neuen Gesetz werden die kantonalen Ämter verpflichtet, ihre Dokumente systematisch zu verwalten. Sämtliche Akten, die sie nicht mehr benötigen, müssen sie dem Staatsarchiv Solothurn anbieten. Nur mit dessen Zustimmung dürfen Dokumente vernichtet werden. Das neue Gesetz soll für alle Behörden, Dienststellen und Kommissionen des Kantons gelten. Keine Auswirkungen hat es auf die Gemeinden. 

Kontakt:
Staatsarchiv Solothurn
Bielstrasse 41
CH-4509 Solothurn
Telefon 032 627 08 21
Telefax 032 622 34 87
staatsarchiv@sk.so.ch

Quelle: espace.ch, 22.12.2004

Archiv unterdrückter Literatur

Das von der Stiftung Aufarbeitung geförderte Projekt "Archiv unterdrückter Literatur in der DDR" wird seit 2001 kontinuierlich aufgebaut. Mittlerweile wurden Werke von mehr als 100 Autoren zusammengetragen, die eindrücklich die Existenz eines breiten künstlerischen Schaffens jenseits des offiziellen Literaturkanons in der DDR belegen, dem die Öffentlichkeit aus thematischen, formal-ästhetischen, letztlich jedoch aus politischen Gründen verweigert wurde. Mit dem Aufbau des Archivs soll den in der DDR unterdrückten Schriftstellern ein Stück moralische Wiedergutmachung zuteil sowie daran erinnert werden, wie geistige Autonomie in einer Diktatur bewahrt wurde. Die Erfassung der Autoren wird in diesem Jahr abgeschlossen. 

Auf einer vom Hörfunkprojekt "Erinnerungen für die Zukunft" von NDR 1 und RadioMV und der Stiftung Aufarbeitung herausgegebenen Audiodokumentation werden vorab ausgewählte Texte aus dem Fundus des Archivs vorgestellt (Bezug der CD über die Stiftung Aufarbeitung, Otto-Braun-Str. 70-72, 10178 Berlin).

Quelle: Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Newsletter Aktuelles aus der DDR-Forschung. Berlin, 22.12.2004

Teile des KOMINTERN-Archivs online

Im Rahmen des XV. Internationalen Archivtages in Wien wurde Ende August 2004 (Link) das von der Russischen Archivverwaltung (Rosarchiv) und internationalen Partnern (u. a. Schweizerisches Bundesarchiv, Deutsches Bundesarchiv, Library of Congress, Schwedisches Nationalarchiv) getragene Projekt zur Internetpräsentation von KOMINTERN-Akten vorgestellt und der offizielle Startschuss für die Internetpräsentation gegeben. Im Rahmen des 1993 gestarteten Projektes sind ca. 240.000 Akten des multilingualen KOMINTERN-Archivs in der Datenbank erfasst und ca. 1,2 Millionen Seiten digitalisiert worden. 

Der Zugriff auf die Texte ist kostenlos; der Vollzugriff auf die erfassten Daten inkl. der digitalisierten Dokumente, d. h. der graphische Zugriff, ist indes kostenpflichtig. Die Nutzungsbedingungen sind unter www.komintern-online.ru bzw. unter www.comintern-online.com einzusehen.

Quelle: Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Newsletter Aktuelles aus der DDR-Forschung. Berlin, 22.12.2004

Aus den Archiven der Robert-Havemann-Gesellschaft

Im Dezember 2004 wird die Erschließung folgender Bestände abgeschlossen: persönliche Archivbestände von Heiko Lietz und Annette Beleites, der Nachlass von Bernd Holtfreter sowie der Bestand der Ev. Samaritergemeinde Berlin und ihres Friedenskreises, die Bestände der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen in den Bezirksverordnetenversammlungen Berlin-Weißensee 1990-1995, Pankow 1990-1995 und in Prenzlauer Berg 1990-1999. Im Ergebnis liegen elektronische Findhilfsmittel und Verzeichnisse auf Papier vor. Findbücher werden im Laufe des Jahres 2005 erstellt. Darüber hinaus wird im Dezember 2004 ein Findbuch zum Bestand Neues Forum, mit umfangreicher Einleitung zur Geschichte des Neuen Forums sowie des Bestandes und einer Chronologie zur Verbandsgeschichte, erscheinen.

Link: www.havemann-gesellschaft.de (Rubrik "Projekte"). 

Kontakt
Anne-Dorothee Vogel, 
Tel: 030/4471 0821,
anne.vogel@havemann-gesellschaft.de, 
oder Tina Krone, 
Tel: 030/4471 0817, 
tina.krone@havemann-gesellschaft.de, 
Schliemannstraße 23, 
10437 Berlin

Quelle: Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Newsletter Aktuelles aus der DDR-Forschung. Berlin, 22.12.2004

DEFA-Stiftung erwarb Zeitzeugen TV-Archiv

Bereits im Juni dieses Jahres hat die DEFA-Stiftung das umfangreiche private Zeitzeugenarchiv des Filmemachers und Publizisten Thomas Grimm übernommen. Grimm porträtierte mehrere hundert Persönlichkeiten für Zeitzeugen TV. Die zum Teil durchaus streitbaren Dokumentationen sind auf mehr als 3.500 Videokassetten festgehalten. Die Reportagen zeichnen ein eindrucksvolles Bild erlebter Geschichte des 20. Jahrhunderts. 

Link: www.defa-stiftung.de 

Quelle: Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Newsletter Aktuelles aus der DDR-Forschung. Berlin, 22.12.2004