Kinemathek Jerusalem wird digital

Die Kinemathek Jerusalem, eines der führenden Kulturzentren Israels und eines der größten Programmkinos der Welt, welches das jährliche Jerusalemer Filmfestival beherbergt, stellt nun ihr digitales Filmarchiv vor – das „Israel Film Archive„. Das Portal umfasst 96 Prozent der jemals in Israel gedrehten Filmaufnahmen seit dem späten 19. Jahrhundert, erstmalig in digitalisierter Form. Damit bietet es der Öffentlichkeit eine einmalige Gelegenheit, die bewegte Filmgeschichte des Landes kennenzulernen und seltene, historische sowie zeitgenössische, künstlerische Aufnahmen zu durchstöbern.

Das physische Archiv der Kinemathek dient kulturellen Einrichtungen, Forschern und Filmemachern bereits seit 40 Jahren als wichtige, lokale Ressource. Dank des aufwändigen Digitalisierungs- und Restaurierungsprozesses, in den bisher 10 Millionen US-Dollar investiert wurden, steht die Sammlung aus seltenen Filmschätzen ab sofort der Öffentlichkeit, allen Filmemachern sowie kulturell Interessierten weltweit zur Verfügung. Die digitale Filmfundgrube umfasst Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme sowie historische Aufnahmen, Wochenschauen (von 1927 bis 1972) und seltene Heimvideos, die einen einzigartigen persönlichen Blick auf Israel und seine Bewohner bieten. Die Online-Plattform ist kostenlos in Hebräisch und Englisch zugänglich.

Das „Israel Film Archive“ umfasst zwei Hauptbereiche:
The Historical View – Eine Zeitreise durch Israels reiche Geschichte anhand von Tausenden einzigartigen Archivmaterialien. Durch seltene Clips in hoher Qualität haben Nutzer hier die Möglichkeit, in historische Momente der vergangenen Jahrzehnte einzutauchen. Beispiele sind unter anderem die Israelische Unabhängigkeitserklärung, Feierlichkeiten zu den ersten jüdischen Feiertagen nach der Staatsgründung, die Wahl der Vertreter für den 20. Zionistenkongress (1937), die Purim-Parade in Tel Aviv (1928) sowie Videos von Marlene Dietrich oder Frank Sinatra bei ihren Besuchen in Israel. Alle audiovisuellen Inhalte dieses Bereiches sind mit englischen Untertiteln versehen.

The Artistic View – Eine Auswahl von über 300 Spiel- und Dokumentarfilmen, die in Israel/Palästina gedreht wurden. Neben der Sammlung israelischer Spielfilme, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute produziert wurden, enthält das Archiv eine Vielzahl von Dokumentarfilmen, die seit der Staatsgründung in Israel aufgenommen wurden. Darüber hinaus umfasst die Sammlung Filme, die von der israelischen Regierung und von verschiedenen kulturellen Einrichtungen wie beispielsweise der Israeli Film Service Collection und den Maccabi Movement, Yad Tabenkin oder Yad Vashem Archiven sowie Filmfachleuten kuratiert wurden.

Die Plattform https://jfc.org.il bietet dynamische Suchfunktionen, um die Inhalte u.a. nach Jahr, Wahrzeichen, Thema, Persönlichkeiten oder anhand einer interaktiven Karte zu durchsuchen. So können Nutzer beispielsweise nach über 4.000 bekannten Personen oder 7.000 Themen suchen.

Insgesamt umfasst das „Israel Film Archive“ über 30.000 Titel, die ursprünglich auf über zwei Millionen Metern Filmrolle aufgezeichnet wurden, und rund 4.500 Stunden an israelischen Produktionen. Während fast alle Inhalte kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, haben die Archivare unter den Spielfilmen besondere Titel und Filmklassiker ausgewählt, die als Video on Demand ein Jahr lang zum Preis von 4,99 USD ausgeliehen werden können, darunter auch Filme von Boaz Davidson und Avi Nesher.

Das Israelische Filmarchiv
Das Archiv ist ein zentraler Bestandteil der Jerusalemer Kinemathek, die jedes Jahr über 500.000 Besucher in ihrem Kino begrüßt und sich zum Ziel gesetzt hat, den kulturellen Dialog zu fördern und zu inspirieren. Im Jahr 2015 beschloss die Jerusalemer Kinemathek, ihr Filmarchiv ins 21. Jahrhundert zu führen und das audiovisuelle Erbe Israels digital zu revolutionieren, um der Verschlechterung des Zustands der Filmkopien und ihrem Alterungsprozess entgegenzuwirken. Dutzende Forscher und Katalogisierer arbeiteten seither über Jahre hinweg an der Infrastruktur und Umwandlung der Filmrollen in digitale Formate nach internationalen Standards. Heute verfügt das Archiv über ein Speichervolumen von etwa 6 Petabyte (6 Millionen Gigabyte). Aufgelöste Filmrollen, die oft die weltweit einzige Kopie eines bestimmten Films enthalten und bisher nicht projiziert werden konnten, werden nun in digitalen Dateien in 4K-Qualität archiviert und deren Inhalte so vor dem Vergessen bewahrt. Damit leistet die neue Plattform einen wichtigen Beitrag zur filmischen und kulturellen Forschung. Die verschiedenen Archivsammlungen erzählen die visuelle und audiovisuelle Geschichte Israels vom späten 19. Jahrhundert bis hin zur Gegenwart. So hat diese Sammlung eine enorme Bedeutung für den Staat Israel, für das jüdische Erbe und natürlich für alle, die sich für die Geschichte dieser Region interessieren.

