Stiftung PK gibt Archivalien ans Stadtarchiv Diksmuide zurück

Am 9.6.2014 übergab Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Stadtarchiv Diksmuide in Belgien 17 Archivschachteln mit wertvollen spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Urkunden. Die Archivalien wurden im Rahmen einer Neuverzeichnung der Urkundensammlung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz entdeckt. Sie waren im Ersten Weltkrieg verloren gegangen.

Laut Akzessionsbuch hatte das Geheime Staatsarchiv PK die Dokumente 1970 von privater Seite in Berlin für 100,- DM angekauft. Wie sich nun herausstellte, handelte es sich bei den Dokumenten um im Ersten Weltkrieg verschlepptes Kulturgut. Die belgische Stadt Diksmuide hatte 1914 und 1917 im Brennpunkt der Kämpfe in Westflandern gestanden. Ihre Archivbestände waren nach dem Krieg fast vollständig verloren. Daher entschied die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Archivalien nach Diksmuide und ins dortige Stadtarchiv zurückzugeben. Zuvor wurden sie im Geheimen Staatsarchiv PK konservatorisch behandelt. Die kleinformatig zusammengelegten Dokumente wurden geglättet, gereinigt, im Zustand gesichert und in moderne Archivschachteln eingelegt.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sagte: „Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weiß aus eigener Erfahrung, dass Kriege neben allem Leid, das sie über Menschen bringen, immer auch Lücken in die kulturellen Überlieferungen reißen. Nicht nur der Zweite, sondern auch der Erste Weltkrieg hat solch schmerzliche Spuren hinterlassen. Ich würde mich freuen, wenn diese Rückgabe, gerade im Gedenkjahr an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs 2014, als kleine Geste der Versöhnung zwischen Belgiern und Deutschen verstanden wird.“

Diksmuide wurde im Ersten Weltkrieg im Herbst 1914 von deutschen Reserveregimentern (mit zahlreichen jungen Kriegsfreiwilligen) lange vergeblich bestürmt. Nach seiner Eroberung im November 1914 kam es zu Requirierungen von Lebensmitteln und wohl auch zu Plünderungen von Sachwerten. In ganz Belgien wurden im Zuge der Kampfhandlungen der Mittelmächte gegen die Entente-Mächte auch zahlreiche Kulturgüter zerstört. Gerade in den letzten Jahren sind von der Forschung verstärkt die Kriegsgräuel untersucht worden, die sich 1914 im besetzten Gebiet in Belgien ereignet haben.

Übergeben werden 17 Archivschachteln mit 23 Nummern, von 1446 (1 Nummer), 1519-1582 (13 Nummern), 1608-1647 (6 Nummern) und 1727-1739 (3 Nummern). Bei den meisten dieser Dokumente aus dem 15. bis 18. Jahrhundert handelt es sich um Pergament- oder Papierurkunden, die von Bürgermeistern und Schöffen der Stadt Diksmuide bei Verkauf- und anderen Rechtsgeschäften von Privatpersonen ausgestellt worden waren. Auch zwei an Bürgermeister und Rat von Diksmuide gerichtete Schreiben sind darunter.

Bei der Übergabe sprachen Lies Laridon, Bürgermeisterin der Stadt Diksmuide, Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der SPK, Dr. Marc Therry, Direktor des Rijksarchief België, Dr. Eckart Cuntz, Deutscher Botschafter in Belgien und Karline Ramboer, Stadträtin Diksmuide (Archive und Erbe).

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erinnert im Jahr 2014 im Rahmen des Themenjahres „1914. Aufbruch. Weltbruch“ an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren. In zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen beschäftigen sich die fünf Einrichtungen der SPK mit dieser Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts und den vorausgegangenen Jahren des künstlerischen und technischen Aufbruchs in die Moderne.

Kontakt:
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Archivstraße 12-14
D-14195 Berlin (Dahlem)
Tel.: 030/266 44 75 00
Fax: 030/266 44 31 26
gsta.pk@gsta.spk-berlin.de 
www.gsta.spk-berlin.de

Quelle: Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Pressemitteilung, 6.6.2014

Osterholzer Berufsschüler erstellen Verlustlisten des 1. Weltkriegs

Ein praxisnahes Lehrstück in Sachen Ahnenforschung und Archivnutzung mit alten und neuen Medien erlebten jetzt die Berufsschüler des 13. Jahrgangs der Berufsbildenden Schulen (BBS) Osterholz-Scharmbeck, die im Geschichtsunterricht das Online-Portal „Verlustlisten Erster Weltkrieg“ aufgebaut haben. Das Ergebnis reicht weit über den Projekthorizont hinaus, denn die Datenbank ist nun frei im Internet zugänglich.

Anlass zu diesem Gemeinschaftsprojekt mit dem Kreisarchiv Osterholz ist das Datum des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges, welches sich im August 2014 zum 100. Mal jährt. Es gibt eine Fülle von neuen historischen Aufarbeitungen, doch welches Interesse haben die heutigen Jugendlichen an diesem Ereignis? Wie sieht im 21. Jahrhundert die regional-historische Aufarbeitung der Schicksale der verstorbenen und vermissten Soldaten des Ersten Weltkrieges aus?

Das Projekt zur Einrichtung eines regionalen Online-Portals für die Recherche nach Informationen der im Ersten Weltkrieg eingesetzten Soldaten aus dem Landkreis Osterholz stieß auf großes Interesse. Im Rahmen der historischen Bildungsarbeit zwischen dem Kreisarchiv und der BBS Osterholz-Scharmbeck wurde das Online-Portal „Verlustlisten 1. Weltkrieg“ für den Landkreis Osterholz konzipiert und eingerichtet.

Eine besondere Herausforderung bestand u.a. darin, die wechselnden Gebietsstrukturen des Landkreises Osterholz nachzuvollziehen und die historischen Quellen zu den Verlustdaten herauszufinden. Mit großem Engagement haben die Schüler der BBS Osterholz-Scharmbeck bis zur Eröffnung des Portals die Ehrenmale in den Gemeinden,, die Gedenktafeln in den Kirchen und vorhandene Informationen im Internetportal Genealoy.net gesichtet und ausgewertet.

