»Da waren so viele alte Leute« – feierliche und fröhliche Übergabe der Festschrift Botho Brachmann

Als „Doyen“ des Archivwesens der DDR wurde Prof. Dr. Botho Brachmann bei der feierlichen – wenn auch verspäteten – Übergabe der Festschrift[1] anläßlich seines 75. Geburtstag bezeichnet. Zu Recht.

Das Fest mit launigen Ansprachen, Musik und durchweg fröhlichen ehemaligen Lehrern, Schülern und Mitstreitern fand am 5. Dezember 2005 in Potsdam statt. „Alter Stadtwächter“ hieß das Restaurant und ums Alter – und natürlich um Archive und Archivare – drehten sich die Reden und Gespräche. Aber welche Unterschiede in der Herangehensweise: beklagte Prof. Dr. Volker Wahl, einst Vorsitzender des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V., das geringe Ansehen des Berufsstands in der Öffentlichkeit anhand eines Zitats von Giovanni Trapattoni, Noch-Trainer des VfB Stuttgart: Trapattoni hatte sich über Lokführer despektierlich geäußert, was zum postwendenden Protest der Lokführergewerkschaft führte. Bei Herabwürdigungen von Archivaren finde solches nicht statt (aber wer, wenn nicht der VdA müsste seine Stimme erheben?). Ungleich weniger larmoyant und vielmehr gewohnt grundoptimistisch der Jubilar selber: jeder PC-Nutzer sei quasi Archivar und die professionellen Archivare sollten die Chancen der neuen Technologie für ihren Berufsstand und die Hebung ihres Ansehens nutzen. Dabei flocht er Anekdoten ein, die u.a. sein Alter thematisierten. So habe eine ärztliche Untersuchung im Krankenhaus sehr lange gedauert, so dass seine Frau nach seiner Rückkehr sorgenvoll nach dem Grund fragte: „Da waren so viele alte Leute“ war die bezeichnende Replik des Recken, der sich deutlich jünger fühlt und zeigt, als sein Ausweis ausweist. „Teamgeist“ beschwor er in den „Ein paar Worten“, für die ihm von den Organisatoren zehn Minuten Redezeit eingeräumt worden waren. Diesen Teamgeist tatsächlich praktiziert zu haben, bestätigte ihm sein Lehrer und späterer Kollege an der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Gerhard Schmid, einst Leiter des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar. Als „Trainer“ habe Brachmann sich verstanden und das seine väterliche, fördernde Art von seinen Schülern auch so empfunden wurde, unterstrich Dr. Susanne Paulukat, stellvertretend für die ca. 480 Archivarinnen und Archivare, die Brachmann ausgebildet hatte. Die Erinnerung an § 111, (1) der „Ordnungs- und Verzeichnisgrundsätze“ der DDR[2] und die Brachmannsche Interpretion, „der Archivar führt an die Akten heran, er wertet sie nicht aus“, durfte dabei nicht fehlen. Als „Kollegen“ hatte er seine Schüler von der ersten Stunde an stets bezeichnet und behandelt und er verriet, dass er dies von seinem Lehrer Heinrich Otto Meisner übernommen hatte.

Mit der Übergabe der beinahe 800 Seiten und 45 Beiträge umfassenden Festschrift wurde der Prototyp eines Professors in akademisch angemessener Weise geehrt; und für seine Studenten einst immer ansprechbar, fürsorglich fördernd und auch jetzt immer noch mit Interesse, offenem Ohr und guten Ratschlägen präsent. Möge er seinen alten Studenten, Kollegen und seiner Frau damit noch lange dienen können!

Um mit Trapattoni zu sprechen: da ist noch lange nicht „wie Flasche leer“. In diesem Sinne, alles Gute, Trainer!

O. Sander

Anmerkungen:
[1] Archive und Gedächtnis. Festschrift Botho Brachmann (Schriften des Wilhelm-Fraenger-Instituts, Bd. 8; Potsdamer Studien, Bd. 18). Potsdam 2005.
[2] §111 (1): „Der Aktentitel soll den Benutzer an die von ihm gesuchten Quellen heranführen. Er vermittelt eine Inhaltsangabe, keine Beurteilung oder Auswertung“, in: Ordnungs- und Verzeichnisgrundsätze für die staatlichen Archive der Deutschen Demokratischen Republik. Potsdam 1964, S.49