„Wir haben vor sieben Jahren begonnen, unser Archiv in eine digitale Kultureinrichtung umzuwandeln, die für jeden überall zugänglich ist. Wir konnten nicht ahnen, dass sich diese Vision an dem Tag, an dem die Website nun online geht, als so relevant erweisen würde“, sagt Noa Regev, Direktorin der Jerusalemer Kinemathek, Israel Film Archive. „Mit dem Start der Online-Plattform erfüllt das Archiv seinen Auftrag, das audiovisuelle Erbe Israels auf internationalem, professionellem Niveau zu bewahren und das israelische Kino in Israel und in der Welt zu erhalten und zu fördern. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, und wir freuen uns darauf, unbekannte Filmschätze zu entdecken, seltene Filme zu scannen, ergänzende Inhalte zu erstellen und neue Kooperationen und Initiativen zu fördern.“

Über die Kinemathek Jerusalem
Die Kinemathek Jerusalem beherbergt das Israelische Filmarchiv, das seit 1960 für die Aufbewahrung und Erhaltung israelischer Spiel- und Dokumentarfilme (vom späten 19. Jahrhundert bis heute) zuständig ist. Durch den Launch des digitalen „Israel Film Archive“ hat auch die breite Öffentlichkeit im In- und Ausland die Möglichkeit Israels Filmgeschichte zu erkunden und zu durchstöbern. Neben den Restaurierungsarbeiten initiiert und produziert das Archiv restaurierte Digitalkopien ausgewählter israelischer Filmwerke.

Kontakt:
Israel Film Archive- Jerusalem Cinematheque
11 Hebron rd.
POB 8651
Jerusalem, 9108402
Tel. | 02.5654333
https://jfc.org.il/

Quelle: Presseinformation via AVIVA Berlin, 26.10.2021

Zwickau sucht auch für 2022 Stadtschreiber

Im Jahr 2022 möchte die Stadt Zwickau die Stelle des Stadtschreibers neu besetzen. Die Stelle, die als Stipendium ausgeschrieben ist, bietet vor allem jungen Leuten aus den Bereichen Germanistik, Geschichte, Archivwesen, Dokumentation und Bibliothekswesen die Möglichkeit, erste Erfahrungen im Berufsleben zu sammeln und selbst schöpferisch kreativ zu werden.

Der Aufgabenbereich liegt ganz in Anlehnung an die Verdienste Stephan Roths (1492-1546) – dem berühmten Zwickauer Stadtchronisten. So sollen städtische Veranstaltungen fotografisch und dokumentarisch begleitet und die Stadtchronik mittels Jahresrückblicken fortgeschrieben werden. Aber auch eigene literarische und wissenschaftliche Texte dürfen entstehen, die z. B. in der Schriftenreihe des Stadtarchivs „Cygnea“ veröffentlicht werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs Zwickau und des stadtgeschichtlichen Museums Priesterhäuser stehen der neuen Stadtschreiberin/dem neuen Stadtschreiber natürlich fachlich beraten und begleitend zur Seite.

Das monatliche Stipendium in Höhe von 1.000 Euro wird für einen Arbeitsaufenthalt in Zwickau von Mai bis Oktober 2022 vergeben. Für diesen Zeitraum wird eine Wohnung in der Stadt zur Verfügung gestellt. Die vollständige Ausschreibung ist unter www.zwickau.de/ausschreibungen zu finden. Der Bewerbungsschluss ist der 30. Dezember 2021.

Zwickau vergibt seit 2019 ein Stipendium für einen Stadtschreiber „Stephan Roth“. Die gebürtige Lichtensteinerin Cora Herzog besetzte von Juli bis Dezember 2019 erstmals das Amt. Von Mai bis Oktober 2021 hatte Diana Klein aus Wilhelmshaven die Stelle des Stadtschreibers „Stephan Roth“ inne (siehe Beitrag vom 20.9.2021: Zwickauer Zwischenfazit zum »Corona-Aufruf«).

Quelle: Stadt Zwickau, Pressemitteilung, 3.11.2021

Lingen erinnert an die letzte jüdische Holocaustüberlebende der Stadt

Ehrenbürgerin Ruth Foster wäre im November 2021 100 Jahre alt geworden.

Ruth Foster wurde als Ruth Heilbronn am 14.11.1921 in Lingen geboren. Ihre Eltern waren der aus Lengerich stammende Viehhändler Wilhelm Heilbronn und seine Frau Caroline, eine geborene Grünberg. Die Familie wohnte direkt gegenüber dem Gefängnis. Wenn dort ein jüdischer Gefangener einsaß, versorgte ihn die Mutter mit koscherem Essen. Der Vater geriet 1933 in Konflikt mit einem SA-Mann und wurde kurzzeitig in Schutzhaft genommen. Die Tochter besuchte derweil die Höhere Töchterschule, wo sie getrennt von ihren „arischen“ Mitschülern sitzen musste.


Abb.: Ruth Heilbronn (letzte Reihe Mitte) unter Mitschülerinnen der Höheren Töchterschule (Foto: Stadtarchiv Lingen)

Am Morgen nach der Reichspogromnacht (9.11.1938) wurden in Lingen 19 jüdische Männer und Frauen festgenommen. Ruths Vater Wilhelm Heilbronn verwies auf seine Auszeichnungen im Ersten Weltkrieg und verlangte, in einigem Abstand und auf der anderen Straßenseite zur Polizeiwache zu gehen. Seine Frau Caroline wurde bald wieder freigelassen, Wilhelm aber und fünf andere Männer verbrachten Wochen, teils Monate im KZ Buchenwald. Ruth hielt sich damals nicht in Lingen auf; sie besuchte mittlerweile eine jüdische Schule in Berlin, machte dort ihr „Einjähriges“ und lernte Krankenschwester und Kindergärtnerin.