DDaDa es sich um eine Projektarbeit handelt, besteht nicht der Anspruch auf fehlerfreie und vollständige Auflistung der verstorbenen und vermissten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Vielmehr bittet das Kreisarchiv Osterholz auch um Mithilfe, das Online-Portal zu vervollständigen. Wer Unterlagen von Vorfahren vorliegen hat, die zu einer Vervollständigung des Online-Portals beitragen können, kann sich persönlich, telefonisch oder per E-Mail an die Leiterin des Kreisarchivs, Frau Jannowitz-Heumann, wenden. Die nachträglich gesammelten Informationen sollen bis zum Jahre 2019 in halbjährlichen Abständen zur Aktualisierung des Online-Portals beitragen.

Kontakt:
Kreisarchiv Osterholz
Am Barkhof 10a
27711 Osterholz-Scharmbeck
Telefon: +49 4791 930-105
Telefax: +49 4791 930-11105
kreisarchiv@landkreis-osterholz.de

Quelle: Bernhard Komesker, Weser Kurier, 7.6.2014; Landkreis Osterholz, Medienmitteilung.

Neubau des Staatsarchivs Stade in Betrieb

Am 19.5.2014 hat der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil zusammen mit dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, den Neubau des Standorts Stade des Niedersächsischen Landesarchivs eingeweiht. Die länderübergreifende Zusammenarbeit beim Bau dieses mit modernster Archivtechnik ausgestatteten Gebäudes – eines der größten Archivgebäude in Norddeutschland – ist innovativ und bundesweit einmalig und findet sowohl regional wie auch überregional große Beachtung. Nach einem Tag der offenen Tür am 24.5. öffnete ab dem 26.5.2014 auch wieder der Lesesaal.

Der Neubau des Niedersächsischen Staatsarchivs in Stade wurde vom Land Niedersachsen errichtet, die Freie und Hansestadt Hamburg beteiligt sich anteilig an den Baukosten und erhält das Recht zur Nutzung des Magazins bis zu einer Lagerkapazität von rund 20.000 laufenden Regalmetern. Dies entspricht 40 Prozent der Magazinfläche. Insgesamt hat der Neubau eine Magazinkapazität von etwa 50.000 Regalmetern. Damit ist für Niedersachsen eine hohe Magazinreserve entstanden, die für das Staatsarchiv insgesamt genutzt werden kann und zu Entlastungen anderer Standorte führt.

Die Gesamtkosten der Baumaßnahme belaufen sich auf rund 21 Millionen Euro, der Anteil Hamburgs beträgt etwa 4,8 Millionen Euro. Der Magazintrakt ist, durch Klimaschleusen abgetrennt, als energieneutrales Gebäude errichtet, das sich dauerhaft selbst klimatisiert. Damit ist keine Klimaanlage erforderlich, die Unterhaltungskosten konnten so reduziert werden.

Für das aus dem Jahr 1965 stammende Archivgebäude in Stade war ein Neubau erforderlich, da die Magazinkapazität weitgehend erschöpft war und ein Ergänzungsbau am bisherigen Standort nicht realisiert werden konnte. Zudem standen bereits größere Zuwächse, insbesondere an Grundbüchern, im Raum – und zwar sowohl in Niedersachsen als auch in Hamburg.

Die Fertigstellung des Neubaus erfolgte vergleichsweise rasch und ohne Kostenexplosion. Ein von der Landesregierung bei den Planungen vorgesehener Kostenpuffer in Höhe von zehn Prozent habe eingehalten und damit bereits vor der endgültigen Schlussrechnung knapp zwei Millionen Euro wieder dem Landeshaushalt zugeführt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Staatsarchiv, so Ministerpräsident Weil, leisteten eine wertvolle Arbeit. Ein Staatsarchiv sei das historische Gedächtnis eines Landes und sichere wertvolle Erinnerungsstücke über Jahrhunderte hinweg. Der Ministerpräsident freute sich über die gute Zusammenarbeit zwischen Niedersachsen und Hamburg bei der Finanzierung und dem anstehenden Betrieb des Staatsarchivs.

Auch für den Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Olaf Scholz, gehen von der Eröffnung drei gute Botschaften aus: Die Verwaltung sei modern. Die norddeutschen Länder arbeiteten prima zusammen. Und öffentliche Bauprojekte können manchmal weniger kosten als veranschlagt. Das gemeinsame hamburgisch-niedersächsische Grundbucharchiv in Stade sei eines von vielen Projekten, die für die auf vielen Ebenen erfolgreiche regionale und norddeutsche Zusammenarbeit stehen. Die Metropolregion mit ihren nun schon mehr als fünf Millionen Einwohnern wachse seit Jahrzehnten immer mehr zusammen. Hunderttausende pendelten in der Region zur Arbeit nach Hamburg und wieder zurück. Ihre große Zahl, so Scholz, belege tagtäglich, dass der vermeintliche Gegensatz zwischen der Großstadt und dem Umland faktisch kaum noch besteht.

Öffnungszeiten:
Montag – Donnerstag: 9.00 – 17.00 Uhr, ab 15.00 Uhr nur Vorlage vorbestellter Akten
Freitag: 9.00 – 13.00 Uhr

Archivalien-Ausgabezeiten:
Montag – Donnerstag: 10.00, 13.00, 15.00 Uhr
Freitag und vor Feiertagen: 10.00, 11.30 Uhr

Kontakt:
Niedersächsisches Landesarchiv
Standort Stade
Am Staatsarchiv 1 (ehemals Grabenweg)
21680 Stade
Telefon: (04141) 66060-0
Fax: (04141) 66060-35
Stade@nla.niedersachsen.de

Quelle: Niedersächsische Staatskanzlei, Pressemitteilung, 19.5.2014

Projekt Online-Urkundenbuch zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen endet

Das Online-Urkundenbuch zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen wurde bereits 800.000 Mal aufgerufen, berichtet die Siebenbürgische Zeitung (SbZ). Wie ist dieses Recherchemittel zur mittelalterlichen Geschichte der Siebenbürger Sachsen entstanden? Namhafte Historiker und Archivare haben das „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ in sieben Bänden zwischen 1892 und 1991 in Hermannstadt herausgegeben. Es umfasst 4.687 mittelalterliche Urkunden aus den Jahren 1191 bis 1486, die digitalisiert, aufbereitet und Anfang 2012 online gestellt wurden.

