Stadtarchiv Leutkirch stellt Eingemeindungen vor 50 Jahren ins Schaufenster

Die Gebietsreform in Baden-Württemberg wurde in den Jahren 1968 bis 1975 mit dem Ziel durchgeführt, leistungsfähigere Gemeinden zu schaffen. Das sollte durch größere Verwaltungseinheiten erreicht werden, die nach Ansicht der damaligen Landesregierung aus CDU und SPD effizienter arbeiten würden. Aus 3379 Gemeinden in Baden-Württemberg sollten durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen 1.111 Gemeinden werden. Unterste Ebene sollten Gemeinden mit mindestens 8.000 Einwohnern werden.

Den Gemeinden, die sich freiwillig eingemeindeten, gab die baden-württembergische Landesregierung Sonderzuschüsse nach dem Finanzausgleichsgesetz. Bedingungen waren eine vorausgehende Bürgeranhörung und der Vollzug der Eingemeindung spätestens bis zum 1. Januar 1973. – Es war eine denkwürdige Stunde, als im Bürgersaal der ehemaligen Reichsstadt Leutkirch im Allgäu am 28. Februar 1972 die Bürgermeister von sieben Gemeinden in Anwesenheit von Landrat Dr. Münch mit ihrer Unterschrift den Anschluss ihrer Gemeinden an Leutkirch ab 1. Juni 1972 besiegelten.


Abb.: Unterzeichnung der Eingemeindungsverträge vor 50 Jahren am 28. Februar 1972 (Foto: Stadtarchiv Leutkirch)

Das Stadtarchiv Leutkirch erinnert mit der aktuellen Ausstellung an die Ereignisse vor 50 Jahren und stellt in seinen Schaufenstern in den nächsten Wochen immer jeweils zwei Gemeinden vor, die sich ursprünglich zusammenschließen wollten: Hofs und Wuchzenhofen, Winterstetten und Friesenhofen, Diepoldshofen und Reichenhofen. Für die beiden größten Gemeinden Gebrazhofen und Herlazhofen gab es keine anderen Überlegungen als den Zusammenschluss mit Leutkirch.


Abb.: Wappen der in die Stadt Leutkirch im Allgäu eingegliederten Gemeinden: Hofs (1. Januar 1972), Diepoldshofen, Friesenhofen, Gebrazhofen, Herlazhofen, Reichenhofen, Winterstetten und Wuchzenhofen (alle 1. Juni 1972)

Den Anfang in der Schaufenster-Ausstellung machen Hofs und Wuchzenhofen. Die Gemeinde Hofs hatte den Anschluss im Übrigen bereits zum 1. Januar 1972 vollzogen. Leutkirch im Allgäu ist seit 1974 Große Kreisstadt.


Abb.: Ansicht der Gemeinde Hofs (Foto: Stadtarchiv Leutkirch)


Abb.: Ansicht der Gemeinde Wuchzenhofen (Foto: Stadtarchiv Leutkirch)

Kontakt:
Stadtarchiv Leutkirch
Marktstraße 8
88299 Leutkirch im Allgäu
Tel.: 07561 87-190
Fax: 07561 87-5190
nicola.siegloch@leutkirch.de
https://www.leutkirch.de/stadtarchiv

Quelle: Stadt Leutkirch, Stadtnachrichten, 22.2.2022; Stadtarchiv Leutkirch, Aktuelles; Schwäbische.de, 22.2.2022; Art. Gebietsreform in Baden-Württemberg, in: Wikipedia, 2.2.2022; Art. Leutkirch im Allgäu, in: Wikipedia, 19.1.2022.

Bayerisches Hauptstaatsarchiv übernimmt das Familienarchiv Bayrhammer

Gustl Bayrhammer wäre am 12. Februar 2022 100 Jahre alt geworden.

Das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München übernimmt mit dem Familienarchiv Bayrhammer die Nachlässe Gustl Bayrhammers und seines Vaters Max Bayrhammer. Das Familienarchiv enthält persönliche Dokumente, Auszeichnungen und Erinnerungsstücke der Schauspielerdynastie Bayrhammer ab 1870. Damit werden die schriftlichen Zeugnisse dieser „künstlerisch ambitionierten Familie“ (Gustl Bayrhammer) für die Zukunft gesichert und der Forschung zugänglich gemacht. Besonders Gustl Bayrhammer (1922-1993), der am 12. Februar 2022 100 Jahre alt geworden wäre, gilt bis heute vielen als Inbegriff des bayerischen Volksschauspielers. Wie sein Vater Max Bayrhammer (1867-1942) war er auf vielen Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum tätig.


Abb.: Privatfoto Gustl Bayrhammer bei einer Familienfeier am 28. Dezember 1991 (Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Familienarchiv Bayrhammer). 

Zur Ergänzung der amtlichen Überlieferung sichert das Bayerische Hauptstaatsarchiv Nachlässe politisch und gesellschaftlich bedeutender Persönlichkeiten. Die Übernahme des Familienarchivs Bayrhammer erfolgt aufgrund des öffentlichen Interesses und der überregionalen Bedeutung der überlieferten Personen auf der Grundlage eines Schenkungsvertrages.

