Fachkolloquium zu erinnerungskulturellen Problemen und Perspektiven, veranstaltet vom Stadtarchiv München
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München hat sich im Juli 2015 dafür ausgesprochen, an die Opfer des Nationalsozialismus in München mit einem zentralen Namensdenkmal und dezentral mit Gedenktafeln an Häusern oder Stelen im öffentlichen Raum zu erinnern. Doch wer ist Opfer des Nationalsozialismus?
Ausgehend von einer ersten Definition, der zufolge als Opfer des Nationalsozialismus alle Menschen angesehen werden, die in München während des NS-Regimes verfolgt und getötet wurden, ist es Ziel dieses Kolloquiums, sich einem Opferbegriff anzunähern, der wissenschaftlichen Standards entspricht und gegenwärtige erinnerungskulturelle Debatten berücksichtigt.
An die ermordeten Münchener Juden, an Widerstandskämpfer wie die Geschwister Scholl oder an Opfer der Krankenmorde zu erinnern, gehört inzwischen zum Selbstverständnis der Landeshauptstadt. Mit der Errichtung eines zentralen Namensdenkmals für alle Opfer des Nationalsozialismus in München rücken jedoch auch bisher marginalisierte Opfergruppen in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Dazu zählen unter anderem Sinti und Roma, ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in der deutschen Kriegswirtschaft und Personen, die als Homosexuelle, „Asoziale“ oder „Gewohnheitsverbrecher“ stigmatisiert, verfolgt und getötet wurden. Sie blieben nach Kriegende diskriminiert und jahrzehntelang von Wiedergutmachungsleistungen und öffentlichem Gedenken ausgeschlossen.
Zwei Vorträge widmen sich sowohl diesen oft als „vergessene Opfer“ bezeichneten Personen als auch erinnerungskulturellen Debatten. Die Historikerin Dr. Dagmar Lieske, die kürzlich eine vielbeachtete Dissertation zu den sogenannten „Berufsverbrechern“ im Konzentrationslager Sachsenhausen vorgelegt hat, wird über die Verfolgung von „Berufsverbrechern“ im Nationalsozialismus und deren bis heute anhaltende Stigmatisierung referieren. Dr. Harald Schmid, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten und Autor zahlreicher Veröffentlichungen über Erinnerungskultur und Opfergedenken, geht in seinem Vortrag den Konturen und Konjunkturen des Opferbegriffs in Geschichtspolitik und Erinnerungskultur nach.
In einer abschließenden Podiumsdiskussion diskutieren die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Dr. Gabriele Hammermann, sowie Dr. Beate Meyer vom Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg, Dr. Frank Reuter vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg und Dr. Jürgen Zarusky vom Institut für Zeitgeschichte in München über Diskurse und Perspektiven der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in München.
Mit diesem Fachkolloquium, das vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München und von der Münchner Stadtbibliothek gefördert wird, stellt sich auch die mit zwei Fachhistorikern besetzte Koordinierungsstelle „Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in München“ im Stadtarchiv München der Öffentlichkeit vor.
Programm
14.00 Uhr Grußwort
Dr. Hans-Georg Küppers, Kulturreferent der Landeshauptstadt München
14.15 Uhr Das Projekt Gedenken an die Opfer des NS in München im Stadtarchiv München
Dr. Michael Stephan, Stadtarchiv München
Vorträge
14.30 Uhr Die nationalsozialistische Verfolgung von „Berufsverbrechern“ – Problematiken und Kontinuität einer Stigmatisierung
Dr. Dagmar Lieske, Forschungsstipendiatin der Gerda-Henkel-Stiftung
Diskussion, moderiert von Barbara Hutzelmann, Stadtarchiv München
15.30 Uhr „Opfer“ im Fokus von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Konturen und Konjunkturen eines Zentralbegriffs der Rezeptionsgeschichte des Nationalsozialismus
Dr. Harald Schmid, Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten
Diskussion, moderiert von Maximilian Strnad, Stadtarchiv München
17.15 Uhr
Anschließend Podiumsdiskussion zum Thema „Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes in München – Diskurs und Perspektiven“
Es diskutieren
Dr. Gabriele Hammermann, KZ-Gedenkstätte Dachau
Dr. Beate Meyer, Institut für die Geschichte der Deutschen Juden, Hamburg
Dr. Frank Reuter, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg
Dr. Jürgen Zarusky, Institut für Zeitgeschichte, München
Moderation: Dr. Andreas Heusler, Stadtarchiv München
Um Anmeldung wird gebeten:
barbara.hutzelmann@muenchen.de