Milchhof-Chronik ans Stadtarchiv Gera übergeben

Anfang Oktober 2022 nutzte Martina Decker die Gelegenheit, die ab dem Jahr 1974 über vier Jahrzehnte geführte Chronik des Geraer Milchhofes zur Aufbewahrung für die Ewigkeit und Einsichtnahme durch die interessierte Öffentlichkeit an das Stadtarchiv Gera zu übergeben. Die beiden blau eingebunden, großformatigen Chronikbände umfassen den Zeitraum von 1929 bis 1994 und reichen damit sogar zurück bis in die Gründungszeit des Milchhofes vor über 90 Jahren.


Abb.: Milchhäuschen des Geraer Milchhofes (Foto: Stadtarchiv gera, Fotograf unbekannt)

Neben Frau Decker hatte vor allem ihr Vater Hans Brauer, der sein Leben lang eng mit der Milchwirtschaft verbunden war und den Geraer Milchhof viele Jahre als dessen Direktor prägte, maßgeblichen Anteil an der Führung und Aufbewahrung dieser Betriebschronik. „Über das Ende dieses Geraer Großbetriebes, vor allem aber auch über die zahlreichen Höhepunkte und positiven Aspekte der Betriebsgeschichte informieren die beiden reich illustrierten Chronikbände sowie ein Hefter mit Staniolmustern für Verpackungen der im Milchhof erzeugten Produkte, ein Sortimentskatalog des Ostthüringer Molkereikombinats e.G. Gera und zahlreiche Fotografien. Mit diesem Konvolut kann ein markantes Stück der Geraer Industriegeschichte der jüngsten Vergangenheit durch aussagekräftige und in ihrer Zusammenstellung einmalige Dokumente dem Vergessen entrissen werden,“ beurteilte Archivleiterin Christel Gäbler den historischen Wert der übergebenen Unterlagen.

Die Firma Milchhof Gera wurde am 16. Juli des Jahres 1929 als „Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht“ in das Genossenschaftsregister beim Thüringischen Amtsgericht/Registergericht Gera eingetragen. Am 14. September desselben Jahres konnte die Einweihungsfeier des Milchhofes in der heutigen Straße des Bergmanns 10/Ecke Gagarinstraße in Gera-Bieblach begangen werden. Aufgrund des Bevölkerungszuwachses in Gera wurde bereits in den 1950er Jahren über eine Erweiterung des Milchhofes nachgedacht. Eingeweiht werden konnte der neu erbaute Milchhof jedoch erst im Jahr 1979 in der Industriestraße. An diesem heute noch bekannten Standort endete mit der letzten Rohmilchannahme bzw. mit der letzten Milchlieferung der Erzeuger am 4. Januar 1995 die Geschichte der Geraer Milchproduktion. In den darauffolgenden Monaten Januar bis Mai 1995 fand die Abwicklung der Osterland GmbH statt, welche das Milchproduktionsende am Standort Gera besiegelte. Fast sämtliche der rund 150 Beschäftigten hatten ihre betriebsbedingte Kündigung zum Jahresende 1994 erhalten. Seit 1995 steht das Betriebsgelände des alten Milchhofs in Gera still und machte seither nur mit mehreren Bränden auf sich aufmerksam.

Kontakt:
Stadtarchiv Gera
Gagarinstraße 99/101
07545 Gera
Tel. 0365/838-2140 bis 2143
stadtarchiv@gera.de
www.gera.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Gera, Meldung, 18.10.2022; Neues Deutschland, 5.1.1995; iamlost, Der alte Milchhof in Gera, o.D. (2019)

Stadtarchiv Worms feiert 40 Jahre Raschi-Haus

Im November 2022 wird das Wormser Raschi-Haus 40 Jahre alt. Dies ist für das Stadtarchiv Worms ein guter Grund am 18.11.2022, von 10 bis 19 Uhr, mit einem vielfältigen Programm zurückzublicken. Bei freiem Eintritt können sich Besucher insbesondere über das dort ansässige Jüdische Museum informieren. Die Details zu den Angeboten des Tages werden auf der Homepage des Instituts für Stadtgeschichte / Stadtarchiv Worms präsentiert.


Abb.: Raschi-Haus mit Synagoge. Das jüdische Museum (Raschi-Haus) in der Bildmitte hinter dem Synagogengarten. Im Vordergrund links die Synagoge der Männer (westliche Seite der Synagoge, heute Jeschiwa) (Foto: B. Bertram – Stadtarchiv Worms, 3.8.2017).

Das Raschi-Haus stammt in seinen mittelalterlichen Gebäudeteilen aus dem 14. Jahrhundert. Die mittelalterliche Talmudschule galt als eine der bedeutendsten Deutschlands. Nach schweren Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg drohte das Gebäude einzustürzen und wurde 1971 abgetragen. Als originale, mittelalterliche, teilweise bis in die Römerzeit zurückreichende Bausubstanz blieben die Gewölbe und Teile des Erdgeschosses erhalten. Wegen seiner städtebaulichen, historischen und liturgischen Bedeutung wurde der Wiederaufbau des abgetragenen Gebäudes als kulturelle Begegnungs- und Tagungsstätte beschlossen.