Max Emanuel Bayrhammer wurde am 26. Mai 1867 in Niederbayern als Sohn eines Schlossverwalters geboren. Er nahm Schauspielunterricht und fand schnell Zugang zu großen Bühnen, häufig mit klassischen Hauptrollen. Er trat u.a. am Gärtnerplatztheater München, am Stadttheater Breslau, am Weimarer Hoftheater, am Wiener Volkstheater oder am Schauspielhaus Frankfurt auf. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden die Rollenangebote weniger, bereits ab den frühen 1920er Jahren trat er bei NSDAP-Feiern als Unterhalter und nach 1933 bei Veranstaltungen der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ auf. Zuletzt hielt er sich in prekären wirtschaftlichen Umständen nur noch mit einem gering dotierten Bühnenvertrag beim Bayerischen Nationaltheater über Wasser. Seine Leistungen als Autor von Bühnenstücken sind heute vergessen.

Sein 1922 geborener Sohn Gustl (eigentlich Adolph Gustav Rupprecht Maximilian) Bayrhammer erhielt zunächst eine kaufmännische Ausbildung. Nach seiner Einberufung in die Wehrmacht nutzte Gustl Bayrhammer die Stationierung in Berlin für eine Theaterausbildung am Schiller-Theater unter Heinrich George und Gustav Gründgens. Nach Kriegsende nahm er zusammen mit Toni Berger (1921-2005) ein erstes Engagement am Hohenzollerischen Landestheater Sigmaringen an. Dort lernte er auch seine spätere Frau, die Schauspielerin Irmgard Henning (1919-2003), kennen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten an unterschiedlichen Bühnen (u.a. Augsburg, Karlsruhe, bei den Luisenburg-Festspielen Wunsiedel und am Landestheater Salzburg) ging er 1967 nach München. Seither war er sowohl an den Münchner Kammerspielen, dem Münchner Volkstheater und dem Bayerischen Staatsschauspiel engagiert.


Abb.: Rollenbuch von Gustl Bayrhammer 1945-1953 mit seinen ersten Auftritten ab November 1945 (Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Familienarchiv Bayrhammer). 

Überregional bekannt wurde Gustl Bayrhammer durch seine Fernsehkarriere. Als erster bayerischer Ermittler in der Fernsehreihe „Tatort“ trat er zwischen 1972 und 1981 in 15 Folgen bundesweit in Erscheinung. Die Fernsehrolle, mit der er generationenübergreifend am häufigsten assoziiert wird, ist die des „Meister Eder“ in der Kinderserie „Pumuckl“. Bei dieser internationalen Großproduktion mit damals äußerst aufwendigen Trickzeichnungen brillierte er als sympathisch-grantlerischer Münchner Schreiner.

Max und Gustl Bayrhammer bezogen ihr Selbstverständnis stark aus ihren Leistungen als Theaterschauspieler. Das Familienarchiv belegt dies jeweils mit besonderen biografischen Dokumenten: Gustl Bayrhammer führte über jede seiner Rollen Buch. Die Aufzeichnungen reichen dabei vom ersten Auftritt am Theater Sigmaringen am 27. November 1945 bis zu seinem letzten Auftritt am 21. Januar 1993 in München. Diese schriftlichen Informationen werden begleitet von ebenso sorgfältig angelegten Fotoalben. Sein Vater sammelte dagegen die Theaterzettel und Bühnenprogramme seiner Auftritte, so dass auch sein beruflicher Weg sehr gut nachgezeichnet werden kann.

Als Kuriosa enthält das Familienarchiv eine ganze Reihe von Auszeichnungen und Ehrungen wie den bayerischen Filmpreis, den Bambi, den Bayerischen Verdienstorden und sogar eine Goldene Schallplatte für die Pumuckl-Hörspiele.

Kontakt:
Bayerisches Hauptstaatsarchiv
Schönfeldstraße 5-11, 80539 München
(Postfach 22 11 52, 80501 München)
Tel.: 089/28638-2596
Fax: 089/28638-2954
poststelle@bayhsta.bayern.de

Quelle: Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, Pressemitteilung, 11.2.2022; Art. Gustl Bayrhammer, in: Wikipedia, 19.2.2022

Zwischen den Welten unterwegs – Reisewege der Mission

Ausstellung des Museums auf der Hardt der Archiv- und Museumsstiftung der VEM vom 17. Februar bis 30. Juni 2022.

Männer und Frauen aus dem Rheinland, Westfalen und anderen Regionen Deutschlands begaben sich in sprichwörtlich christlicher Mission in den letzten zwei Jahrhunderten auf eine beschwerliche Reise nach Afrika oder Asien, um unter Menschen zu leben und zu arbeiten, über die sie kaum etwas wussten. – Wie sah das Reisen zu diesen Menschen und vor Ort aus? Was brachten Missionare und Missionarinnen bei ihren seltenen Besuchen in Deutschland oder nach Ende ihres Aufenthalts mit und weshalb? Und warum und unter welchen Umständen machten sich auch Afrikanerinnen und Asiaten auf den Weg in die umgekehrte Richtung?