Info:
Archive und Gedächtnis – Festschrift für Botho Brachmann. – hrsg. von Friedrich Beck / Eckhart Henning / Joachim-Felix Leonhard / Susanne Paulukat / Olaf B. Rader. – Potsdam: Verlag für Berlin-Brandenburg GmbH, 2005, 738 S. (Potsdamer Studien, Bd. 18)
Preis: 40€, brosch. (ISBN 3-86650-480-2)

Inhaltsverzeichnis:
Tabula gratulatoria

I. Prolog
Friedrich Beck
\“Archive und Gedächtnis\“

II. Generalia
Wolfgang Ernst
Kybernetik des Archivs – An der Grenze zum Medium

Helmut Knüppel
Ökonomie und Gemeinwesen. Anmerkungen zur politischen Kultur in Deutschland

Joachim Felix Leonhard
Kultur als Faktor in der globalen Lerngemeinschaft

Edgar Lersch
,,Immer die gleichen Bilder.\“ Audiovisuelle Medienproduktion und Mediendokumentation und ihr Beitrag zur Formung eines kollektiven audiovisuellen Gedächtnisses

Michael Lindner
Vom Winde verweht. Das Reich und die Steppenvölker im hohen Mittelalter

Ina Prescher
Archive als Zeitmaschinen. Probleme der Überlieferung kreativer und transitorischer Prozesse

Olaf Rader
\“Knochenarchiv\“ und Gemeinschaftsgedächtnis. Zur Rolle der Gräber bei der Konstruktion kollektiver Erinnerungen

III. Spezialia

Archivgeschichte

Dirk Alvermann
Archivare im Nebel. Zur schwedisch-pommerschen Archivtheorie im 18. Jahrhundert

Jörg Brückner
\“… übertrifft dieses Ortenbergische Archiv wohl alle in der Welt an Unordnung und Unreinlichkeit.\“ Zur Geschichte eines Gemeinschaftsarchivs des Hauses Stolberg

Peter Dusek
Die ,,Schatzgräber\“ vom Küniglberg. Anmerkungen über die Geschichte der größten audiovisuellen Sammlung Osterreichs im ORF

Waldemar Schupp
Die Anfänge und das Ende der Fachschule für Archivwesen in Potsdam (1955/1993)

Volker Wahl
\“… es konnte nunmehr wieder die geordnete Arbeit im Staatsarchiv beginnen.\“ Archivarbeit unter Besatzungshoheit 1945 in Weimar. Eine Dokumentation

Simone Walther
Zum Umgang mit der NS-Vergangenheit beim personellen Neubeginn im zentralen Archivwesen der SBZ/DDR (1945 -1952). Versuch einer Bestandsaufnahme

Archivwissenschaft und Historische Hilfswissenschaften

Lorenz Friedrich Beck
Die Historischen Hilfswissenschaften im Informationszeitalter. Vom zeitlosen wie zeitgemäßen Nutzen des quellenkundlichen Instrumentariums für Archivar und Historiker

Frank M Bischoff
Maßstäblichkeit historischen Erinnerns. Anmerkungen zur Verbindlichkeit archivarischer Auslesetätigkeit, gestuften Archivwürdigkeit und Bewertungsdokumentation 

Eckart Henning
Eigenhändig. Grundzüge einer Autographenkunde

Brigitta Nimz
,,Die geteilte Erinnerung\“. Erschließung im Archiv- und Bibliothekswesen

Lutz Schilling
Vorfeldarbeit und Bewertung – die archivrechtliche Stellung des Archivars gegenüber Registraturbildnern in Thüringen

Volker Schockenhoff
Archivwissenschaft in der Wende – Rückblicke und Perspektiven

Hermann Sehreyer
Verwaltungsreform und Archivgesetz. Aktuelle Probleme des Archivwesens der Russischen Föderation

Archive und Bestände

Johanna Aherle
Der Erschließungszustand des Bestandes Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Institute der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Matthias Buchholz
Archivarbeit (manchmal) mehr als nur Amnesieprävention. Das Beispiel \“Archiv unterdrückter Literatur in der DDR\“

Vera Enke
Zur Überlieferungslage und Erschließung der Forschungsbereiche der Akademie der Wissenschaften der DDR

Ute Essegern
Das \“Häschen-Prinzip\“. Von Gedächtnisverlust und Neuanfang eines Medienarchivs

Wolfgang Klaue
\“Aber ein richtiges Archiv ist das eigentlich nicht\“

Matthias Lienert
Gedanken zu Tradition und Moderne im Universitätsarchiv

Norbert Moczarski
Archivdepot Suhl – Problematischer Neubeginn in einem alten Gefängnisbau

