Hannover und die Hanse zur Zeit des Stralsunder Friedens 1370

Das Stadtarchiv Hannover hatte 2020 das 650. Jubiläum des Stralsunder Friedens zum Anlass genommen, Hannovers Verhältnis zur Hanse zu untersuchen. Die entstandene Ausstellung „Hannover und die Hanse zur Zeit des Stralsunder Friedens 1370“ konnte pandemiebedingt nur online gezeigt werden. Jetzt wird die Ausstellung, nun erweitert um originale Dokumente aus dem späten 14. Jahrhundert, analog präsentiert.

Die Ausstellung stellt die politischen Akteure und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor, zeigt Urkunden und Bücher der Verwaltung und sucht nach Spuren der Hanse in Hannover. Mit welchen Themen haben sich die Ratsherren um 1370 beschäftigt? Wie engagierte sich Hannover im Krieg um die wirtschaftliche Vormachtstellung in der Ostsee? Welche Rolle spielte Hannover im Netzwerk der Hanse? Kannte und nutzte man die neuen Privilegien, die Lübeck und die Seestädte für das Hanse-Bündnis erkämpften?

Vor 650 Jahren schlossen die verbündeten Hansestädte mit König Waldemar IV. von Dänemark den Frieden von Stralsund. Die Hanse konnte ihre Vormachtstellung in der Ostsee behaupten und eine Bestätigung weitreichender Privilegien erkämpfen. Der Friedensschluss von Stralsund gilt als Höhepunkt der Hansegeschichte. Er ist auch deshalb bemerkenswert, weil hier eine kleine Städtegruppe einen Sieg erkämpfte, dessen Privilegien der ganzen Hanse-Gemeinschaft zugutekamen – und das fast 200 Jahre lang.

In den zehn Jahren der Auseinandersetzung waren Hannover und die anderen sächsischen Städte mit dem Ausbau der eigenen politischen und wirtschaftlichen Stellung beschäftigt. So konnte in Hannover der Mauerring nach dem Abriss der herzoglichen Burg direkt vor den Toren der Stadt endlich geschlossen werden. Dies erlaubte der Stadt eine rechtliche Abgrenzung, die Demonstration ihrer politischen Stellung und den Schutz vor feindlichen Überfällen. Der geschlossene Mauerring mit 32 starken Türmen war so wichtig, dass die spätere Stadtgeschichtsschreibung deshalb meinte, die „Aufnahme“ in die Hanse auf das Jahr 1371 setzen zu müssen.


Abb.: Das „rote Stadtbuch“, Stadtprotokollbuch (Stadtarchiv Hannover, I.AA.3 Nr. 8232)

Die Quellen aus der Stadtschreiberei belegen die für zentral angesehenen Schwerpunkte des städtischen Lebens: Eigentums- und Erbschaftsfragen, Dotationen an Kirchen und Altäre, Schuldverträge, Privilegien, die Verzeichnung der Neueinwohner*innen und Rechtsbelehrungen galten für so wichtig und erhaltenswert, dass sie auf teurem Pergament geschrieben wurden. Die ältesten Aufzeichnungen der Stadtverwaltung, zum Beispiel Einnahmen aus den städtischen Mühlen, stammen erst aus dem Ende des 14. Jahrhunderts und wurden dann auf Papier verzeichnet.

„Echt hansische“ Spuren finden sich auch heute noch im Alltagsleben der Stadt. Wie im gesamten Hansekulturraum wurde in Hannover mit Backstein gebaut und in Niederdeutsch kommuniziert. Auch in Hannover trainierten die Einwohner ihre Wehrtüchtigkeit durch das „Papageienschießen“. Den eigenen Einwohnern und fremden Kaufleuten wurde die Möglichkeit des Gebetes am Altar von St. Olav, dem Schutzpatron der Seefahrer, geboten.

Die Archivausstellung „Hannover und die Hanse zur Zeit des Stralsunder Friedens 1370“ ist ein Projekt des Stadtarchivs Hannover mit Unterstützung des städtischen Büros für internationale Angelegenheiten und Teil der Veranstaltungsreihe „Frieden 2020+. Verantworten – Bewahren – Machen!“.

Die Öffnungszeiten sind Dienstag, Mittwoch, Donnerstag von 9 bis 13 Uhr. Anmeldungen sind per Telefon oder Mail möglich.

Kontakt:
Stadtarchiv Hannover
Am Bokemahle 14-16
30171 Hannover
Tel.: +49 511 168-42173
Fax: +49 511 168-46590
stadtarchiv@hannover-stadt.de
http://www.hannover.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Hannover, Pressemitteilung, 16.11.2020; Stadt Hannover, Pressemitteilung, 22.11.2021

Stadtarchiv Troisdorf sichert historische Kassenbücher

Unterstützung durch KEK-Fördergelder.

Im Anschluss an eine erste Fördermaßnahme im Jahr 2019 stellte das Stadtarchiv Troisdorf auch für das Haushaltsjahr 2020 erfolgreich einen Förderantrag unter dem Titel „Historische Kassenbücher vor dem Zerfall bewahrt – Stadtarchiv Troisdorf sichert originale Großformate“. Im Vordergrund stand die Trockenreinigung und Umverpackung von 150 großen und schwergewichtigen Kassenbüchern der städtischen Verwaltung aus den 1920er bis 1950er Jahren.


Abb.: Troisdorfs Bürgermeister Alexander Biber und Archivleiterin Antje Winter (Stadtarchiv Troisdorf) begutachteten die neuen Kartons für die Kassenbücher (Foto: Stadt Troisdorf).

Die Arbeiten zur Sicherung der Kassenbücher wurden durch die Modellprojektförderung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) ermöglicht. Die Stadt Troisdorf erhielt 10.000 Euro Zuwendung, an Eigenmitteln kamen weitere 6.132 Euro hinzu. Die KEK als Einrichtung des Bundes koordiniert seit 2011 den Erhalt schriftlicher Originale und trägt damit wesentlich zur Sicherung des kulturellen Erbes und Gedächtnisses der Kommunen bei.

Die neuen Kartons sind Sonderanfertigungen – besonders wegen des ungewöhnlichen Formates der historischen Kassenbücher. Diese nach DIN-Norm hergestellten Kartonagen werden zukünftige Schäden am Archivgut verhindern. Der an den Kassenbüchern festgestellte Feuchtigkeitsschaden war durch eine nicht adäquate Unterbringung entstanden.

Es zeigte sich, wie wichtig geeignete Magazinräume für wertvolles Archivgut sind. Dachböden und feuchte Kellerräume sind dazu keinesfalls geeignet. Auch muss eine regelmäßige Kontrolle der Klimawerte und eine Begehung der Räume erfolgen, um Schäden vorbeugen zu können.