Ende November 1982 konnte das Raschi-Haus in der Hinteren Judengasse nach jahrelangen Planungen als neue Heimstätte für eines der ersten jüdischen Museen in Westdeutschland nach der NS-Zeit eröffnet werden. Zudem befinden sich seitdem dort im Obergeschoss die Untere Denkmalschutzbehörde und das Stadtarchiv Worms, sowie dessen Fotoabteilung im Dachgeschoss. Der mit Fördermitteln auch von Bund und Land errichtete Bau steht im Kontext der seit den 1970er Jahren erfolgten Sanierungsanstrengungen im Bereich der Judengasse unter Federführung des damaligen Stadtplaners Wolfgang Grün.


Abb.: Baubeginn auf den erhaltenen Kellergewölben/ -fragmenten, Oktober 1980, Blick Richtung Synagoge (Foto: Stadtarchiv Worms)

Viele Väter und Mütter des Baues konnte der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Neuß zur Einweihung begrüßen. Dazu gehörten neben dem Architekten Rainer Kleebank, der langjährige Leiter von Archiv und Museum, Ehrenringträger Fritz Reuter, der 1977 das für die Realisierung entscheidende Konzept für den Wiederaufbau vorgelegt hatte, ebenso wie Vertreter der Jüdischen Gemeinde Mainz und Professor Dr. Otto Böcher, Wormser Theologe und Kunsthistoriker, einer der frühesten Mahner für eine angemessene Nutzung des historisch einzigartigen, 1971 abgerissenen alten Baues.


Abb.: links: Grundsteinlegung 18.12.1980: Fritz Reuter, Rainer Kleebank. – Mitte: Begrüßung zum Richtfest Mai 1981 (rechts OB Wilhelm Neuß; links u.a. Otto Böcher, Fritz Reuter u.a.) – rechts: Richtfest Mai 1981: Blick vom Dach (Fotos: Stadtarchiv Worms).

Das Raschi-Haus dient als Begegnungs- und Gedenkstätte. Von hier aus waren 1942 die letzten Wormser Juden deportiert worden. Das alte Tanz- und Hochzeitshaus der jüdischen Gemeinde neben der Alten Synagoge befand sich etwa zehn Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt.

Kontakt:
Stadtarchiv Worms
Raschi-Haus
Hintere Judengasse 6
67547 Worms
Telefon: (0 62 41) 8 53 – 47 00 (bis – 47 07)
Telefax: (0 62 41) 8 53 – 47 99
stadtarchiv@worms.de

Quelle: Stadt Worms, Meldung, 19.10.2022; Art. Raschi-Haus, in: Wikipedia, 2.3.2022

Stadtarchiv Goslar nach Umzug wieder geöffnet

Die Bestände des Stadtarchivs Goslar stehen der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung. Der Archivumzug von der Zehntstraße zum Kulturmarktplatz (KUMA) ist beendet. Am 18.10.2022 um 10 Uhr öffnete zum ersten Mal der neue Lesesaal. Der Bereich des Goslarer Stadtarchivs befindet sich im 2. Stockwerk im Nordflügel und ist gut über das große Treppenhaus und den Aufzug erreichbar. Nutzerinnen und Nutzer können wieder vor Ort recherchieren. Bei umfangreichen Recherchen empfiehlt es sich vorher einen Termin abzusprechen, da noch nicht alle Bestände ausgepackt sind.

Das Stadtarchiv Goslar zählt, sowohl was Alter und Inhalt als auch den Umfang betrifft, zu den bedeutendsten deutschen Stadtarchiven. Es gehört zum städtischen Fachbereich Kultur und Bürgerservice und ist als „Gedächtnis der Stadt“ die zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zur Goslarer Geschichte. Durch das Niedersächsische Archivgesetz vom 25. Mai 1993 ist gesetzlich geregelt, entstandenes Archivgut zu sichern. Das Stadtarchiv Goslar befindet sich nunmehr im KUMA unter einem Dach mit der Stadtbibliothek, dem Goslarer Museum, dem Hort der Kita Frankenberg, der Kulturverwaltung der Stadt Goslar sowie der Marktkirchenbibliothek und dem KuCaf (dem Bistro der AWO). Zusätzlich bieten diverse Räume Platz für Veranstaltungen oder Treffen von Vereinen.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kultur-Aperitif“ im Kulturmarktplatz präsentiert sich das Stadtarchiv Goslar am 20.10.2022 um 17 Uhr in seinen neuen Räumlichkeiten. Zu Beginn erwartet die Gäste ein mit verschiedenen Sinnen erlebbarer Genuss in Form eines Aperitifs und Appetithappens im KuCaf. Danach besteht die Gelegenheit, auch die nichtöffentlichen Bereiche des Stadtarchivs, wie z.B. die Magazine zu besichtigen und Informationen über verschiedenste Lagerbedingungen der Bestände und über die Mengen des dort untergebrachten Materials zu erhalten. Ein Rundgang durch die Werkstatt, Kühlkammer und Fotoabteilung vervollständigen diesen Blick hinter die Kulissen. Die Zahl der Teilnehmenden ist begrenzt. Tickets für 8 Euro sind im KuCaf im Kulturmarktplatz erhältlich.