Klaus Oldenhage
Vom Missbrauch des Wortes ,,Koblenz\“ beim politischen Kampf um die Stasi-Unterlagen

Susanne Paulukat
Von Westaufzeichnung, Ostaufzeichnung und Medienarchiven. Überlieferungslinien des DDR-Fernsehprogramms

Norbert Reimann
Privates Archivgut und öffentliches Interesse. Westfälische Adelsarchive – Pflege, Nutzung, Bedeutung für die Forschung

Regina Rousavy
Gießen oder Fügen? Zur Neufassung der Tektonik im Landesarchiv Berlin

Heike Schroll
Provenienzforschung am Landesarchiv Berlin. Ergebnisse und Möglichkeiten

Auswertung

Reiner Groß
König Friedrich August II. von Sachsen. Betrachtungen anlässlich seines 150. Todestages

Matthias Hermann
Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz

Stefi Jersch-Wenzel u. Thomas Jersch
Jacob Jacobson – deutscher Jude und Archivar (1888-1968)

Reinhard Kluge
Goethe als Behördenchef in seinem ersten Weimarer Jahrzehnt

Wolfgang Knohloch
Die Mitgliedsdiplome Alexander von Humboldts. Eine Überlieferungsodyssee von nahezu 140 Jahren

Manfred Kobuch
Der beschwerliche Weg von Thomas Müntzers Briefwechsel aus Dresden nach Moskau

Ingo Materna
\“Die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie\“. Zur Edition der Berichte der Regierungspräsidenten über die sozialdemokratische Bewegung in den Regierungsbezirken Frankfurt/Oder und Potsdam während des Sozialistengesetzes 1878-1890

Maria Rüger
Der Bildhauer Fritz Cremer und seine Wortgefechte. Zur Edition seiner Schriften, Reden, Interviews

Oliver Sander
Die Bauverwaltung der ,,Regierung Berlin\“ 1816-1821. Zur Vorgeschichte der Ministerial-, Militär- und Baukommission in Berlin

Gerhard Schmid
Goethes persönliches Archiv

Gerald Wiemers
Der Nachlass des Erziehungswissenschaftlers und Philosophen Theodor Litt in seiner öffentlichen Wirkung

IV. Epilog
Wolfgang Hempel
Erinnerst Du Dich? Ein persönlicher Rückblick

V. Anhang
Botho Brachmann – Curriculum vitae
Schriftenverzeichnis Botho Brachmann
Autorenverzeichnis

Vorzeigeobjekt Stadtarchiv Bad Schwartau

Die schleswig-holsteinische Kleinstadt Bad Schwartau, unmittelbar nordwestlich von Lübeck gelegen, war schon vor 1900 ein Luftkurort. 1895 war hier die erste Solequelle mit hohem Jodgehalt entdeckt worden. 1912 erhielt die Gemeinde das Stadtrecht, 1913 wurde Schwartau die staatliche Anerkennung als \“Bad\“ verliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verdoppelte sich die Bevölkerungszahl Bad Schwartaus durch Aufnahme von ostdeutscher Flüchtlinge und Vertriebener. Heute bestimmten die Schwartauer Werke der Konfitüren- und Zuckerwarenindustrie das Wirtschaftsleben der knapp 20.000 Einwohner zählenden Stadt.

Das im Aufbau befindliche Stadtarchiv Bad Schwartau, das gemeinsam mit dem Museum der Stadt Bad Schwartau verwaltet wird, gilt im Lande als "Vorzeigeobjekt", so Dr. Malte Bischoff vom Landesarchiv Schleswig-Holstein. Bischoff besucht und berät die Archive jener Städte und Kommunen im Lande, die die fachliche Unterstützung des Landesarchivs wünschen. Mit Bad Schwartau besitzt das Landesarchiv seit sechs Jahren einen Beratungsvertrag.

Für Dr. Bischoff stellt sich das Stadtarchiv Bad Schwartau als eine lebendige Einrichtung dar, die sich "der Bevölkerung öffnet und bei den Bürgern verankert ist\“. Darin hebe sich Bad Schwartau positiv von anderen Städten vergleichbarer Größenordnung ab. Auch werde die Archivarbeit in der Solbadstadt ernst genommen. So sind im kommenden Jahr 2006 25.000 Euro nur für das Archivwesen im Haushalt ausgewiesen. Für Bad Schwartaus Bürgermeister Gerd Schuberth eine Investition für die Zukunft: \“Ein Archiv ist auch für die kommenden Generationen wichtig.\“ 

Noch harren viele Kartons voller Dokumente ihrer Sichtung, Bewertung und Bearbeitung. Museumsleiter Viktor Kaczkowski ruft die Schwartauer Bevölkerung gleichwohl weiter dazu auf, alte Unterlagen dem Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. Alle Unterlagen seien dort gut aufgehoben und werden in optimal klimatisierten Räumen im Keller des Archivs gelagert.