Abb.: Reisewege der Mission (Foto: Archiv- und Museumsstiftung der VEM)

Diesen Fragen nähert sich die Ausstellung „Zwischen den Welten unterwegs – Reisewege der Mission“ des Museums auf der Hardt der Archiv- und Museumsstiftung der VEM und führt dabei ein in die Geschichte einer ganz eigenen Art der globalen Mobilität unter den Vorzeichen der neuzeitlichen Missionsbewegung und kolonialer Expansion. Einer Geschichte aber auch der Annäherung zwischen Menschen, der Veränderung ihrer Beziehungen untereinander und der Entstehung einer religiösen Gemeinschaft über kulturelle Unterschiede hinweg. Überdies erfährt man auch, warum ein Musikinstrument einen weiteren Reiseweg zurückgelegt hat als die anderen Dinge und die meisten der Menschen, denen man im Rahmen des Themenjahres 2021/22 „Alles in Bewegung“ der Bergischen Museen begegnet. Und nicht zuletzt lohnt der Besuch der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung: von Leseproben aus alten Expeditionsberichten bis zu bewegten Reisebildern ist für jeden etwas dabei.

Bereits zum zweiten Mal richten die Bergischen Museen ein gemeinsames Themenjahr aus. Unter dem Motto „Alles in Bewegung“ stellen sie Aspekte der Mobilität von Menschen, Dingen und Ideen mit Bezug zum Bergischen Land vor. Aktionstage, geführte Rad- und Wandertouren, ein Podcast, Vorträge, Kabarett, Seminare und Workshops und viele Sonderausstellungen. Die neue Website der Bergischen Museen www.bergischemuseen.de stellt die 21 Museen im Bergischen Land und mit dem Themenjahr „Alles in Bewegung“ ihr zweites Gemeinschaftsprojekt, das vor. Auch das Museum auf der Hardt der Archiv- und Museumsstiftung der VEM ist dabei.

Museum auf der Hardt der Archiv- und Museumsstiftung der VEM
200 Jahre Missionsgeschichte lokal im Bergischen Land und international in Afrika, Asien und Ozeanien vermittelt unsere Stiftung anhand erhellender Schriftstücke, historischer Fotos, Skizzen und Drucke sowie eindrucksvoller Objekte aus Religion und Alltagsleben in den ehemaligen Missionsgebieten von Rheinischer Missionsgesellschaft und Bethel Mission. Diese hatten ihren Sitz im Tal der Wupper und bei Bielefeld in Westfalen. So entfaltet sich auf unserer rund 400 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche ein im Jahr 1828 beginnendes Kapitel Globalgeschichte, dessen Auswirkungen bis in die Gegenwart führen.

Geschichte für die Gegenwart mit ihren vielen Facetten und Brüchen zu vermitteln, lautet das Anliegen. Wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen ergänzen deshalb die Dauerausstellung: von zeitgenössischer Kunst bis zu gesellschaftlich relevanten Themen, von Malerei im christlich-hinduistischen Dialog aus Bali bis zu Frauenschicksalen während des Völkermordes in Ruanda oder Leben und Selbstverständnis von Jugendlichen in West Papua. Lesungen, Vorträge, Musikdarbietungen, Filmvorführungen und Seminare runden das Angebot für interessierte Besucherinnen und Besucher ab und schlagen unter anderem einen Bogen zu den vielfältigen Themen der Stifterin, der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Sie versteht sich heute als eine Gemeinschaft von Kirchen in Afrika, Asien und Deutschland, die aus der Missionsgeschichte hervorgegangen ist.

Bewahren, Forschen, Vermitteln und das Ausprobieren neuer Perspektiven werden großgeschrieben in den Archiven am ehemaligen Standort der Rheinischen Mission in Wuppertal-Barmen und im Museum auf der Hardt im historischen Gebäude des Missionsseminars. Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Studierenden, Schülern und Schülerinnen und einem interessierten Publikum (fast) jeden Alters bietet sich hier die Gelegenheit, sich mit einem spannenden und teils spannungsreichen historischen Erbe zu befassen.

Link: https://bergischemuseen.de

Kontakt:
Museum auf der Hardt
Missionsstraße 9
42285 Wuppertal
Tel: 0202-89004-152
museum@vemission.org

Postadresse:
Rudolfstraße 137, 42285 Wuppertal

Öffnungszeiten
Jeden 1. Sonntag im Monat 14.00 – 17.00 Uhr und auf Anfrage

Quelle: AMS der VEM: Museum auf der HardtAktuelles, Feb. 2022; Bergische Museen: Museum auf der Hardt; Archiv- und Museumsstiftung der VEM; Bergische Museen: Broschüre Themenjahr „Alles in Bewegung“ 2021/2022

Stadt- und Kreisarchiv Paderborn eröffnet digitalen Lesesaal

Deutscher Bibliotheksverband gewährt weitere Fördermittel im Programm „WissensWandel“.

Was im Jahr 2021 angekündigt worden war, ist nunmehr umgesetzt worden: Das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn stellt seine frühneuzeitlichen Aktenbestände online. Ab sofort kann über den Digitalen Lesesaal in den städtischen Akten aus der Frühen Neuzeit bis 1820 bequem zuhause am Computer oder Laptop recherchiert werden.


