Neue Leitung für das Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung

Lina Gafner und Simona Isler übernehmen die Leitung der Gosteli-Stiftung.

Das Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung bricht auf in eine neue Ära. Die Stiftung wurde vom Bund 2020 als Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung eingestuft und kann dank der mittlerweile gesprochenen finanziellen Beiträge von Bund und Kanton Bern das Fortbestehen des Archivs zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung sichern.

Ab 1.8.2022 übernimmt eine neue Leitung: Die beiden promovierten Historikerinnen Lina Gafner und Simona Isler werden die Geschicke der Gosteli-Stiftung und das Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung leiten und mit dem Stiftungsrat in die Zukunft führen. Die Stiftung wird zu einer hybriden Gedächtnisinstitution mit Ausstrahlungskraft transformiert und Forschungsdienstleistungen und Vermittlungsangebote für die Wissenschaft und ein breiteres Publikum werden ausgebaut.

Lina Gafner (oberes Foto) studierte Geschichte, Philosophie und Deutsche Literatur an der Universität Bern und promovierte am Institut für Medizingeschichte daselbst. Seit 2017 steht sie als Co-Projektleiterin von Stadt.Geschichte.Basel für ein innovatives, umfangreiches Projekt zur Basler Geschichte in der operativen Verantwortung, konzipiert Projekte im digitalen Bereich und ist mit der Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit sowie der Koordination verschiedener Gremien betraut. Parallel dazu war sie in Kulturprojekten tätig und lehrte am Historischen Institut der Universität Bern. Zuvor arbeitete sie für die Nationale Informationsstelle zum Kulturerbe NIKE.

Simona Isler studierte Geschichte und spanische Literatur an der Universität Bern und kennt das Gosteli-Archiv à fonds dank der Erarbeitung ihrer Promotionsschrift «Politiken der Arbeit. Perspektiven der Frauenbewegung um 1900» vor Ort im Archiv. Seit 2017 ist sie Gleichstellungsbeauftragte des Schweizerischen Nationalfonds (SNF), leitet in dieser Funktion verschiedene Projekte und unterstützt und berät alle Organe und Abteilungen des SNF bezüglich Gleichstellung in der Forschungsförderung. Vor ihrer Tätigkeit beim SNF war sie u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Schwerpunkt Frauen- und Geschlechtergeschichte an der Universität Basel und als Online-Redaktorin bei der Zeitung der Bund tätig.

Gosteli-Stiftung
Marthe Gosteli wurde 1917 auf dem Bauernhof ihrer Eltern in Worblaufen bei Bern geboren. Während des 2. Weltkrieges arbeitete sie in der Abteilung Presse und Funkspruch des Armeestabes. Nach dem Krieg leitete sie die Filmabteilung des Informationsdienstes an der US-amerikanischen Botschaft in Bern.


Abb.: Stiftungsgründerin Marthe Gosteli (Foto: Elsbeth Boss)

Ihre Erfahrungen mit den Medien stellte sie ab Mitte der 1960er Jahre ausschliesslich in den Dienst der Frauenbewegung. In den Jahren von 1964 bis 1968 war sie Präsidentin des bernischen Frauenstimmrechtsvereins. Anschliessend war sie Vizepräsidentin des Bundes Schweizerischer Frauenvereine BSF. 1970/1971 präsidierte sie die Arbeitsgemeinschaft der schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau. Diese Organisation trug mit ihrem Verhandlungsgeschick mit dem Bundesrat wesentlich zur Annahme des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene bei. Marthe Gosteli gründete im Jahr 1982 das Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung und die Gosteli-Stiftung.

Sie wurde 1989 mit dem Trudi-Schlatter-Preis, 1992 mit der Burgermedaille der Burgergemeinde Bern, 2008 mit der Silbernen Verdienstmedaille der Oekonomischen Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Bern und 2011 mit dem Menschenrechtspreis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte ausgezeichnet. 1995 erhielt sie den Ehrendoktor der Universität Bern.

Marthe Gosteli verstarb am 7. April 2017 in ihrem 100. Lebensjahr.

Kontakt:
Gosteli-Stiftung
Archiv zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung
Altikofenstrasse 186
3048 Worblaufen
Tel. +41 31 921 02 22
info@gosteli-foundation.ch
https://www.gosteli-foundation.ch

Quelle: Gosteli-Stiftung, Medienmitteilung, 13.5.2022; Gosteli-Stiftung: Marthe Gosteli

Die Geschichte(n) des Goldenen Buches Mülheims 1914 bis 1999

Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte Mülheim an der Ruhr.

Das erste Goldene Buch der Stadt Mülheim an der Ruhr wurde im Jahre 1914 von dem Webereibesitzer und ehrenamtlichen städtischen Beigeordneten Carl Roesch gestiftet. Von 1918 bis 1999 dienten seine insgesamt 377 Pergamentseiten als Chronik städtischer Ereignisse und Besucher. Das 15 Kilo schwere Goldene Buch gleicht einem Kaleidoskop der Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert.