Link: http://www.archive.schleswig-holstein.de/ 

Kontakt:
Museum der Stadt Bad Schwartau 
Schiller Str. 8-10 
23611 Bad Schwartau
Tel (04 51) 20 00-1 03

Landesarchiv Schleswig-Holstein
Prinzenpalais
24837 Schleswig
Tel.: 04621-861800
Fax: 04621-861801
landesarchiv@la.landsh.de

Quelle: Matthias Makovec, Kieler Nachrichten, 24.11.2005

Online-Verzeichnis der pfälzischen und rheinhessischen Kirchenbücher

Bisher gab es für die Pfalz und für Rheinhessen nur zwei konfessionsübergreifende Standardwerke (vgl. Müller, Anton: Die Kirchenbücher der bayerischen Pfalz. München 1925; Praetorius, Otfried: Kirchenbücher und Standesregister für alle Wohnplätze im Land Hessen. Darmstadt 1939), die lange Zeit eine ausgezeichnete Hilfe waren, jedoch schon seit Jahrzehnten einen starken Überholungsbedarf zeigen.

Familienforscher, Archive, Pfarr- und Standesämter können sich nun über ein neues Verzeichnis freuen, das ihnen bei der oft schwierigen Suche nach den Kirchenbüchern, ihrer Reproduktionen und der dazu gehörigen Literatur weiterhilft.

Das Online-Verzeichnis der pfälzischen und rheinhessischen Kirchenbücher basiert auf den Kirchenbuchverzeichnissen des Landesarchivs Speyer sowie auf Informationen aus einschlägigen Kirchenbuchverzeichnissen. Die Ortsliste deckt alle Orte der Pfalz und Rheinhessens ab, außerdem zahlreiche saarländische zum Sprengel der evangelischen und katholischen Kirche der Pfalz gehörige Pfarreien und einige im Kreis Bad Kreuznach liegende Orte der Diözese Mainz. Der zeitliche Schnitt liegt beim Jahr 1798, wobei einige Kirchenbücher auch längere Laufzeiten aufweisen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Kirchenbücher, die jünger als 1798 sind, bei den Kirchenarchiven oder Pfarreien befinden, in der Regel besitzen die Kirchenarchive jedoch Filme davon. Außerdem können für die Zeit ab 1798 die Zivilstandsregister bei den zuständigen Standesämtern eingesehen werden.

Durch den alphabetischen Aufbau und die umfassende Suchfunktion nach Ortsnamen oder Schlüsselbegriffen erhält der Benutzer in kurzer Zeit Informationen zu Umfang, Laufzeit, Art und Lagerort des gesuchten Kirchenbuchs. Es ist geplant, durch den kontinuierlichen Ausbau einen umfassenden Überblick über sämtliche Personenstandsunterlagen der Pfalz und Rheinhessens einem weltweiten Nutzerkreis zur Verfügung zu stellen.

Die Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz nimmt Kritik, Anregungen, zusätzliche Mitteilungen und Hinweise auf Fehler dankbar auf. Dies kann über das Diskussionsforum geschehen oder in direktem Kontakt mit der Bearbeiterin 

Andrea Kraft
Landesarchiv Speyer
Fax: 06232/9192-100
a.kraft@landesarchiv-speyer.de
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Quelle: Archivnachrichten, November 2005

Frischzellenkur für Stadtarchiv Hochheim

Es ist schon lange her, dass Bestände des Stadtarchivs Hochheim gesichtet und erschlossen wurden. Der Ist-Zustand liefert hingegen ein trauriges Bild: Das Hochheimer Stadtarchiv fristet ein Schattendasein im muffigen Keller des Alten Rathauses. In den hohen Schieberegalen liegen Bände alter Veröffentlichungen unter einer Staubschicht begraben – andere Akten sind in Pappkartons einigermaßen staubdicht verwahrt. Doch ein genauer Überblick über die Ordnung des Archivs besteht nicht.

