Sternenfels lässt Folianten aus dem 18. Jahrhundert fachgerecht restaurieren

Der Zahn der Zeit nagte mächtig an den dicken Bänden aus dem Gemeindearchiv, die die Gemeinde Sternenfels nun durch die Buchbinderei Gerken restaurieren ließ. Die Schadensbilder reichten dabei von fehlenden Einbanddecken und Buchrücken, verschmutztem und verzogenem Buchblock bis hin zu Wasserschäden mit Schimmelbefall, der das Papier teilweise bereits zerstört hatte. „Keine leichte Aufgabe für Caroline Gerken“, wie der Leiter des Kreisarchivs des Enzkreises, Konstantin Huber, betont, „doch die Buchbindemeisterin und Restauratorin verfügt über genügend Fachwissen und Erfahrung, damit die alten Bände nun wieder in neuem Glanz erstrahlen.“

Abb.: Freude über eine gelungene Restaurierung: Buchbindemeisterin und Restauratorin Caroline Gerken (Mitte) übergab im Beisein von Kreisarchivleiter Konstantin Huber (links) dem Sternenfelser Bürgermeister Werner Weber die „neuen alten Bände“ (Foto: Heike Sartorius).

Auseinandernehmen, Trockenreinigung, soweit nötig Desinfizierung mit Alkohol, Stabilisierung beschädigter Blätter mit Kleister und Ersetzen der Fehlstellen mit Japanpapier, dann Neuheftung, Ableimung, Hinterklebung sowie Fertigung neuer Einbände mit Halbleder- oder Pergamentdecke – das waren nur einige der in der Freiburger Werkstatt geleisteten Arbeitsschritte. Caroline Gerken, die ihre Arbeit eindrucksvoll in Text und Fotos dokumentierte, löste auch die alten Titelschilder ab und übertrug sie gereinigt auf die neuen Einbände. „Bei der Restaurierung werden nur die nicht mehr brauchbaren Teile ersetzt“, berichtet sie. „Zugleich ist erkennbar zu machen, was neu ist“.

Abb.: Drei der restaurierten Bände, für die teilweise das alte Überzugspapier wiederverwendet werden konnte (Foto: Caroline Gerken).

Zusammen mit Huber übergab die Restauratorin nun das Ergebnis ihrer Arbeit dem Sternenfelser Bürgermeister Werner Weber, der sich sichtlich erfreut zeigte. Dem Schultes ist die Erhaltung des Archivs als „Gedächtnis der Gemeinde“ sehr wichtig, „nicht nur, weil wir gesetzlich dazu verpflichtet sind, sondern weil jeder Band einzigartige Informationen über das frühere Leben preisgibt“, so Weber.

Die zwei dicksten der vier Bände sind Inventur- und Teilungsbücher aus Sternenfels (1796-1799) und Diefenbach (1746-1752). Laut Konstantin Huber sind Inventuren und Teilungen Vermögensbeschreibungen, die zur Vermeidung von Erbschaftsstreitigkeiten jeweils bei der Heirat oder beim Tod eines Einwohners angelegt wurden. Sie enthalten Material über die Alltagskultur und die Lebenswelt breitester Bevölkerungsschichten.

Als Vermögen werden in den Inventuren nicht nur der relativ wertvolle Besitz an Immobilien, Fahrzeugen, Vieh, Geldvermögen und Schulden sowie Schmuck aufgeführt, sondern in einzigartiger Genauigkeit auch die Dinge des alltäglichen Lebens: Mobiliar, Kleidung, Wäsche, Bücher, Geschirr sowie die vorhandenen Getreide- und Weinvorräte bis hin zu in der Küche befindlichen Lebensmitteln wie Zwiebeln und ähnlichem. Die Inventuren zeichnen damit ein genaues Bild von den reichen, ärmeren und ärmsten Bevölkerungsschichten.

So ist im Sternenfelser Band beispielsweise zu lesen, was 1797 der Bürger und Weingärtner Johann Thomas Mannus seinen vier Kindern hinterließ. An Gebäuden waren dies „anderthalb Sechstheile an einer Behausung … oben im Dorf“ – also 1,5 Sechstel – oder ein Viertel. Dies ist Ausdruck der in Württemberg gültigen Realteilung, bei der alles zu gleichen Teilen unter den Erben geteilt wurde, im Gegensatz zum Anerbenrecht in anderen Regionen, wo meist ein Sohn den Hof komplett erbte. In dem dicken Folianten ist unter anderem weiter zu lesen, dass Mannus ein einziges Buch besaß – „das alte wirtembergische Gesangbuch“ nämlich.

Die beiden anderen restaurierten Bände stammen ebenfalls aus dem Ortsteil Diefenbach. Es handelt sich um ein Steuerempfang- und Abrechnungsbuch (1787/88), das den Einzug der Gemeindesteuern dokumentiert, sowie  eine Armenkastenrechnung (1783/84). In ihr sind die Einnahmen und Ausgaben der kirchlichen Sozialkasse für die Unterstützung Bedürftiger eingeschrieben. Aber auch eine beachtliche bildungspolitische Maßnahme ist dort dokumentiert. So heißt es: „Bey dem unter der hießigen Schul-Jugend wahrgenommenen Bücher-Mangel hat man … vor [=für] guth angesehen, zu Erweckung mehreren Eyfers … und überhaupt, um unter der Jugend eine stärckere Liebe gegen Gottes-Furcht und Christenthum einzupflantzen, … daß jedem in die Schul gehenden Kind die … nothwendig habende Bücher … nach und nach angeschafft und vor aigenthumlich in die Hände gelaßen werden mögen.“

Doch wo sollten die Mittel hergenommen werden? Man beschloss einfach, dass „die bißherige beträchtliche Abgaben an fremde Bettler von nun an abgestellt und aufgehoben werden.“ Almosen erhielten künftig also nur noch die in Diefenbach lebenden „Ortsarmen“.