Die Liste derer, die ihre markante Unterschrift in das mit 58 Edelsteinen besetzte Buch setzen durften,  ist lang. Sie umfasst den Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1940), die Nobelpreisträger Max Planck (1942) und Karl Ziegler (1963), Politiker wie Willy Brandt (1960), den Boxer Max Schmeling (1974), Papst Johannes Paul II. (1987) und viele mehr.

Im ersten Goldenen Buch Mülheims haben sich aber nicht nur berühmte und wichtige Gäste der Stadt eingetragen. Bis in die 1950er Jahre bemühte die Stadt auch Kaligrafen, um wichtige Stationen der Stadtgeschichte, wie etwa das Kriegsende 1945 und den nachfolgenden Wiederaufbau, ins kunstvolle Wortbild zu setzen.

Die womöglich spannendste Geschichte des Goldenen Buches sieht man nicht: „1934 gibt es eine fein säuberlich herausgetrennte Seite. Es wird von Zeitzeugen kolportiert und Indizien weisen darauf hin, dass sich hier Adolf Hitler eingetragen hat, als er nicht zum ersten und letzten Mal im Uhlenhorst seinen frühen Förderer, den langjährigen Bergbaumanager Emil Kirdorf, auf dem Streithof im Uhlenhorst besuchte“, erklärt der Stellvertretende Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, Jens Roepstorff, die Lücke gegenüber der WAZ.

Einen ernsten, zugleich Versöhnung stiftenden Moment hält das Goldene Buch im Oktober 1988 fest: 50 Jahre nach der Reichspogromnacht, in der auch Mülheims Synagoge am Viktoriaplatz niedergebrannt wurde, besuchten 21 ehemalige jüdische Mülheimer, die nach 1933 vor der nationalsozialistischen Verfolgung in alle Welt fliehen mussten, die Stadt. – Das Goldene Buch dokumentiert in seinen Einträgen nicht nur Autographen, sondern Geschichte und Geschichten aus Mülheim an der Ruhr.

Die am 12.5.2022 eröffnete Ausstellung „Gäste und Grüße – Das Goldene Buch der Stadt Mülheim an der Ruhr 1914 bis 1999“ im Haus der Stadtgeschichte Mülheim an der Ruhr vermittelt einen Eindruck von den im Buch enthaltenen Einträgen und bietet darüber hinaus Hintergrundinformationen zu den Ereignissen, die im Buch ihren Niederschlag gefunden haben.

Die Ausstellung ist bis zum 19.8.2022 im Haus der Stadtgeschichte zu sehen. Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag, 9 bis 21 Uhr (Sa, So geschlossen).

Kontakt:
Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Haus der Stadtgeschichte
Von-Graefe-Straße 37
45470 Mülheim an der Ruhr
Tel.: 0208 455 4260
Fax: 0208 455 58 4260
stadtarchiv@muelheim-ruhr.de
www.stadtarchiv-muelheim.de

Quelle: Stadt Mülheim an der Ruhr, Ausstellungen 2022: Gäste und Grüße, 13.5.2022; Thomas Emons: Welche Geschichte(n) Mülheims Goldenes Buch erzählt, in: WAZ, 12.5.2022; Reiner Terhorst: Beeindruckende Einträge ins erste Goldene Buch der Stadt, in: Mülheimer Woche / lokalkompass.de, 11.5.2022

Stadtarchiv Freiberg kann dank Spenden Kriegsakte und drei historische Siegel restaurieren

Eine Kriegsakte aus dem Bestand des Stadtarchivs Freiberg konnte dank einer privaten Spendenaktion restauriert worden. Olaf Born, langjähriger Nutzer des Stadtarchivs, startete zum Erhalt der Akte aus dem 19. Jahrhundert im Februar letzten Jahres einen Spendenaufruf. Mit dem gesammelten Geld ließ nun das Stadtarchiv die Akte aus den Befreiungskriegen sowie drei mittelalterliche Wachssiegel restaurieren.


Abb.: Mit der Spendenaktion von Olaf Born (2.v.l.) konnten im Stadtarchiv Freiberg eine historische Akte und drei Siegel restauriert werden. Juliane Bretschneider (l.), OB Sven Krüger (3.v.l) und Dr. Ines Lorenz zeigen die restaurierten Dokumente (Foto: Christian Möls).