Abb.: Im Beisein von Bürgermeister Michael Dreier (2. v. l.) und I. Beigeordneten Carsten Venherm (l.) geben Wilhelm Grabe (r.) und Jonas Eberhardt vom Stadt- und Kreisarchiv Paderborn Mitte Februar 2022 die Digitalisate offziell für die ortsungebundene Online-Recherche frei (Foto: Stadt Paderborn).

Auf dem Portal der nordrhein-westfälischen Archive stellte das Paderborner Stadt- und Kreisarchiv bislang Ortschroniken aus Stadt und Kreis ab 1800 sowie Protokolle der Kreistagssitzungen von etwa 1850 bis 1950 zur Verfügung. Die neuen etwa 330.000 Digitalisate von mehr als 1.000 Akten ermöglichen nun einen genaueren Blick in die Geschichte der Stadt Paderborn ab 1577, soweit sie sich im Verwaltungsschriftgut niedergeschlagen hat. Das hört sich trockener an, als es ist. Denn in den Akten verbergen sich neben Vermerken, amtlichen Schreiben und Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern auch Situationspläne, Flugblätter, später auch Plakate und vieles andere mehr. Von besonderem biografischem Interesse dürften die Vorläufer der Einwohnermeldekarteien und heutigen Einwohnerdatenbank sein, die Bürgerrollen aus der Zeit von 1571 bis 1815 sowie das Brandkataster von 1769, die zu den am häufigsten nachgefragten Akten im Stadt- und Kreisarchiv gehören.

Ermöglicht hat die Digitalisierung ein großzügiger Zuschuss der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Mit „Neustart Kultur“ hat sie ein Hilfsprogramm für den Kultur- und Medienbereich initiiert, aufgrund von Zugangs- und Besuchsbeschränkungen besonders von der Corona-Pandemie gebeutelt. Umgesetzt wird die Hilfe durch das Programm „WissensWandel“ des Deutschen Bibliotheksverbandes, das öffentliche Bibliotheken und Archive bei der Transformation analoger Bestände in die digitale Zukunft unterstützt. Das erste durch „WissensWandel“ finanzierte Digitalisierungsprojekt des Stadt- und Kreisarchivs Paderborn, das mit der Onlinestellung jetzt abgeschlossen ist, überzeugte den Deutschen Bibliotheksverband offenbar, da er jüngst auch einen zweiten Förderantrag über rund 50.000 Euro bewilligte. Hiermit können nun die weiteren Akten von 1820 bis 1870/71, also von der Zeit nach dem Ende des Königreichs Westphalen bis zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs, digitalisiert werden. Auch diese Akten sollen noch in diesem Jahr auf www.archive.nrw.de online verfügbar sein.

Bereits vor einigen Jahren hat das Stadt- und Kreisarchiv begonnen, häufig genutzte oder konservatorisch sensible Archivalien digital, aber nicht online zur Verfügung zu stellen. Hierzu gehören etwa die lokalen Zeitungen ab 1945, die sogar über eine Texterkennung verfügen, zahlreiche Bilder und vor allem die Standesamtsregister. Mit seiner Digitalisierungsstrategie übernimmt das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn Vorbildfunktion für andere Kommunalarchive in Ostwestfalen-Lippe. Kurz und gut: Ein weiterer Baustein der digitalen Heimat Paderborn.

Mit dem Stadtarchiv Paderborn und Kreisarchiv Paderborn schlossen sich Anfang 2017 die beiden größten Archive im Kreis formal zusammen. Die Zusammenarbeit wurde bereits seit 2014 praktiziert und von den langjährigen Leitern des Paderborner Stadtarchivs, Rolf-Dietrich Müller, sowie vom Paderborner Kreisarchivar Wilhelm Grabe, der nun auch Leiter des fusionierten Archivs ist, maßgeblich begonnen und gestaltet. Im Sommer 2014 war das bis dahin auf drei Standorte in Büren verteilte Kreisarchiv beim Stadtarchiv Paderborn eingezogen. Beide Archive existieren seit 2017 als Abteilungen unter einem Dach. Die Kosten werden im Verhältnis 70 (Stadt) zu 30 (Kreis) geteilt.

Das Stadt- und Kreisarchiv Paderborn öffnet am 8.3.2021 wieder unter strengen Schutzauflagen. Voraussetzung für den Besuch ist eine telefonische Voranmeldung unter der Telefonnunmmer 05251/881-1596.

Link: Digitaler Lesesaal Stadt- und Kreisarchiv Paderborn

Kontakt:
Stadt- und Kreisarchiv Paderborn
Pontanusstraße 55 (Technisches Rathaus)
33102 Paderborn
Tel.: 05251/88 11593
Fax: 05251/88 2047
stadt-und-kreisarchiv@paderborn.de

Quelle: Stadt Paderborn, Pressemitteilung, 15.2.2022; WB, 16.2.2022; Neue Westfälische, Paderborn, 13.1.2017

Quellen zur Kommunikation im Stadtarchiv Bornheim

Das Stadtarchiv Bornheim widmet sich im Rahmen einer DDBstudio-Ausstellung der Entwicklung der Kommunikation „Von der Postkarte zur E-Mail“, so der Titel der virtuellen Ausstellung.