Bereits im späten Mittelalter, als Goslar durch den intensiven Bergbau am Rammelsberg eine Blütezeit erlebte, wuchs die Menge an Schriftgut der Stadt derart an, dass es erforderlich wurde, dieses zu organisieren. Der älteste Hinweis auf ein eingerichtetes Archiv, wenngleich es nur aus einigen Truhen bestand, findet sich im sogenannten Archivregister von 1399, in dem die ca. 400 damals vorhandenen Urkunden aufgelistet sind. – 1921 wurde erstmalig ein hauptamtlicher Stadtarchivar eingesetzt. Dank der Auslagerung des Archivs in einen Stollen des Bergwerks Rammelsberg haben die Bestände mit nur unwesentlichen Verlusten den Zweiten Weltkrieg überstanden. 1962 bezog das Archiv eine Etage des damals städtischen Verwaltungsgebäudes Zehntstraße 24. Seit 1995 nutzte das Archiv das gesamte Gebäude. Da diese Räumlichkeiten nicht mehr ausreichen, wurden Teile der Bestände, z.B. das Zwischenarchiv, zwischenzeitlich ausgelagert. Das Stadtarchiv Goslar befindet sich nunmehr in neuen Räumlichkeiten im Kulturmarktplatz in der Königstraße. Für den Umzug mussten die gesamten Archivbestände verpackt, beschriftet und geordnet werden – allein das Schriftgut umfasst bereits 5,5 Kilometer. Beim Kulturmarktplatz Goslar handelt es sich um das Gebäude der ehemaligen Kaiserpfalzschule, das vier Jahre lang umgebaut und im Dezember 2021 eröffnet worden ist.


Abb.: Vorhangfassade Westflügel, Mai 2021. Nun hat der Westflügel eine Vorhangfassade aus Trespaplatten erhalten, zwischen denen im 90-Grad-Winkel zur West- und Südfassade des Westflügels Cortenstahlplatten hervorstehen, in welche bedeutende Jahreszahlen der Goslarer Stadtgeschichte sowie Begriffe, die auf das zukünftige Leben im Kulturmarktplatz hinweisen, geprägt sind. Unterschiedliche Formate und Anordnungen der Fassaden- und der Cortenstahlplatten erinnern an ein Aktenregister und deuten somit auf die Unterbringung des Stadtarchivs in diesem Gebäudeteil hin (Foto: Stadt Goslar).

Die Magazinräume des Goslarer Stadtarchivs mit ihren umfangreichen Rollregalanlagen haben im Westflügel des umgebauten Gebäudes ihren Platz gefunden. Im Westflügel waren enorme Eingriffe in die Statik notwendig, um eine Archivnutzung darzustellen. Der Westflügel ist zudem voll klimatisiert und hat nunmehr nahezu keine Fenster mehr. Ein optimales Raumklima und die sehr geringe Sonnenlichteinstrahlung dienen dem Schutz und der Erhaltung der historischen Bestände des Stadtarchivs. Außerdem ist eine Argonlöschgasanlage im Westflügel verbaut. Im Brandfall nehmen die Archivalien so keinen Schaden durch Löschwassereintrag. Der Brand wird vielmehr durch das freigesetzte Gas gelöscht, ohne das Archivgut zu zerstören.


Abb.: Lesesaal Archiv Nordflügel 2. OG, Mai 2021 (Foto: Stadt Goslar)

Der Lesesaal des Stadtarchivs befindet sich, wie erwähnt, im 2. Obergeschoss des Nordflügels des Gebäudes. Der Lesesaal ist durch eine Wand mit einem großen Fenster und einer verglasten Tür vom Bereich der Leseaufsicht getrennt. Der Lesesaal ist nach der schottischen Partnerstadt Forres benannt worden.

Es gibt einen Förderverein für das Goslarer Stadtarchiv: Der Verein „pro stadtarchiv goslar e.V.“ ist im Jahr 2007 aus der bereits seit ca. 10 Jahren existierenden „Initiative Pro Stadtarchiv“ hervorgegangen. Ziel des Fördervereins ist es, das Stadtarchiv ideell und finanziell zu unterstützen.

Kontakt:
Stadtarchiv Goslar
Am Museumsufer 2
38640 Goslar
Tel. 05321 704588
stadtarchiv@goslar.de

Quelle: Stadt Goslar, Pressemitteilung, 18.10.2022; Goslarsche.de, 17.10.2022; Stadtarchiv Goslar, o.D.; Kulturmarktplatz, o.D.; Stadt Goslar, Pressemitteilung, 18.10.2018

Der Nachlass der Familie von Beulwitz im Staatsarchiv Rudolstadt

Im Jahr 2020 gelangte ein umfangreicher Bestand zum Nachlass der Familie von Beulwitz in das Staatsarchiv Rudolstadt, der nun vollständig verzeichnet vorliegt. Bekanntheit erlangte diese Adelsfamilie durch ihre Verbindungen zu Friedrich Schiller, der sich ab 1787 regelmäßig in ihrem Haus aufhielt.


Abb.: Georg Ulrich von Beulwitz (1661-1723), Staatskanzler von Schwarzburg-Rudolstadt, Kupferstich (Quelle: ThStA Rudolstadt, Portrait- und Kupferstichsammlung, Nr. 9). 