Die Auswanderung der Familie Heilbronn gelang nicht. 1941 musste das Ehepaar in ein sog. „Judenhaus“ umziehen. Ruth, die immer noch in Berlin war, erinnerte sich später: „Am 9. Dezember 1941 bekam ich ein Telegramm von meinen Eltern, dass sie nach dem Osten deportiert wurden. Man musste damals als Jude – wir trugen zu der Zeit schon den Judenstern und hatten auch schon die separaten Lebensmittelkarten mit einem ‚J‘ – eine Erlaubns einholen, wenn man an einen anderen Ort gehen wollte, denn man konnte sich nicht frei bewegen. Ich holte mir also die Erlaubnis und kam dann von Berlin nach Lingen zurück. Die Bahnreise war nicht sehr angenehm. Juden mußten in einem separaten Abteil sitzen.“

Es war die erste Deportation aus Lingen. Neben Ruths Eltern waren auch andere Bewohner des „Judenhauses“ betroffen. Ruth entschloss sich, ihre Eltern freiwllig zu begleiten. Nach zwei Tagen in einer zur Sammelstelle umfunktionierten Osnabrücker Turnhalle bestiegen sie den sogenannten „Bielefelder Transport“, einen Sonderzug, der mit zuletzt über 1.000 Personen über Münster, Osnabrück und Bielefeld nach Riga fuhr.

Im Ghetto Riga wurden die arbeitsfähigen Bewohner in Arbeitskolonnen eingeteilt. Ruth und ihre Mutter arbeiteten im Armeebekleidungsamt. Der Vater Wilhelm musste außerhalb des Ghettos bei einer SS-Dienststelle Holz sägen. Im Juli 1944 begann die sogenannte Krebsbach-Aktion, bei der alle, die jünger als 18 oder älter als 30 waren, ermordet wurden. Wenig später wurde Ruth Heilbronn infolge der Auflösung des Ghettos zunächst in das KZ Kaiserwald gebracht, dann auf dem Seeweg in das KZ Stutthof bei Danzig. Im Januar 1945 begann die Evakuierung des Lagers Stutthof. Unter den Frauen, die bei eisigen Temperaturen auf offenen Güterwagen nach Westen transportiert wurden, war auch Ruth Heilbronn. Ziel war zunächst das Frauen-KZ Ravensbrück bei Berlin, dann ging es doch wieder ostwärts nach Stolp in Pommern. Dort mussten die Frauen Straßen bauen und Schützengräben ausheben. Als die Front näherrückte, begann der „Todesmarsch“ nach Westen.

Auf einem Bauernhof bei Lauenburg wurden die Frauen am 10.3.1945 von russischen Truppen befreit. „Als ich befreit wurde, habe ich 40 Kilo gewogen, und ich bin 1,76 m groß.“ Ruth wurde zusammen mit einer Freundin in ein russisches Lazarett nach Bromberg gebracht. Am 12. Juni 1945 verließ sie Bromberg, um nach Lingen zu kommen. Die Reise war schwierig, da alles in Trümmern lag. Um die amerikanische Zone zu erreichen, musste sie bei Dessau-Roßlau durch die Mulde schwimmen. Erst am 20. August erreichte sie nach zehn Wochen Lingen. Bei früheren Nachbarn fand sie Aufnahme. „In Lingen lernte ich auch meinen späteren Mann kennen. Er war Arzt in der polnischen Besatzungsarmee, ebenfalls Jude.“ Mit der Heirat nahm Ruth den Namen Foster an. „Im August 1947 zogen wir nach London.“ Von den 21 aus Lingen deportierten Juden war sie die einzige Überlebende. „Meine Familie wurde fast völlig in der Shoah vernichtet. Meine Eltern und neun von zehn Geschwistern meiner Mutter mit ihren Familien fanden den Tod in den Ghettos und Vernichtungslagern.“

Im September 1984 meldete sich Ruth Foster telefonisch bei der Lingener Stadtverwaltung. Sie sei gerade in Bremen und ihres Wissens die letzte noch lebende Jüdin Lingens. Sofern in Lingen eine Gedenktafel mit den Namen der Holocaustopfer geplant sei, könne sie bei den Recherchen helfen. Die Stadt nahm das Angebot an und begann gemeinsam mit dem Arbeitskreis Judentum-Christentum, der Pax-Christi-Gruppe und dem Stadtarchiv nun ihrerseits mit den Recherchen. Schließlich wurden die noch lebenden ehemaligen jüdischen Mitbürger nach Lingen eingeladen und ein Jahr später für die ermordeten jüdischen Mitbürger ein Gedenkstein aufgestellt. Auch Ruth Foster nahm an beiden Veranstaltungen teil. Außerdem gelang es ihr, Bernard Grünberg ausfindig zu machen, der nach der Reichspogromnacht mit einem Kindertransport nach England entkommen konnte. Der ehemaligen Jüdischen Schule, die 1998 als Gedenkort eingeweiht wurde, überließ sie ihr KZ-Kleid zur Ausstellung. 1993 erhielt sie zusammen mit Bernard Grünberg die Ehrenbürgerschaft der Stadt Lingen. Ruth Foster starb am 5. August 2014 in London. Sie hinterließ eine Tochter und Enkelkinder. In diesen Tagen wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Den vollständigen Beitrag über das Leben von Ruth Foster mit weiteren Erinnerungszitaten bietet die Archivalie des Monats November 2021 des Stadtarchiv Lingen.