Antje Winter, die Leiterin des Troisdorfer Stadtarchivs, zeigte sich sehr dankbar dafür, auch im Jahr 2020 Bundesfördermittel von der KEK erhalten zu haben. Mit ihrer Hilfe konnten die Kassenbücher von einer Fachfirma für Bestandserhaltung in einem speziellen Verfahren trocken gereinigt werden. „Die neuen Kartons sichern die Überlieferung, schützen vor neuen möglichen Schäden und bilden eine Barriere gegen Staub und andere Schadensbilder“, so Antje Winter weiter.

Das Stadtarchiv Troisdorf setzt seit einigen Jahren einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Bestandserhaltung. Dabei geht es nicht nur um die Entsäuerung der Papiere. Wichtig ist zugleich die Anschaffung säurefreier Kartonagen und Mappen, die fortlaufende Optimierung der Magazinräume und auch die regelmäßige Reinigung der Magazine. Diese Maßnahmen wurden Schritt für Schritt umgesetzt. Auf diese Weise können die wertvollen und einmaligen Originale im Stadtarchiv Troisdorf – mit einem Bestand von inzwischen mehr als 2,5 Kilometer Archivgut – angemessen erhalten werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Troisdorf
Rathaus
Kölner Straße 176
53840 Troisdorf
Tel.: 02241 900-135
Fax: 02241 900-8135
Stadtarchiv@Troisdorf.de

Quelle: Stadt Troisdorf, Pressemitteilung 514, 22.11.2021

Petition gegen die Auflösung von Memorial International

Am 11. November 2021 hat die Menschenrechtsorganisation MEMORIAL vom Obersten Gericht Russlands eine Vorladung zu einem Gerichtstermin am 25. November 2021 erhalten. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Auflösung von Memorial-International. Sie wirft der Organisation „wiederholte Verstöße“ gegen das Gesetz über „Ausländische-Agenten“ vor. Gleichzeitig wird ein Moskauer Gericht über die Auflösung des Menschenrechtszentrums Memorial entscheiden.

Die nun von Auflösung bedrohte Internationale Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschrechte und soziale Fürsorge MEMORIAL ist eine der letzten bedeutenden Organisationen der russischen Zivilgesellschaft, die sich seit ihrer Gründung 1989 mit ihren zahlreichen Organisationen in Russland, in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie im westlichen Ausland konsequent für die Aufarbeitung der stalinistischen Verbrechen, insbesondere des GULag, eine kritische Auseinandersetzung mit der sowjetischen Geschichte insgesamt sowie für die Einhaltung der Menschenrechte auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR einsetzt.

Für ihre Arbeit auf historisch-wissenschaftlichem Gebiet sowie auf dem Feld der Menschenrechte ist Memorial bzw. sind Aktivistinnen und Aktivisten der Organisation international mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Sacharow-Preis des EU-Parlaments (2009). Dem Putin-Regime ist die Organisation mit ihrem Engagement für Menschenrechte und ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der sowjetischen/russischen Vergangenheit bereits seit Jahren ein Dorn im Auge. Auf der Basis des 2012 erlassenen Gesetzes über „Ausländische Agenten“ betreibt die russische Staatsanwaltschaft auf Initiative des Putin-Regime die Schließung von Memorial, wie die zahlreicher anderer NGOs bereits zuvor.

Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V. (DGO), der größte Verbund der Osteuropaforschung im deutschsprachigen Raum, protestiert gegen diesen nicht zu rechtfertigenden Angriff auf Memorial. Die DGO fordert die russische Generalstaatsanwaltschaft auf, den Antrag auf Auflösung von Memorial International sowie des Menschenrechtszentrums Memorial unverzüglich zurückzuziehen. Die DGO fordert zudem die Bundesregierung und die Europäische Union auf, alles in ihren Kräften Stehende zum Schutz von Memorial, seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der russischen Zivilgesellschaft zu unternehmen.

In den vergangenen Tagen haben zahlreiche namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Menschenrechtler, Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftler und Bürger in Russland und im Ausland ihre Solidarität mit Memorial zum Ausdruck gebracht und sich gegen eine Schließung von Memorial ausgesprochen.

Die Petition der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde gegen die Auflösung von Memorial International kann hier unterstützt werden.

Weitere Informationen sind auf der Homepage von Memorial Deutschland zu finden, darunter ein Podcast mit der russischen Historikerin und Memorial-Aktivistin Irina Scherbakowa.

Quelle: DGO: Protest gegen den Angriff auf Memorial, 12.11.2021; Prof. Dr. Frank Grüner (Universität Bielefeld, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie): Petition gegen Schließung von Memorial, 21.11.2021; Memorial Deutschland, Übersetzung und Stellungnahme zum Antrag der Moskauer Generalstaatsanwaltschaft auf Auflösung von Memorial International vom 11.11.2021.

Das feministische Archiv FFBIZ ist in Gefahr

Einladung zur Unterzeichnung eines Offenen Briefes an die Berliner Politik.

Hunderte Frauen wollten 1978 in Berlin eine der wichtigsten Sammlungen der historischen Frauenbewegung retten. Sie gründeten dafür ein autonomes Bildungs- und Forschungszentrum, das Frauen jeden Alters und Bildungsgrads offenstand. Die turbulente Geschichte des feministischen Archivs FFBIZ dauert bis heute an und steht exemplarisch für ein feministisches Projekt zwischen Existenzkampf und Selbstermächtigung. – Nun wendet sich das FFBIZ mit einem Offenen Brief an die Vertreterinnen und Vertreter der Berliner Landespolitik, an den Senat und an die Bürgermeisterkandidatinnen – und bittet zugleich um dessen Unterzeichnung:

Das das feministische Archiv FFBIZ ist eines der ältesten und bedeutendsten Frauenbewegungsarchive in Deutschland und die bestandsgrößte Einrichtung ihrer Art. Es dokumentiert die Geschichte der Frauenbewegungen seit 1968 sowie die Entwicklungen, die von ihnen ausgingen. Gesammelt werden Dokumente, Bücher, Fotos, Audios und Videos sowie Objekte zu Frauenbewegungen, Feminismus und Queerfeminismus. Die Materialien stammen aus Berlin, der Bundesrepublik und der ganzen Welt. Das Archivgut, das in traditionellen Einrichtungen lange als nicht archivwürdig galt, wird kontinuierlich erschlossen, professionell archiviert und zur öffentlichen Nutzung bereitgestellt. Genutzt wird es von Forschenden, Kurator*innen, Studierenden, Schüler*innen, Journalist*innen oder Aktivist*innen. Sie kommen aus ganz Deutschland, Europa und auch aus dem außereuropäischen Ausland nach Berlin, um das feministische Archiv FFBIZ zu nutzen.