Mit der Übernahme und Verzeichnung dieses Bestandes verfügt das Staatsarchiv Rudolstadt nun über einen umfangreichen Nachlass dieser Familie, deren Mitglieder als Staatsbeamte in herausgehobenen Funktionen dienten. Bekanntheit erlangten dabei vor allem die Staatskanzler Georg Ulrich von Beulwitz (1661-1723) und Friedrich Wilhelm Ludwig von Beulwitz (1755-1829), der durch seine erste Ehefrau Caroline von Lengefeld zeitweise mit Friedrich Schiller verschwägert war. Darüber hinaus war er auch Meister der Rudolstädter Freimaurerloge und als Staatskanzler eine der prägenden politischen Figuren in Schwarzburg-Rudolstadt während der Befreiungskriege und der sich ihnen anschließenden Restaurationszeit. Mit den Rittergütern Eichicht und Löhma verfügte die Familie zudem über einen umfangreichen Landbesitz in der Oberherrschaft des Fürstentums.

Neben dem Familiennachlass, zu dem eine umfangreiche Korrespondenz, sowie Spott- und Gelegenheitsdichtungen gehören, befinden sich in dem Bestand auch  Archivalien zu den Rittergütern Eichicht und Löhma, sowie Archivalien zu geschäftlichen Unternehmungen der Familie.

Kontakt:
Staatsarchiv Rudolstadt
Schloss Heidecksburg
07407 Rudolstadt
Telefon: +49 (0) 36 72/43 19-0
Telefax: +49 (0) 36 72/43 19 31
rudolstadt@la.thueringen.de

Quelle: Christoph Oelmann: Rudolstädter Adel um 1800 – Der Nachlass der Familie von Beulwitz, in: Aktuelles aus dem Landesarchiv Thüringen, 7.10.2022

Pläne aus dem Nachlass von Herzog Ferdinand Eugen von Württemberg für das Hauptstaatsarchiv Stuttgart gesichert

Landesarchiv Baden-Württemberg erwirbt unbekannte Plansammlung zur württembergischen Residenz im oberschlesischen Carlsruhe.

Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat eine umfangreiche Plansammlung zu Schloss Carlsruhe in der heutigen polnischen Region Oberschlesien erworben. Bisher war unbekannt, dass die Schlesische Linie des Hauses Württemberg im 19. Jahrhundert hochfliegende Pläne einschließlich einer Stadtgründung für über 20.000 Einwohner in Carlsruhe im Sinn hatte. Die rund 200 Pläne, Bauzeichnungen und schriftlichen Dokumente stammen aus dem Nachlass von Herzog Ferdinand Eugen von Württemberg (1925-2020). Sie sollten Ende März bei einer Auktion zur Versteigerung kommen. Mit finanzieller Förderung durch die Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg und die Kulturstiftung der Länder hat das Landesarchiv die Plansammlung vorab angekauft.


Abb.: Schloss Carlsruhe, Druckgrafik, 2. Hälfte 19. Jahrhundert (Bildvorlage: Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg, sagte bei der Vorstellung der Erwerbung am 11.10.2022 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart: „Der Ankauf ist ein Glücksfall. Ich freue mich, dass es dem Landesarchiv Baden-Württemberg mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut und der Kulturstiftung der Länder gelungen ist, diese einzigartige Sammlung für die Forschung und Öffentlichkeit zu sichern. Damit wird das Wissen um Schloss Carlsruhe, das 1945 völlig zerstört wurde, für die Zukunft bewahrt. Für die Bestände des Hauptstaatsarchivs Stuttgart ist die Erwerbung zudem eine ideale Ergänzung. Es verfügt über einschlägige Unterlagen zu den Regenten und Angehörigen des Hauses Württemberg.“

Auch Petra Olschowski, Wissenschaftsministerin und Vorsitzende der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg, zeigte sich erfreut: „Das kulturelle Erbe unseres Landes zu sichern, es zu erhalten und zugänglich zu machen, ist eine wichtige Aufgabe des Landesarchivs. Ich freue mich daher sehr über den Erwerb der Unterlagen zu Schloss Carlsruhe. Sie zeigen die weniger bekannten Verbindungen des Hauses Württemberg nach Polen und eröffnen Perspektiven für eine grenzüberschreitende Forschung. Erste Kontakte zu polnischen Forschungsstellen konnten bereits geknüpft werden.“

Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: „Der Ankauf der bislang gänzlich unbekannten Plansammlung Carlsruhe verspricht vielfältige Forschungsergebnisse über die Kunst- und Kulturgeschichte, Landeskunde und Dynastiegeschichte Württembergs. Zu erwarten sind neue Erkenntnisse über das heute nicht mehr existierende Schloss Carlsruhe und die Schlesische Linie des Hauses Württemberg sowie deren ehrgeiziges Ziel, eine Planstadt zu errichten. Das Landesarchiv in Stuttgart ist hervorragend dafür geeignet, die Pläne zu erforschen, langfristig zu bewahren und mittels Digitalisierung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“


Abb.: Details der Straßengestaltung, kolorierte Zeichnung, um 1853 (Bildvorlage: Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

Carlsruhe“ war zuerst nur ein einfaches, hölzernes Jagdschloss, das Herzog Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels 1749 in Oberschlesien errichtete und nach seinem ersten Vornamen benannte. Nach einem Brand 1751 wurde Schloss Carlsruhe als Steinbau wiederaufgebaut, um weitere Bauten ergänzt und in den nachfolgenden Jahrzehnten die Umgebung auf dem Reißbrett weitergeplant. Es entstanden unter anderem Wohnhäuser für den Hofstaat, Gartenanlagen sowie Siedlungen für Bürgerinnen und Bürger. Sogar ein Weinberg wurde von einem aus Württemberg hinzugezogenen Weingärtner angelegt und gepflegt. Ende des 18. Jahrhunderts hatte die Herrschaft Württemberg-Oels in Carlsruhe eine Ausdehnung von knapp 70 Quadratkilometern.