In einem vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien geförderten Projekt wird seither die Erschließung der Urkunden bis zum Ende des 15. Jahrhunderts fortgesetzt. Weitere über 1.000 Urkunden sind dadurch online recherchierbar geworden. Die Online-Edition wird an der Universität Koblenz-Landau unter Leitung des Kirchenhistorikers Dr. Ulrich A. Wien von Projektmitarbeiter Dr. Martin Armgart bearbeitet.

Abb.: Matthias Corvinus urkundet zum Grenzstreit zwischen Burzenland und Szeklerstühlen - Staatsarchiv Kronstadt, Privilegiensammlung Nr. 233. Foto: Thomas Şindilariu / SbZ

Abb.: Matthias Corvinus urkundet zum Grenzstreit zwischen Burzenland und Szeklerstühlen – Staatsarchiv Kronstadt, Privilegiensammlung Nr. 233. Foto: Thomas Şindilariu / SbZ

Das Projekt endet nun. Aber es wäre wünschenswert, so die SbZ, diese Urkundenedition fortzuführen. Sie liefert die Quellengrundlage für zahlreiche Aspekte der siebenbürgisch-sächsischen und der Landesgeschichte – zu Wirtschaft, Religion, Sozial- und Rechtsgeschichte.

Link: http://germa229.uni-trier.de:3000/

Quelle: Siebenbürgische Zeitung, 25.3.2012; Siebenbürgische Zeitung, 3.6.2014

60 Jahre Staatsarchiv Leipzig

Am 23. Mai 2014 beging das Staatsarchiv Leipzig sein 60-jähriges Bestehen im Rahmen einer Festveranstaltung gemeinsam mit Partnern aus der Verwaltung, von Institutionen und der Wissenschaft. Gleichzeitig eröffnete das Archiv eine Ausstellung mit einer Auswahl von einzigartigen Archivalien, die die vielfältige Nutzung und überregionale Bedeutung der Archivbestände des Hauses widerspiegeln. Sie ist bis zum 25. September 2014 während der Öffnungszeiten zu besichtigen.

Das Staatsarchiv Leipzig ist als Abteilung 3 des Sächsischen Staatsarchivs zuständig für die Überlieferung der Gerichte, Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen in der nordwestsächsischen Region (ehemaliger Direktionsbezirk Leipzig). Die Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs, Dr. Andrea Wettmann, betont: „Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit stehen die Bildung einer aussagekräftigen Überlieferung und die Bereitstellung des Archivgutes für Bürger, Verwaltung und Wissenschaft: die Regelung offener Vermögensfragen, Verfolgung in der NS-Zeit, Heimerziehung in der DDR, Aufarbeitung der SED-Diktatur oder Recherchen zum Schicksal einzelner Personen sind nur einige aktuelle Themengebiete, die ohne unsere Quellen nicht bearbeitet werden könnten.“

Das Staatsarchiv Leipzig hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem modernen Archiv mit unverwechselbarem Beständeprofil entwickelt. Zu den Besonderheiten seiner Überlieferung gehören umfangreiche genealogische Nachlässe und Sammlungen sowie die kulturgeschichtlich bedeutsamen Bestände Leipziger Verlage und der Messe. Insgesamt verwahrt das Staatsarchiv Leipzig gegenwärtig rund 22.300 laufende Meter Akten. Das Spektrum der archivarischen Aufgaben reicht von der Überlieferungsbildung, Erschließung, Erhaltung und Nutzbarmachung bis zur Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit. Der Abteilungsleiter für das Staatsarchiv Leipzig, Dr. Volker Jäger, sagt: „Nicht nur angesichts des permanenten Stellenabbaus sind immer wieder Überlegungen zur effizienteren Aufgabenwahrnehmung notwendig. Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern ist einer von mehreren Wegen zur Bewältigung der archivgesetzlich gestellten Aufgaben.“

„Die Gründung des Archivs vor 60 Jahren war ein Glücksfall für die Region“, resümiert Volker Jäger, „jetzt sind die historischen Unterlagen dort verfügbar, wo sie entstanden sind.“ Das am 1. Januar 1954 eröffnete „Landesarchiv Leipzig“ fungierte zunächst als Außenstelle des Sächsischen Landeshauptarchivs in Dresden. 1961 erhielt es seine Eigenständigkeit, vier Jahre später wurde es in „Staatsarchiv Leipzig“ umbenannt. Das Archiv war ursprünglich im Gebäude des früheren Reichsgerichts untergebracht, bis 1995 der Archivzweckbau in Leipzig-Paunsdorf bezogen werden konnte. Mit dem Einzug in das neue Gebäude verband sich auch die Eingliederung der ehemals selbstständigen Deutschen Zentralstelle für Genealogie in das Staatsarchiv Leipzig. Seit 2005 ist das Leipziger Haus Teil des Sächsischen Staatsarchivs, das vier weitere Standorte in Dresden, Chemnitz, Freiberg und Wermsdorf unterhält.

In der Ausstellung zum 60. Jubiläum zeigt das Staatsarchiv Leipzig die vielfältige Nutzung und überregionale Bedeutung der Archivbestände des Hauses anhand einzigartiger Archivalien – Briefe berühmter Dichter und Musiker, Kaiser- und Königsurkunden, Verlagsunterlagen, familiengeschichtliche Quellen, Fotos und Plakate vom Messegeschehen, Zeugnisse der NS-Euthanasie und Judenverfolgung und vieles mehr. Zu sehen sind z.B. ein aufwändig gestalteter kaiserlicher Wappenbrief, der Stammbaum der Familie Cranach, Autographe von Richard Strauss und weitere „Schätze“ des Hauses.

Ihnen sind jeweils aktuelle Forschungsergebnisse von Partnern, mit denen das Archiv arbeitsteilig Projekte verfolgt, zugeordnet. Deren Palette reicht vom Goethe-Briefrepertorium über die Aktion „Stolpersteine“, die universitäre Ausbildung bis zu Crowdsourcing-Projekten von Familienforschern.

Besichtigungen sind während der Öffnungszeiten des Archivs möglich. Zu öffentlichen Archivführungen mit Rundgängen durch die Ausstellung lädt das Archiv am 10. September 2014, 16 Uhr, ein. Um Voranmeldung wird gebeten (Tel. 0341/2555520). Der Eintritt ist frei. Öffnungszeiten: Montag und Mittwoch 8.30-18 Uhr, Dienstag und Donnerstag 8.30-16 Uhr.