Bereits jetzt läuft unser Archivbetrieb am Limit. Mit drei Teilzeitstellen entsprechend einem Stellenvolumen von nicht einmal 2 Vollzeitstellen bewältigen wir ständig wachsende Nutzungszahlen, erschließen und archivieren. Unser Magazin platzt aus allen Nähten, es gibt kaum noch Platz für neue Materialzugänge, wir brauchen dringend neue Räume. Mitten in dieser ohnehin kritischen Lage hat der Senat im Juni 2021 einen Haushaltsentwurf verabschiedet, der vorsieht die Zuwendungen für das FFBIZ um 20% zu kürzen. Eine Teilzeitstelle müsste dann ganz wegfallen. Die beiden anderen Teilzeitstellen müssten weiter gekürzt werden. Das Archiv soll mit etwas mehr als einer Vollzeitstelle betrieben werden. Das ist im bisherigen Umfang schlicht nicht möglich. Die Kürzungen würden daher konkret bedeuten:
– stark reduzierte Öffnungszeiten
– eingeschränkte Erreichbarkeit
– nur noch vereinzelt Bearbeitung von neuen Beständen
– keine Veranstaltungen mehr
– Suche nach größeren Räumen würde unmöglich, daher perspektivisch keine Annahme von Materialspenden mehr.

Auch wenn dieser Haushaltsentwurf vom neuen Berliner Senat noch einmal nachverhandelt wird, steht fest: Kürzungen in diesem Ausmaß gefährden aktiv die Überlieferung von feministischer und Frauenbewegungsgeschichte in Berlin und dürfen so nicht umgesetzt werden. Die Bewahrung feministischer Geschichte hat ihren Preis. Wir sind ein essentielles Stück feministischer Bewegung und Berliner Geschichte, das eine stabile Arbeitsgrundlage braucht. Wir schließen uns den Forderungen des Berliner Frauennetzwerk bfn an und fordern für das FFBIZ eine verlässliche und bessere Finanzierung durch das Land Berlin, um endlich in angemessenere Räume umziehen sowie eine sichere Arbeitsgrundlage mit mindestens zwei Vollzeitstellen realisieren zu können.

Das FFBIZ bittet um das Unterschreiben und Teilen des offenen Briefes an die Berliner Bürgermeisterkandidat*innen, die gleichstellungs- und haushaltspolitischen Sprecher*innen und die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: https://ffbiz.de/offenerbrief

Über die Geschichte des FFBIZ – das feministische Archiv schreibt Friederike Mehl auf dessen Homepage:

Im Laufe der 1980er Jahre entwickelte sich das FFBIZ zu einem festen Bestandteil der feministischen Infrastruktur West-Berlins und war in Bezirk und Stadt wie auch als Teil westdeutscher und internationaler Bündnisse vernetzt. Die FFBIZ-Frauen wirkten bei etlichen Kampagnen mit: Anti-AKW und für Frauenhäuser, gegen die Volkszählung 1987 und für feministische Medien, Anti-§ 218 und für Frauenmärsche, um nur einige Beispiele zu nennen.

Zentraler Bestandteil des Zentrums waren die Arbeitsgruppen: Lesben, Buchfrauen und VHS-Dozentinnen trafen sich zum Austausch, Frauen beschäftigten sich mit dem Archiv, der Bibliothek und Medien, mit Frauenarbeit, -erwerbslosigkeit und der sogenannten „Dritten Welt“, sie betrieben Zeitzeuginnenprojekte zu Frauen in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Neuen Frauenbewegung. Kurzum: die Themen der Bewegung fanden durch AGs ihren Platz im FFBIZ – und damit auch in dessen Archiv.

Jahrelang forderten die FFBIZ-Frauen finanzielle Unterstützung vom Berliner Senat. Dies bedurfte politischen Taktierens, starken Rückhalts in der Community und viel Geduld. Die Miete zahlten sie zunächst aus Mitglieds- und Kursgebühren, Raummieten von Gruppen und Spenden. Schließlich revidierten die Frauen ihre Ablehnungshaltung gegenüber dem sogenannten ‚Fink-Topf‘, einem in der Alternativszene umstrittenen Förderinstrument für Selbsthilfeprojekte des Berliner Senats (benannt nach Senator Ulf Fink). Ab 1985 erhielten sie daraus Mietzuschüsse, Sachmittel und eine Stelle „mit untertariflicher Bezahlung“. Die Gelder standen jedoch in keinem Verhältnis zum Bedarf. Zum zehnten FFBIZ-Geburtstag resümierte Mitfrau Gisela Vollradt: „der größte Teil unserer Arbeit […] ist pure Selbstausbeutung“.

Bis Ende der 1990er konnte sich das FFBIZ trotz finanzieller und interner Turbulenzen gut halten. Im Jahr 2003 drohte der Berliner Senat schließlich seine ohnehin geringen Zuschüsse substanziell zu kürzen. Die FFBIZ-Frauen warteten nicht auf Gewissheit und suchten neue Räume. Schließlich gingen sie eine Kooperation mit dem Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung ein, das ihnen einen Büroplatz und ein professionelles Archivmagazin anbot. Die Charlottenburger Instanz konnte damit als unabhängige Einrichtung fortbestehen, musste aber die Heimatgefilde verlassen.

Mit dem Umzug in den Osten Berlins verlor das FFBIZ eine entscheidende Ressource: den Anschluss an die Frauen, die die Frauenbewegung getragen hatten (die sich ihrerseits in den 1990er Jahren stark gewandelt hatte). Der Verlust der Basis bedeutete einen Bruch mit dem Selbstverständnis des Zentrums, das sich nun vollkommen auf die Archiv- und Bibliotheksarbeit konzentrierte. Auf den örtlichen folgte 2011 der Generationenwechsel, als die Mitgründerin und langjährige Leiterin, Ursula Nienhaus, in den Ruhestand ging.