Mit den erworbenen Plänen aus dem 18. und 19. Jahrhundert lassen sich die Ideen für eine Musterstadt umfassend und zum Teil sehr detailliert nachvollziehen. Für das kulturelle Erbe Baden-Württembergs sind die Unterlagen, darunter auch schriftliche Quellen wie Kostenanschläge und Berechnungen, von herausragender Bedeutung. Sie dokumentieren das Ausmaß, mit dem die in Thronfolge an zweiter Stelle stehende Linie des Hauses Württemberg versucht hat, eine Planstadt zu erschaffen. Gleichzeitig geben die Pläne interessante Einblicke in die gesellschaftlichen und politischen Idealvorstellungen ihrer Schöpfer, der Herzöge von Württemberg-Oels.

Das Konvolut stammt aus dem Nachlass von Herzog Ferdinand Eugen von Württemberg (1925-2020) aus der weniger bekannten Schlesischen Linie des Hauses Württemberg. Sie hatte bis 1945 ihren Sitz in Schloss Carlsruhe im heutigen polnischen Pokój. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss durch die Rote Armee zerstört, seine Ausstattung konnte jedoch zuvor nach Württemberg in Sicherheit gebracht werden. Ende März dieses Jahres sollte die Plansammlung bei einer Auktion zur Versteigerung kommen. Mit Hinweis auf die überregionale Bedeutung der Sammlung und mit finanzieller Unterstützung durch die Stiftung Kulturgut des Landes Baden-Württemberg und die Kulturstiftung der Länder gelang es dem Landesarchiv, die Pläne vorab anzukaufen.

In den nächsten Schritten werden die Unterlagen fachgerecht erschlossen, digitalisiert und im Internetangebot des Landesarchivs Baden-Württemberg online gestellt. Für die künftige Auswertung des Materials haben sich bereits polnische Forschungsstellen an das Archiv gewandt und Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert. So bietet die Plansammlung von Schloss Carlsruhe die Gelegenheit, die wissenschaftliche Kooperation mit den polnischen Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu vertiefen.

Kontakt:
Landesarchiv Baden-Württemberg
Eugenstraße 7
70182 Stuttgart
Telefon: +49 711 212-4272
Anfragen zu Archivgut: +49 711 212-4222
Telefax: +49 711 212-4283
landesarchiv@la-bw.de
https://www.landesarchiv-bw.de

Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Nachrichten, 11.10.2022

Holzwickede, Opherdicke und Hengsen während des Nationalsozialismus

Sally Woggon, Studentin der Ruhr-Universität Bochum, hat für die Gemeinde Holzwickede eine tiefergehende Studie über die Historie der westfälischen Gemeinden Holzwickede, Hengsen und Opherdicke während der NS-Herrschaft (1933-1945) erstellt.

Hierzu hat Sally Woggon (27), die Geschichte und Komparatistik studiert, Recherchen in allen zugänglichen Archiven betrieben sowie Interviews mit Zeitzeugen, Historikern und kundigen Bürgern geführt. Unterstützung erhielt sie von der VHS-Spurensuchergruppe, vom Gemeindearchiv Holzwickede und von Silke Becker, bisher Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste in der Gemeindebibliothek Holzwickede.

Bei ihrer Recherche stützte sich Woggon auf Zeitungsartikel, Verwaltungsakten und die „Entnazifizierungsakten“, in denen die Verfahren gegen ehemalige Nationalsozialisten nach 1945 dokumentiert wurden. Dort sollte geklärt werden, wer „Täter“ und wer „Mitläufer“ war und wer als entlastet galt.


Abb.: Bericht über die Schüsse auf zwei Zwangsarbeiter vom 28.11.1944 (Foto aus der zit. Studie, S. 88).

„Es ist sehr wichtig, dass man sich die Ereignisse auf kleiner Ebene anschaut, sieht, was in einer Gemeinde passiert ist, wie sich die Menschen verhalten haben“, so Sally Woggon, die besonders von den Einzelschicksalen berührt wurde, gegenüber dem Hellweger Anzeiger.

Die über 100-seitige schriftliche Ausarbeitung steht auf der Homepage der Gemeinde Holzwickede zur Verfügung. Der Bericht wird auch in der Gemeindebibliothek Holzwickede als Ausleihe bereitliegen.

Quelle: Gemeinde Holzwickede, Nachrichten, 20.9.2022; Hellweger Anzeiger, 12.12.2021; Hellweger Anzeiger, 3.10.2022

Zeitreise in das mittelalterliche Aschaffenburg

Virtuelle Ausstellung: Zwischen Macht und Glaube.

Das Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg hat vor wenigen Tagen eine umfangreiche digitale „Zeitreise“ zur Geschichte des Aschaffenburger Kollegiatstifts St. Peter und Alexander veröffentlicht. „Zwischen Macht und Glaube“ – so nennt sich die neue, umfangreich illustrierte Online-Präsentation im Ausstellungsbereich des Internetportals bavarikon.