Kontakt:
Stadtarchiv Lingen (Ems)
Baccumer Straße 22
49808 Lingen (Ems)
Tel.: 0591 / 91671-11
stadtarchiv@lingen.de

Quelle: Stadtarchiv Lingen, Archivalie des Monats November 2021; Meppener Tagespost, 15.8.2014

Vorstellung des neuen Leiters des Landesarchivs Thüringen

In der aktuellen Ausgabe des jährlich erscheinenden Mitteilungsblattes „Archive in Thüringen“, das sowohl Beiträge von Archivarinnen und Archivaren aus allen Archivsparten Thüringens beinhaltet als auch Erfahrungen und Werkstattberichte von Benutzerinnen und Benutzern, wird u.a. der seit Mai 2021 amtierende Leiter des Landesarchivs Thüringen, Thomas Wagner, kurz vorgestellt.


Abb.: Thomas Wagner, seit Mai 2021 Leiter des Landesarchivs Thüringen (Foto: Romy Scharfe)

Der 1966 in Merzig/Saar geborene Volljurist Thomas Wagner steht bereits seit 1994 im Thüringer Landesdienst. Er durchlief berufliche Stationen im Thüringer Landesverwaltungsamt, in der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie sowie in der Thüringer Staatskanzlei. Besondere Kenntnisse erwarb er im Laufe seines Berufslebens in typischen Aufgabenbereichen einer Zentralabteilung, vor allem auf dem Gebiet der Personalentwicklung und Organisation. In der Landesanstalt für Umwelt und Geologie fungierte er von 2013 bis zu deren Umbildung Ende 2018 als Zentralabteilungsleiter und ständiger Vertreter des Präsidenten. Bis zum 30.4.2021 war er Referatsleiter in der Staatskanzlei und zuständig für die Bereiche Justiziariat, Innenrevision, Organisation und Datenschutz.

Für die erste Phase seiner Amtszeit benennt Thomas Wagner zunächst vier prioritäre Handlungsfelder. Als erstes zählt dazu der organisatorische Ausbau und die Zusammenführung des 2016 aus den sechs selbständigen Staatsarchiven gebildeten Landesarchivs unter einem Dach mit gleichzeitiger Stärkung der Verwaltungsebene. Das Landesarchiv Thüringen umfasst fünf Staatsarchive in Altenburg, Greiz, Gotha, Meiningen, Rudolstadt sowie das Hauptstaatsarchiv Weimar. Hinzu tritt die flächendeckende Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems, das bis 2023 vollständig in den Thüringer Landesbehörden zum Einsatz kommen wird. Die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit im DMS insgesamt soll ausgebaut werden. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Produktivsetzung des digitalen Magazins ThELMA. Die Archivierungslösung für eine revisionssichere Archivierung von elektronischen Unterlagen der Behörden, Gerichte und sonstigen Einrichtungen des Freistaats erfüllt eine Vorgabe des Thüringer Archivgesetzes. Ein weiteres Ziel ist die Wiederaufnahme der Referendarausbildung für den höheren Archivdienst. Guten Nachwuchs heranzubilden, ist eine zentrale Zukunftsaufgabe. Zudem hat der Gesetzgeber die Aufgabe des Landesarchivs für die Ausbildung festgeschrieben, die auch dem kommunalen Archivwesen zugutekommt. Qualifiziertes Fachpersonal wird auch benötigt, um die in absehbarer Zeit höhere Anbietungsdichte bei Papierakten zu bewältigen, die durch den landesweiten Umstieg auf die elektronische Akte zu erwarten ist.

Kontakt:
Landesarchiv Thüringen
Marstallstraße 2
99423 Weimar
Tel.: +49 (0) 36 43 / 870-101
Fax: +49 (0) 36 43 / 870-100
landesarchiv@la.thueringen.de

Quelle: Archive in Thüringen. Mitteilungsblatt 2021, 14.10.2021, S. 5; Thüringer Allgemeine, 23.4.2021

Archivar für sechs Kaiserstuhlgemeinden

Nach dreizehn Jahren als Stadtarchivar von Lörrach tritt Andreas Lauble Anfang November 2021 seinen Dienst als erster Archivar beim Gemeindeverwaltungsverband Nördlicher Kaiserstuhl an. Der Gemeindeverwaltungsverband Nördlicher Kaiserstuhl besteht aus der Stadt Endingen am Kaiserstuhl und den Gemeinden Bahlingen am Kaiserstuhl, Forchheim, Riegel, Sasbach am Kaiserstuhl und Wyhl am Kaiserstuhl. Im Stadtarchiv Lörrach ist der seit 2016 dort tätige Archivar Jürgen Schaser kommissarischer Leiter.

Kreisarchivarin Bettina Fürderer (Kreis Emmendingen) hatte im März 2021 im Endinger Gemeinderat ein Konzept für den Archivdienst im Gemeindeverwaltungsverband Nördlicher Kaiserstuhl vorgestellt. Da die Archivierung und Nutzbarmachung archivwürdiger Verwaltungsunterlagen gemäß dem baden-württembergischen Landesarchivgesetz eine ständige Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden ist, empfahl sie, dass sich die sechs Gemeinden eine Vollzeitstelle teilen. Mit der Anstellung von Andreas Lauble (Jg. 1965) ist dieser Archivverbund nunmehr Realität geworden.

In Lörrach hatte Lauble als Stadtarchivar vieles bewegt, u.a. die Aufarbeitung zweier einzigartiger Fotoserien aus dem Jahr 1940, deren Bedeutung weit über die Regionalgeschichtsforschung hinausreicht und die ihren Weg bis in Schulbücher gefunden haben.


Abb: Vor aller Augen fand die Deportation der Juden in Lörrach am 22. Oktober 1940 statt. Links am Bildrand gibt ein Offizier der Sicherheitspolizei Anweisungen. Die jüdischen Mitbürger wurden davor in der alten Handelsschule am Marktplatz erfasst und mussten nun auf die wartenden Lastwagen aufsteigen. Im Bildhintergrund und am weiter oben liegenden Fenster sind zahlreiche Zuschauer zu sehen (Foto: Stadtarchiv Lörrach, StALö 2.29.19).