Wenn man Stadtgeschichte ernst nimmt, dann müsse hier etwas geschehen, sagt Bürgermeisterin Angelika Munck (FWG). Trotz aller Sparbemühungen dürfe die Stadt ihr papierenes Erbe nicht vollständig vernachlässigen. Um eine aktuelle Bestandsaufnahme und Bewertung der Unterlagen zu ermöglichen, möchte Munck Fachleute des Hessischen Staatsarchivs Wiesbaden in Anspruch nehmen. 2.400 Euro sollen für diesen Zweck in den Haushalt 2006 eingestellt werden.

Sichten, sortieren und einordnen ist die eine Sache – die langfristige Unterbringung die andere. Der von sich aus eher feuchte Keller mit stellenweise von den Wänden bröckelndem Putz ist – trotz einer Entfeuchtungsanlage – ein alles andere als idealer Standort für ein Archiv. Deshalb gibt es die Idee, das Stadtarchiv Hochheim (und ebenso die Stadtbücherei) möglicherweise mit in ein von der Stadt neu erworbenes Gebäude für städtische Vereine zu nehmen. Die Bürgermeisterin hofft, dass die dortigen Kellerräume als Magazine besser geeignet sind als die bisherigen. Dann könnten sich ganz neue Perspektiven eröffnen. Das Archiv könnte dann auch erhaltenswerte Sachen von Privatleuten übernehmen. Und Interessierte könnten unter viel besseren Bedingungen mit den Unterlagen forschen. – Die Realisierungschancen hängen allerdings auch hier vom Geld ab. Außerdem bedürfe man des ehrenamtlichen Engagement der Hochheimer Bürger.

Kontakt:
Magistrat der Stadt 
Hochheim am Main
Burgeffstraße 30
65239 Hochheim am Main
Tel.: 06146/9000
Fax: 06146/900-199

Quelle: Angelika Heyer, Wiesbadener Kurier, 2.12.2005, Allgemeine Zeitung, 2.12.2005.

Praxismappe Archiv

Die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs stellt Musterformulare und Unterlagen für den Archivalltag zur Verfügung. Die Praxismappe Archiv wurde anlässlich der Präsentation der \“Richtlinien zur Sicherung und Nutzung der Ordensarchive\“ auf der Informationstagung der ARGE Ordensarchive vorgestellt. Die darin enthaltenen Unterlagen sollen die Umsetzung und Anwendung der Richtlinien im Archivalltag erleichtern.

Die Praxismappe Archiv enthält folgende Musterformulare, die einzeln als Word-Dokument, aber auch als pdf-Gesamtfile heruntergeladen werden können:

  • Übergabeprotokoll
  • Vereinbarung über die Übergabe und die Übernahme von Archivgut
  • Benutzungsantrag
  • Aushebungen für die Benutzung
  • Benutzungsordnung
  • Reproduktionen von Archivalien (Merkblatt)
  • Reproduktionsansuchen
  • Unterlagen zum Leihverkehr

Link: http://www.ordensarchive.at/images/stories/pdf/praxis/Praxismappe_Archiv.pdf 

Kontakt:
Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs
Sekretariat: Dr. Helga Penz
Erzabtei St. Peter
Postfach 113
A- 5010 Salzburg
Tel. +43-664-40-60-162
helga.penz@ordensarchive.at

Ingolstädter Kulturpreisträger 2006

Passend zum Stadtjubiläum 2006 erhalten zwei Historiker Ingolstadts als \“Anerkennung für herausragende Leistungen auf kulturellem Gebiet" den mit 6.000 Euro dotierten Kulturpreis der Stadt. Neben Dr. Theodor Straub, einem langjährigen Gymnasiallehrer, der für seine Verdienste um die Erforschung der Ingolstädter Geschichte, vor allem der Zeit des Nationalsozialismus, bereits 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden war, wird auch der ehemalige Kulturreferent Dr. Siegfried Hofmann den 1989 erstmals vergebenen Kulturpreis der Stadt Ingolstadt erhalten. 

Hofmann sitzt zur Zeit am zweiten Band der \“Geschichte der Stadt Ingolstadt\“, deren erster Band im Jahr 2000 erschienen ist. Drei Bände hat Hofmann geplant. Der erste behandelte die Geschichte bis zum Jahr 1505. Der zweite Band wird wohl in zwei Halbbänden erscheinen; die Zeit bis 1600 soll der erste Teil behandeln; der zweite Teil wird die anschließende Geschichte bis 1800 umfassen. Hofmann hatte nach dem Studium in München als Archivar in Ingolstadt angefangen. Diese Tätigkeit führte er auch in seiner Zeit als Kulturreferent in Doppelfunktion weiter. Unter Dr. Siegfried Hofmann wurde das Museum für Konkrete Kunst aufgebaut, das Georgische Kammerorchester angesiedelt und die Herausgabe der Ingolstadtbände verwirklicht.