Kontakt:
Sächsisches Staatsarchiv
Staatsarchiv Leipzig
Schongauerstraße 1
04328 Leipzig
Telefon: 0341/255-5500
Telefax: 0341/255-5555
poststelle-l@sta.smi.sachsen.de
www.archiv.sachsen.de

Quelle: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Medieninformation 4/2014

Kundige Rolle von 1489 nach siebzig Jahren zurück in Bremen

Einen Sensationsfund konnten Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen und der Bremer Staatsarchivdirektor Prof. Dr. Konrad Elmshäuser am 26.5.2014 im Bremer Rathaus präsentieren. Völlig unerwartet hat das Staatsarchiv Bremen eines der wertvollsten Dokumente zurückerhalten, das seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen war – die Kundige Rolle von 1489. Seit dem 15. Jahrhundert wurden Ergänzungen des Bremer Rechts auf dieser Pergamentrolle festgeschrieben. Bürgermeister Böhrnsen: „Das ist eine großartige Nachricht. Mit ihr erhält Bremen unerwartet das längst verloren geglaubte „missing link“ seiner über 700-jährigen Rechts- und Verfassungsgeschichte und ein imposantes und einzigartiges Dokument im Original zurück. Und das haben wir ganz wesentlich dem Ansehen und Verhandlungsgeschick von Konrad Elmshäuser zu verdanken.“

Rund sieben Meter lang ist die Kundige Rolle, 15 cm breit, in jedem Jahr trug der Bürgermeister die Regeln des Zusammenlebens in Bremen vor. Bürgermeister Böhrnsen: „Wir wollen, dass die Bremerinnen und Bremer sich selbst einen Eindruck verschaffen können von diesem Schatz aus unserer Geschichte. Deshalb werden wir die Kundige Rolle am Jubiläumstag zum zehnjährigen Weltkulturerbe Roland und Rathaus am 7. Juli 2014 in der Oberen Halle ausstellen.“

Abb.: Bürgermeister Böhrnsen und Professor Elmshäuser präsentieren im Bremer Rathaus die Kundige Rolle (Foto: Staatsarchiv Bremen)

Abb.: Bürgermeister Böhrnsen und Professor Elmshäuser präsentieren im Bremer Rathaus die Kundige Rolle (Foto: Staatsarchiv Bremen)

Die Freie Hansestadt Bremen blickt auf eine lange Geschichte der bremischen Gesetzgebung und Rechtsprechung zurück. 1303 wurde das Bremer Recht erstmals in einem Stadtrechtsbuch systematisch zusammengefasst, seit dem 15. Jahrhundert schrieb man Zusätze zum Bremer Recht auf eine Pergamentrolle. Diese Kundige Rolle wuchs im Laufe der Jahre zu einem fast sieben Meter langen Schriftstück mit 225 Artikeln an. Sie wurde bis 1756 jährlich vom Rathaus öffentlich verkündigt und gedruckt.

Die Originale der mittelalterlichen Handschriften wurden vom Senat als ehrwürdige Denkmäler des bremischen Rechts stets in hohen Ehren gehalten. Im Zweiten Weltkrieg zählten die Stadtrechtshandschriften daher zu den wertvollsten Archivalien, die in ein Bergwerk in Sachsen Anhalt ausgelagert wurden. Sie überstanden Luftangriffe und Krieg unbeschadet, wurden dort aber bei Kriegsende zunächst von amerikanischen, dann von sowjetischen Besatzungstruppen beschlagnahmt. Im Frühjahr 1945 verliert sich daher die Spur der Kundigen Rolle. Auf die Verbringung der Bremer Archivalien in die UdSSR folgten langwierige Rückgabeverhandlungen, die erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Erfolg hatten. Seither kamen fast alle vermissten Archivalien aus der ehemaligen UdSSR und ihren Teilrepubliken nach Bremen zurück – nicht jedoch die Kundige Rolle von 1489. Sie galt bis vor wenigen Tagen als verschollen.

Der Hinweis eines Londoner Auktionshauses hat das Staatsarchiv Bremen nun zu einer Adresse im kalifornischen Kunsthandel geführt. Dort war man im Besitz eines ungewöhnlichen mittelalterlichen Manuskripts, dessen Zweck und Herkunft unklar waren. Der Austausch von Fotos mit dem Staatsarchiv brachte schnell Gewissheit, dass es sich um das Original der Kundigen Rolle handelte. Die Besitzerin war sofort bereit, das Stück so schnell wie möglich seiner Archivheimat zuzuführen. Konrad Elmshäuser erzählt begeistert: „Sicher verpackt und gut behütet kam die Kundige Rolle am 14. Mai 2014 als Luftfracht aus den USA im Staatsarchiv Bremen an. Unbeschädigt, vollständig und perfekt erhalten – über 500 Jahre nach ihrer Entstehung und über 70 Jahre nach dem Beginn ihrer Odyssee.“

Links:

Kontakt:
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen
Telefon: 0421 / 361-6221
Telefax: 0421 / 361-10247
office@staatsarchiv.bremen.de
www.staatsarchiv.bremen.de

Quelle: Staatsarchiv Bremen, 26.5.2014

Ausstellung zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen in Hessen

Das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden hat eine Wanderausstellung über die Aufarbeitung von nationalsozialistischen Verbrechen durch die hessische Justiz erarbeitet. Sie trägt den Titel „Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun„. Der Titel ist ein Zitat von Fritz Bauer, der von 1956 bis zu seinem Tod 1968 als hessischer Generalstaatsanwalt amtierte und wichtige Beiträge zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen leistete.

Abb.: Ausstellung 'Die historische Wahrheit kund und zu wissen tun.' Die justizielle Aufarbeitung von NS-Verbrechen in Hessen

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus war die Justiz als Handlangerin dieses verbrecherischen Systems zunächst diskreditiert. Die unter der NS-Herrschaft begangenen Straftaten beschäftigten seither immer wieder Ermittlungsbehörden und Gerichte, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität. Unbestrittener Höhepunkt der Strafverfolgung war der „1. Frankfurter Auschwitz-Prozess„, den der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer auf den Weg gebracht hatte. Das Hessische Hauptstaatsarchiv dokumentiert in seiner Wanderausstellung über den Auschwitz-Prozess hinaus exemplarisch wichtige, in Hessen geführte NS-Verfahren der Nachkriegszeit.