Im Zentrum der virtuellen Ausstellung steht das historische Aschaffenburger Kollegiatstift – sichtbar bis heute in seiner markanten Stiftskirche samt Kreuzgang auf dem Stiftsberg. In Aschaffenburg, das über 800 Jahre lang wichtiges Machtzentrum der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten war, versinnbildlichen Stiftskirche und Schloss Johannisburg bis heute diese prägende Mainzer Epoche der Stadt. Der Einfluss der Stiftsgeistlichen in der Stadt sowie im weltlichen und geistlichen Machtbereich der Mainzer Kurfürsten war enorm. Das umfangreiche Archiv des früheren Kollegiatstifts, das 1802 aufgelöst worden war, befindet sich im Aschaffenburger Stadt- und Stiftsarchiv.

Die von Kilian Zänglein M.A. kuratierte Ausstellung rückt das Kollegiatstift in seiner mittelalterlichen Glanzzeit in den Mittelpunkt. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich von den frühen Anfängen des kirchlichen Lebens in Aschaffenburg im 9. und 10. Jahrhundert bis zum Ende des Bauernkrieges 1525. Die zeitliche Grenze des Jahres 1525 liegt in der einschneidenden Wirkung des Bauernkrieges für die Geschichte der Stadt und des Stifts begründet. Er beendete den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg vorangegangener Jahrhunderte, und warf Aschaffenburg in seiner Entwicklung zurück.


Abb.: Neben vielen, teils sehr alten historischen Dokumenten sind zum Beispiel auch Zeichnungen und andere Bilder zur Stiftskirche Teil der digitalen Präsentationen. Hier eine Bleistiftzeichnung des Kreuzgangs aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Ludwig Thiersch (1825-1909) (Foto: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Signatur: AT 124)

Die Ausstellung zeichnet die wirtschaftlichen, besitzgeschichtlichen und politischen Strukturen des Kollegiatstifts nach und beleuchtet wichtige Ereignisse in dessen Geschichte. Besonders wichtig ist dabei die Beziehung zur Stadt Aschaffenburg auf der einen und dem Mainzer Erzstift (dem Erzbischof) auf der anderen Seite.
Bürgermeister Eric Leiderer, der als Referent bei der Stadt Aschaffenburg auch zuständig für die Digitalstrategie ist, hebt im Gespräch die Rolle von bavarikon hervor: Die Ausstellung stützt sich bei ihrer Darstellung auf die digitalisierten, in bavarikon vorliegenden, Urkunden und auf die sogenannten „Amtsbücher“ aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg.

Laut Archivdirektor Dr. Joachim Kemper zeigt die neue Ausstellung prägnant, welche Vorteile digital kuratierte Präsentationen im Kultursektor bieten: Die Objekte sind kostenfrei ohne Rücksicht auf Öffnungszeiten verfügbar, und entsprechen wissenschaftlichen Ansprüchen. Das Publikum vor Ort in der Region und andere Interessierte können erstmals einen „Rundgang“ durch diverse Themen der Stiftsgeschichte unternehmen, den es bislang in dieser Form noch nicht gab.

Die Exponate der Ausstellung werden in hochwertiger digitaler Qualität gezeigt. Alle Schriftquellen der Ausstellung können bequem und komplett durchgeblättert werden. Mit „Zwischen Macht und Glaube“ gewährt die neue virtuelle Ausstellung Einblicke in eine längst vergangene Zeit, die Aschaffenburg und den Nordwesten des Freistaats Bayern jahrhundertelang geprägt hat.

Die umfangreichen digitalisierten Archivbestände des früheren „Kollegiatstifts“sind zu finden unter https://www.bavarikon.de/stadtarchiv-aschaffenburg

Link: Flyer zur Ausstellung

Kontakt:
Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg
Wermbachstraße 15
63739 Aschaffenburg
Telefon: +49 6021 330 2420
Telefax: +49 6021 29540
stadtarchiv@aschaffenburg.de
joachim.kemper@aschaffenburg.de

Quelle: Stadt Aschaffenburg, Pressemitteilung, 6.10.2022

Stadtarchiv Stuttgart mit Tagung zum Thema Obdachlosigkeit

Das Stadtarchiv Stuttgart lädt zur Tagung mit dem Thema „Obdachlosigkeit. Historische und aktuelle Perspektiven auf ein ungelöstes Problem“ ein und widmet sich damit dem „Extremfall der Armut“ (Heribert Prantl). Die Tagung, in der historische und aktuelle Perspektiven gleichermaßen berücksichtigt werden findet in Kooperation mit der Ambulanten Hilfe e.V. und dem Caritasverband für Stuttgart e.V. am 13.10.2022 statt.


Abb.: Protest der Wohnsitzlosen in Stuttgart 1980 (Foto: Stadtarchiv Stuttgart).

Am Vormittag startet die Tagung mit drei Vorträgen, die sich dem Thema Obdachlosigkeit aus historischer Perspektive annähern. Zuerst spricht Prof. Dr. Martin Dinges (Stuttgart) zum Thema „Nichtsesshafte in der Frühen Neuzeit“. An welche Menschen(gruppen) dachte man in der Frühen Neuzeit beim Thema Obdachlosigkeit? Unterscheiden sich die damaligen Problemlagen von den aktuellen? Welche Ängste waren mit den Nichtsesshaften assoziiert? Prof. Dr. Martin Dinges war bis März 2019 stellvertretender Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert‐Bosch‐Stiftung (Stuttgart) und ist seit 2000 außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Mannheim.