Quelle: Barbara Fröhlich, Donaukurier, 2.12.2005

Verdienstorden für ehrenamtlichen Archivar

Aus Anlass des diesjährigen Tages des Ehrenamtes wurden am 20. November neun saarländische Persönlichkeiten mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Überreicht wurden die hohen Auszeichnungen, die auf Vorschlag des Ministerpräsidenten von Bundespräsident Horst Köhler vergeben wurden, von saarländischen Umweltminister Stefan Mörsdorf.

Die Ordensträger hätten mit ihrem unermüdlichen ehrenamtliches Engagement gezeigt, wie wichtig ihnen die Sorge um das Gemeinwohl unserer Gesellschaft ist, so der Umweltminister, der hinzufügte: "In Zeiten, wo die öffentlichen finanziellen Mittel immer knapper werden, gewinnt das bürgerschaftliche Engagement und die aktive Bürgerbeteiligung für die Gesamtgesellschaft mehr und mehr eine tragende Rolle". 

Unter den Ausgezeichneten ist Dr. Dieter Bohn, der sich seit über drei Jahrzehnten in unterschiedlichen Bereichen seiner Heimatgemeinde Spiesen-Elversberg engagiert. Von 1973 bis 1983 war er Leiter der Evangelischen Akademie Spiesen in der Erwachsenenbildung. Darüber hinaus startete Dieter Bohn verschiedene Initiativen zur Förderung des Gemeinschafts- und Kulturlebens. Seit 1973 ist er Vorstandsmitglied des Heimatvereins Spiesen. Außerdem widmet sich Dieter Bohn der Heimatgeschichte. Seit 1976 ist er Mitglied des Redaktionskreises Heimatkalender Spiesen-Elversberg und ist seit neun Jahren ehrenamtlicher Archivar der Gemeinde Speisen-Elversberg. Im Jahre 1996 war aufgrund eines Gemeindebeschlusses in Spiesen ein Gemeindearchiv eingerichtet worden. Dieter Bohn hat das Gemeindearchiv aufgebaut und betreut. Die Bestände bilden folgende Abteilungen: Historische Abteilung (Unterlagen bis 1974); Hauptabteilung (Unterlagen der Gemeinde Spiesen-Elversberg ab 1974); Gesellschaftliche Gruppen (Archivgut der Kirchen, Parteien, Vereine, Schulen usw.); Wirtschaft; Einzelpersonen (Stiftungen, Nachlässe); Sammlungen (Urkunden, Karten, Druckschriften, Bilder) 

Kontakt:
Dr. Dieter Bohn
Gemeindearchiv Spiesen-Elversberg
Mittelbergschule
66583 Spiesen-Elversberg
Tel. 06821-78450

Quelle: Pressemitteilung, Ministerium für Umwelt des Saarlandes, 30.11.2005

Ausstellung und Vorträge zum Thema Antisemitismus im Staatsarchiv Darmstadt

„In antisemitischer Gesellschaft“ lautet der Titel einer Ausstellung, die am 2. Dezember um 18.30 Uhr im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt eröffnet wird. Begleitend dazu gibt es eine Vortragsreihe über das Thema Antisemitismus.

Die Schau, die noch bis zum 20. Dezember im Darmstadt zu sehen ist, dokumentiert antisemitische Gewalt in Deutschland und Europa und informiert über Ursachen, Funktionen und die Geschichte des Antisemitismus. Auf den Informationstafeln werden Themen wie \“2000 Jahre Antisemitismus\“ und \“Antisemitismus und Nahostkonflikt\“ beleuchtet. Die Langlebigkeit und der Wandel antisemitischer Stereotype und Bilder sowie alte und neue Erscheinungsformen des Antisemitismus sind zentrale Themen. 

Konzipiert wurde die Ausstellung von der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin, in Darmstadt ist der Asta der Technischen Universität Mitveranstalter. Die Ausstellung ist montags von 8.30 bis 19.30 Uhr zu sehen, dienstags bis donnerstags von 8.30 bis 17.30 Uhr, freitags von 8.30 bis 15 Uhr, außerdem am 11. Dezember (Sonntag) von 10 bis 13 Uhr.