Olaf Born ist häufig Gast im Lesesaal des Stadtarchivs. Dort erforscht er die Geschichte seines Heimatorts Mobendorf, sucht nach Einwohnern und deren Lebensdaten. Immer wieder stößt er dabei auf alte Handschriften, die für ungeübte Leser schwer zu entziffern sind. Deswegen gründete er eine facebook-Gruppe, in der sich die Teilnehmer gegenseitig beim Lesen alter deutscher Handschriften unterstützen. „Wir helfen uns kostenlos“, erklärt der 59-Jährige. „Ich hatte deswegen die Idee, dass die Nutzer als Gegenleistung Geld für die Restaurierung alter Dokumente spenden.“ Gemeinsam mit der Leiterin des Freiberger Stadtarchivs, Dr. Ines Lorenz, fiel die Wahl auf eine vergilbte Kriegsakte aus dem 19. Jahrhundert. Um sie vor dem weiteren Verfall zu bewahren, rief er in seiner facebook-Gruppe einer Spendenaktion auf. 37 Personen folgten dem Aufruf und stellten über 650 Euro zur Verfügung.

Mit dem Geld konnte nun die über 200 Jahre alte Akte restauriert werden. „Die Akte gibt uns Auskunft über die Einquartierungen von Soldaten in Freiberg zwischen 1813 bis 1815“, sagt Dr. Ines Lorenz. „Sie war jedoch durch die Nutzung und die lange Zeit verunreinigt und schadhaft.“ Für rund 600 Euro wurde das Dokumente in Leipzig im Zentrum für Bucherhaltung gereinigt und stabilisiert. Das restliche Geld reichte noch dafür aus, drei Wachssiegel aus dem 15. Jahrhundert reinigen zu lassen. Dabei handelt es sich um das Siegel Herzog Georgs (Urkunde ausgestellt in Dresden, 1496 Jan. 26 – rotes Siegel) sowie das Meißnische Kapitels- und Propsteisiegel (Urkunde ausgestellt in Meißen, 1499 Oct. 5 – grünliches Siegel). „Wir sind sehr dankbar, dass auch durch die Initiative von Olaf Born und die Spender seiner facebook-Gruppe unsere historischen Dokumente bewahrt werden können“, freut sich Lorenz. Insgesamt 2,5 Regal-Kilometer beträgt der Bestand, den das Archiv dauerhaft aufbewahrt. Darunter sind auch rund 2.500 Siegel, die zum Teil fast 800 Jahre alt sind.

Es war bereits die zweite Spendensammlung von Olaf Born für das Archiv. Bei einem Spendenaufruf im Jahr 2020 kamen durch zahlreiche Unterstützer 450 Euro für die Restaurierung eines Freiberger Stadtplans aus dem Jahr 1755 zusammen.


Abb.: Übergabe ans Stadtarchiv Freiberg im November 2020 mit Nicole Klinger, Diplom-Restauratorin vom Zentrum für Bucherhaltung (ZFB) Leipzig, Olaf Born, Initiator der Spendenaktion, Juliane Bretschneider, Mitarbeiterin Stadtarchiv Freiberg (v.l.n.r.). (Foto: SVF/Antje Ciecior).

Der Lesesaal des Stadtarchivs Freiberg im Rathaus ist umzugsbedingt seit 1.7.2021 für den Besucherverkehr geschlossen. Schriftliche Anfragen an das Stadtarchiv Freiberg werden weiterhin wie üblich bearbeitet – per Email oder auf dem Postweg.

Kontakt:
Stadtarchiv Freiberg
Obermarkt 24
09599 Freiberg
Tel.: 03731 273 126
Fax: 03731 273 73 127
stadtarchiv@freiberg.de

Quelle: Stadt Freiberg, Neuigkeiten, 11.5.2022; Stadt Freiberg, Neuigkeiten, 23.12.2020

Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd übernimmt Vertriebenen-Sammlung

Am 9.5.2022 unterzeichneten der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold, und der Vorsitzende des Vereins „Brücke nach Osten“, Wilhelm Lienert, im Barockzimmer des Rathauses den Vertrag zur Übernahme der „Sammlung Osten“ in die Bestände des Stadtarchivs Schwäbisch Gmünd.


Abb.: Vertragsunterzeichnung zur Übernahme der „Sammlung Osten“ in das Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd (Foto: Amt für Medien und Kommunikation, Schwäbisch Gmünd).

Die „Sammlung Osten“ ist ein umfangreiches Konvolut von Quellen und Literatur zur Geschichte eines bedeutenden Teils der Gmünder Stadtbevölkerung, nämlich der ab 1945 aus Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa vertriebenen Deutschen. Die Stadt Schwäbisch Gmünd hatte im Zeitraum von 1945 bis 1949 eine so große Zahl von Vertriebenen aufgenommen, dass ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung zum Ende des Jahrzehnts fast ein Drittel ausmachte. Trotz allen Schwierigkeiten der Eingliederung gelang vielen der Neuankömmlinge bekanntlich ein erfolgreicher Neuanfang, so etwa vielen Sudetendeutschen aus Gablonz, deren Fachwissen in der Glas- und Schmuckwarenherstellung gefragt war. Diese Erfahrungen von Vertreibung, Flucht und Integration sind bis heute ein wesentlicher Teil der Familiengeschichte vieler Gmünderinnen und Gmünder.