Orts- und Generationenwechsel stellten das FFBIZ vor eine – für Bewegungsarchive typische – Herausforderung: „Archivarbeit [lebt] doch davon, Teil einer oder mehrerer ‚Bewegungen‘ zu sein“, schrieb Roman Klarfeld, nachdem er die Leitung des FFBIZ übernommen hatte. In Anbetracht der jüngeren Umbrüche gelte es, das Archiv als ein Zentrum weiterzuentwickeln, das „zur Vermittlung zwischen feministischen Generationen und feministischen Strömungen beiträgt.“ Um diese Rolle auszufüllen, hat das FFBIZ-Team begonnen im Kontext der Debatten um einen intersektionalen Feminismus die eigene Sammlungspraxis offensiver als politisches Projekt einer mehrheitlich weißen Frauenbewegung zu problematisieren. Außerdem werden Kontakte zu ehemaligen und gegenwärtigen feministischen Aktivist*innen und Interessierten gestärkt, etwa durch Lesekreise, Filmreihen und Zeitzeug*innen-Interviews. Um aktuelle Bewegungen im Archiv abzubilden, sind neben neuen Begegnungen auch neue Ansätze in der Archivarbeit notwendig. Es bedarf technischer (und rechtlicher) Lösungen, etwa um Netzdebatten abzubilden, die aktuelle Diskurse maßgeblich prägen.

Auch jenseits analoger und digitaler Archivarbeit bleibt das FFBIZ ein politisches Projekt – mit offenen Forderungen. Die Förderung des Senats ist bis heute nicht gesichert, sondern wird jährlich neu entschieden. Zudem stößt das Magazin aufgrund des massiv wachsenden Bestands an seine Grenzen. Aus diesen Gründen ist das FFBIZ eins der Projekte, die sich für ein Elberskirchen-Hirschfeld-Haus in Berlin – einen Ort der Dokumentation und Erforschung queerer und feministischer Geschichte – einsetzen. 40 Jahre nach dem ersten Aufruf bleibt die Vision eines lebendigen und autonomen FFBIZ damit so aktuell wie am ersten Tag.

Kontakt:
Das feministische Archiv FFBIZ
Eldenaer Straße 35
10247 Berlin
+49 30 95 61 26 78
info@ffbiz.de
www.ffbiz.de

Mit Kinderbuchreihe Kinder (und Eltern) fürs Archiv begeistern

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg schließt mit dreibändiger Kinderbuch-Reihe eine Lücke im deutschen Sprachraum.

Mit dem neuen Kinderbuch „Die Maus Mitza und ihre ägyptischen Vorfahren aus dem Schloss Kaltenbrunn“ kann das Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg jetzt den dritten Band einer erfolgreichen Kinderbuchreihe präsentieren. Das Kinderbuch ist in den letzten Monaten aus dem Slowenischen ins Deutsche übertragen worden. Wie die beiden bisherigen Bände enthält es zahlreiche Illustrationen der slowenischen Künstlerin Tina Brinovar. Die jetzt komplett ins Deutsche übertragenen Archiv-Kinderbücher zu den Abenteuern der Maus Mitza und des Archiv-Gespenstes Ferdi schließen dabei für den deutschen Sprachraum eine Lücke: Solche „archivpädagogisch“ nutzbaren, im Buchhandel erhältlichen Publikationen gab es bislang nicht.

Im neuen Kinderbuch erfährt die Maus Mitza mithilfe des Gespenstes Ferdi vieles über ihre Vorfahren und letztlich auch, wie Archive den Menschen bei der Familienforschung helfen können.

Das Kinderbuch ist in Kooperation mit dem Verlag Schmidt (Neustadt an der Aisch) erschienen. Die Publikation ist, wie bereits bei Band 2 (Die Maus Mitza und der Brief von Leopold an Rosalia), durch das Generalkonsulat der Republik Slowenien (München) unterstützt worden.

Alle Bände der Kinderbuchserie im Überblick:

  1. Barbara Pešak Mikec / Nataša Budna Kodrič, Die Maus Mitza im Archiv, 2. Auflage, Neustadt an der Aisch 2018 (Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Sonderpublikationen), ISBN 978-3-87707-138-0, 14,90 Euro
  2. Barbara Pešak Mikec / Nataša Budna Kodrič, Die Maus Mitza und der Brief von Leopold an Rosalia, Neustadt an der Aisch 2019 (Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Sonderpublikationen), ISBN 978-3-87707-160-1, 17,90 Euro
  3. Barbara Pešak Mikec / Nataša Budna Kodrič, Die Maus Mitza und ihre ägyptischen Vorfahren aus dem Schloss Kaltenbrunn, Neustadt an der Aisch 2021 (Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Sonderpublikationen), ISBN 978-3-87707-227-1, 19,90 Euro.

Alle drei Bände können über den Buchhandel sowie den Webshop des Stadt- und Stiftsarchivs Aschaffenburg bestellt werden.

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv
der Stadt Aschaffenburg
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: +49 6021 4561050
stadtarchiv@aschaffenburg.de
https://stadtarchiv-aschaffenburg.de

Quelle: Stadt Aschaffenburg, Pressemitteilung, 17.11.2021

Wunschtraum und Realität – 4. Berliner Archivtag 2021

Der 4. Berliner Archivtag konnte am 17.11.2021 zwar nicht in Präsenz, aber immerhin als Online-Veranstaltung mit bis zu 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt werden. Veranstaltet vom Landesverband Berlin im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. führte dessen Vorsitzender Dr. Torsten Musial (Archiv Film- und Medienkunst der Akademie der Künste) durch das Programm, das unter der Fragestellung „Digitalisierung – Wunschtraum oder Realität?“ stand.

Der Tagungsverlauf war sehr ansprechend, thematisch aufeinander aufbauend gegliedert, so dass man zunächst Praxisberichte aus verschiedenen Berliner Archiven erhielt, bevor am späten Vormittag zwei weitere Vorträge auch die allgemeinen fachlich-theoretischen Hintergründe behandelten, um – mit diesem Vorwissen ausgestattet – eigene Modelle, Strategien und Fachverfahren der Digitalen Langzeitarchivierung vorzustellen.