Aus historischer Perspektive
PD Dr. Beate Althammer (Humboldt‐Universität Berlin) widmet sich in ihrem Vortrag der Wohnungslosigkeit im 19. Jahrhundert. Ausgehend von individuellen Menschen, die wegen Bettelns, mittellosen Wanderns und Obdachlosigkeit ins Visier administrativer Maßnahmen gerieten, skizziert dieser Vortrag die Herausbildung des Problemfelds Wohnungslosigkeit in Deutschland vom frühen 19. Jahrhundert bis in die Weimarer Republik. Dr. Beate Althammer ist Historikerin und Privatdozentin an der Universität Trier. Derzeit leitet sie das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt „Die Grenzen des Wohlfahrtsstaats. Migration, Soziale Rechte und Ausweisung (1850−1933)“ an der Humboldt‐Universität zu Berlin.

Vom 19. Jahrhundert bis heute
Den historischen Teil schließt der Vortrag von Dr. des. Nadine Recktenwald (Institut für Zeitgeschichte München‐Berlin) zum Thema „Obdachlosigkeit in der Stadt im 20. Jahrhundert“ ab. Der Vortrag zeigt den Weg der Obdachlosen in die Stadt und die dadurch hervorgerufenen Wechselwirkungen zwischen Obdachlosigkeit und Urbanität in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der frühen Bundesrepublik und gibt Einblicke in die Lebensräume der Betroffenen. Obdachlose galten als kriminelle sowie gesundheitliche Gefahr und wurden insbesondere im Nationalsozialismus von öffentlichen Ort verdrängt und verfolgt. Zugleich bot ihnen die Stadt vielfältige Angebote und die Möglichkeit, urbane Strukturen für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Nadine Recktenwald wurde 2019 mit der Dissertation „Räume der Obdachlosen. Obdachlosigkeit und Stadt, 1924−1974“ an der Ludwig‐Maximilians‐Universität promoviert.

Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe
Am Nachmittag wird es in einem zweiten Teil um aktuelle Bezüge zum Thema Obdachlosigkeit gehen. Zunächst rekapitulieren Prof. Dr. Andreas Strunk und Prof. Dr. Michael Monzer die Geschichte der Ambulanten Wohnungslosenhilfe in Stuttgart in den Jahren 1975 bis 2022. In zwei von Dieter Kaufmann moderierten Gesprächsrunden sprechen Expertinnen und Experten über die Frage der Ambulanten Wohnungslosenhilfe heute (Hans‐Peter Sturm, Falk Roscher, Rotraud Weeber, Andreas Strunk) und über die aktuellen Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe heute (Verena Rosenke, Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Michael Knecht, Ambulante Hilfe e.V., Harald Wohlmann, Caritas Stuttgart und Jan Peter, Sozialamt Stuttgart).

Stream auf Youtube
Anlass der Tagung ist die Übernahme des Vorlasses von Prof. Dr. Andreas Strunk in die Bestände des Stadtarchivs Stuttgart. Diese umfangreiche Dokumentation, in der sich eine jahrzehntelange berufspraktische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik widerspiegelt, wird künftig allen Interessierten dauerhaft zur Verfügung stehen. Obdachlosigkeit ist ein historisches Phänomen, das eine lange Geschichte hat. Zugleich bleibt sie, anders als andere Risiken menschlichen Daseins, ein ungelöstes soziales Problem. Trotz steigenden Wohlstands der Gesellschaft ist ihr Verschwinden nicht absehbar.

Die Vortragsreihe beginnt um 9 Uhr und endet voraussichtlich um 17.30 Uhr im Vortragssaal des Stadtarchivs Stuttgart, Bellingweg 21. Es wird um eine Anmeldung unter stadtarchiv@stuttgart.de gebeten. Die Tagung wird zudem auf dem YouTube‐Kanal des Stadtarchivs Stuttgart gestreamt:
www.youtube.com/channel/UC15lKXFyR6clDjsgcbkPi0g

Kontakt:
Stadtarchiv Stuttgart
Bellingweg 21
70372 Stuttgart
Tel.: 0711 21691512
stadtarchiv@stuttgart.de

Quelle: Stadt Stuttgart, Information, 4.10.2022

Archiv und Wirtschaft 3/2022

In Kürze erscheint die aktuelle Ausgabe 3/2022 der Zeitschrift „Archiv und Wirtschaft“ der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e.V. (VdW).