Das ursprüngliche Verbrechen wird dabei seiner justiziellen Aufarbeitung gegenübergestellt. Die bemerkenswerte Ausstellung zeigt somit Opfer und Täter der Nazi-Zeit sowie die Staatsanwälte und Richter, die nach dem Krieg in Hessen Recht über die Verbrechen sprachen. Kurator Johann Zilien vom Hessischen Hauptstaatsarchiv hat dafür die Akten der Justiz in seinem Archiv ausgewertet, die nun erstmals in größerem Stil der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie sagen mehr, als der Laie von nüchternen Justizdokumenten erwarten würde, wie die FR konstatiert. In den Prozessakten finden sich Briefe, Postkarten und Persönliches.

Aus diesen Dokumenten spricht das Grauen des Nazi-Terrors. Die Prozessakten dokumentieren aber auch, auf welche Weise die Angeklagten in Schutz genommen wurden. Ein Gießener Psychiater attestierte beispielsweise dem früheren SS-Mann Hubert Gomerski,, der bereits am Verbrennungsofen der Tötungsanstalt Hadamar gestanden hatte und später als Wachmann im Vernichtungslager Sobibór eingesetzt wurde, dass „speziell bei ihm denkbar ungünstige Voraussetzungen zum Widerstand“ vorgelegen hätten – nämlich „Autoritätsgläubigkeit, Werkzeugpersönlichkeit, hohe Abhängigkeit vom Denken und Handeln seiner jeweiligen Bezugsgruppe“.

Die Aufarbeitung in der Ausstellung umfasst vor allem die Zeit von 1945 bis 1970, reicht aber auch bis zum Prozess gegen a href=“http://de.wikipedia.org/wiki/John_Demjanjuk“>John Demjanuk vor wenigen Jahren in München. Dabei zeigt sie, wie sich die Rechtsprechung im Laufe der Jahre veränderte. Schon kurz nach Kriegsende nahmen US-Militärgerichte ebenso wie unbelastete Justizbedienstete in den neu aufgebauten hessischen Behörden die Arbeit auf. Es gab zahlreiche Prozesse, teilweise drakonische Strafen – und mit dem Frankfurter Euthanasie-Prozess (1946-1948) ein herausragendes Verfahren.

Im Mai 2014 waren die 53 großformatigen Tafeln der Ausstellung im Foyer des Hauptstaatsarchivs in Wiesbaden zu sehen. Die Wanderausstellung kommt bis 2015 auch in andere Städte. Der Katalog umfasst die gesamte Ausstellung außer den Ton- und Filmdokumenten. Er kann auf der Internetseite www.hauptstaatsarchiv.hessen.de vollständig heruntergeladen werden.

Schulen können die Ausstellung als Poster erhalten. Ansprechpartner ist der Kurator Johann Zilien.

Kontakt:
Dr. Johann Zilien
Hessisches Hauptstaatsarchiv
Mosbacher Str. 55
65187 Wiesbaden
Tel.: +49 (0) 611/8 81-1 16
Johann.Zilien@hhstaw.hessen.de

Quelle: Pitt von Bebenburg, Frankfurter Rundschau, 27.5.2014; Hessisches Hauptstaatsarchiv, Aktuelles.

Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes

Gerüstet sein für die hoffentlich niemals eintretende Katastrophe – das war das Ziel einer Übung des im Herbst 2012 gegründeten Koblenzer Notfallverbundes auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle in Koblenz-Metternich am 14. Mai 2014.

Dem Koblenzer Notfallverbund gehören das Bundesarchiv, das Landeshauptarchiv Koblenz, das Stadtarchiv Koblenz, die Stadtbibliothek Koblenz und das Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz an. Rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen probten jetzt den Ernstfall, professionell begleitet und unterstützt von Vertretern der Koblenzer Berufsfeuerwehr.

Zunächst konnte an Kassationsgut und Makulatur aus den teilnehmenden Häusern das Brandverhalten unterschiedlicher Arten von Archiv- und Bibliotheksgut – einschließlich verschiedener Verpackungs- und Lagerungsformen – studiert werden. Im Hauptteil der Übung praktizierten die Teilnehmer danach das fachgerechte Bergen und Sichern der verbrannten und gelöschten Unterlagen. Einzelne Teams waren dabei zum Beispiel für Bergung, Transport, Sortierung, Schadenserfassung, Reinigung und Verpackung sowie für die Gesamtleitung verantwortlich. Ein wesentliches Anliegen der Übung bestand darin, mit- und aufeinander abgestimmte Abläufe zwischen den einzelnen Teams zu trainieren, die auch in einem echten Notfall funktionieren müssen und dann aufgrund der Praxiserfahrung leichter abgerufen werden können.

Abb.: Während der Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes am 14. Mai 2014 (Foto: LHA Koblenz)

Abb.: Während der Notfallübung des Koblenzer Notfallverbandes am 14. Mai 2014 (Foto: LHA Koblenz)

In der abschließenden gemeinsamen Manöverkritik haben die Teilnehmer die in der Übung gewonnenen Erkenntnisse kritisch aufgearbeitet, aber zugleich auch den positiven Effekt für das Funktionieren des Verbundes in einem etwaigen Ernstfall betont.

Quelle: Landeshauptarchiv, Aktuelles, 15.5.2014

28. Archivpädagogenkonferenz in Weimar zur Reformation

Erstmals widmete sich eine Archivpädagogenkonferenz mit dem Thema „Reformation“ einem einzigen inhaltlichen Schwerpunkt. Die 28. Archivpädagogenkonferenz, die am 23. und 24. Mai 2014 in Weimar stattfand, beschäftigte sich mit dem Einsatz frühneuzeitlicher Quellen in7 Archivpädagogik und Historischer Bildungsarbeit, also nicht zuletzt: im schulischen Unterricht.