Kontakt:
Enzkreis – Kreisarchiv und Kultur
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Tel. 07231 308-9423
Fax: 07231 308-9837
Kreisarchiv@enzkreis.de
www.enzkreis.de/kreisarchiv

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung, 2/2018, 4.1.2018

Die älteste Urkunde des Aachener Stadtarchivs wird 1000

Die Aachener Archivalie des Monats Januar 2018 ist die älteste Urkunde des Stadtarchivs, die aktuell ihren 1.000sten Geburtstag feiert. Es handelt sich um eine Schenkung Heinrichs II. an die Reichsabtei Burtscheid vom 21. Januar 1018.

Abb.: Archivalie des Monats Januar 2018 (Foto: Peter Hinschläger)

Die aufwendige Gestaltung sollte bereits auf den ersten Blick verdeutlichen, dass der Inhalt der Urkunde auf den Herrscher selbst zurückgeht und dass die Urkunde als seine Stellvertretung diesen Inhalt auch garantierte.
Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivalie des Monats. Die Archivalie mit einem kurzen Begleittext wird entsprechend in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Die Archivalie des Monats Januar 2018 zeigt die älteste Urkunde des Stadtarchivs aus dem Jahr 1018.

Ausgestellt für das Benediktinerkloster Burtscheid
Diese älteste Urkunde des Aachener Stadtarchivs, die am 21. Januar 2018 sozusagen ihren 1000. Geburtstag feiert, betrifft die Stadt Aachen nur zum Teil. Kaiser Heinrich II. (1002–1024) stellte sie nämlich nicht für einen Aachener Empfänger aus, sondern für das im Süden der Stadt gelegene Benediktinerkloster Burtscheid, das 20 Jahre zuvor von Kaiser Otto III. (983–1002) gegründet worden war. Die Urkunde kam im Jahr 1351 gemeinsam mit anderen Urkunden in den Besitz der Stadt Aachen, nachdem die damalige Äbtissin die Gerichtsbarkeit und das Dorf mit seinen Einwohnern an die Stadt Aachen übertragen hatte.

Inhalt dieser Schenkung Heinrichs II. war ein durch die Urkunde genau umschriebenes Gebiet von teils bereits neu erschlossenen und teils für die Rodung vorgesehenen Ländereien (Novalland), die das Kloster umgaben und aus denen sich das reichsfreie Territorium der Abtei Burtscheid entwickelte. Mit der Übertragung der Ländereien förderte Heinrich II. nicht nur die junge Klostergründung, sondern steckte zugleich dauerhaft die Grenzen der reichsunmittelbaren Herrschaft der Abtei ab, die direkt beim Kloster lag und damit zugleich aus dem unmittelbar zur Pfalz Aachen gehörenden Gebiet, dem „Fiskus Aachen“, herausgelöst wurde.

Ein eigenes Herrschaftsgebiet unmittelbar beim Kloster
Es handelte sich nicht um die erste Schenkung an die Burtscheider Mönche, die bereits zuvor von Otto III. und auch Heinrich II. Besitz an verschiedenen Orten erhalten hatten – es handelte sich aber auf jeden Fall um die bedeutendste, da erst durch sie ein eigenes Herrschaftsgebiet unmittelbar beim Kloster geschaffen wurde. Erst zum 1. April 1897 wurde Burtscheid, das nach der Auflösung des Klosters als selbstständiger Ort weiterbestanden hatte, durch Eingemeindung zu einem Stadtteil Aachens.

Das typische Erscheinungsbild einer ottonischen Urkunde
Die Landschenkung Heinrichs II. an das Benediktinerkloster Burtscheid zeigt das typische Erscheinungsbild einer ottonischen Urkunde. Die verwendete Schrift ist die diplomatische Minuskel mit ausgeprägten Ober- und Unterlängen, besonders hervorzuhebende Textteile wurden noch stärker durch besonders langgezogene Buchstaben (litterae elongatae) betont. Dazu fallen im unteren Teil das Herrschermonogramm und das große, plastisch wirkende Siegel ins Auge. Eine solch aufwendige Gestaltung spiegelt das Bestreben wider, nicht nur den textlichen Inhalt festzuhalten und zu transportieren, sondern bereits auf den ersten Blick zu verdeutlichen, dass der Inhalt auf den Herrscher zurückgeht und dass die Urkunde als seine Stellvertretung diesen Inhalt garantiert.

Die Urkunde ist damit mehr als ihr reiner Text: Sie vertritt den Herrscher durch ihren Aufbau, sein Monogramm und sein Siegel, und sie soll auf schriftunkundige Betrachter schon allein durch ihre kunstvolle Ausführung eine Wirkung ausüben, die bereits Ehrfurcht hervorruft, bevor diesen der Text vorgetragen wird. Die Pergamenturkunde ist in lateinischer Sprache verfasst. Sie ist etwa 51 cm hoch und etwa 64 cm breit. Deutlich ins Auge springt das aufgedrückte Majestätssiegel in braunem Wachs, das einen Durchmesser von 7,8 cm hat.

Zur Feier des 1.000sten Geburtstags dieser Urkunde findet am Samstag, 20. Januar 2018, ein so genannter Aktionstag im Centre Charlemagne statt. Der Aktionstag ist gleichzeitig Auftakt zur Ausstellung der Urkunde bis zum 25. Februar in der Dauerausstellung des Centre Charlemagne. Am Aktionstag informieren unter anderem verschiedene Vorträge über die Geschichte der Urkunde und stellen das Stadtarchiv Aachen, die Heimatfreunde Burtscheid und die Gesellschaft Burtscheid für Geschichte und Gegenwart ihre Aktivitäten vor. Wichtig: An diesem Tag ist die 1.000-jährige Urkunde kostenlos im Foyer des Centre Charlemagne zu sehen.