Seit jeher haben Menschen das Bedürfnis, auch über große Entfernungen in Kontakt mit ihrer Familie, mit Freunden und Bekannten zu bleiben. Lange Zeit blieben klassische Briefe dafür das Mittel der Wahl. Der Versand war jedoch relativ teuer. Die neue Technik der Telegrafie, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland etablierte und einen technischen Quantensprung darstellte, war für die einfachen Leute kaum bezahlbar. Eine neue Kommunikationsform musste her.


Abb.: Postkarte aus Bornheim (Rheinland) 1898. Aus der Sammlung des Stadtarchivs Bornheim (StAB 22 – 1415).

Nachdem es in Amerika und Preußen bereits Vorgängerformen gegeben hatte, trat die Postkarte (damals noch offiziell „Correspondenzkarte“ genannt) mit ihrer Einführung im Norddeutschen Bund, Bayern, Württemberg und Baden im Jahr 1870 ihren Siegeszug an. Schnell wurde die kleine Karte zum Massenkommunikationsmittel ihrer Zeit. Sie befriedigte das Bedürfnis vieler Menschen, über kompakte Nachrichten zum kleinen Preis in Verbindung zu bleiben, und kann damit gewissermaßen als Vorgängerin von SMS und Messenger-Diensten gelten.

Mit Blick auf den eigenen Fundus widmet sich das Stadtarchiv Bornheim in seiner Ausstellung verschiedenen Techniken von „Kurznachrichten“, beginnend mit den Postkarten. Hierbei geraten unterschiedliche Formate ins Blickfeld: Bildpostkarten, Militär- und Feldpostkarten, teilweise mit zusätzliche Propagandaparolen bedruckt. Es geht überdies um Telegrafie, Telefonie und Computertechnik.

Computertechnik ist auch ein Stichwort für den anstehenden Umbruch im Stadtarchiv Bornheim. Bornheims Stadtarchivar Jens Löffler bekommt ab Mai 2022 eine neue Kollegin. Ziel ist die Verbesserung der Dienstleistungsqualität des Archivs, das sich seit den 1980er Jahren im Verwaltungsgebäude an der Bornheimer Rathausstraße befindet. Die Professionalisierung des Bornheimer Archivs setzte erst Ende der 1990er Jahre ein. Der Bestand an Archivgut hat seither rapide zugenommen, insbesondere durch die Übernahme der Standesamtsregister. Seit der zunehmenden Kommunikation mittels elektronischer Daten steht das Archivwesen insgesamt, wie auch in Bornheim, vor einer neuen Herausforderung. Bornheim beabsichtigt u.a., sich dem Verbundsystem des Digitalen Archivs NRW anzuschließen.

Kontakt:
Stadtarchiv Bornheim
Rathausstraße 2
53332 Bornheim
Tel.: 02222 945-110
Fax: 02222 945-126
jens.loeffler@stadt-bornheim.de
https://www.bornheim.de/stadtarchiv

Quelle: DDBstudio-Ausstellung „Von der Postkarte zur E-Mail. Quellen zur Kommunikation im Stadtarchiv Bornheim“, 2022; Bornheimer Stadtarchiv stellt sich neu auf, in: General-Anzeiger, 18.1.2022

Liebesbrief-Archiv der Universität Koblenz-Landau

Verbund-Projekt »Gruß und Kuss«.

Im „Liebesbrief-Archiv“ der Universität Koblenz-Landau lagern rund 20.000 Liebesbriefe aus mehreren Jahrhunderten. Im Bürger-Projekt „Gruß und Kuss“ kann jeder helfen, sie zu erforschen. Das innovative Verbund-Projekt ist im April 2021 gestartet. Von Seiten der Universität Koblenz-Landau wirkt daran die Schweizer Sprach- und Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Lia Wyss mit, die seit Langem Briefkommunikation und speziell Liebesbriefe erforscht und in Koblenz die Professur für Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik innehat (s. Beitrag vom 10.2.2005).

Wie Menschen über große Gefühle und Alltägliches sprechen, wie sie Glück und Intimität, aber auch Trennung, Krisen und Leid erleben und beschreiben, steht im Fokus des Verbund-Projekts „Gruß und Kuss“.

Das Vorhaben wird in der zweiten Förderrichtlinie Citizen Science des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit 500.000 Euro gefördert. Aus insgesamt 465 Projektskizzen wurden 15 solcher Citizen Science-Projekte zur Förderung ausgewählt, die eine elfköpfige Expertenjury dem BMBF empfohlen hatte.