Die Fotosammlung des Stadtarchivs Lörrach umfasst mehrere tausend Fotos, viele davon aus der Zeit des Nationalsozialismus. Eine der Fotoserien aus der NS-Zeit zeigt in 25 Aufnahmen die Deportation der Lörracher Juden. Diese fand am 22.10.1940 in aller Öffentlichkeit statt. Die zweite Serie dokumentiert in 17 Bildern öffentliche Versteigerungen. Angeboten wurden die Wertgegenstände der Deportierten nur wenige Wochen nach deren Abtransport. Die Bildquellen sind bedrückende Zeugnisse der Judenverfolgung in Lörrach. Vergleichbare Ereignisse gab es in vielen deutschen Städten, fotografische Quellen hingegen sind allem Anschein nach in diesem Umfang nur im Lörracher Stadtarchiv zu finden. Die besondere Bedeutung der beiden Serien wurde vom Berliner Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ im Jahr 2011 mit einer Sonderausstellung gewürdigt.

Kontakt:
Gemeindeverwaltungsverband Nördlicher Kaiserstuhl
Marktplatz 6
79342 Endingen am Kaiserstuhl
Tel.: 07642-6899-0
Fax: 07642-6899-59
rathaus@endingen.de

Stadtarchiv Lörrach
Luisenstr. 16
79539 Lörrach
Tel:: 07621 415-218
Fax: 07621 415-308
j.schaser@loerrach.de

Quelle: Badische Zeitung, 1.3.2021; Badische Zeitung, 19.10.2021; Badische Zeitung, 28.10.2021; Dreiländermuseum (Hg.): Lörrach und der Nationalsozialismus. Begleitband zur Ausstellung, Bötzingen 2013; Topographie des Terros: Vor aller Augen, 2011/2012.

Praxissemester im Historischen Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes

Saskia Brunst studiert seit Oktober 2018 im Bachelor-Studiengang „Archiv“ an der Fachhochschule Potsdam, wo sie seit August Mitglied im Studierendenrat ihres Fachbereiches ist. Im Rahmen ihres Studiums hat sie vom 28.9.2020 bis zum 26.2.2021 ein Praxissemester im Historischen Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes absolviert.

An dieser Stelle berichtet Saskia Brunst (Foto), die bis Ende September 2021 ein Jahr lang im Rahmen des Deutschland-Stipendiums durch die AUGIAS-Data GmbH gefördert worden ist, über ihre Aufgaben und Erfahrungen während des Praktikums.

Zu meinen Hauptaufgaben gehörte die Verzeichnung von Akten aus dem Depositalbestand der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien. Darunter fiel auch die Verzeichnung von Objekten, wie etwa Spardosen, Stempel, Münzprägewerkzeuge oder Klischees. Große Freude machte mir die inhaltliche Erschließung und Transkription von Akten der Schweinitzer Kreissparkasse in Herzberg, als Vorarbeit für die Erstellung einer Chronik. Eine kleine Kuriosität waren für mich – da ich die DDR-Zeit selbst nicht erlebt habe – die Brigadebücher der Sparkassen. Besonders liebevoll waren die Seiten zum Internationalen Frauentag gestaltet, zu dem ich einen Blogbeitrag verfassen durfte.


Abb.: Sparkassen-Ordnung von Alt-Gersdorf (Foto: Historisches Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes)

Besonders interessant fand ich, dass sich das Archiv – in seiner Funktion eines Wirtschaftsarchivs – als das Gedächtnis des Verbandes versteht. Ich wollte erfahren, wie dieses Selbstverständnis nach außen getragen wird. Eine große Rolle spielt dabei die Öffentlichkeitsarbeit, für die die Mitarbeiter*innen beispielsweise einen Sparkassengeschichtsblog betreiben oder Wanderausstellungen konzipieren, die an verschiedene Sparkassen ausgeliehen werden.

Eine weitere Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit bot sich, als der Ostdeutsche Sparkassenverband im Februar dieses Jahres einen Instagram-Account ins Leben rief. Bereits während des Praktikums entstand die Idee, das Archiv mit eigenen Beiträgen über die Sparkassengeschichte und die Archivarbeit auf diesem Account zu vertreten. Dieses Vorhaben setze ich derzeit im Zusammenhang mit meiner Bachelorarbeit „Instagram in Wirtschaftsarchiven – umgesetzt am Beispiel des Historischen Archivs des Ostdeutschen Sparkassenverbandes“ um.

In den kurzweiligen und vielfältigen 22 Wochen im Historischen Archiv habe ich viel Sicherheit für meine zukünftige Arbeit dazugewonnen, wofür ich mich bei meinen Betreuerinnen Claudia Wöhnl und Britta Weschke herzlich bedanke!

Im Historischen Archiv des Ostdeutschen Sparkassenverbandes wird Saskia Brunst ab Ende November 2021 auch ihre Bachelorarbeit verfassen. Zuvor bereits tritt sie eine studentische Hilfskraftstelle am Museum für Naturkunde zu Berlin an und dort an der Vorbereitung eines größeren Digitalisierungsprojektes beteiligt sein.

Saskia Brunst hat nebenbei ihre Berufung gewissermaßen zum Beruf gemacht: Über eine eigene Homepage bietet sie an, alte Handschriften zu transkribieren. Dabei wurde ihr der Wunsch, Archivarin zu werden, geradezu „in die Wiege gelegt“. Gemeinsam mit ihrem Vater, einem passionierten Familienforscher, besuchte sie bereits während der Schulzeit Archive. Dort faszinierten sie die alten deutsche Handschriften, so dass sie es sich zum Ziel setzte, u.a. das Sütterlin-Alphabet zu beherrschen. Innerhalb ihres Studiums konnte sie ihre Kenntnisse dann in einem Paläografie-Seminar ausbauen.