Begleitend gibt es mehrere Vorträge, jeweils ab 19.30 Uhr (Einlass 18.30 Uhr) im Staatsarchiv. Am 2.12. spricht der Soziologe Lutz Eichler über den „Alltag des Antisemitismus“, am 8. Dezember heißt das Thema des Publizisten Sebastian Bischoff „Wo der Ellenbogen regiert. Zur Kritik des Anti-Amerikanismus“ und am 15. Dezember referiert die Politikwissenschaftlerin Ljiljana Radonic über „Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus“.

Veranstaltungen:
Freitag, 02.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Lutz Eichler (Soziologe, Frankfurt): \“Der Alltag des Antisemitismus\“ 
Potentielle atomare Bedrohung Israels durch den Iran, Selbstmordattentäter in Haifa, brennende Synagogen in Frankreich – Antisemitismus ist heute eine weltweite und akute Gefahr. Zur Einleitung der Veranstaltungsreihe soll es jedoch um den \“ganz normalen\“ Antisemitismus im post-nationalsozialistischen Alltag Deutschlands gehen, um den im Wohn- und Klassenzimmer, im Büro und im Cafe um die Ecke. Sekundärer, struktureller und antizionistischer Antisemitismus sind selbstverständlicher Teil der Wahrnehmung und Erklärung gesellschaftlicher Prozesse geworden. Wie lässt er sich quantitativ bestimmen, qualitativ beschreiben und erklären? Anhand einiger neuerer Studien wird der Frage nach einem antisemitischen Klima nachgegangen. 

Donnerstag, 08.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Sebastian Bischoff (Freier Publizist, ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter im Europäischen Parlament): \“Wo der Ellenbogen regiert. Zur Kritik des Anti-Amerikanismus\“ 
Dass die Weltmacht USA arrogant sei, die McDonaldisierung der Kultur voranschreite und jenseits des großen Teiches die soziale Kälte wohne, weiß der Punk genau so wie die Großbürgerin. Letzteres wird nicht mehr nur in der Linken oder in der \“Zeit\“ Neoliberalismus genannt, auch Blüm, Seehofer und Geißler geißeln die undeutschen Zustände. Manche sehen dann die ganze EU als Bollwerk gegen den anglo-amerikanischen Virus, der beharrlich seine Heuschrecken als Spähtrupp vorschickt. 
Der Vortrag will erläutern, wann und warum sich die Wahrnehmung elender Zustände auf Objektsuche macht. Gesucht wird, wer sich verantwortlich zeichnet für die \“Auswüchse\“ des Kapitalismus halte dieser doch als solcher eine große Chance für jeden einzelnen bereit. Warum wird der Schuldige nicht zufällig regelmäßig in den USA, im \“Amerikanismus\“ und unter Amerikanern gefunden. 

Montag, 15.12.05
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (Karolinenplatz 3)
Ljiljana Radonic (Politikwissenschaftlerin, Wien): \“Die friedfertige Antisemitin? Kritische Theorie über Geschlechterverhältnis und Antisemitismus\“ 
Haben Frauen dasselbe Bedürfnis wie Männer, unerlaubte Regungen auf \“Sündenböcke\“ zu projizieren oder sind sie zu aggressivem Verhalten und Antisemitismus gar nicht fähig? Sind Frauen tatsächlich das \“friedfertige Geschlecht\“, wie beispielsweise Margarete Mitscherlich behauptete? 
Jahrelang hat die \“neue Frauenbewegung\“ ein positives Bild von \“der Frau\“ im NS gezeichnet, was nicht selten zu einer den Holocaust verharmlosenden oder gar antisemitischen Argumentation führt(e). Frauen wirkten als KZ-Aufseherinnen, Denunziantinnen oder Fürsorgerinnen an der Ausgrenzung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden begeistert mit. 
Ist dem feministischen Opfermythos die Grundlage entzogen, so lässt sich auf Basis einer kritischen Theorie des Antisemitismus die Frage stellen, ob dieser bei Frauen und Männern die gleichen Bedürfnisse befriedigt, oder ob entsprechend der verschiedenen Geschlechterrollen unterschiedliche Inhalte projiziert werden. Und welche Rolle spielt dabei die Entwicklung zu einer \“vaterlosen Gesellschaft\“, in der charakterlose Charaktere die autoritäre Persönlichkeit ablösen?