Kontakt:
Stadtarchiv Aachen
in der Nadelfabrik
Reichsweg 30
52068 Aachen
Tel.: +49 241 432-4972
Fax: +49 241 432-4979
stadtarchiv@mail.aachen.de

Quelle: Stadt Aachen, Pressemitteilung, 21.12.2017

Bauakte der alten Bonner Synagoge aufgetaucht

Der Bonner Stadtarchivar Dr. Norbert Schloßmacher konnte Anfang Dezember 2017 über ein Aktenstück von besonderer stadtgeschichtlicher Bedeutung informieren, das lange als verschollen galt, und das jetzt an das Stadtarchiv Bonn übergeben worden ist: die Haus- und Bauakte der Bonner Synagoge von 1879.

Abb.: Bauakte der alten Bonner Synagoge (Foto: Stadtarchiv Bonn/Klaus Pawlak)

Die Bonner Synagoge wurde seinerzeit an prominenter Stelle im Stadtbild errichtet und zwar unmittelbar am Rheinufer neben der heutigen Kennedy-Brücke. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 ist die Synagoge zerstört worden. Heute erinnert das Synagogen-Mahnmal am Moses-Hess-Ufer an das frühere Bauwerk.

Die Akte mit prachtvollen Architekturzeichnungen galt seit dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Sie ist jetzt in einem Bonner Privathaushalt gefunden worden. „Dankenswerterweise hat der Finder den Weg ins Stadtarchiv gesucht und dieses äußerst wertvolle Zeugnis jüdischen Lebens in Bonn, das der nationalsozialistischen Barbarei zum Opfer fiel, dorthin gebracht, wo es hingehört, ins Bonner Stadtarchiv“, freute sich Dr. Schloßmacher.

Bei der Synagoge handelte sich um einen Tempel im Basilikenstil. Männer und Frauen sind durch gesonderte Haupteingänge und einen Mittelgang getrennt worden. Über dem Eingang der Synagoge befand sich laut Berichterstattung in der Bonner Zeitung von 1. Februar 1879 ein Stein mit der Jahreszahl 1715, der von einem Tor des ehemaligen Ghettos stammen sollte.

Zur Geschichte des Novemberpogroms in Bonn
Am 10.11.1938 wurden am helllichten Tag die Synagogen in Bonn, Bad Godesberg, Beuel, Mehlem und Poppelsdorf in Brand gesetzt, Geschäfte und Wohnungen zerstört. In den darauf folgenden Tagen wurden viele jüdische Männer verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Nur wenige Bonner, wie die Familie Kahle, halfen ihren jüdischen Bekannten oder Freunden.

Kontakt:
Stadtarchiv und die Stadthistorische Bibliothek
Berliner Platz 2
53111 Bonn (Stadthaus Ebene 0)
Tel.: 0228 – 77 24 10 (Auskünfte rund um das Stadtarchiv)
Fax: 0228 – 77 43 01
stadtarchiv@bonn.de

Quelle: Stadt Bonn, Pressemitteilung, 5.12.2017

Sonderausstellung zum Ende der Steinkohle-Ära

Essener Ruhr Museum und Deutsches Bergbau-Museum Bochum kooperieren auf der Kokerei Zollverein

2018 ist »Schicht im Schacht«, dann endet der deutsche Steinkohlenbergbau. Damit zeichnet sich nach 200 Jahren ein Ende des Zeitalters der Kohle in Deutschland ab, die in ganz Europa Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt entscheidend beeinflusste. Besonders im Ruhrgebiet hat Kohle die Arbeit, den Alltag und die Mentalität der Menschen stark geprägt. Doch Kohle war nicht nur der Treibstoff der Moderne und des Fortschritts, sie war auch Teil der Schattenseiten der Industrialisierung. 2018 findet nun im Ruhrgebiet, lange Zeit das größte und wichtigste Kohlerevier Europas, die erste europäische Ausstellung zur Kohle statt. Das Essener Ruhr Museum, das Regionalmuseum des Ruhrgebiets, und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, das Leibniz-Forschungsmuseum für Georessourcen, zeigen mit „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ eine große Gemeinschaftsausstellung auf dem Welterbe Zollverein. Beide Ausstellungshäuser, die u. a. über große Sammlungen zur Bergbaugeschichte verfügen, präsentieren in den beeindruckenden Räumen der Mischanlage der Kokerei Zollverein die vielschichtige und faszinierende Geschichte der Kohle in Europa: ihre Förderung und Nutzung und die vielfältigen Auswirkungen bis in den Alltag hinein.

Abb.: Die Ausstellungsmacher (v.l.n.r.) Dr. Michael Farrenkopf, montan.dok am Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Prof. Heinrich Theodor Grütter, Ruhr Museum, und Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier, Universität Freiburg, präsentieren das Plakat zur gemeinsamen Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ während der Pressekonferenz am 15.12.2017 (Foto: Helena Grebe).

Die Ausstellung behandelt den Zeitraum von ca. 1750 bis heute. Ausgangspunkt ist die Kohle selbst, ihre Stofflichkeit, die gespeicherte Sonnenenergie, die nicht nur das Industriezeitalter befeuerte, sondern in Form der Kohlechemie zunächst die Nachahmung und dann die künstliche Neuerschaffung der Welt möglich machte. Die Steinkohlenförderung in Europa brachte eine ganz spezifische Form der Arbeit und damit verbunden große technische, organisatorische und ökonomische Entwicklungen mit sich. In engem Zusammenhang damit steht die Frage nach dem Verhältnis von Kohle, Bergbau und der Entwicklung der demokratischen Industriegesellschaft. Die Ausstellung widmet sich zudem den Arbeitsbedingungen, thematisiert die Mitbestimmung in den Betrieben, die Teilhabe am gesellschaftlichen Fortschritt und die Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses, angestoßen durch die Kohle und die Montanindustrie. Abschließend beleuchtet sie das Erbe des Steinkohlenbergbaus und die Hinterlassenschaften der Kohlenutzung , wie etwa die Naturzerstörung durch Bergsenkungen, Überschwemmungen, Rauch und Gase, die Veränderungen der Landschaft und den Ausstoß von CO₂, aber auch die gesellschaftlichen Folgen des Strukturwandels und die Entstehung von Industriekultur.