Zusammen mit einem Team von Wissenschaftlern der Universität Koblenz-Landau, der Technischen Universität Darmstadt und der Hochschule Darmstadt lesen, digitalisieren und erforschen Bürger hierfür eine einzigartige Quelle der Alltagskultur: authentische private Liebesbriefe aus zwei Jahrhunderten. Diese Zeugnisse der Alltagskultur werden als Archiv erschlossen, geordnet und dokumentiert. Erforscht werden die Briefe als sprachliche, historische und soziologische Quellen. Bürger werden an diesem Teil der Alltagskultur und Lebenswirklichkeit teilhaben können. Und diese gefährdeten Quellen, für die kein staatlicher Sammlungsauftrag existiert, werden dank des Projekts dauerhaft bewahrt.


Abb.: Briefbündel (Foto: Universität Koblenz-Landau)

Die Förderung verleiht der wissenschaftlichen Arbeit neuen Schwung. Die Digitalisierung des Liebesbrief-Archivs wird fortgesetzt und gemeinsam mit Wissenschaftlern der Technischen Universität und Hochschule Darmstadt gesichtet und evaluiert. Bedeutsam ist auch die Verstetigung der Kontakte mit den Bürgern, zumal dieses Archiv davon lebt, dass die Forscher von Bürgern Briefe erhalten. Auch ermöglichen Bürger eine innovative Außenperspektive auf die wissenschaftliche Arbeit, beispielsweise interessante neue Blicke auf die Materialien und wissenschaftlichen Methoden.

Geplant ist, neue Formate wie Science Labs oder Blind-Date-Cafés zu entwickeln, in denen die Forscher mit den Bürgern nicht nur über ihre Arbeit sprechen, sondern auch Briefe vorlesen und über den Wandel des Verfassens von Liebesbriefen im Lauf der Zeit sprechen, den sprachlichen Kontext erörtern oder auch sprachliche Codes dekodieren. Im März 2024 soll das Projekt abgeschlossen werden.


Video: Sprachforscherin Birte Gnau-Franké führt Liebesbrief-Archiv (Landesschau, SWR Fernsehen)

Verbund aus zahlreichen Partnern
Der Projekt-Verbund besteht aus den  Partnern Prof. Dr. Andrea Rapp vom Institut für Sprach‐ und Literaturwissenschaft der Technischen Universität  Darmstadt, Prof. Dr. Eva L. Wyss vom Institut für Germanistik der Universität Koblenz‐Landau, Prof. Dr. Stefan Schmunk von der Hochschule Darmstadt und Prof. Dr. Thomas Stäcker von der Universitäts‐und Landesbibliothek Darmstadt, sowie einem Kooperationsnetzwerk.

An diesem Kooperationsnetzwerk sind unter anderem beteiligt: Universitätsbibliothek Koblenz, Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Bürgerorganisation Frankfurt, Freundeskreis der Universität in Koblenz e.V., Landfrauen‐, Heimat‐ und Geschichtsvereine, Institut für geschichtliche Landeskunde Mainz, Leibniz‐Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, örtliche Buchhandlungen, Sprachblogger*innen (http://www.sprachlog.de/), Digitalstadt Darmstadt, wer denkt was GmbH, Open Knowledge Foundation e.V., Coding da Vinci. Koordiniert wird der Verbund an der Technischen Universität Darmstadt.

Weitere Informationen:


Video: Liebesbriefe als Forschungsobjekte. Die Uni Koblenz wertet alte Liebesbriefe aus und erforscht sie. Jetzt sollen auch Bürgerinnen und Bürger dabei mithelfen und mitmachen. Interview mit Prof. Dr. Andrea Rapp (TU Darnstadt) (Quelle: SWR)

Ansprechpartnerin der Universität Koblenz-Landau:
Prof. Dr. Eva Lia Wyss
Universität Koblenz-Landau
Campus Koblenz
Institut für Germanistik
Universitätsstraße 1
56070 Koblenz
Tel.: +49 261 287 2053
wyss@uni-koblenz.de
liebesbriefarchiv@uni-koblenz.de
http://evawyss.wordpress.com

Quelle: SWR aktuell, 11.2.2022 (SWR Fernsehen); Uni Koblenz-Landau: Gruß und Kuss. Neues Verbund-Projekt startet, 1.4.2021; https://www.liebesbriefarchiv.de/; https://gruss-und-kuss.ulb.tu-darmstadt.de/projekt-gruss-kuss/

Unterlagen über Bombenangriff 1944 fürs Stadtarchiv Glinde

Einen besonderen Besuch erhielt Dr. Carsten Walczok, u.a. Leiter des Stadtarchivs Glinde, vor wenigen Tagen. Der ehemalige Oststeinbeker Gemeindearchivar Karlheinz Schmidt hatte interessante Unterlagen für ihn mitgebracht.

Im Zuge von gemeinsamen Recherchen mit dem jungen Hamburger Hobby-Historiker Julián Péter zu Bombenangriffen während des Zweiten Weltkriegs in der Region war Schmidt auch auf Protokolle zum Angriff auf das Glinder Heereszeugamt gestoßen. Kopien von diesen Unterlagen stellte er nun dem Glinder Stadtarchiv zur Verfügung.


Abb.: Ehemaliger Oststeinbeker Gemeindearchivar Karlheinz Schmidt (links) übergibt an Dr. Carsten Walczok verschiedene Unterlagen über den Bombenangriff auf das Glinder Heereszeugamt (Foto: Stadt Glinde).