Abb.: Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg in Schwäbisch Gmünd. Bild aus der „Sammlung Osten“ (Foto: Amt für Medien und Kommunikation, Schwäbisch Gmünd).

Im Jahr 2005 initiierten mehrere engagierte Bürger, namentlich der 2021 verstorbene Dr. Kurt Scholze, die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Osten“, aus der letztlich im Jahr 2016 der Verein „Brücke nach Osten“ hervorging, sowie die damit verbundene „Sammlung Osten“, zeitweise auch als „Archiv Osten“ bezeichnet. Den Startschuss der Sammlung bildete ein öffentlicher Aufruf zur Sammlung von Unterlagen, Erinnerungsstücken und Büchern zur Dokumentation von Vertreibung, Flucht und Eingliederung in der neuen Heimat. Dieser Aufruf fand große Beachtung und die daraufhin eingehenden Abgaben bildeten den Grundstein des Sammlungsbestands, der bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf circa 105 Regalmeter angewachsen ist. Diese Unterlagen wurden in den folgenden 16 Jahren durch Klaus Rollny in Tausenden von Arbeitsstunden geordnet, in einer Datenbank erfasst und teilweise verpackt.

Die Stadt Schwäbisch Gmünd stellte den privaten Sammlungsträgern Räume im Unipark zur Verfügung und stellte zudem eine Übernahme der Sammlung in die Bestände des Stadtarchivs in Aussicht, um ihre dauerhafte Erhaltung zu sichern. Mit der Unterzeichnung des Übernahmevertrags wird dieser Schritt nun konkretisiert: Dieser sieht vor, dass die Sammlung nach Ablauf einer Übergangsfrist, in der die räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Übernahme geschaffen werden sollen, zum 1. Januar 2026 durch das Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd übernommen wird.

Kontakt:
Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd
Augustinerstraße 3
73525 Schwäbisch Gmünd
Tel.: 07171 603-4150
Fax: 07171 603-4159
stadtarchiv@schwaebisch-gmuend.de

Quelle: Stadt Schwäbisch Gmünd, Pressemitteilung, 11.5.2022

Offene Archive 2022 in Koblenz: Tagung, Workshops, ArchivCamp

Anmeldung, Zeitplan, Informationen.

Die Konferenz „Offene Archive“ kommt gemeinsam mit dem ArchivCamp unter dem Motto „Partizipation, Offenheit, Transparenz“ zurück!

Die Veranstaltung findet vom Mo., 13. bis Mi., 15. Juni 2022 in Koblenz statt.

Die Anmeldung ist seit dem 29. März und noch bis einschließlich 8. Juni 2022 über das Anmeldeformular des LVR möglich.

Weiterführende Informationen auf der Webseite zu Konferenz und ArchivCamp. Den Tagungsflyer finden Sie hier.

Tag 1 (13. Juni 2022)

Tagungsprogramm

ab 12:30 Uhr: Eintreffen, get-together

13:30 Uhr: Begrüßung durch Prof. Dr. Michael Hollmann (Präsident Bundesarchiv), Grußworte von Vertreter:innen des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA), der „Bundeskonferenz der Kommunalarchive“ beim Deutschen Städtetag (BKK) und des Arbeitskreises „Offene Archive“ im VdA

14:30 Uhr: Keynote Dr. Konstantin von Notz, MdB (Stellv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen) Weiterlesen

Digitale Perspektiven für das Stadtarchiv St. Ingbert

Im Keller des Rathauses von St. Ingbert befindet sich das Stadtarchiv. Dr. Heidemarie Ertle, die Archiv-Leiterin, zwei weitere feste Mitarbeiter und zeitweise auch studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte hüten hier das Gedächtnis der saarländischen Mittelstadt. Auch für das Stadtarchiv St. Ingbert steht die Digitalisierung ganz oben auf der Tagesordnung. Mit finanzieller Unterstützung des Bundes im Rahmen von „Neustart Kultur“ konnte ein groß angelegtes Digitalisierungsprojekt gestartet werden, dessen Ergebnisse nun vorliegen.


Abb.: Das Team vom St. Ingberter Stadtarchiv: v.l.n.r. Peter Klaus, Dr. Heidemarie Ertle, Leiterin Stadtarchiv, und Patrick Bohrer (Foto: Foto: Johannes Ertle).

Die Bestände des Stadtarchivs St. Ingbert aus der Zeit vor der Gebietsreform 1974 sowie die im Archiv vorhandenen Nachlässe, die Bürgerinnen und Bürger oder Vereine dem Stadtarchiv übergeben haben, wurden in den vergangenen 12 Monaten digital erfasst und zu Findbüchern zusammengestellt.