Links:

(Fotos: Saskia Brunst)

Gedenkbuch »Juden in Mecklenburg 1845-1945«

Am 29.10.2021 findet in der Volkshochschule Rostock in der Zeit von 19 bis 20:30 Uhr die Vorstellung des Gedenkbuchs „Juden in Mecklenburg 1845-1945. Lebenswege und Schicksale“ statt. Der Autor Dr. Michael Buddrus und Angrit Lorenzen-Schmidt lesen Passagen daraus, um anschließend über jüdisches Leben in Mecklenburg – damals, heute und morgen – zu diskutieren.

Das Leben im jüdischen Mecklenburg war und ist vielfältig. In dem Gedenkbuch werden erstmals für einen Zeitraum von 100 Jahren auf einer dichten Quellenbasis alle 45 Gemeinden des Landes, deren Führungsgremien und leitende Persönlichkeiten dargestellt. Durch die Auswertung bislang nicht oder kaum zugänglicher Materialien war es außerdem möglich, zahlreiche zentrale Aspekte des jüdischen Lebens in Mecklenburg wie Herkunft, Bildung, Sozial- und Berufsstrukturen oder Auswanderungen in den Blick zu nehmen.

Die mit fast 1.200 Fotos illustrierten Kurzbiographien von mehr als 7.000 Juden, die zwischen 1845 und 1945 in Mecklenburg gelebt haben, vermitteln ein aufschlussreiches und vielfach erschütterndes Bild vom Leben und Sterben jüdischer Menschen. Herausgeber des Buches sind das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und die Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern.

Info:
Michael Buddrus, Sigrid Fritzlar
Juden in Mecklenburg 1845-1945
Schwerin 2019
1.480 Seiten, 30,00 Euro

Das Gedenkbuch ist im Shop der LpB M-V zu erwerben.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern statt. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei, um vorherige Anmeldung bei der VHS Rostock wird gebeten.

Kontakt:
Volkshochschule Rostock
Am Kabutzenhof 20a
18057 Rostock
Tel.: 0381 381-4300
vhs@rostock.de
www.vhs-hro.de

30 Jahre Arbeitskreis Filmarchivierung NRW

Angefangen hat es in Bielefeld. Im September 1991 fand dort das Landesforum Filmkultur statt, veranstaltet vom Kultusministerium Nordrhein-Westfalen, besucht von Fachleuten aus Archiven, Medienstellen, Hochschulen und Sendeanstalten. Es sollte ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch darüber sein, wie es um das Kulturgut Film in Nordrhein-Westfalen bestellt ist. Am Ende stand die Gründung des Arbeitskreises Filmarchivierung NRW, der 2021 auf sein 30-jähriges Bestehen zurückblicken kann.

Am Anfang der 1990er Jahre stand das Bewegtbild vor seinem 100. Geburtstag und hatte sich längst zum visuellem Gedächtnis des 20. Jahrhunderts entwickelt. Doch zugleich gab es viele Fragen: Wer im Bundesland kümmert sich um die Bewahrung der vielfältig entstandenen Filmdokumente, wie ist es um die Auffindbarkeit dieser Filme bestellt und wie soll eine Nutzung der alten Lichtbildfilme im Zeitalter von analogem und dann bald digitalem Video funktionieren?

Paul Hofmann, Leiter der Kinemathek im Ruhrgebiet und Mitstreiter der ersten Stunde, erinnert sich: „Viele Stunden debattierten die Teilnehmer und formulierten zahlreiche Forderungen, die für das weitere Vorgehen erst einmal eine Grundlage schaffen sollten.“ Daraus ist die „Bielefelder Erklärung“ entstanden, die zugleich als Geburtsstunde des Arbeitskreises Filmarchivierung NRW gilt. Denn gefordert wurde auch eine stärkere Vernetzung aller mit dem Kulturerbe Film befassten Einrichtungen, weshalb der NRW-Kultusminister Hans Schwier und der Filmreferent des Landes, Dr. Hans Joachim Klinger, schon bei diesem Treffen die Gründung eines Arbeitskreises anregten.

An dieses Ereignis vor nunmehr 30 Jahren und die bisherigen Leistungen des Arbeitskreises soll anlässlich des Welttags des audiovisuellen Erbes am 27. Oktober 2021 erinnert werden.

Aktuell umfasst der Arbeitskreis rund ein Dutzend Vertreter verschiedener Archivsparten, die eines verbindet: die Sorge um die Zukunft der Filmschätze des Landes NRW. Zu den aktiven Mitgliedern gehören das kommunale Filmforum Duisburg, thyssenkrupp Corporate Archives, das LVR-Zentrum für Medien und Bildung in Düsseldorf, die Kinemathek im Ruhrgebiet, das LWL-Medienzentrum für Westfalen in Münster, Köln im Film, die Katholische Akademie Schwerte, das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, das montan.dok/ Bergbauarchiv Bochum, die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv zu Köln, der WDR und das Filmmuseum Düsseldorf. Auch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW nimmt regelmäßig beratend teil.

Zu den selbst gestellten Aufgaben des Arbeitskreises zählen der Austausch von Informationen über die Entwicklung der Filmarchivierung, die Weitergabe von Informationen an die von ihnen im Arbeitskreis repräsentierten Einrichtungen sowie die Diskussion über Herausforderungen der Konservierung und Digitalisierung.