US-Amerikanische B-24-Bomber waren am 6. Oktober 1944 über der Region einen Angriff geflogen und hatten damals wohl auch das Heereszeugamt Glinde als Ziel im Visier. Einige Gebäude wurden zerstört, darunter auch eine Baracke, in der niederländische Zwangsarbeiter untergebracht waren. Zum Glück war dies gerade leer und Personen kamen nicht zu Schaden.

Die US-Behörden protokollierten anschließend die Luftangriffe sehr detailliert, unter anderem auch mit Luftaufnahmen. Verschiedene Kopien von diesen historischen Fotos und den Ablaufprotokollen zeigen unter anderem die Krater, die auf dem Gelände des Heereszeugamtes durch die Fliegerbomben entstanden waren.


Abb.: Luftbild Glinde: Im Vordergrund Stadtteil Wiesenfeld und Gelände des Heereszeugamtes mit Blick in Richtung Norden, ca. 1995 (Kreisarchiv Stormarn, Signatur T 10 / 2328; Provenienz: Schwabenflugbild).

Für Glindes Stadtarchivar Dr. Carsten Walczok sind solche Unterlagen sehr wichtig. „Es ist interessant, die Ereignisse einmal von der anderen, der amerikanischen Seite aus betrachten zu können. Wir sind es den Menschen schuldig, die damals umgekommen sind, dass die Zeit auch heute noch einmal genau wissenschaftlich aufarbeiten“, sagte Walczok. Sobald er Zeit dafür hat, wird er die neuen Aufzeichnungen auswerten. Insgesamt sei die Geschichte Glindes zur Zeit des Zweiten Weltkrieges noch wenig erforscht. Das soll sich jedoch in den kommenden Monaten ändern.

Die beiden Hobby-Historiker Karlheinz Schmidt und Julián Péter erforschen auch die Umstände des Flugs eines viermotorigen US-amerikanischen Consolidated B-24-Bombers, der am 30. Oktober 1944 in Oststeinbek abgestürzt ist. Sie erkundeten unter anderem die Namen der acht Besatzungsmitglieder, die bei dem Absturz ums Leben kamen. Der frühere Gemeindearchivar Schmidt hatte vor mehr als 20 Jahren damit begonnen, das Unglück aufzuklären und mit Zeitzeugen zu sprechen.

Das 1937 in Glinde eingerichtete und 1944 zerstörte Heereszeugamt, dessen Gelände nach dem Krieg (bis 1968) von der Britischen Armee sowie von der Bundeswehr (bis 2005) genutzt wurde, hat im Jahr 2013 ein „Buchdenkmal“ erhalten. Dieses Denkmal soll den Einwohnern und Besuchern als „Gedächtnisstütze“ dienen, die nicht nur an die Geschichte des Heereszeugamtes erinnern soll, sondern auch an dessen Anteil an der Heeresverwaltung Hamburg und an den Kriegsvorbereitungen des nationalsozialistischen Deutschland, aber auch an eine der Keimzellen Glindes bei der Entwicklung von einem Dorf mit 500 Einwohnern um 1930 zu einer lebendigen und vielfältigen Stadt mit mehr als 18.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Kontakt:
Stadtarchiv Glinde
Archivar Dr. Carsten Walczok
Markt 1
21509 Glinde
Tel.: 040-710 02 219

Quelle: Stadt Glinde, News, 16.2.2022; Hamburger Abendblatt, 21.1.2022; Stadtmarketing Glinde: Buch Heereszeugamt, o.D.; Stormarn-Lexikon: Heereszeugamt Glinde (in Bearbeitung), o.D.

Staatsarchiv Basel-Stadt sichert Geschichte der Anti-AKW-Bewegung

Im Staatsarchiv Basel-Stadt können fortan die Unterlagen der ehemaligen Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz (bisher: http://www.atomfrei.ch/) eingesehen werden. Die unzähligen Akten, Fotos, Filme und Plakate vermitteln ein lebendiges Bild des in der Bevölkerung breit abgestützten Widerstands gegen Atomkraftwerke in der Schweiz.

Die Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz wurde 2015 vom gleichnamigen Verein (Roland Meyer, Markus Ritter, Beatrice Alder und andere) eröffnet. Sie geht auf eine Initiative des Liedermachers Aernschd Born und des ehemaligen Lehrers Roland Meyer zurück. Sie wollten damit Unterlagen, die seit 1970 von Aktivistinnen und Aktivisten gesammelt worden waren, für die Nachwelt bewahren und öffentlich zugänglich machen. Unter der Leitung von Aernschd Born bewahrte die Dokumentationsstelle vielfältige Schrift-, Bild-, Ton- und Filmunterlagen auf. Von der Gewaltfreien Aktion gegen das AKW Kaiseraugst (GAGAK) stammten zum Beispiel Briefwechsel zu Abstimmungskampagnen oder zu einem Massenhungerstreik. Verschiedene Einzelpersonen übergaben Propagandaplakate, Filme über die Besetzung des Baugeländes des AKW Kaiseraugst, Fotos und Flugblätter von Demonstrationen und Zeitungsartikel.