Die Konferenz, die mit einer Führung durch das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar begann, fand im Herderzentrum statt, dem im Sommer 2013 eröffneten zentralen kirchlichen Veranstaltungsort in direkter Nachbarschaft zur Stadtkirche St. Peter und Paul (sog. „Herderkirche“). Die traditionell enge Zusammenarbeit zwischen dem Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Weimar und dem Hauptstaatsarchiv Weimar, das die Archivpädagogenkonferenz für den VdA-Arbeitskreis Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit organisiert und durchgeführt hat, drückte sich in den einleitenden Grußworten von Superintendent Henrich Herbst und von Staatsarchiv-Direktor Dr. Bernhard Post, aber auch in jenen von Dr. Christina Kindervater (Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur) und Dr. Andreas Jantowski (Direktor des Thillm in Bad Berka) aus. Sie betonten die Notwendigkeiten und Möglichkeiten quellengestützten Lernens für die kritische Rezeption historischer Traditionsbestände, die in Thüringen als Kernland der Reformation anhand zahlloser authentischer Quellen und Orte stattfinden kann. Sie wiesen dabei darauf hin, dass die kritische Geschichtsaneignung gerade in Weimar eine besondere Chance beinhalte, aber auch Verantwortung impliziere, da hier nicht nur die Geistesgrößen der deutschen Klassik, wie Goethe, Schiller, Wieland und Herder, öffentlich gewirkt hätten, sondern auch schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit offen praktiziert wurden – woran unter anderem die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald erinnert.

Abb.: Teilnehmende an der 28. Archivpädagogenkonferenz sowie Ltd. Archivdirektor Dr. Bernhard Post (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar) bei seiner Begrüßung (Foto: Susanne Freund, Potsdam)

Abb.: Teilnehmende an der 28. Archivpädagogenkonferenz sowie Ltd. Archivdirektor Dr. Bernhard Post (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar) bei seiner Begrüßung (Foto: Susanne Freund, Potsdam)

Die Fachvorträge des ersten Konferenztages bauten sinnvoll aufeinander auf. Zunächst präsentierte Prof. Dr. Anke John (Geschichtsdidaktik Universität Jena) empirische Befunde zum Quelleneinsatz im Geschichtsunterricht. Grundlage bildeten zwei Schullehrbücher in ihren Thüringer Ausgaben: „Geschichte und Geschehen 7/8“ sowie „Das waren Zeiten 2“. Schulbücher stellen immer noch das „Leitmedium“ dar, zumal Lehrerinnen und Lehrer mit anderen Medien nicht derart vollumfänglich vertraut seien, wie John am Beispiel Historischer Spielfilme (hier: dem Spielfilm „Luther“ von 2003) aufzeigte. Der Unterricht habe es zu leisten, Legenden um Luther bzw. des Lutherbildes zu hinterfragen und die Unterscheidung von Quelle und Deutung zu ermöglichen. John konstatierte eine „Rekonventionalisierung der Geschichtsvermittlung“ und kritisierte, dass Bildquellen häufig nur illustrativ eingesetzt würden. Im Rahmen von „Methodentrainings“ zum Filmeinsatz müssten hingegen Absichten von Bildern sowie Beziehungen von Bildelementen erkannt und herausgearbeitet werden. Bei der Quellenauswahl für die Thüringer Geschichtsbücher zeige sich zudem, dass die regionalgeschichtliche Konkretion von Themen zugunsten der europäischen Dimension verloren gehe. Auch kämen Gender-Perspektiven zu kurz. Dem ließe sich begegnen, indem z.B. auf die Beteiligung von Frauen an der Reformation wie an der Gegenreformation hingewiesen werden würde: als Flugfschriftenautorinnen, als Predigerinnen oder als Dichterinnen. Johns empirischen Befunde verdeutlichten, dass der Einsatz von Bildquellen und von Textquellen ein sehr unterschiedliches Profil habe. Das zeige sich beispielsweise in der höheren Aufmerksamkeit, die Bildquellen gemeinhin erführen, aber auch in der längeren Bearbeitungszeit für Textquellen. Empirisch belegbar sei, so fasste John abschließend zusammen, dass es einen  hohen Nutzen von Quellenarbeit im Geschichtsunterricht gebe, wenn es um die Faktoren Wissensvermittlung, Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven, Umgang mit Quellen sowie Konstruktion von Geschichte gehe.

Dagmar Blaha, die die Abteilung für ältere Bestände im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar leitet, konnte diese Befunde aufgreifen und ein neues Produkt für die Nutzung reformationsgeschichtlicher Quellen im Schulunterricht präsentieren: das Digitale Archiv der Reformation. Ab Ende 2015 werden in einer Internetplattform reformationsgeschichtliche Schriftzeugnisse aus Staatsarchiven „Mitteldeutschlands“ präsentiert und digital nutzbar gemacht. Projektbeteiligt sind die Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Es sollen ganz unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden, von interessierten Bürgern bis hin zu Wissenschaftlern, für die aber jeweils unterschiedliche Module bereit gestellt werden (so ein „Forschungsmodul“ und ein „Wissensmodul“). Zunächst sollen 119 intensiv aufbereitete Dokumente, z.B. umfangreiche Visitationsprotokolle, sowie zudem „Schlüsseldokumente“ der Frühen Neuzeit präsentiert werden. Das Angebot wird dabei neben dem Digitalisat auch Kurzregesten (mit Signatur), Abschriften, Übertragungen in modernes Deutsch, historische Einführungen und nach Möglichkeit auch Übersetzungen ins Englische umfassen. Das Portal „DigiRef“ ist ausbaufähig und soll perspektivisch neben Schriftzeugnissen auch digitalisierte Fotos und Baudenkmäler etc. beinhalten. Der Einsatz der mehrstufig erschlossenen Quellen wird sich vermutlich gut für Schulen eignen, Wissenschaftler werden hingegen ihre eigene Quellenauswahl treffen wollen und auch weitere Bestände zur Kontextualisierung ihrer jeweiligen Fragestellungen vor Ort in den Archiven nutzen müssen.