  • Wirtschaftsarchiv – Hier finden sich Dokumente ansässiger Firmen. Privatunternehmen sind nur während ihrer Geschäftstätigkeit verpflichtet, Unterlagen aufzuheben. Nach einer Geschäftsaufgabe werden diese häufig vernichtet. Das Stadtarchiv bietet an, für die Stadtgeschichte wichtige Unternehmensnachlässe zu übernehmen, da es sich meist um wertvolle Informationen handelt. In St. Ingbert gibt es z. B. den Bestand der ehemaligen Brauerei Becker.
  • Altes Archiv – In diesem Teil des Archivs werden alle Dokumente aus der Zeit vor 1974 gesammelt. So finden sich in den Regalreihen unter anderem alle Ausgaben des St. Ingberter Stadtanzeiger ab 1867, Dokumente aus den einzelnen St. Ingberter Stadtteilen, eine große Menge an Nachweisen aus der NS-Zeit, die zum Teil noch nie ausgewertet wurden, Unterlagen zum Waldstreit aus den Jahren 1754 bis 1791, einige Unterlagen aus dem späten Mittelalter und viele weitere Schätze.
  • Privatnachlässe – In diesen Beständen werden Unterlagen aus den Nachlässen von Privatpersonen gesammelt. Die teils noch lebenden Personen oder auch die Erben bestimmen selbst, ob und wenn ja, wann die Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen. Das St. Ingberter Stadtarchiv beherbergt neben zahlreichen anderen die Nachlässe des Heimatforschers Dr. Wolfgang Krämer und des Heimatdichters Karl Uhl, die ebenfalls in Findbüchern katalogisiert sind.
  • Standesamtsregister – Personenstandsdokumente dürfen aus Datenschutzgründen erst 110 Jahre nach der Geburt oder 30 Jahre nach dem Tod einer Person veröffentlicht werden. Im Archiv findet sich unter anderem ein Standesamtsregister aus dem Jahr 1808. Ein wirkliches Goldstück, da vorher die Personenstände nur in Kirchenbüchern festgehalten wurden. Erst Napoleon Bonaparte führte das Standesamtsregister ein, weshalb das Dokument in den Regalen des St. Ingberter Archivs auch in französischer Sprache abgefasst ist. Der Ahnenforschung sind mit solchen Dokumenten fast keine Grenzen gesetzt.
  • Ein großer Aktenschrank mit breiten Schubladen birgt alte Karten und Pläne, die in St. Ingbert derzeit noch nicht sortiert und verzeichnet wurden.

Das sogenannte Alte Archiv beinhaltet in einer thematischen Gliederung Dokumente aus der St. Ingberter Geschichte bis zum Jahr 1974. Zu den bedeutendsten Nachlässen zählen die des Heimatforschers Dr. Wolfgang Krämer und des St. Ingberter Unternehmers und Kunstsammlers Franz Josef Kohl-Weigand. Zu den Beständen liegen jeweils Findbücher vor. Eine eigenständige Abteilung bildet das Musikarchiv. Es enthält Material zu Komponisten, die in St. Ingbert geboren wurden oder in der Stadt gewirkt haben. Einen beträchtlichen Teil des Musikarchivs verdankt man ebenfalls den Nachlässen der Komponisten.

Diese Findbücher stehen nun als PDF-Dateien auf der Internetseite der Stadt St. Ingbert allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern online zur Verfügung. Sie vermitteln einen Eindruck von den Schätzen des Stadtarchivs. Wer das Archiv besuchen möchte, kann sich nun im Vorfeld online, vom eigenen PC aus, einen Überblick verschaffen und über die Verzeichnisnummern die gewünschten, einzelnen Dokumente bei den Archivmitarbeiterinnen und -mitarbeitern zur Ansicht bestellen. Darüber hinaus besteht nun die Möglichkeit, im Stadtarchiv in der Archivdatenbank selbständig zu recherchieren.


Abb.: Fotos wie dieses von einem Seifenkistenrennen hat der St. Ingberter Fotograf Erich Isenhuth (*1923, +2010) in den 1960er Jahren aufgenommen (Foto: Stadtarchiv St. Ingbert).

Ein besonderes Highlight im Rahmen des Digitalisierungsprojektes des Stadtarchivs St. Ingbert sind die Bilder von Erich Isenhuth (1923-2010). Der St. Ingberter Fotograf hatte 2001 seinen Fotonachlass dem Stadtarchiv St. Ingbert vermacht. Tausende Negative lagerten seitdem im Stadtarchiv. Mit Bundesmitteln, im Rahmen von „Neustart Kultur“, wurden nun rund 76.000 Negative von einer Firma im Auftrag des Stadtarchivs digitalisiert. Sie werden in einer Datenbank verzeichnet, die Interessierte im Stadtarchiv für ihre Recherchen nutzen können. Eine erste kleine Auswahl der Bilder ist ebenfalls auf der Internetseite des Stadtarchivs zu sehen, eine größere Auswahl soll in einer Fotoausstellung im Sommer 2022 gezeigt werden. Die Bilder geben einen wunderbaren Eindruck vom Leben in St. Ingbert, insbesondere für den Zeitraum der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts.