Präsentiert werden rund 1.200 Exponate, vor allem aus den Beständen der beiden Museen sowie von regionalen, nationalen und internationalen Leihgebern.

Der Ausstellungsort
Ausstellungsort ist die Mischanlage der ehemaligen Kokerei Zollverein, eines der spektakulärsten Gebäude auf dem Welterbe Zollverein. Die gewaltigen Bunkeranlagen des ehemaligen Kohlespeichers, die der Ausstellungsparcours auf drei Ebenen erschließt, versinnbildlichen schon durch ihre Materialität und Monumentalität die visionären technischen Potentiale, aber auch die Gewalttätigkeit der industriellen Moderne. Bis zur Stilllegung der Kokerei 1993 diente die Mischanlage dazu, die für den Kokereiprozess bestimmten Kohlen zu sortieren. Danach wurde sie zum Ausstellungsgebäude umgebaut und mit der Ausstellung „Sonne, Mond und Sterne“ 2000 eröffnet. Nun wird der ehemalige Kohlespeicher zum Ort der großen Ausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“.

Das Begleitprogramm
Die Ausstellung wird begleitet von einem umfangreichen Kultur- und Veranstaltungsprogramm. Dazu gehört eine hochkarätige Vortragsreihe zum Steinkohlenbergbau aus europäischer Perspektive, die im Deutschen Bergbau-Museum Bochum stattfinden wird. Ergänzt wird das Programm durch eine umfangreiche Reihe zum Steinkohlenbergbau im europäischen Film in Kooperation mit der Kinemathek im Ruhrgebiet. Hinzu kommt ein breites Exkursionsprogramm zu den Originalstätten des Steinkohlenbergbaus nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in den benachbarten Revieren, wie im Aachener Revier und im Saarland sowie zu den bergbaulichen Welterbestätten in Elsass-Lothringen, im Hennegau und in Nord-Pas-de-Calais. Vielfältige Führungen und Workshops für Schulklassen runden das umfangreiche Programm ab.

Die Kooperation
Die Sonderausstellung „Das Zeitalter der Kohle. Eine europäische Geschichte“ auf dem Welterbe Zollverein bringt erstmals zwei bedeutende Museen der Region in einem Kooperationsprojekt zusammen, die jeweils sozial- bzw. technikhistorisch u. a. die Geschichte des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet und darüber hinaus vermitteln, bewahren und erforschen.

Dabei nutzen die beiden Museen Synergien und führen die Sammlung des Ruhr Museums zur Ruhrgebietsgeschichte mit den Beständen zur Bergbau- und Technikgeschichte aus dem Montanhistorischen Dokumentationszentrum am Deutschen Bergbau-Museum Bochum in einer Sonderausstellung zusammen.

Die Ausstellungsmacher
Die Ausstellung wird geleitet vom Freiburger Historiker Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier, dem Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums am Deutschen Bergbau-Museum Bochum, Dr. Michael Farrenkopf, und dem Direktor des Ruhr Museums, Prof. Heinrich Theodor Grütter.

Prof. Dr. Dr. Franz-Josef Brüggemeier hat sich als Ausstellungsmacher von „Feuer und Flamme. 200 Jahre Ruhrgebiet“ bereits in den 1990er Jahren mit der musealen Vermittlung von Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte beschäftigt. An der Universität Freiburg hat er den Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte inne: „Kohle hat unsere Welt bunter und heller gemacht.“

Dr. Michael Farrenkopf setzt im Deutschen Bergbau-Museum Bochum den musealen Auftrag von Bewahren, Forschen und Vermitteln des Bergbauerbes ganz praktisch um. Als Bergbau- und Technikhistoriker sowie gleichzeitig Archivar und Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums ist er genau an der Schnittstelle zwischen Kultur und Forschung tätig: „Die Förderung von Steinkohle in Deutschland mag 2018 aufhören, die Bewahrung ihres kulturellen Erbes wird bleiben.“

Prof. Heinrich Theodor Grütter ist Direktor des Ruhr Museums, Mitglied des Vorstand der Stiftung Zollverein und Honorarprofessor an der Universität Duisburg-Essen. Unter seine Verantwortung fallen viele international renommierte Ausstellungen über das Ruhrgebiet. „2018 stellt im langanhaltenden Strukturwandel der Region eine wichtige Zäsur dar. Das Ruhrgebiet muss jetzt noch viel genauer seine Geschichte betrachten, um zu wissen, wohin es sich nach dem Ende der Kohle entwickelt.“

Die Förderung
Die Ausstellung wird gefördert von der RAG-Stiftung im Rahmen der Initiative „Glückauf Zukunft!“. Mit „Glückauf Zukunft!“ würdigen die RAG-Stiftung, die RAG Aktiengesellschaft und die Evonik Industries AG zusammen mit dem Sozialpartner IG BCE die Errungenschaften und Leistungen des deutschen Steinkohlenbergbaus. Außerdem treiben sie mit neuen Impulsen die Zukunftsgestaltung in den Bergbauregionen voran.