Im dritten Fachvortrag des Tages benannte Rigobert Möllers vom Arbeitsbereich „Medien und Informationstechnologien“ der Thillm die Aktivitäten dieses „Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien“ (Bad Berka) im Rahmen der Lutherdekade. Er will Originalquellen sowie deren Digitalisate als „Zumutung“, also als positiv verstandene Herausforderung für Schülerinnen und Schüler verstanden wissen. In seinem sehr engagierten Vortrag, der implizit die Anteile politischer Bildungsarbeit in der Geschichtslehrerfortbildung verdeutlichte, stellte er die Luther-Wanderausstellung des Thillm in ihrer animierten, dreidimensional online-gestellten Form vor. Mit ihr könne man lernen (und lehren), den Freiheitsbegriff Luthers differenziert zu betrachten: als individuelle Freiheit und als gesellschaftliche Verantwortung. So leiste die Ausstellung jene für die Pädagogik notwendige Verbindung aus problemorientierter Aufbereitung historischer Probleme und deren lebensweltlicher Adaption. In der Ausstellung werden das geistliche und das weltliche Regiment in je drei Stelen vorgestellt (2 x Glaube und Freiheit, Kirche und Welt, Mensch und Kultur, Sprache und Medien, Erziehung und Schule). – Dass angesichts des bevorstehenden Reformationsjubiläums 2017 die besondere Chance für die unterrichtliche Befassung mit frühneuzeitlichen Quellen gerade darin liege, dass man es nicht mit einem solitären Reformationsereignis, sondern mit einem langen Reformationsprozess im 16. und 17. Jahrhundert zu tun habe und dass man die ausgerufene „Lutherdekade“ bis zum Jubiläumsjahr eher als „Reformationsdekade“ auffassen müsse, kam an verschiedenen Stellen der Archivpädagogenkonferenz zum Ausdruck.

Traditionell beschliesst eine Runde der Konferenzteilnehmer mit eigenen kurzen „Berichten aus den Archiven“ den ersten Konferenztag. In diesen knappen Jahresrückblicken wurde beispielsweise auf das Angebot von Erarbeitungsvorschlägen modularer Art für Lehrerinnen und Lehrer als Service von Archiven bzw. Archivpädagogen hingewiesen (so im Staatsarchiv Hamburg, im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden oder im Landesarchiv NRW Abt. Detmold). Aufgrund großer Nachfrage hat das Stadtarchiv Hilden zusammen mit der dortigen VHS eine „Stadtführerausbildung“ für Senioren etabliert. Das Stadtarchiv bereitet zudem Thementafeln für „Haltestellen“-Geschichten auf, die den Wartenden an Bushaltestellen insbesondere biografische Hintergründe der Namenspatrone der jeweiligen Hildener Haltestellen liefern. Das Westfälische Wirtschaftsarchiv in Dortmund hat einen „Archivführerschein“ für Lehrerinnen und Lehrer der gymnasialen Oberstufe entwickelt. Das Historische Archiv der Stadt Köln interaktive Führungen, in denen beispielsweise Fließbandarbeit in einer Werkshalle nachgestellt wird. Und im Landesarchiv Baden-Württemberg geht man derzeit an die Planungen für die nächsten Karlsruher Tagung zur Archivpädagogik, die dort am 6.3.2015 stattfinden wird.

Am zweiten Tag der 28. Archivpädagogenkonferenz in Weimar ging es im Rahmen dreier Fachvorträge um Praxisbeispiele der Geschichtsvermittlung in Schule, Kirchenarchiv und Stadtmuseum: Heike Fiedler, die vom Grabbe-Gymnasium in Detmold stundenweise an die dortige Landesarchiv-Abteilung abgeordnete Archivpädagogin, und Tobias Knecht, derzeit Studienreferendar am Gymnasium Leopoldinum in Detmold, zeichneten im Rahmen ihrer „Reflexion zum Lernen im Archiv am Beispielen von Zeugnissen der Reformation in Lippe“ eine aktuelle gemeinsame Unterrichtsreihe nach. Wichtig war ihnen, dass dieses Pilotprojekt sorgfältig an die jeweiligen infrastrukturellen Voraussetzungen und inhaltlichen Bedürfnisse der Partner Schule und Archiv angepasst wurde. Die Unterrichtsreihe zielte auf die gleichsam vertikale Progression in der Fachwissenvermittlung ab – vom Sachurteil bis hin zum abschließenden Werturteil über die Religionsfreiheit als Menschenrecht. An historischen Quellen standen aus Gründen der didaktischen Reduktion zwei Dokumente im Zentrum. Sie sollten zudem den Beginn und den Abschluss der zeitgenössischen Entwicklung repräsentieren: Zu Beginn wurde ein Ablassbrief für Simon V. zur Lippe aus dem Jahr 1515 genutzt, im weiteren Verlauf dann der – im original 16 Seiten umfassende – Röhrentruper Rezess von 1617, mit dem sich der reformierte Graf zur Lippe und die lutherische Stadt Lemgo verglichen. Insgesamt 14 Unterrichtsdoppelstunden, von denen zwischen Ende März und Anfang Mai 2014 sechs in der Schule und acht im benachbarten Archiv durchgeführt wurden, widmeten sich in verschiedenen Modulen den archivischen Methoden und historischen Inhalten. Das von beiden Seiten (sowie insbesondere von der beteiligten Lerngruppe) als sehr gelungen bezeichnete Unterrichtsprojekt war von Zwischen- und Abschlussevaluationen begleitet worden, so dass deren differenzierte Ergebnisse auch als Handreichung für vergleichbare Projekte dienen können.

In ihrem anschließenden Vortrag zeigte Dr. Hannelore Schneider, die mit ihrem Landeskirchenarchiv in Eisenach jüngst einen neuen Standort beziehen konnte, wie sie mit wenig Mitteln und Kapazitäten für die Archivpädagogik dennoch ihrem Interesse an einer schulischen Begegnung mit dem Archiv nachzukommen versucht. Neben einem Seminarraum, der ihr nunmehr im neuen Gebäude zur Verfügung steht, verfügt sie über einen alten Schrank (aus dem Historismus). Hier, unter anderem in einem eingebauten Geheimfach, hinterlegt sie archivisches Schaumaterial, um mit Schülern anschließend gemeinsam „Geschichte aus dem Schrank“ heben zu können. Als naheliegende Kooperationspartnerin für die Kirchenarchivpädagogik bietet sich nunmehr die benachbarte Evangelische Grundschule an, für die Schneider im Zuge der Archivbauarbeiten extra eine eigene Gartenpforte auf das Archivgelände in den Zaun hat einbauen lassen. Dadurch ist ein kurzer Weg ins Archiv – und in die Geschichte – gewährleistet.