Kontakt:
Stadtarchiv St. Ingbert
Am Markt 12
66386 St. Ingbert
hertle@st-ingbert.de

Quelle: Stadt St. Ingbert, Aktuelles, 22.2.2022; Stadt St. Ingbert, Aktuelles, 3.5.2022

Stadtarchiv will Bremerhaven-Lexikon zum Stadtjubiläum 2027

Stadtarchivleiterin neue Vorsitzende des Verbandes der niedersächsischen Archivarinnen und Archivare.

Das Stadtarchiv Bremerhaven beabsichtigt, anlässlich des 200. Geburtstags der Seestadt im Jahr 2027 ein Bremerhaven-Lexikon mit eintausend Stichworten von A-Z zu erarbeiten. In dem Nachschlagewerk sollen wichtige stadtgeschichtliche Persönlichkeiten, Orte, Gebäude, Phänomene und Ereignisse erklärt und teilweise auch mit Bildern dokumentiert werden.

Gesucht sind neben derartigen Bremerhaven-Begriffen, die typisch für die Stadt oder die eng mit ihr verbunden sind, nun auch interessierte Personen, die an dem Projekt mitwirken möchten. Bremerhaven sei eine der wenigen Großstädte, für die ein solches Lexikon in gedruckter oder in digitaler Form bislang nicht vorliege, erklärt die Leiterin des Stadtarchivs Bremerhaven, Dr. Julia Kahleyß, gegenüber der Nordsee-Zeitung. Diese Lücke solle mithilfe möglichst vieler Geschichtsinteressierter geschlossen werden. Die Stadtgemeinde Bremerhaven ist eine kreisfreie Stadt, die als Exklave zum Bundesland Freie Hansestadt Bremen gehört.

Dr. Julia Kahleyß (Foto: Stadtarchiv Bremerhaven)

Die Direktorin des Bremerhavener Stadtarchivs, Dr. Julia Kahleyß, wurde auf dem am 25./26.4.2022 in Delmenhorst abgehaltenen 5. Niedersächsischen Archivtag zur neuen Vorsitzenden des Verbandes Niedersächsischer Archivarinnen und Archivare e.V. (VNA) gewählt. Sie folgt in diesem Amt auf die Leiterin des Stadtarchivs Hannover, Dr. Cornelia Regin. Gleichzeitig wurde die VNA-Satzung erweitert, so dass der Verband die niedersächsischen und die bremischen Archive vertreten kann. Die Archivarinnen und Archivare wollen auf diese Weise ihre schon lange bestehende gute und regional übergreifende Zusammenarbeit dokumentieren und gemeinsame Projekte voranbringen.

Kontakt:
Stadtarchiv Bremerhaven
Stadthaus 5, Erdgeschoss
Hinrich-Schmalfeldt-Str. 30
27576 Bremerhaven
Tel.: 0471 590-2567
Fax: 0471 590-2005
Stadtarchiv@magistrat.bremerhaven.de

Quelle: Stadt Bremerhaven, Pressemitteilung, 4.5.2022; Norderlesen.de / Nordsee-Zeitung, 1.4.2022; Nord24.de / Nordsee-Zeitung, 7.5.2022

Vorlass von Friedrich Schorlemmer wird erschlossen

Der Vorlass des Wittenberger Theologen und Bürgerrechtlers Friedrich Schorlemmer wird derzeit gesichtet und für die Übernahme ins Archiv vorbereitet. Gemeinsam mit der Leiterin des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Christina Neuß, ordnet Schorlemmer derzeit seine Bibliothek und seine Schriftstücke, die mehr als 200 Regalmeter in seiner Wittenberger Altbauwohnung in Anspruch nehmen, wie die Mitteldeutsche Kirchenzeitung „Glaube+Heimat“ und die Mitteldeutsche Zeitung berichten. Diesen Schatz zu bergen und unter seiner Regie zu sortieren, sei eine Mammutaufgabe, so Archivarin Neuß gegenüber der MZ. Bei dem Vorlass handele sich um Skizzen, Andachten, Reden, Essays und Korrespondenzen des Theologen.

Abb.: Friedrich Schorlemmer spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz: 500.000 Bürger beteiligten sich an einer Demonstration für den Inhalt der Artikel 27 und 28 der Verfassung der DDR. Auf dem anschließenden Meeting auf dem Alexanderplatz ergriff auch Pfarrer Schorlemmer aus Wittenberg das Wort (Bundesarchiv, Bild 183-1989-1104-038 / Link, Hubert / CC-BY-SA 3.0).