Adresse:
UNESCO-Welterbe Zollverein
Areal C [Kokerei], Mischanlage [C70]
Arendahls Wiese
45141 Essen
www.zeitalterderkohle.de

ÖFFNUNGSZEITEN
27. April bis 11. November 2018
Mo – So 10 – 18 Uhr

EINTRITT
10 €, ermäßigt 7 €, Gruppeneintrittspreis p. P. 8 €, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei sowie Schüler- und Studierendengruppen im Rahmen einer Führung; Gruppenermäßigungen und Kombitickets

FÜHRUNGEN
90 Min., max. 20 Teilnehmer, 70 € (Fremdsprachen 80 €) plus Gruppeneintrittspreis pro Person; Schüler- und Studierendengruppen 50 € bei freiem Eintritt

ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN
90 Min., max. 20 Teilnehmer, 3 € plus Ausstellungseintritt pro Person

BUCHUNG UND INFORMATION
besucherdienst@ruhrmuseum.de
Tel +49 (0)201 24681 444

Kontakt:
Stiftung Ruhr Museum
Fritz-Schupp-Allee 15
45141 Essen
www.ruhrmuseum.de

Deutsches Bergbau-Museum Bochum
Am Bergbaumuseum 28
44791 Bochum
www.bergbaumuseum.de

Quelle: Ruhr Museum / Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Pressemitteilung, 15.12.2017

Groß und bunt: Plakate im Kreisarchiv des Enzkreises

Praktikantin hat hunderte von Veranstaltungsplakaten erschlossen

Zur Ergänzung der amtlichen Schriftgutüberlieferung unterhalten Archive wie das Kreisarchiv des Enzkreises zahlreiche Spezialsammlungen. Eine davon ist die Plakatsammlung, die mittlerweile über 1.500 Einzelstücke umfasst – die meisten für Veranstaltungen aus den Bereichen Kunst und Musik. Aber auch Vereinsfeste und zahlreiche Aktivitäten aus dem sozialen Bereich sind enthalten. Daneben bereichern öffentliche Aushänge zu Schutzmaßnahmen beim Auftreten der Maul- und Klauenseuche oder eine Bekanntmachung zur Neuregelung der Eierwirtschaft in Württemberg und Hohenzollern aus dem Jahr 1934 das vielfältige Spektrum der Plakatsammlung.

 

Abb.: Praktikantin Jenny Funke (links) hat im Kreisarchiv hunderte von Plakaten erschlossen, gut betreut von Archivmitarbeiterin Judith Käpplinger (Foto: Enzkreis)

Jenny Funke aus Heidenheim hat nun die Jahrgänge 2011 bis 2015 mit 672 Plakaten im Rahmen eines Praktikums aufgearbeitet. Funke wird beim Berufsförderungswerk Bad Wildbad zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste der Fachrichtung Bibliothek ausgebildet. Zu dieser Umschulung gehört ein vierwöchiges Praktikum in einem Archiv. „Ich bin froh, dass der Enzkreis mir diese Möglichkeit gegeben hat“, sagt Jenny Funke. Umgekehrt sind Praktika für Archivleiter Konstantin Huber willkommene Gelegenheiten, um Rückstände aufarbeiten zu lassen.

Betreut wird Jenny Funke von Hubers Mitarbeiterin Judith Käpplinger, die vor Jahren – und ebenfalls im Rahmen eines Praktikums – die Konzeption für die Enzkreis-Plakatsammlung erarbeitete: Die Poster werden zunächst nach Formaten getrennt, dann chronologisch geordnet und schließlich mit einer speziellen Software nach verschiedenen Gesichtspunkten inhaltlich erschlossen und so für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das älteste Plakat stammt aus dem Jahr 1912, der Schwerpunkt der Sammlung liegt jedoch auf der Zeit ab 1990, nachdem der Enzkreis das Kreisarchiv eingerichtet hatte. Besondere Highlights sind für Jenny Funke Fotoplakate von Reiseberichten und farbenfroh gestaltete Plakate im Allgemeinen. „Damit die Sammlung weiter wachsen kann, sind wir darauf angewiesen, dass uns die Gemeinden und Kulturträger wie die Kulturhalle Remchingen ihre Aushänge zur Verfügung stellen“ erläutert Konstantin Huber: „Jeder Veranstalter ist aufgerufen, uns Plakate zu übersenden.“

Wer recherchieren möchte, welche Plakate bereits vorhanden sind, kann sich mit dem Kreisarchiv des Enzkreises in Kontakt setzen.

Kontakt:
Enzkreis, Kreisarchiv und Kultur
Zähringerallee 3
75177 Pforzheim
Tel. 07231 308-9423
kreisarchiv@enzkreis.de.

Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung, 332/2017, 11.12.2017

Mitteilungen der Fritz Hüser-Gesellschaft II / 2017

Die Fritz Hüser-Gesellschaft e.V. ist die Fördergesellschaft des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt. Das Fritz-Hüser-Institut ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Stadt Dortmund. Sie geht zurück auf die archivischen und bibliothekarischen Sammlungen des früheren Büchereidirektors Fritz Hüser (1908-1979). Archiv und Bibliothek sind öffentlich und stehen allen Interessierten für Recherche und Forschung zur Verfügung.

Die 2. Ausgabe 2017 der Mitteilungen der Fritz Hüser-Gesellschaft informierte über die Aktivitäten in Gesellschaft und Institut. Mitgeteilt wird u,a, die Übernahme des Vorlasses von Horst Hensel. Hensel übergab seinen umfangreichen Vorlass im Oktober 2017 dem Fritz-Hüser-Institut. Seine Bibliographie umfasst einige hundert Veröffentlichungen sowohl literarischer Art als auch Beiträge zur Pädagogik und darüber hinaus zu Literatur, Kunst und Kultur und schließlich zu Politik, Gesellschaft und Geschichte. Korrespondenzen und Materialien zu allen Bereichen seines schriftstellerischen und gesellschaftlichen Lebens befinden sich in den jetzt in Dortmund aufbewahrten Dokumenten. Von 1977-1979 war er Bundesvorsitzender des „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“, die Überlieferung aus dieser Zeit befindet sich bereits seit Langem im Fritz-Hüser-Institut.