Dabei informierten Anke Spille und Marius Zierold über die Arbeit des Digitalen Deutschen Frauenarchivs, das eigentlich kein „Archiv“ sei, aber eine Digitalstrategie verfolge, zu der u.a. die Aggregation von Bestandsdaten aus über 30 Einrichtungen des i.d.a.-Dachverbands aus fünf europäischen Ländern gehört. Die DDF-Digitalisierungsparameter lehnen sich an die nestor-Empfehlungen an; die DDF-Beratungstätigkeit versucht im Alltag überdies, immer wieder deutlich zu machen, dass es aufgrund der enormen finanziellen Aufwände für die Digitalisierung nicht erst im Anschluss daran um die Sicherstellung der Langzeitarchivierung gehen darf. – Christoph Frank (Siemens Historical Institute) stellte die langbewährte Bilddigitalisierung in dem bereits 1907 eingerichteten Siemens-Archiv vor, zu der sich mittlerweile auch viele Aktendigitalisierungen gesellen. Dabei besteht für das SHI die Anforderung, insbesondere firmenintern schnell auskunftsfähig zu sein. Die Digitalisierung selbst muss aus Kapazitätsgründen, das dürfte das Auditorium erstaunt haben, durchaus auch extern erfolgen, insbesondere bei Massendrucksachen und Filmen. – Die erwartet geringen Ressourcen besitzt hingegen das Gerda-Schimpf-Fotoarchiv, das Christine Kahlau und Irja Krätke vorstellten. Im Jahr 2020 erhielt das von den Referentinnen nun als GbR geführte Fotoarchiv erstmals eine öffentliche Förderung (von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa in Berlin), um damit einen Teil des Archivbestandes der Fotografin Gerda Schimpf (1913-2014) zu digitalisieren.

Eine anschauliche allgemeine Einführung in die Digitale Langzeitarchivierung (gemäß DIN 31644) gab anschließend Anne Glock vom Universitätsarchiv der TU Berlin, die nach und nach das darauf basierende Vorgehen ihres Archivs, das eine Magazinpartnerschaft beim Landesarchiv Berlin anstrebt, in die Darstellung einflocht. Unter anderem über diese finanziell im Einzelfall zu bemessende digitale Magazinpartnerschaft im Rahmen des Verbunds Digitale Archivierung Nord mit DIMAG-Nutzung berichtete dann Carmen Schwietzer (Landesarchiv Berlin) in ihrem Vortrag über die Aspekte der Digitalisierung (1. Digitalisierungsprozess, 2. Speicherung und Verwaltung, 3. Access und Nutzung). Derzeit hat das Landesarchiv Berlin, das selbst erst seit Anfang 2021 Mitglied im DAN-Verbund ist, bereits 20 Millionen Images resp. 500 TByte Speicherplatz zu „verwalten“.

Inhaltlich hinzuzurechnen zu diesen Vorträgen des Berliner Archivtages sind auch die nachmittäglichen Beiträge von Stefan Rohde-Enslin (Institut für Museumsforschung) über das von ihm als „Werkzeug“ titulierte Portal museum-digital zur u.a. webbrowsergestützten Online-Publikation von musealen Objektinformationen sowie von Anja Müller (digiS) über Neuigkeiten und prinzipiell über die Arbeit der seit 2012 tätigen Koordinierungsstelle der Stadt Berlin zur Förderung von Digitalisierungsprojekten sowie zur Langzeitarchivierung von Digitalen Sammlungen und Forschungsdaten. Diese beiden Vorträge während der „Aktuellen Stunde“ ergänzte Torsten Musial um die Ankündigung des 11. Tages der Archive am 5./6. März 2022 zum Oberthema „Fakten, Geschichten, Kurioses“, für den in Berlin angesichts der unabsehbaren Pandemielage u.a. über ein digitales Format nachgedacht wird.

Den Abschluss des 4. Berliner Archivtages stellte eine ebenso muntere wie ernste Podiumsdiskussion unter der Leitung und mit einer inhaltlichen Einführung von Rebecca Hernandez Garcia (Archiv der DDR-Opposition) dar, in die Dr. Jürgen Bacia (Archiv für alternatives Schrifttum in Duisburg), Carmen Schwietzer (Landesarchiv Berlin) sowie Daniel Börner (Geschichtswerkstatt Jena und Redakteur „Gerbergasse 18“) verschiedene Perspektiven einbrachten – nämlich die eines immer um seine Ausstattung und Erhaltung ringenden freien Archivs (afas), die eines (vermeintlich) „großen Tankers“ in der Archivlandschaft (Landesarchiv Berlin) und die eines ausgiebigen Archivnutzers (Börner), der – wohl nicht nur im Wissen, sich trotz aller Virtualität irgendwie doch inmitten von Archivarinnen und Archivaren aufzuhalten, zunächst einmal konstatierte, dass das Selbstverständnis der Archive aus Nutzerperspektive mittlerweile deutlichen Dienstleistungscharakter offenbare. Der beste (Archiv-)Service ist jedoch nur dort zu gewährleisten, wo hinreichend Personal und Mittel zu Verfügung stehen. Und hieran mangelt es vor allem den freien Archiven, wenngleich auch das Landesarchiv nicht auf „Mittel ohne Grenzen“ zugreifen könne, so Carmen Schwietzer. Es gelte, in jedem konkreten Fall die Bedarfe zu analysieren, um das Bestmögliche zu leisten. Hierzu zählt insbesondere die archivfachliche Bewertung, um priorisieren zu können, was aus welchem Grund digitalisiert wird. Dabei stelle die Bestandserhaltung ein wichtiges Kriterium für die Priorisierung dar, aber auch die Nutzungsrate von Archivgut. Wichtig sei es, öffentliche Förderprogramme für Digitalisierungsprojekte im Blick zu behalten und zu beantragen.


Abb.: Blick ins afas (bzw. auf die Homepage des Archivs für alternatives Schrifttum)

Jürgen Bacia unterstrich die Relevanz der Bestandserhaltung mit einem Beispiel aus seiner langjährigen Praxis: Im afas, wo es 15.000 solcher Überformate gebe, habe man aus diesem Grunde mit der Digitalisierung von Plakaten (z.B. aus der Anti-AKW-Bewegung) begonnen. Hierfür benötigte man Fördermittel, und man helfe sich unter den freien Archiven auch gegenseitig, wenn es beispielsweise um die Einlagerung solch fragiler Unterlagen gehe. Professor Dr. Uwe Schaper, der Direktor des Landesarchivs Berlin, machte in Richtung Politik deutlich (wenngleich sich offenbar aufgrund der Koalitionsverhandlungen im Land Berlin keine Vertreter/innen des Senats oder des Abgeordnetenhauses auf dem Podium befanden), dass für die Finanzierung der freien Archive einfach ein anderer politischer Wille gefordert sei. Jürgen Bacia wies für die freien Archive zudem auf die latente Spannung von Professionalisierung und Ehrenamt hin. Die Kapazitäten seien in vielerlei Hinsicht beschränkt. Insofern unterstützte seine Argumentation die diskussionswürdige These von Rebecca Hernandez Garcia, dass es viel mehr geförderte Projekte geben müsse, die das Kriterium der Bestandserhaltung anstelle der Bedingung von Open Access und der Bereitstellung im Internet in den Vordergrund stellten. Open Access dürfe nicht zur Verhinderung wichtiger Projekte führen, sodass der Erhaltungszustand von Beständen letztlich Schaden nehme. Anja Müller (digiS) wies in der Diskussion darauf hin, dass dieses Junktim derart explizit nicht bestehe: Das Berliner Förderprogramm verlange zwar „öffentlichen Zugang“, aber nicht Open Access bzw. Open Data. Dies sei lediglich „erwünscht, aber nicht Pflicht“. Das digiS biete im Vorfeld von Antragstellungen für das Förderprogramm eine rechtliche Beratung dazu an, was kann und was darf auf welche Weise zugänglich gemacht werden. – Informationen und Diskussionen, Einblicke und Beratungsangebote kennzeichneten somit den 4. Berliner Archivtag, den Torsten Musial für die Veranstalter mit der Ankündigung einer Tagungsband-Publikation beendete.