Inhaltsverzeichnis „Archiv und Wirtschaft“ 3/2022

AUFSÄTZE

Matthias Pühl: Projekt Vitra – ein weit gefasster Kulturbegriff als zentrales Element der Unternehmenskultur (126–137)
Moritz Strobel: Wie Körber mit seiner virtuellen Erlebniswelt Zeitreisen möglich macht (138–143)

WIRTSCHAFTSARCHIV DES JAHRES
Thorsten Finke und Daniel Wallburg: Der Beiersdorf CHRONICLE (144–149)

BERICHTE

Laura Kopp: „Wirtschaftsarchive. Vermittler von Identifikation und Unternehmenskultur“ – 57. Arbeitstagung der VdW vom 1. bis 3. Mai 2022 in Grenzach und Basel (150–155)

REZENSIONEN

Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (Hrsg.): Geschichte der Mast-Jägermeister SE. 1878–1997 (Peter Wegenschimmel) (156–158)
Joachim Scholtyseck: Die National-Bank. Von der Bank der christlichen Gewerkschaften zur Mittelstandsbank 1921–2021 (Dieter Kempkens) (158–160)
Joachim Scholtyseck: Reinhard Mohn. Ein Jahrhundertunternehmer (Axel Schuster) (161–163)

Aufruf (163)
Rezensionsliste (164–165)
Impressum (168)

Kontakt:
Dr. Martin Münzel
Redaktion „Archiv und Wirtschaft“
c/o F. Hoffmann-La Roche AG
Bau 52/111
CH-4070 Basel
Tel.: (0049) (0)159-06825241
martin.muenzel@wirtschaftsarchive.de
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Neue Publikation zur Familienforschung des Kreisarchivs Gütersloh

Familienforschung hilft uns zu verstehen, wer wir sind und wo wir herkommen. Aus diesem Grund hat das Kreisarchiv Gütersloh im Jahr 2022 seine neue Schriftenreihe zur Familien- und Höfegeschichte gestartet. Nach der Veröffentlichung des ersten Bandes erscheint nun bereits das zweite Buch in der Schriftenreihe: ‚Das Leibeigenthumbsbuch der Herrschaft Rheda von 1651/58‘ von Jochen Ossenbrink.

Das Buch führt die Leserinnen und Leser zurück in das 17. Jahrhundert, genauer in die Herrschaft Rheda mit seinen Kirchspielen Clarholz, Herzebrock, Rheda, St. Vit und Wiedenbrück. Mauritz Graf zu Bentheim-Tecklenburg hat 1651/58 in einem ‚Leibeigenthumbsbuch‘ die ihm eigenbehörigen Leute auf 103 Höfen und Kotten in den genannten Kirchspielen aufschreiben lassen. Die bäuerlichen und kleinbäuerlichen Besitzer sind darin mit ihren Geschwistern und ihren Kindern sowie den noch lebenden Vorbesitzern namentlich erfasst worden.

Angaben zur Herkunft der Ehepartner und zum Verbleib der Söhne und Töchter ergeben familiäre Verbindungen zu 180 anderen Höfen und Kotten. Das Leibeigenthumbsbuch bietet so für die letzten Jahrzehnte des Dreißigjährigen Krieges und das erste Jahrzehnt danach einen einzigartigen Einblick in die ländlich-bäuerlichen Familienverhältnisse. Diese Erfassung ist die erste ihrer Art für die Rhedaer Eigenbehörigen und steht damit am Anfang vieler Familiengeschichten in der Herrschaft Rheda und im Wiedenbrücker Land, die sich mit den gleichzeitig beginnenden Kirchenbüchern fortschreiben lassen.

Doch was verbirgt sich hinter den ungewöhnlichen Begriffen Eigenbehörige beziehungsweise Leibeigene? Leibeigentum oder Eigenbehörigkeit bezeichnen das Rechtsverhältnis zwischen dem Grundherrn (Eigentümer) und dem Bewirtschafter (Besitzer) der grundherrlichen Ländereien. Während die Grund- und Gutsherren ihre Güter gegen Abgaben und Dienste zur Nutzung überließen, waren ihre Bauern und Kötter von ihnen abhängig und ihnen gegenüber abgabe- und dienstpflichtig. Sie durften als erblich nutzungsberechtigte Untereigentümer aber erwarten, dass jeweils eines ihrer Kinder das elterliche Erbe antreten und sie selbst im Alter hier die ‚Leibzucht‘ – vergleichbar mit dem Unterhalt auf Lebenszeit – genießen konnten.

Übersetzt und erläutert hat das Verzeichnis Jochen Ossenbrink, korrespondierendes Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen und Autor zahlreicher Aufsätze zur Familien-, Höfe-, Landes-, Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in der ehemaligen Herrschaft Rheda sowie zu den Klöstern Clarholz und Herzebrock. Dank seiner Arbeit konnte diese für Laien nur sehr schwer lesbare Quelle für alle zugänglich gemacht werden. Für diejenigen, die die Quellenedition als Einstieg oder zur Vertiefung ihrer familiengeschichtlichen Forschungen nutzen wollen, ist das Namensregister am Ende eine unverzichtbare Hilfe.

Bibliografische Angaben:
Jochen Ossenbrink (Hg.): Das Leibeigenthumbsbuch der Herrschaft Rheda von 1651/58. Konskription der Eigenbehörigen der Vogtei Rheda, Norderstedt 2022 (=Quellen und Forschungen zur Familien- und Höfegeschichte aus dem Kreis Gütersloh 2, hg. vom Kreisarchiv Gütersloh). XLII + 162 S. 8 Abb.

Gebundene Ausgabe: ISBN 978-3-7562-9470-1, 19,80 €
E-Book: ISBN 978-3-7568-6475-1, 5,49 €

Kontakt:
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Quelle: Kreis Gütersloh, Pressemitteilung, 26.9.2022