Kontakt:
Fritz-Hüser-Gesellschaft e.V. / Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
Grubenweg 5
44388 Dortmund
www.fritz-hueser-gesellschaft.de
www.fhi.dortmund.de

Boom – Crisis – Heritage: Internationale Fachtagung am Deutschen Bergbau-Museum Bochum

Vom 14. bis 16. März 2018 veranstalten der DBM-Forschungsbereich Bergbaugeschichte und das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok) die englischsprachige Tagung „Boom – Crisis – Heritage. King Coal and the energy revolutions after 1945”. Anmeldungen sind bis zum 16. Februar 2018 möglich. Das Programm ist nun online.

„Vom Boom zur Krise: Der deutsche Steinkohlenbergbau nach 1945“ lautet der Titel des auf drei Jahre angelegten interdisziplinären Forschungsprojekts, in dem der Forschungsbereich Bergbaugeschichte des Deutschen Bergbau-Museums Bochum und das Montanhistorische Dokumentationszentrum (montan.dok) in zwei Themenlinien die Geschichte und Gegenwart des Steinkohlenbergbaus beforschen. Das Ruhrgebiet steht dabei vergleichend im Fokus.

Die internationale Tagung im März 2018 greift diese Thematik auf und ergänzt sie um multinationale Perspektiven. Gefragt wird nach den vielschichtigen gesellschaftlichen Transformationsprozessen, die in Folge der Veränderungen auf dem Energiemarkt auftraten.

In einem ersten thematischen Schwerpunkt wird die wirtschaftliche, soziale und technologische Entwicklung des Steinkohlenbergbaus sowie der anderen relevanten Branchen analysiert. Dabei werden die Reaktionen auf den Wandel des Energiesektors und die Folgen der hiermit zusammenhängenden Transformationsprozesse untersucht.

Die Beschäftigung mit den materiellen und immateriellen Hinterlassenschaften von Bergbaurevieren steht im Fokus des zweiten thematischen Schwerpunktes. In das Blickfeld geraten hier vor allem Kulturalisierungs- und Touristifizierungsprozesse funktionslos gewordener Energielandschaften, aber auch Aspekte ihrer Nachnutzung. Die Frage der Flächennachnutzung soll aus beiden Perspektiven untersucht werden und bildet so ein Bindeglied zwischen den beiden Schwerpunkten der Tagung.

Neben zahlreichen Fachvorträgen, Diskussionen und einer Filmvorführung besteht für die Tagungsteilnehmenden auch die Möglichkeit, an einer Führung durch das Deutsche Bergbau-Museum Bochum und an einer Exkursion zum UNESCO-Weltkulturerbe Zollverein teilzunehmen. Forschungsprojekt und Fachtagung werden durch die RAG-Stiftung gefördert.

Anmeldung & Programm
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei, eine Anmeldung ist notwendig.
Weitere Informationen unter: www.bergbaumuseum.de/bch2018
Anmeldefrist ist der 16. Februar 2018.

Zu den zwei Themenlinien des Projekts
In Themenlinie 1 „Innovationskulturen im Wandel nach 1945“ (Leitung: Dr. Lars Bluma) werden die bergbauspezifischen Innovationsleistungen in den Feldern Technik, Wissenschaft und Unternehmensorganisation/-strategie untersucht. Zentrale These ist, dass der Steinkohlenbergbau eine eigene Innovationskultur hervorbrachte, die eng mit den ökonomischen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen verknüpft war.

In Themenlinie 2 „Transformation von Industrielandschaften“ (Leitung Dr. Michael Farrenkopf) werden die Konversionsprozesse montanindustriell geprägter Industriereviere unter vorrangig politischen und ökonomischen Gesichtspunkten sowie den daraus abgeleiteten Strategien der (industrie-)kulturellen In-Wert-Setzung untersucht. Zentrale These ist, dass die ökonomische Dimension des sukzessiven Rückzugs des aktiven Steinkohlenbergbaus dem Strukturwandel an der Ruhr eine Pionierrolle bei der Etablierung industriekultureller Transformationsleistungen im nationalen Kontext zugewiesen hat.

Kontakte:
Dr. Juliane Czierpka, juliane.czierpka@bergbaumuseum.de, Tel.: +49 (234) 968-4134
Dr. Torsten Meyer, torsten.meyer@bergbaumuseum.de, Tel.: +49 (234) 968-4134

Quelle: DBM, Pressemitteilung, 28.11.2017

Jenny Aloni. Deutschland – Palästina – Israel

Ausstellung über die Schriftstellerin Jenny Aloni jetzt im Einwohnermeldeamt der Stadt Paderborn

Mit der Ausstellung „Jenny Aloni. Deutschland – Palästina – Israel“ hat die Universität Paderborn in den vergangenen Monaten anlässlich des 100. Geburtstages an die jüdische Schriftstellerin erinnert. Die vom Archiv der Universität Paderborn konzipierte Ausstellung war im September und Oktober 2017 in der Universitätsbibliothek zu sehen und stieß auf reges und anhaltendes Interesse. Deshalb ist sie nun verlängert worden und vom 4.12.2017 für weitere acht Wochen bis zum 25.1.2018 in den zentralen Räumen der Stadt Paderborn zu sehen.

Abb.: Ausstellung „Deutschland-Palästina-Israel“ in der Universitätsbibliothek der Universität Paderborn, (v. l.) Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hartmut Steinecke und Dr. Anikó Szabó (Foto: Universität Paderborn, Johannes Pauly).