Zu Beginn hatte sich der Arbeitskreis einiger grundlegender Aufgaben angenommen. So wurde in den 1990er-Jahren eine landesweite Erfassung von Filmen in Archiven und anderen Kultureinrichtungen durchgeführt, woraus in zwei Auflagen 1994 und 1997 die Veröffentlichung „Filmschätzen auf der Spur“ hervorgegangen ist. In einem weiteren Projekt ging es 2002/2003 unter dem programmatischen Motto „Büchsenöffner“ um qualitative Probebohrungen, als unter Federführung der Kinemathek im Ruhrgebiet anhand ausgewählter kommunaler Filmbestände deren Inhalte und Erhaltungszustände erstmals ermittelt wurden. Zwischen 2007 und 2016 fanden an der Katholischen Akademie Schwerte insgesamt sechs öffentliche Tagungen statt, in denen Fragen zur Identifizierung, Sicherung, Nutzung und Präsentation von Archivfilmen diskutiert wurden.

Abb.: Auspacken eines Films im Magazin (Foto: Karsten Enderlein)

In der Zwischenzeit haben sich die Mitgliedseinrichtungen des Arbeitskreises auch selbst weiterentwickelt und untereinander immer mehr vernetzt: Das LWL-Medienzentrum für Westfalen baute ein komplettes Filmarchiv auf, das die kommunalen Archive in Westfalen-Lippe bei der Filmbewahrung und Filmdigitalisierung unterstützt, das Filmmuseum Düsseldorf richtete ein großes klimatisiertes Filmlager ein, das auch interessierten Untermietern zur Verfügung steht und die Wirtschaftsarchive begründeten die weitbeachtete Film-Retrospektive „IndustrieFilm Ruhr“, die ihrerseits bald 25 Jahre alt wird.

Viele der dort und bei anderen Veranstaltungen aufgeführten Filme wurden mit Fördermitteln des Landes digitalisiert, welche das Land NRW seit 2007 im Programm Substanzerhalt Film bereitstellt. Der Arbeitskreis hat dafür zusammen mit dem Filmreferat des Landes Förderkriterien entwickelt, er berät die Interessenten bei der Antragstellung und wirkt bei den Jurysitzungen zur Mittelvergabe mit. Die bereitgestellten Fördermittel betragen jährlich 50.000 Euro, mit denen in den vergangenen 14 Jahren mehr als 1.400 Filme in ihrer Substanz gesichert und für eine zeitgemäße Nutzung digitalisiert wurden.

Im Frühjahr 2022 sollen ausgewählte Werke aus dem Förderprogramm im Filmforum Duisburg präsentiert werden, um einen Einblick in den großartigen Filmschatz zu geben, den Nordrhein-Westfalen zu bieten hat und der nicht zuletzt durch das Engagement des Arbeitskreises Filmarchivierung NRW erhalten geblieben ist.

Die Sprecherrolle des Arbeitskreises liegt übrigens seit einer Reihe von Jahren beim LWL. Von 2011 bis 2014 war der frühere Referatsleiter des Bild-, Film- und Tonarchivs im LWL-Medienzentrum Dr. Volker Jakob Sprecher, seit 2016 hat sein Nachfolger Dr. Ralf Springer diese Funktion inne.

Kontakt:
AK Filmarchivierung NRW
Dr. Ralf Springer (Sprecher des Arbeitskreises)
LWL-Medienzentrum für Westfalen
Bild-, Film- und Tonarchiv
Fürstenbergstraße 14
48147 Münster
www.filmarchivierung-nrw.de

Quelle: AK Filmarchivierung NRW, Pressemitteilung, 27.10.2021

Digitalisierung von Entnazifizierungsakten aus (Süd-)Baden

Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat eine wegweisende Kooperation mit dem Diplomatischen Archiv des französischen Außenministeriums in La Courneuve (Archives diplomatiques du ministère de l’Europe et des Affaires étrangères) geschlossen. In Frankreich aufbewahrte Entnazifizierungsakten aus (Süd-)Baden zu mehr als 200.000 Personen sollen digitalisiert und online zugänglich gemacht werden. Zum Projektstart übergab Nicolas Chibaeff, Direktor des Diplomatischen Archivs, am 14.10.2021 im französischen Generalkonsulat in Stuttgart die ersten Digitalisate an Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs.


Abb.: Der baden-württembergische Landesarchivpräsident Prof. Dr. Gerald Maier und der Direktor des Diplomatischen Archivs Nicolas Chibaeff bei der Übergabe der ersten Digitalisate (Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg)

Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, sagte anlässlich der feierlichen Übergabe: „Frankreich und Baden-Württemberg pflegen seit Jahrzehnten enge und gute Beziehungen im Kulturbereich. Das Projekt des Diplomatischen Archivs und des Landesarchivs ist ein herausragendes Zeichen der französisch-deutschen Zusammenarbeit. Mit dem Zugang zu den Spruchkammerakten werden wesentliche Impulse für die zeitgeschichtliche, sozial- und familiengeschichtliche Forschung geschaffen. Und es wird auch ein neuer niederschwelliger Zugang für die Öffentlichkeit und für eine vertiefende Vermittlungs- und Bildungsarbeit ermöglicht. Ich danke der französischen Seite, dass sie diese grenzüberschreitende Kooperation ermöglicht.“