Friedrich Schorlemmer war zwischen 1971 und 1978 Studentenpfarrer in Merseburg, von 1978 bis 1992 Dozent am Evangelischen Predigerseminar sowie Prediger an der Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg. Von 1992 bis 2007 amtierte Schorlemmer als Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Der 1944 in Wittenberge (Prignitz) als Sohn eines evangelischen Pfarrers geborene Friedrich Schorlemmer erlangte im Zuge der friedlichen Revolution in der DDR gesamtdeutsche Bekanntheit. Er gehörte zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs „Für unser Land“ vom 26.11.1989, war Mitbegründer der Partei Demokratischer Aufbruch (DA) und wechselte bald zur Sozialdemokratischen Partei in der DDR über. Bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtparlament. Öffentlich artikulierte er sich immer wieder kritisch gegenüber den Globalisierungstendenzen. 2009 wurde Friedrich Schorlemmer, der krankheitsbedingt nicht mehr öffentlich in Erscheinung tritt, mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Bereits 1993 hatte er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten.

Die Vorbereitung seines Vorlasses begleitet er wohlwollend, aber mit gemischten Gefühlen, wie er der MZ verriet: „Wenn ich sehe, wie die Archivleiterin mit Sinn und Verstand an die Aufgabe rangeht, das gefällt mir und tut mir gut. Da muss ich nichts erklären“, lobt Schorlemmer die Archivarin. Es sei schon schmerzhaft, sich von all dem zu trennen. Aber was man nunmehr angefangen habe, das müsse auch zu Ende gebracht werden. Er habe das Glück, dass seine Arbeit nicht umsonst war und im Landeskirchlichen Archiv „in Magdeburg anstatt im Reißwolf landet“, freut sich Schorlemmer.

Kontakt:
Landeskirchenarchiv Magdeburg
Freiherr-vom-Stein-Str. 47
39108 Magdeburg
Tel. 0391 / 506 659 90
Fax 0391 / 506 659 96
archiv.magdeburg@ekmd.de

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung, 12.4.2022; Meine Kirchenzeitung, 13.4.2022; Art. Friedrich Schorlemmer, in: Wikipedia, 26.4.2022

Stadtarchiv Meerbusch überlässt 150 Stahlregale dem Archiv in Stolberg

Nach Hochwasserkatastrophe im Jahr 2021.

150 Stahlregale mit rund 600 Regalmetern haben sich am 4.5.2022 auf den Weg von Meerbusch in die rund 80 Kilometer entfernte Kupferstadt Stolberg gemacht. Die Regale wurden im Zuge des Umzugs des Meerbuscher Stadtarchivs ausgemustert, da in dem neuen Archivgebäude am Neusser Feldweg in Osterath ein anderes Regalsystem verwendet wird. Da die Regale aber noch in einem guten Zustand waren, konnten sie der von der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr betroffenen Stadt Stolberg und dem dortigen Archiv zur Verfügung gestellt werden.


Abb.: Gemeinsam mit den Mitarbeitern einer Spedition verladen Stadtarchivar Michael Regenbrecht (vorne, 2.v.r.), Sandra Wilting (Mitte) und Holger Thom (2.v.l.) vom Meerbuscher Stadtarchiv die 150 Stahlregale für den Transport nach Stolberg (Foto: Stadt Meerbusch). 

„Ich freue mich, dass wir mit unseren Regalen helfen konnten“, sagt Meerbuschs Stadtarchivar Michael Regenbrecht. Nach dem Umzug des Archivguts vom alten Standort in Büderich in das neue Domizil, konnten die Regale nun abgebaut und nach Stolberg gebracht werden. Regenbrecht und sein Team begleiteten den Transport und überreichten die Möbel an Stolbergs Stadtarchivar Christian Altena.

Das Archiv der Kupferstadt Stolberg in der Nähe von Aachen war bei der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 schwer beschädigt worden. Einige historische Archivalien konnten in letzter Minute gerettet werden (siehe Beitrag vom 1.8.2021).

Die Stadt Meerbusch hatte bereits kurz nach dem verheerenden Unwetter zwei Feuerwehrfahrzeuge den Gemeinden Nettersheim und Hellenthal in der Eifel überlassen. Außerdem kümmerte sich eine Privatinitiative um den Transport von mehreren hundert ausrangierten Schulmöbeln Meerbuscher Grundschulen ins Ahrtal.

Kontakt:
Stadtarchiv Meerbusch
Michael Regenbrecht
Karl-Borromäus-Straße 2a
Meerbusch-Büderich
Tel.: 02132 – 916 358
michael.regenbrecht@meerbusch.de

Quelle: Stadt Meerbusch, Pressemitteilung, 4.5.2022

Berichte aus den Pfarreien des südlichen Bayerns am Ende des Zweiten Weltkriegs

Mit den rund 560 „Kriegs- und Einmarschberichten“ von Geistlichen des Erzbistums München und Freising besitzt das Archiv des Erzbistums München und Freising einen der wichtigsten Quellenbestände zum Ende des Zweiten Weltkriegs im südlichen Bayern. Die vollständige Edition dieser Berichte, die 2005 in Buchform erschien, ist seit langem vergriffen. Nun wird der komplette Text online gestellt.