Jenny Aloni wurde am 7. September 1917 als Jenny Rosenbaum in Paderborn geboren, wo sie schon in jungen Jahren mit dem Schreiben begann. In der NS-Zeit emigrierte sie im Alter von 22 Jahren nach Palästina. In den 1960er Jahren wurde Jenny Aloni mit Werken wie dem Roman „Zypressen zerbrechen nicht“ und dem Erzählband „Jenseits der Wüste“ in Deutschland bekannt. Ihre Geburtsstadt Paderborn ehrte die damals 49-jährige Schriftstellerin 1967 mit dem Kulturpreis.

In den 1980er Jahren verhalfen die Professoren Friedrich Kienecker und Hartmut Steinecke der Schriftstellerin zu erneuter Bekanntheit, als sie das Werk Alonis edierten und später die Editions-Werkstatt, das Jenny-Aloni-Archiv, an der Universität gründeten.

Inzwischen werden der Nachlass der Schriftstellerin sowie der Editionsapparat, das Jenny-Aloni-Archiv, im Universitätsarchiv Paderborn verwahrt. Damit sind die Unterlagen für die Zukunft gesichert und öffentlich zugänglich.

Die Ausstellung über das Leben von Jenny Aloni kann vom 4. Dezember 2017 bis 25. Januar 2018 im Einwohnermeldeamt, Marienplatz 2, Paderborn während der Öffnungszeiten besucht werden.

Kontakt:
Universitätsbibliothek Paderborn
Universitätsarchiv & Fachreferat Geschichte
Dr. Anikó Szabó
Warburger Strasse 100
33098 Paderborn
Tel. (05251) 60-2026
a.szabo@ub.uni-paderborn.de
www.ub.uni-paderborn.de/universitaetsarchiv

Quelle: Universität Paderborn, Pressemitteilung, 30.11.2017

Ortsfamilienbuch Sankt Augustin 1652 bis 1986 veröffentlicht

Ahnenforscher erhalten wertvolle Unterstützung

Der dritte Band der vom Stadtarchiv Sankt Augustin herausgegebenen Reihe „Geschichte in Sankt Augustin“ ist im Rheinlandia Verlag, Siegburg, erschienen. Ali Doğan, Beigeordneter der Stadt Sankt Augustin und die Autorin Waltraud Boß stellten das Ortsfamilienbuch jetzt vor. Das dreibändige Buch mit 1413 Seiten ist für 30 Euro im Stadtarchiv und im Buchhandel erhältlich.

Abb.: Ali Doğan, Waltraud Boß und Michael Korn (v.l.n.r.) stellen das Ortsfamilienbuch Sankt Augustin vor (Foto: Stadt Sankt Augustin)

Familienbücher- bzw. Ortsfamilienbücher stellen eine wichtige Hilfe für die örtliche Ahnenforschung dar. Sie geben anhand ausgewerteter Primärquellen wie Standesamtsregistern, Kirchenbüchern oder Urkunden Auskunft über die Herkunft und Ausbreitung der Familien innerhalb eines kirchlichen oder kommunalen Gemeindeverbunds. Für den Ahnenforscher erleichtern sie die Suche nach den eigenen oder fremden Wurzeln, da hier bereits Zusammenhänge in den einzelnen Familien dargestellt werden, die der Forscher ansonsten zeitaufwendig selbst ermitteln muss.

Bis 2009 standen für Familienforscher im Rheinland primär die Kirchenbücher der Kirchengemeinden sowie die Zivilstandsregister bis 1875 zur Verfügung. Auf dieser Grundlage waren für den Raum Sankt Augustin Ende 1980, Anfang 1990 von Wilhelm Schumacher bzw. Franz Stelljes Familienbücher für mehrere Kirchspiele erstellt worden. Mit der Änderung des Personenstandsgesetzes 2009 wurden die Erstschriften der älteren Geburts-, Heirats- und Sterberegister der Standesämter an die Kommunalarchive abgegeben, wo sie nun erstmals für alle Interessenten offenstanden. Als emsige Nutzerin dieser Register begann Waltraud Boß bereits 2011, den vollständigen Inhalt aller vorliegenden Register ab 1810 abzutippen.

Dies war der Ausgangspunkt für das nun vorliegende Ortsfamilienbuch Sankt Augustin, das umfangreichste Werk, das jemals vom Stadtarchiv herausgegeben wurde. Über mehrere Jahre in weit über 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit erfasste die Autorin zunächst die mittlerweile 399 Zivilstands- und Standesamtsregister des Standesamts Menden bzw. Sankt Augustin aus dem Zeitraum 1810 bis 1986 akribisch mit allen enthaltenen Daten. Im Anschluss führte sie die einzelnen Personen zu Familienverbänden mit möglichst drei Generationen zusammen. Diese ergänzte sie unter Rückgriff auf weitere Quellen und Literatur, insbesondere die bereits vorhandenen Verkartungen und Zusammenstellungen von Kirchenbüchern, die teils bis ins späte 17. Jahrhundert zurückgehen.

Abschließend musste diese umfassende Zusammenstellung für den Druck aufwendig vor dem Hintergrund des in bestimmten Fallkonstellationen besonderen Datenschutzes durchgesehen und bereinigt werden. Als Ergebnis entstand ein unentbehrliches Hilfsmittel für die Forschung nach Personen und Familienverbänden im Raum des heutigen Sankt Augustin. Die Redaktion lag wieder bei Stadtarchivar Michael Korn.

Kontakt:
Stadtarchiv Sankt Augustin
Stadtarchivar Michael Korn
Rathaus, Markt 1
53757 Sankt Augustin
Tel.: 02241/243-508
Fax: 02241/243-77508
michael.korn@sankt-augustin.de
stadtarchiv@sankt-augustin.de
www.sankt-augustin.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Sankt Augustin, Presse-Info Nr. 372/2017, 27.11.2017

Gedenkstein für ermordeten polnischen Zwangsarbeiter in Olpe

Vor 75 Jahren, am 20.10.1942, wurde der polnische Zwangsarbeiter Stanislaus Komakowski in Olpe-Rhonard von Gestapobeamten erhängt. Der Grund: Er hatte eine Liebesbeziehung zu einer Deutschen.