(Jens Murken)

Kontakt:
Landesarchiv Berlin im VdA
Dr. Torsten Musial
Archiv der Akademie der Künste
Robert-Koch-Platz 10
10115 Berlin
Deutschland
musial@adk.de
www.berlinerarchive.de

Gegenwart und Zukunft am Deutschen Archiv für Theaterpädagogik (DATP)

Das Deutsche Archiv für Theaterpädagogik (DATP) ging aus einer internationalen Konferenz zur Geschichte der Theaterpädagogik im Jahr 2005 hervor und wurde 2007 an der Hochschule Osnabrück gegründet. Das DATP sichert als archivwürdig bewertete Dokumente aus der jüngeren und älteren Geschichte des Fachs als Schriftgut, Ton-, Bild- und Filmdokument sowie elektronisch gespeicherte Information und stellt sie für Forschung, Lehre, künstlerische Praxis und Öffentlichkeitsarbeit bereit. Es vereint aktuell auf fast 250 laufenden Metern einen 25 Sammlungen umfassenden Bestand und eine Archiv-Bibliothek, dessen Schwerpunkt die Geschichte der Theaterpädagogik in den deutschsprachigen Ländern von 1945 bis in die Gegenwart bildet.

Das DATP ist dem Institut für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück/ Campus Lingen angegliedert. Es hat damit den Vorzug, Teil der Lehre des Studiengangs Theaterpädagogik sein zu können. Als bundesweit einzige Einrichtung betreibt das Archiv seit seiner Gründung 2007 systematisch Forschung auf dem Gebiet der Geschichte der Theaterpädagogik. Grundlegende theaterpädagogische, historische Vorarbeiten gingen aus dem 2003 von Prof. Dr. Marianne Streisand initiierten Forschungsprogramm Archäologie der Theaterpädagogik hervor.

Der Erarbeitung an einer Forschungskonzeption gingen weitere Meilensteine der Gründungs- und Aufbauphase des DATP voraus: Dazu zählen – als erste Etappe – neben der Sicherung der Grundfinanzierung des Archivs (durch die Stiftung der Fachhochschule Osnabrück) der Aufbau, die Sammlungs-Übernahmen sowie die Erstellung, Grobverzeichnung und Pflege des Bestands. Zu den 25 Sammlungen zählen neben drei Schwerpunkt-Sammlungen (1. Lehrstückarchiv, 2. Texthefte und 3. Programmhefte) weitere 22 persönlich-gebundene Sammlungen (insbesondere Vor- bzw. Nachlässe renommierter Theaterpädagoginnen und Theaterpädagogen).

Bernd Oevermann arbeitet seit 2007 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Archiv für Theaterpädagogik der Hochschule Osnabrück. Er hat das Archiv mit der Gründerin und ehemaligen Leiterin, Prof. Dr. Marianne Streisand bis 2019 und in der Nachfolge seit 2020 mit Prof. Dr. Andreas Wolfsteiner aufgebaut und wissenschaftlich begleitet. Nach 14 Jahren ist das DATP eine namhafte Forschungs- und Dokumentationseinrichtung für die Theaterpädagogik in der Fachwelt. Zum Ende des Jahres 2021 beendet Bernd Oevermann die beruflichen Aktivitäten mit Erreichen der Rentenaltersgrenze.

Bernd Oevermann vom Deutschen Archiv für Theaterpädagogik an der Hochschule Osnabrück (Foto: Miriam Kronen)

Anlässlich des bevorstehenden Abschieds sprach Miriam Kronen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Osnabrück) mit Bernd Oevermann:

Was macht Ihre Arbeit im DATP aus?

Das Archiv stellt eine Brücke und Dialog zwischen Materialgeberinnen und -gebern, Studierenden und Interessierten aus der künstlerischen Öffentlichkeit dar. Persönliche Kontakte und Gespräche mit Theatermacherinnen und -machern aus dem Profi- und Amateurbereich oder mit Lehrenden der Theaterpädagogik etc. aus dem deutschsprachigen Raum sind Kennzeichen für dieses Archiv. Wir kennen die Personen, die hinter dem Material stehen. Eine Intensivierung bilden die „Erzählcafes“, wo das übergebene Archivgut durch persönliches Erscheinen der „Vorlassgeber“ der interessierten Zuhörerschaft näher gebracht wird. Beratende Gespräche für wissenschaftliche Arbeiten oder Einarbeitung von Archivmaterial für künstlerische Projekte sind weitere Inhalte der Archivarbeit. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Sichtung, Ordnung und Verzeichnung vorliegender Schrift-, Bild- und Tondokumente, aber auch einer umfangreichen Maskensammlung bis zu Medaillen von Arbeiterfestspielen aus der ehemaligen DDR.

Woran werden Sie sich besonders erinnern?

Die Beteiligung und auch das Wagnis am Aufbau eines Archivs und seinem Alleinstellungsmerkmal, das es bis zum Jahre 2007 noch nicht gegeben hat.

Was ist Ihr Wunsch für das DATP in der Zukunft?

Ich freue mich über die bereits begonnene Komplettdigitalisierung der vorhandenen Sammlungen, die damit komfortabel von jedem Ort der Welt eingesehen und unter Berücksichtigung von Datenschutz und Archivverordnungen für Forschung, Lehre und künstlerische Praxis zur Verfügung stehen. Mit dem Vorstoß in die Digitalisierung ist das DATP für die Zukunft gerüstet und hat eine solide Basis für die nächsten Jahre und Jahrzehnte.