Ganz andere Bedingungen für die Geschichtsvermittlung besitzt naturgemäß ein Stadtmuseum: Gudrun Noll-Reinhardt, Stadtarchäologin vom Stadtmuseum Erfurt, präsentierte im abschließenden Vortrag der Archivpädagogenkonferenz, das von ihr und Museumsdirektor Hardy Eidam entwickelte „Geschichtslabor“ vor, einer Ausstellung zum komplexen Thema „Rebellion – Reformation – Revolution„, die am Reformationstag 2012 im Stadtmuseum Erfurt eröffnet wurde. Noll-Reinhardt, die im Zuge der Ausstellung, die sie kuratierte, auch museumspädagogische Kompetenz erwarb, führte die Konferenzteilnehmer virtuell durch die platzgreifende Ausstellung, die sie als „installative Konfrontation von Geschichte und Gegenwart“ verstanden wissen will. Das Museum bietet Platz und Gelegenheit für eine kreative Aneignung von Geschichte. Einerseits werden in eher klassischer Form Erfurt, wo Martin Luther zwischen 1501 und 1511 gelebt und studiert hatte, als „Wiege“ der Reformation vorgestellt. Andererseits führen eindrucksvolle, großformatige Installation verschiedene Fragehinsichten an (z.B. „Ich und das Andere?“), mit denen das Fortwirken reformatorischer Errungenschaften im eigenen Leben überprüft werden kann. Das Stadtmuseum erinnert mit dieser Ausstellung en passant daran, dass die Reformation, wenn man dabei den Fokus von Erfurt auf Wittenberg aufzieht, zunächst ein Universitätsereignis gewesen ist, der man die Entwicklung einer kritischen und unabhängigen Wissenschaft zu verdanken hat.

Im Anschluss an eine Konferenzzusammenfassung der Koordinatorin des VdA-Arbeitskreises Archivpädagogik und Historische Bildungsarbeit, Dr. Annekatrin Schaller (Stadtarchiv Neuss), die zugleich die nächste, die 29. Archivpädagogenkonferenz 2015 in Koblenz avisierte, bot Hausherr Dr. Bernhard Post den Teilnehmern eine kurzweilige Führung durch das Hauptstaatsarchiv Weimar und seine beeindruckenden Bestände, die in der aktuellen Archivausstellung zur Geschichte der Pädagogik in Thüringen endete und eine Generalprobe für die anschließende Lange Nacht der Museen in Weimar darstellte. Die von Katrin Göring, Ina Maletz und weiteren Mitarbeitenden des Hauptstaatsarchivs Weimar professionell und liebevoll organisierte 28. Archivpädagogenkonferenz gab den mehr als 40 Teilnehmern, darunter erneut einige Studierende der FH Potsdam, etliche Anregungen nicht nur zum Einsatz frühneuzeitlicher Archivquellen im Unterricht mit auf den Heimweg. Angesichts dieses Potenzials an motivierten und kompetenten Menschen, vielfältigen Archivbeständen und behördlicher Einsicht in die Notwendigkeit von Archivpädagogik ist es kaum erklärbar, dass es in Thüringen und manch anderen Bundesländern die zwischenzeitlich an die Staatsarchive abgeordneten Archivpädagogen nicht mehr gibt.

Jens Murken, Bielefeld

»Ihr lebt in einer großen Zeit …« Propaganda und Wirklichkeit im Ersten Weltkrieg

Der Titel der aktuellen Ausstellung „Ihr lebt in einer großen Zeit …“ im Steiermärkischen Landesarchiv ist ein wörtliches Zitat aus einem Plakat mit der Aufforderung zur Zeichnung der zweiten Kriegsanleihe im Mai 1915. „Ihr lebt in einer großen Zeit, der größten Eures Volkes. Sie verlangt starke Herzen, starkes Selbstvertrauen, die Kraft, sich zu behaupten im festen Ausharren – bis zum endlichen Siege.“

Der Begriff Propaganda hat von seinem ersten Auftauchen bis zu dessen heutiger Bedeutung einen starken inhaltlichen Wandel erfahren. Propaganda war im Ersten Weltkrieg sowohl nach innen – an die „Heimatfront“ – als auch an die Bevölkerung der Kriegsgegner sowie an die Menschen der nicht unmittelbar am Krieg beteiligten Staaten gerichtet.

Ausstellungsplakat © StLA

Abb.: Ausstellungsplakat © StLA

Erstmals wurde massiv das Mittel systematisch betriebener Propaganda eingesetzt, um die Moral von Soldaten wie Zivilbevölkerung zu stärken. Da der Krieg nicht nur von den Militärs an der Front geführt wurde, musste die gesamte Bevölkerung hinter dem kriegerischen Ziel vereint werden. Bewusste und zielgerichtete Manipulation stellte ein besonderes Charakteristikum in diesem Krieg dar.

Leistungen und Ereignisse der eigenen Seite an der Front wurden in idyllischer Weise verklärt, Taten des Gegners als unglaubliche Gräueltaten dargestellt. Für den Empfänger der Nachricht war es oft nicht möglich, die propagandistischen Lügen zu erkennen. Sowohl auf Seite der Mittelmächte als auch der Entente spielten in der Propagandamaschinerie Künstler, Schriftsteller, Intellektuelle und Wissenschaftler eine wichtige Rolle. Alle verfügbaren Kommunikationskanäle wurden zu Propagandazwecken aktiviert.

Die Ausstellung im Steiermärkischen Landesarchiv spricht anhand authentischer Quellen jene „Informationen“ an, die das „Leben in einer großen Zeit“ prägten und die Menschen beeinflussen sollten. Dem wird die Realität gegenübergestellt: die Grausamkeit des Geschehens an der Front sowie die Not, die Restriktionen im Alltagsleben, das Elend im Hinterland bzw. der Heimatfront und der daraus resultierende propagandistische Wandel vom Verteidigungskrieg hin zum Kampf einer Opfer- bzw. Leidensgemeinschaft.

DDie Ausstellung kann bis zum 16.6.2014, also auch noch während des Steirischen Archivtags am 12.6.2014, der sich mit „Quellen zum Ersten Weltkrieg aus regionalen Archiven und Sammlungen“ beschäftigen wird, zu den Öffnungszeiten des Steiermärkischen Landesarchivs/a> in Graz bei freiem Eintritt besucht werden.

Kontakt:
Landesarchiv Steiermark
Karmeliterplatz 3
8010 Graz
www.landesarchiv.steiermark.at

Quelle: Landesarchiv Steiermark, Medieninformation