Landesarchiv-Präsident Gerald Maier betonte die Besonderheit des gemeinsamen Projekts: „Dieses grenzüberschreitende Projekt ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Zusammenarbeit zwischen französischen und deutschen Archiven. Als Pilotprojekt für die digitale Zusammenführung von Unterlagen, die seit der Nachkriegszeit zwischen zwei Ländern aufgeteilt sind, hat das Vorhaben Modellcharakter.“ Nicolas Chibaeff, Direktor des Diplomatischen Archivs in La Courneuve, unterstrich: „Diese beispielhafte Partnerschaft zeugt von der Qualität der Zusammenarbeit zwischen den beiden Archiven und macht wichtige Dokumente zur Geschichte Deutschlands und zum demokratischen Übergang in der Nachkriegszeit für alle, Forscher und Bürger gleichermaßen, zugänglich.“

Seit dem Ende der französischen Besatzung werden in Frankreich Unterlagen zur Entnazifizierung in (Süd-)Baden aufbewahrt, darunter mehr als 200.000 Personenakten der (süd-)badischen Spruchkammer. Sie gelangten in den 1950er Jahren zunächst in das Archiv der französischen Besatzung in Deutschland und Österreich (Archives de l’occupation française en Allemagne et en Autriche) in Colmar. Seit 2010 befinden sich die Akten im Diplomatischen Archiv des französischen Außenministeriums in La Courneuve bei Paris. Der andere, noch umfangreichere Teil der Überlieferung der Spruchkammer Südbaden wird in der Abteilung Staatsarchiv Freiburg des Landesarchivs Baden-Württemberg aufbewahrt.

Die Entnazifizierungsakten in Frankreich enthalten Unterlagen zu Funktionsträgern aus der NS-Zeit wie dem letzten Kommandanten von Paris Dietrich von Choltitz sowie zu vielen Personen aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Darunter befinden sich der Philosoph Martin Heidegger, die Regisseurin Leni Riefenstahl, der Verleger Franz Burda und der badische Staatspräsident Leo Wohleb. Für die zeitgeschichtliche Forschung, aber auch für Menschen, die zur Geschichte ihrer Familie während des Nationalsozialismus recherchieren, besitzt das Material einen hohen Quellenwert: Spruchkammerakten enthalten Informationen zu Biographien im Zeitraum zwischen 1931 und der Nachkriegszeit. Gleichzeitig sind die Angaben und Aussagen der Befragten in vielen Fällen problematisch und erfordern eine genaue Quellenkritik. Nicht selten wurden in den Fragebögen Mitgliedschaften in NS-Organisationen, zum politischen Wirken und den Einkommensverhältnissen weggelassen, beschönigt oder komplett gefälscht. Noch schwieriger zu beurteilen sind Informationen in sogenannten „Persilscheinen“, die Betroffene zu ihrer Entlastung vorlegten.

Die Entnazifizierungsunterlagen werden in den kommenden Jahren digitalisiert, mit den Erschließungsdaten des Staatsarchivs Freiburg verknüpft und in den Online-Angeboten des Landesarchivs sowie des Diplomatischen Archivs frei zur Verfügung gestellt. Ermöglicht wird das Projekt durch die Förderung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Kontakt:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Eugenstraße 7
70182 Stuttgart
Tel.: +49 711 212-4272
Fax: +49 711 212-4283
landesarchiv@la-bw.de
www.landesarchiv-bw.de

Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Pressemappe zum Projektstart, 14.10.2021; Landesarchiv Baden-Württemberg, Pressemitteilung, 14.10.2021

»Du wirst staunen, du wirst lachen …« – Die Kanons des Herbert Beuerle

Neue DDBstudio Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs Kassel.

Der Komponist Herbert Beuerle (1911-1994) war von 1952 bis zu seinem Ruhestand Kantor im Burckhardthaus Gelnhausen und langjähriger Singwart im Christlichen Sängerbund. Sein Einfluss als Chorerzieher und Ausbilder von ehrenamtlichen Chorleitenden war groß.


Abb.: Herbert Beuerle, 1985 (Von Nelp – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5962559)

Beuerle hatte eine besondere Begabung, in der Gemeinde und auch auf Kirchentagen viele für das Singen zu begeistern. Nicht zuletzt dafür komponierte er Kanons, die – einfach zu singen – gleichzeitig musikalisch gehaltvoll und gut sind. Neben zahlreichen Instrumental- und Kirchenliedkompositionen – genannt sei hier nur „Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist“ (EG 277) –  hat er knapp neunhundert Kanons geschaffen. Wo andere eine Grußkarte schreiben, hat er einen Kanon komponiert.


Abb.: Komposition und Text Herbert Beuerle 1958, Kanon für 3 oder 4 Stimmen (Landeskirchliches Archiv Kassel, Depositum Nachlass Herbert Beuerle Nr. 2138a)

Mit dem Ausstellungstool DDBstudio präsentiert die Kultur- und Wissenseinrichtung Landeskirchliches Archiv Kassel ihre Objekte in virtuellen Geschichten neu. Aus den gut 200 unveröffentlichten Kanons wählte Kuratorin Bettina Wischhöfer 16 meist drei- und vierstimmige Kanons aus, die zwischen 1958 und 1992 entstanden sind. In den Miniaturen vertonte Beuerle Alltagssituationen (Tür zu!) wie auch Lebensweisheiten (Un wat mer nit im Kopp hät). Teils stammten auch die Texte von Beuerle, teils griff er auf Redensarten, Aphorismen oder Epigramme zurück.

In die Ausstellung sind auch Audio-Dateien eingebunden. Die Aufnahme der Kanons hat am 7. Juli 2021 in der Stadtkirche Wolfhagen stattgefunden – an einem wunderschönen Sommerabend. In Kooperation mit Kantor und Kirchenmusikdirektor Bernd Geiersbach und zwölf Sänger*innen wurden 16 Kanons eingesungen.

Die virtuelle Ausstellung in der Deutschen Digitalen Bibliothek ist in Bild und Ton unter dem Link https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/beuerle-kanons/ abrufbar.

(Bettina Wischhöfer)

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