Mit der aktuell laufenden Digitalisierung der Materialien, ihrer Zugänglichmachung sowie der potentiellen Einbindung der Meta-Daten in zentrale Archivportale sollen solche nicht unwesentlichen Fundstellen für aktuelle Diskurse sichtbar gemacht bzw. die Sichtbarkeit erhöht und v. a. eine ortsunabhängige Nutzung ermöglicht werden. Seit der Übernahme der wissenschaftlichen Leitung des Archivs durch Prof. Dr. Andreas Wolfsteiner im März 2020 wurden entsprechende Schritte eingeleitet. Das DATP bietet jedoch nicht nur ein Datenrepositorium, das es nun gänzlich digital verfügbar zu machen und zu halten gilt. Nach seiner Gründungsphase soll es durch weitere Maßnahmen zu einer Forschungsstelle von internationaler Bedeutung weiterentwickelt werden.

Kontakt:
Deutsches Archiv für Theaterpädagogik
Baccumer Str. 3
49808 Lingen/ Ems
Tel. 0591 80098-428
datp@hs-osnabrueck.de
www.archiv-datp.de

Quelle: Katharina Kolar/Bernd Oevermann: Das Deutsche Archiv für Theaterpädagogik (DATP), in: Andreas Wolfsteiner / Ekaterina Trachsel / Anselm Heinrich/Michael Bachmann (Hg.): Live Art Data. New Strategies in Theatre Archiving / Neue Strategien der Theaterarchivierung, Scotland / Niedersachsen, unter Mitarbeit von Anne Küper und Frida Stein, Universitätsverlag Hildesheim 2021, S. 26-30; Miriam Kronen: „Wir kennen die Personen, die hinter dem Material stehen“. DREI FRAGEN AN Bernd Oevermann hat das Deutsche Archiv für Theaterpädagogik mit aufgebaut, in: Lingener Tagespost, 28.10.2021, 11 (mit frdl. Genehmigung der Autorin).

11. Niederösterreichischer Archivtag in St. Pölten

Seit zwölf Jahren veranstaltet das Niederösterreichische Landesarchiv jährlich im November den Niederösterreichischen Archivtag als wichtiges Forum der archivfachlichen Weiterbildung und des Austausches. Der am 12.11.2021 in St. Pölten durchgeführte 11. NÖ Archivtag stand ganz im Zeichen der „Sammlungen im Archiv“.

In verschiedenen thematischen Vorträgen näherte man sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Thematik. Peter Wiesflecker aus dem Steiermärkischen Landesarchiv, Elisabeth Moll (Stadtarchiv Zwettl) und Martina Rödl (NÖ Landesarchiv) veranschaulichten die Heterogenität und Vielfalt von Sammlungsgut praxisnah. Diese Ausführungen wurden von Gerhard Geißl (Stadtarchiv Wiener Neustadt) ergänzt, der die Fotosammlung des Stadtarchivs Wiener Neustadt vorstellte. Es wurden Chancen eines Sammlungsbestands, der so gut wie in jedem Archiv vorhanden ist, aufgezeigt.

In einem zweiten thematischen Block wurden erste Antworten auf die Herausforderung der Digitalen Archivierung in Niederösterreichischen Archiven präsentiert. Günter Katzler (Niederösterreichisches Landesarchiv) berichtete dabei kurz über ein wegweisendes laufendes Projekt am Niederösterreichischen Landesarchiv bevor Christian Moser von der Firma docuteam ihre Lösung zur Digitalen Langzeitarchivierung für Städte und Gemeinden demonstrierte.

Archivdirektor Dr. Thomas Aigner (Foto: Diözesanarchiv St. Pölten)

Mit der Verleihung der „Medaille für Verdienste um das Archivwesen in Niederösterreich“ durch Landesrat Ludwig Schleritzko fand der Archivtag seinen Höhepunkt. Über die Verleihung freuen konnte sich der Direktor des Archivs der Diözese St. Pölten, Thomas Aigner, aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im Diözesanarchiv sowie seines internationalen und europäischen Engagements zum Erhalt des Kulturerbes und Kulturguts. Aigner engagiert sich etwa als Präsident von ICARUS – International Centre for Archival Research – mit mehr als 160 Mitgliedsorganisationen aus 30 europäischen Staaten, den USA und Kanada oder als Vizepräsident der Time Machine Organisation zur Kooperation von Technologie, Wissenschaft und kulturellem Erbe.

„Archive sind das Gedächtnis des Landes. Sie sammeln die Gedanken und Erinnerungen von Ländern, Gemeinden oder auch Kirchen. Damit dieses Gedächtnis auch wirklich funktioniert, genügt es nämlich nicht, nur Schriften aufzubewahren und Nachlässe, Plakate, Fotos und dergleichen zu sammeln. Ein funktionierendes Archiv braucht vor allem engagierte Personen, die die Bestände und das Sammelgut erschließen und verzeichnen, die also bildlich gesprochen die Synapsen dieses Gedächtnisses miteinander verbinden“, betonte Landesrat Schleritzko, zuständiges Mitglied der NÖ Landesregierung für das Archivwesen, bei seiner Festrede.

Roman Zehetmayer, Archivdirektor und Leiter der Abteilung NÖ Landesarchiv und NÖ Landesbibliothek, ist überzeugt: „Der Archivtag zählt nicht zu den größten Veranstaltungen des Landes, hat aber für die Fachwelt große Bedeutung. – Das Niederösterreichische Landesarchiv als „Gedächtnis des Landes“ ist das größte öffentliche Archiv in Niederösterreich und bewahrt Originale und Unikate zur Geschichte des Landes aus 900 Jahren. Die Aufgaben des NÖ Landesarchives sind vielfältig – neben Übernahme und Bewertung, Erschließung und Aufbewahrung, Bereitstellung, Beratung und Unterstützung von Forschenden, Studierenden, Privatpersonen und Institutionen, Vermittlung, Forschung und Publikation, vermitteln die Experten ihre Fachkenntnisse durch Kurse zur Aus- und Weiterbildung für Gemeindearchivare und Heimat- und Familienforscher.