Abb.: Ausschnitt aus der Anweisung zur Erstellung der Kriegs- und Einmarschberichte vom 7. Juni 1945 (Foto: Archiv des Erzbistums München und Freising)

Als im Gebiet des Erzbistums der Zweite Weltkrieg in den letzten April- und ersten Maitagen 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen zu Ende ging, hatten die Behörden des nationalsozialistischen Regimes ihre Tätigkeit bereits eingestellt; die Wehrmacht befand sich in Auflösung. Die kirchlichen Verwaltungsstrukturen funktionierten dagegen weiterhin. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die Ereignisse vor 77 Jahren heute noch fast unmittelbar nachverfolgt werden können: Am 7. Juni 1945 forderte der Münchner Generalvikar Ferdinand Buchwieser (1874-1964) alle Seelsorgestellen auf, über die Kriegsereignisse und speziell das Kriegsende in der jeweiligen Pfarrei zu berichten.

Die so entstandenen, zwischen August 1945 und Juni 1946 im Ordinariat eingegangenen „Kriegs- und Einmarschberichte“ bieten eine Fülle von Informationen zum Kriegsende an fast jedem Ort des Bistumsgebiets. Sie beruhen größtenteils auf eigenem Erleben der Geistlichen und wurden sehr bald nach den Ereignissen niedergeschrieben, auch wenn man bei der Auswertung natürlich stets den subjektiven Blickwinkel der einzelnen Berichterstatter berücksichtigen muss.

Entsprechend oft wurden und werden die Berichte genutzt, seitdem das Archiv sie 2005 erstmals vollständig in Buchform veröffentlicht hat. In vielen Ortsgeschichten sind sie zitiert. Zahlreiche Schülergruppen haben mit ihnen gearbeitet, um das Kriegsende in ihrer Heimatregion zu erforschen und mit Dokumenten von amerikanischer Seite sowie mit Berichten noch lebender Zeitzeugen zu vergleichen. Sie wurden genutzt, um die Vergewaltigung deutscher Frauen bei Kriegsende zu dokumentieren und sogar um Blindgänger auf Baugrundstücken aufzuspüren. Vor allem aber bieten sie den einzelnen Pfarrgemeinden die Möglichkeit, diesen einschneidenden Moment ihrer Geschichte besser kennen zu lernen und die Erinnerungen ihrer früheren Seelsorger etwa bei Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende einzubeziehen.

Besonders eindrucksvoll und für Unterrichtszwecke gut einsetzbar sind hier zum Beispiel folgende Berichte:

  • Pfarrei München-St. Sylvester (Dekanat München-Nord) mit einer Beschreibung der Erstkommunion kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner, während der bereits Kanonendonner vom Stadtrand her zu hören ist
  • Pfarrei Pullach (Dekanat München-Süd) mit dem eindrucksvollen Bericht über die Ermordung eines alliierten Fliegers kurz vor und der Tötung des NS-Ortsgruppenleiters kurz nach dem Kriegsende
  • Pfarrei Dachau-St. Jakob (Dekanat Dachau) mit (diskussionsbedürftigen) Aussagen zur Befreiung des Konzentrationslagers und zum Wissen beziehungsweise Nichtwissen der Dachauer über die NS-Verbrechen
  • Pfarrei Degerndorf (Dekanat Wolfratshausen) mit einer bewegenden Schilderung des „Todesmarsches“ von KZ-Häftlingen, der durch den Ort führte

Die anhaltende Nachfrage nach den Berichten hat das Archiv des Erzbistums verlasst, den gesamten, 1.498 Seiten umfassenden Buchtext der Edition mit Einverständnis des Verlags Schnell & Steiner (Regensburg) in seinem Internetangebot online zu stellen:

Peter Pfister (Hg.):
Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Erzbistum München und Freising. Die Kriegs- und Einmarschberichte im Archiv des Erzbistums München und Freising,
Regensburg 2005, 2 Teile, 1.498 S., ISBN 3-7954-1761-9, € 29,90 (vergriffen)

Link zum PDF-Volltext: https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-59068120.pdf

Mit Hilfe des Ortsregisters können alle gesuchten Einzelberichte schnell aufgefunden und dann heruntergeladen oder ausgedruckt werden. Die Texte sind mit kurzen Angaben zu den berichtenden Geistlichen versehen. In einer ausführlichen Einleitung werden Entstehung und Quellenwert der Berichte sowie – vom renommierten Münchner Landeshistoriker Prof. Dr. Walter Ziegler – der Verlauf des Kriegsendes im Erzbistum dargestellt.

Kontakt:
Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising
Prof. Dr. Johannes Merz (Leiter Archiv und Bibliothek)
Karmeliterstr. 1
80333 München
Telefon: 089 2137-1346
Fax: 089 2137-1702
archiv@eomuc.de
https://www.erzbistum-muenchen.de/archiv-und-bibliothek

Quelle: Dr. Roland Götz, Archiv und Bibliothek des Erzbistums, Mai 2022 (Link).