Kontakt:
Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
Karolinenplatz 3
64289 Darmstadt 
Telefon: 06151/165900
Telefax: 06151/165901
poststelle@stad.hessen.de

Quelle: Echo Online, 1.12.2005

Archivpfleger aus Neumarkt bilden sich weiter

Zur Weiterbildung tagten die Archivpfleger des Landkreises Neumarkt in der fränkischen Kleinstadt Roth. Im Schloss Ratibor ist das Stadtarchiv Roth mit seinen 600 laufenden Metern Akten im beengten Dachgeschoss untergebracht. Hauptamtlicher Museumsleiter und Stadtarchivar Guido Schmid erklärte den Kollegen aus dem Landkreis Neumarkt sehr ausführlich das Archiv. Dieses beinhaltet unter anderem die ältesten Akten und Urkunden seit dem 14. Jahrhundert, da Roth sowohl im Dreißigjährigen Krieg als auch im Zweiten Weltkrieg nahezu unversehrt blieb. Fast vollständig ist auch die Industriegeschichte der Leonischen Drahtwerke nachvollziehbar oder der Bundeswehr-Standort in Roth, der nächstes Jahr sein 50-jähriges Jubiläum begeht.

Bei der Gebietsreform wurden acht Gemeindearchive komplett übernommen. Momentan werden die Daten elektronisch erfasst, erläuterte Schmid.
Im Anschluss wurden die Archivpfleger von Stadtführerin Anke Geyer durch den Museumstrakt im Schloss Ratibor geführt. Ein Vorzeigemuseum, waren sich die Archivpfleger aus dem Landkreis Neumarkt abschließend einig.

Quelle: Mittelbayerische, 1.12.2005

Die NS-Mörder sind noch unter uns

In ganz Westeuropa verübten deutsche Wehrmacht, SS- und Polizeitruppen Massaker an der Zivilbevölkerung. Ortsnamen wie Sant\’Anna di Stazzema, Marzabotto, Vallucciole (Italien), Oradour-sur-Glane (Frankreich), Kragujevac (Serbien), Distomo, Kommeno (Griechenland) stehen hier für diese Politik der verbrannten Erde. 

Die wenigsten Täter wurden bis zum heutigen Tage zur Rechenschaft gezogen. In Italien wurden 700 italienische Ermittlungsakten während des Kalten Krieges aus dem Verkehr gezogen. Der Schrank mit den Ermittlungsakten, der sich in der Generalstaatsanwaltschaft in Rom befand, wurde einfach umgedreht, so dass sich die Schranktüren nicht mehr öffnen ließen. Über 30 Jahre gingen Bedienstete der Staatsanwaltschaft an diesem \“Schrank der Schande\“ vorbei. Erst 1994 wurde nachgeschaut, was sich in diesem Schrank befindet.

Dies erklärt die Zunahme von Prozessen in Italien, die auf Grund der alten, neu aufgetauchten Ermittlungsakten geführt werden konnten. So wurde Erich Priebke 1998 zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er an dem Massaker an 335 Menschen, darunter 75 Juden, 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom beteiligt war. Der Prozess zu dem Massaker in Sant\’Anna, der im April 2004 eröffnet wurde, fand in Italien eine große öffentliche Anteilnahme, da die juristische Bewertung für die gesellschaftliche Ächtung des Verbrechens von hoher Bedeutung war. Am 22. Juni 2005 wurden die Urteile gesprochen. Zehn deutsche SS-Offiziere wurden zu lebenslanger Haft und Entschädigungszahlungen verurteilt, da ihnen die Verantwortung am Massaker von Sant\’Anna nachgewiesen werden konnte. Im Urteil wurde erstmals anerkannt, dass es sich um keine militärische Aktion oder eine Aktion gegen Partisanen, sondern um ein Massaker an der Zivilbevölkerung handelte, und es wurden die Täter beim Namen genannt.

Zwei der zehn verurteilten NS-Verbrecher wohnen in Hamburg. Während sich Werner Bruß verantwortlich für das Massaker fühlte und in Italien schriftlich ausgesagt hat, bestreitet der damalige Ranghöchste Gerhard Sommer bis zum heutigen Tage seine Schuld. Dem Fernsehmagazin Kontraste sagte er noch 2002, dass diese Zeit für ihn erledigt sei: \“Ich habe mir keinerlei Vorwürfe zu machen, ich habe ein absolut reines Gewissen\“. Die deutschen Mörder brauchen keine Angst zu haben, dass das Urteil vollstreckt wird, denn Deutschland liefert in der Regel Kriegsverbrecher nicht aus.

Quelle: Birgit Wulf, ak – analyse + kritik – Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 500, 18. November 2005