Programm des 11. Niederösterreichischen Archivtages 2021:

09.00 Uhr – Eröffnung und Einleitung, PD Dr. Roman Zehetmayer MAS, Leiter der Abteilung NÖ Landesarchiv und NÖ Landesbibliothek

09.15 Uhr – Das Archiv und seine Sammlungen. Überlegungen zu einem mitunter „herausfordernden“ Archivbestand, PD Mag. DDr. Peter Wiesflecker MAS, LL.M., MA (Steiermärkisches Landesarchiv)

10.40 Uhr – Bewusst, geplant und purer Zufall – Sammlungen im Stadtarchiv Zwettl, Elisabeth Moll (Stadtarchiv Zwettl)

11.20 Uhr – Die Fotosammlung des Stadtarchivs Wiener Neustadt. Bestand – Archivierung – Nutzung – Konservierung, Mag. Dr. Gerhard Geißl (Stadtarchiv Wiener Neustadt)

13.30 Uhr – Zeitenwende: Ein- und Ausblicke zur Einführung eines Digitalen Archivs im NÖ Landesarchiv, MMag. Günter Katzler (NÖ Landesarchiv)

13.40 Uhr – Zeitenwende: Einfache digitale Langzeitarchivierung für Städte und Gemeinden, Dr. Christian Moser (docuteam)

14.45 Uhr – Medaille für Verdienste um das Archivwesen in NÖ Verleihung an Mag. Dr. Thomas Aigner MAS (Diözesanarchiv St. Pölten/ICARUS), Laudatio Msgr. Dr. Gottfried Auer (Ordinariatskanzler i. R., Diözese St. Pölten)
Feierliche Verleihung Landesrat Ludwig Schleritzko in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner

15.15 Uhr – Arelape-Bechelarn-Pöchlarn – Ein Stadtarchiv und seine Sammlungen, Mag. Martina Rödl (NÖ Landesarchiv)

Veranstalter:
Abteilung K2 – NÖ Landesarchiv und NÖ Landesbibliothek
Kulturbezirk 4
3109 St. Pölten
Tel: 02742/9005-12059
Fax: 02742/9005-12052
post.k2archiv@noel.gv.at
www.noel.gv.at/Landesarchiv

Quelle: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Presseaussendung, 13.11.2021; NÖ Landesarchiv, 11. NÖ Archivtag.

Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 4/2021

Unter dem Titel „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“ informiert das Stadtarchiv Gera vierteljährlich die interessierte Öffentlichkeit über aktuelle Herausforderungen und historische Themen rund um seine Arbeit. Die letzte Ausgabe des Jahres (4/2021) thematisiert vier „Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera“.

Im Fokus steht zunächst der Künstler Peter Willmaser (1941-1989), der in seiner Heimatstadt Gera unter anderem durch die noch heute in der Schuhgasse über den Hauseingängen angebrachten Hauszeichen bleibende architekturbezogene Kunst geschaffen hat, an welcher sich noch viele Generationen hiesiger Einwohnerinnen und Einwohner sowie Besucherinnen und Besucher der Stadt erfreuen können.

Der zweite Beitrag ist dem in diesem Jahr erschienenen dritten Band der Reihe „Thüringer Mord-Pitaval“ gewidmet, in welchem auch zwei Mordfälle aus Gera thematisiert werden, die sich kurz nach dem Ersten beziehungsweise dem Zweiten Weltkrieg ereigneten.

Mit den Ausführungen über Margarete Kirchner, geborene Schilde, wird in der in diesem Jahr begonnenen Fortsetzungsreihe auf eine weitere Frauenpersönlichkeit aus der Stadtgeschichte Geras eingegangen, die sich unter anderem als Gründungsmitglied der Ortsgruppe Gera im „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ Verdienste erworben hat. Im vierten Artikel soll kurz an die Einführung der allgemeinen Asche- und Müllabfuhr in Gera als einer ökologischen Neuerung vor 120 Jahren erinnert werden.

Link: Nachrichten aus dem Stadtarchiv Gera 4/2021

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Goldschätze des Hessischen Landesarchivs

Das Hessische Landesarchiv bietet auf seiner Webseite einen „Goldenen Herbst“ mit Hilfe einiger Urkunden aus den eigenen Beständen, die zur Hervorhebung ihres bedeutsamen Inhalts mit goldenen Akzenten versehen wurden. Eine Möglichkeit des „Vergoldens“ bestand darin, farbige Zeichnungen durch goldene Elemente zusätzlich zu verzieren.

Abb.: Verleihung eines Siegels an das Hospital Fulda, 1581 (HLA, HStAM Best. Urk. 78 Nr. 55)

Auf der Urkunde zur Verleihung eines Siegels an das Hospital Fulda aus dem Jahr 1581 wurde etwa die Darstellung des Siegels, das den Heiligen Veit im Kessel mit siedendem Öl und den Heiligen Johannes den Täufer zeigt, mit einem Blattgoldrahmen eingefasst (HStAM Best. Urk. 78 Nr. 55). Die Verwendung von goldener Tinte, die gewöhnlich aus einer Mischung von Goldpulver und Klebstoff hergestellt wurde, war bereits seit der Antike üblich. In dem unten abgebildeten Filiationsbrief des Karmeliterordens für Bischof Johann Philipp von Würzburg von 1702 wurde beispielsweise in großem Umfang Goldtinte genutzt, sowohl für die Textschrift als auch für den Zierrahmen der Urkunde (HHStAW Best. 128/1 Nr. 1240). Das Kunsthandwerk des Schreibens und Malens mit Goldtinte sowie des Verzierens von Handschriften mit Blattgold wird übrigens als Chrysographie bezeichnet.


Abb.: Filiationsbrief des Karmeliterordens für Bischof Johann Philipp von Würzburg, 1702 (HLA, HHStAW Best. 128/1 Nr. 1240)

Bei Libellen, also in Buchform gebundenen Urkunden, wurde häufig auch der Einband mit goldfarbenem Schmuck ausgestattet. Und bei der Besiegelung der Urkunden wurden mitunter sogar noch umfangreichere goldfarbene Akzente gesetzt. Gebräuchlich war die Verwendung von goldenen Schnüren zur Anbringung des Siegels, außerdem kamen zum Schutz der empfindlichen Wachssiegel vor allem bei Königs- und Kaiserurkunden vergoldete Siegelkapseln zum Einsatz (HHStAW Best. 128/1 Nr. 1318).


Abb.: Vergoldete Siegelkapsel für das kaiserliche Siegel an der Bestätigung des Familienfideikomisses der Freiherren von Greiffenclau zu Vollrads durch Kaiser Karl VI., 1719 (HLA, HHStAW Best. 128/1 Nr. 1318)

Weitere „Goldschätze“ aus Hessen findet man auf der genannten Webseite.

Kontakt:
Hessisches Landesarchiv
Friedrichsplatz 15
35037 Marburg
Tel.: +49 (0) 6421 92 50 0
Fax: +49 (0) 6421 16 11 25
www.landesarchiv.hessen.de

Staatsarchiv Darmstadt
darmstadt@hla.hessen.de

Staatsarchiv Marburg
marburg@hla.hessen.de

Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
wiesbaden@hla.hessen.de

Für allgemeine Rechercheanfragen oder archivübergreifende Anfragen:
auskunft@hla.hessen.de

Quelle: Hessisches Landesarchiv, Mixed Pixels – Digitalisiertes Archivgut online: Goldschätze des HLA, Oktober 2021