Der Heimatverein für Olpe und Umgebung e.V. und mehrere Bürger der Stadt haben sich für die Erinnerung an das Schicksal des Mannes und die Errichtung eines Gedenksteines eingesetzt. Am 20.10.2017, zugleich Komakowskis 75. Todestag und 102. Geburtstag, wurde der Gedenkstein enthüllt und eingeweiht. „Es geht auch darum, diese dunkelsten Kapitel, die hier vor Ort geschehen sind, der Öffentlichkeit nahezubringen. Wir haben diese Pflicht, diese Geschichte aufzuschreiben, niederzuschreiben, und für unsere Nachkommen festzuhalten“, betonte Axel Stracke vom Heimatverein Olpe gegenüber dem WDR.

Abb.: Auf der Tafel des Gedenksteins wird an Stanislaus Komakowski erinnert (Foto: Jonathan Baer/WDR)

Stanislaus Komakowski wurde, so ergaben es Ermittlungen der Kriminalpolizei Olpe im Jahre 1960, am 20. Oktober 1915 in dem kleinen Flecken Starorypin im Bezirk von Rypin (56 km östlich von Thorn) geboren. Seine Eltern lebten 1942 in dem nahegelegenen Dorf Godziszewy. Offensichtlich war Komakowski zur polnischen Armee eingezogen worden und dann beim „Polenfeldzug“ 1939 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten. Er kam, wohl über das Lager Hemer, mit anderen Kriegsgefangenen im Jahr 1940 nach Rhonard, wo die Gefangenen anfangs in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht waren. Bei Rhonard handelt es sich um eine kleine Ortschaft mit seinerzeit etwa 75 Einwohnern, einer Gastwirtschaft und etwa eine knappe Stunde Wegs von Olpe entfernt. Dort landete Komakowski bei einem Bauern als Zwangsarbeiter. Dr. Hans-Bodo Thieme vom Heimatverein Olpe hat sich intensiv mit dem Schicksal Komakowskis beschäftigt und dafür vor allem im Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen recherchiert. Demnach wurde der Zwangsarbeiter bei dem Bauern gut versorgt, wurde menschlich behandelt und hatte Familienanschluss. Zum Verhängnis sei ihm geworden, dass er und die Tochter des Bauern sich ineinander verliebten. Das Mädchen wurde schwanger. Als ihr Vater das erfuhr, zeigte er Stanislaus Komakowski an und verlangte, dass er vom Hof entfernt werde, „ohne sich allerdings die Folgen seines Verhaltens vorstellen zu können“, so der Heimatverein.

Komakowski wurde verhaftet, misshandelt und ins Dortmunder Gefängnis Steinwache gebracht. Denn es gab den Befehl, Vorkommnisse wie Liebesbeziehungen zwischen Deutschen und Menschen, die die Nationalsozialisten als „rassisch minderwertig“ einstuften, der Gestapo-Dienststelle in Dortmund zu melden. Das Reichssicherheitshauptamt in Berlin verfügte eine „Sonderbehandlung“ des Polen: dessen Hinrichtung ohne ordentliches Gerichtsverfahren. Und zwar dort, wo die Liebesbeziehung begonnen hatte. Laut Heimatverein fuhren ein Pkw und ein Lkw in Olpe-Rhonard vor, besetzt mit Gestapobeamten in SS-Uniform. Sie führten den gefesselten Stanislaus Komakowski mit sich. Der auf dem Lkw mitgeführte Galgen wurde aufgerichtet und Komakowski gegen 15 Uhr erhängt. Anschließend wurde allen aus der Gegend zusammengerufenen polnischen Zwangsarbeitern mitgeteilt, dass sie das Gleiche erwarte, wenn sie sich mit einem deutschen Mädchen einließen.

Tochter starb im Waisenhaus
Elf Tage nach der Ermordung Komakowskis starb die knapp sieben Monate alte Tochter aus der verbotenen Beziehung. Das Kind war unmittelbar nach seiner Geburt ins Waisenhaus der Olper Franziskanerinnen gebracht worden, teilt der Heimatverein mit. Die Mutter des Kindes starb im Jahr 2015.

Anonyme Anzeige 1960
Über den Fall wurde jahrzehntelang geschwiegen. Nach einer anonymen Anzeige im Jahr 1960 begannen laut Heimatverein umfangreiche Ermittlungen einer Sonderkommission der Kriminalpolizei. Der Heimatverein berichtet, dass sowohl der damalige Reviervorsteher der Olper Polizeiwache, der Komakowski misshandelt hatte, als auch die Gestapobeamten, die Komakowski erhängt haben, nie zur Rechenschaft gezogen wurden: „Nach vorübergehender Entfernung aus dem Dienst im Jahre 1945 konnten sie bis zu ihrer Pensionierung wieder als Polizeibeamte tätig sein; der letzte von ihnen verstarb, wohlversorgt mit seinem Ruhegehalt, erst 1998 im Alter von 93 Jahren.“

Kontakt:
Heimatverein für Olpe und Umgebung e.V.
Franziskanerstraße 6
„Altes Lyzeum“
57462 Olpe
Telefon: 02761 / 831 293
Telefax: 02761 / 832 293
j.wermert@olpe.de

Quelle: WDR, Nachrichten, 20.10.2017; Hans-Bodo Thieme: Leiden und Sterben des polnischen Fremdarbeiters Stanislaus Komakowski. Eine Fallstudie zur Rassenpolitik des Dritten Reichs, in: Jahrbuch des Heimatvereins für Olpe und Umgebung e.V. Olpe in Geschichte und Gegenwart, Band 23/2015, S. 49-94.