Abb.: Präsident Roland Meyer (l.) und Kurator Aernschd Born vor den aufgelösten Räumlichkeiten der Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz, 9.8.2021 (Foto: www.atomfrei.ch/Doku Atomfrei).

Die gesammelten Unterlagen veranschaulichen die Entstehung einer breit abgestützten zivilgesellschaftlichen Bewegung. Aus dem Widerstand gegen das geplante AKW Kaiseraugst heraus verbreitete sich der schweizweite Widerstand gegen Atomkraftwerke über die Region Basel hinaus. In den 1970er- und 1980er-Jahren kam es zu zahlreichen Aktionen und Abstimmungen. Bis heute bewegt das Thema der Kernenergie viele Menschen. Gemäß Kantonsverfassung und Atomschutzgesetz ist der Kanton Basel-Stadt verpflichtet, sich gegen die Nutzung von Kernenergie zu stellen. Auf nationaler Ebene wurde 2016 mit dem Energiegesetz der Bau neuer Atomkraftwerke verboten.

Das Gesundheitsdepartement ist federführend im Thema Atomschutz. Regierungsrat Lukas Engelberger, Vorsteher des Gesundheitsdepartements, unterstreicht die grosse Bedeutung der Dokumentationsstelle und des Erschließungsprojekts: „Es ist wichtig, dass Dokumente und Erinnerungen an die Anti-AKW-Bewegung erhalten bleiben und so der historischen Forschung sowie der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.“

Die Dokumentationsstelle präsentierte mit ihrer Sammlung ein Stück Zeitgeschichte von aktueller Bedeutung. Eine langfristige Finanzierung des Betriebs erwies sich allerdings als schwierig. Deshalb überwies 2016 der Grosse Rat einen Anzug um finanzielle Unterstützung an den Regierungsrat. Eine dauerhafte Weiterführung der Dokumentationsstelle als eigenständige Institution stand für den Regierungsrat nicht zur Debatte. 2019 wurde beschlossen, dass der dokumentarische Kern der Sammlung durch das Staatsarchiv übernommen und gesichert werden sollte.


Abb.: Historikerin und Archivarin Sabine Braunschweig und Dany Kress vom Staatsarchiv Basel unterstützten die Dokustelle bis Ende 2021 beim Erschließen des Archivgutes, damit dieses dann an das StABS überführt werden konnte (Foto: www.atomfrei.ch/Doku Atomfrei, 20.2.2020)

Die Sicherung der Unterlagen im Staatsarchiv gelang durch gemeinsames Engagement von Dokumentationsstelle, Gesundheitsdepartement und Staatsarchiv. Dank eines Unterstützungsbeitrags des Swisslos-Fonds konnten die aufwändigen Ordnungs-, Verzeichnungs- und Verpackungsarbeiten der größtenteils nicht inventarisierten Sammlung finanziert werden. Diese Arbeiten übernahmen Aernschd Born und die Historikerin Sabine Braunschweig, das Staatsarchiv Basel-Stadt gab die Regeln vor. Das Staatsarchiv steuerte mit Projektbegleitung, Etikettierung sowie Optimierung der Verpackung weitere wesentliche Eigenleistungen bei. Zur Aufgabe des Staatsarchivs gehörte es auch, den angebotenen Bestand zu bewerten und eine Auswahl zu treffen. Die Objekte der Sammlung übernahm das Historische Museum Basel, das Bibliotheksgut ging an die Universitätsbibliothek Basel.

Trotz Beeinträchtigung durch die Coronapandemie konnten die Arbeiten planmässig abgewickelt werden. Seit August 2021 ist die Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz Geschichte. Präsident Roland Meyer und Kurator Aernschd Born gaben die Räumlichkeiten an der Kleinhüningerstrasse an die Mieterin zurück (s. Abb. oben). Die Lokalitäten der Dokumentationsstelle waren nach der Übergabe an das Staatsarchiv geräumt worden, und der Trägerverein der Dokumentationsstelle löste sich im Februar 2022 auf.

Die Unterlagen sind unter der Archivsignatur „PA 1306 Dokumentationsstelle Atomfreie Schweiz“ online recherchierbar und können im Lesesaal des Staatsarchivs Basel-Stadt eingesehen werden (Öffnungszeiten Lesesaal: Di-Fr 09:00-18:00 Uhr).

Kontakt:
Kanton Basel-Stadt
Staatsarchiv Basel-Stadt
Martinsgasse 2
CH-4001 Basel
Telefon +41 (0) 61 267 86 01
Telefax +41 (0) 61 267 65 71
stabs@bs.ch
https://www.staatsarchiv.bs.ch/

Weitere Auskünfte:
Staatsarchivarin Esther Baur
Tel. +41 (0) 61 267 86 01

Aernschd Born, ehemaliger Leiter der Dokumentationsstelle
Tel. +41 (0) 79 439 60 40

Quelle: Kanton Basel-Stadt, Medienmitteilung, 16.2.2022; Doku Atomfrei (Facebook), 9.8.2021

Geschichte der Kinderheime im Rhein-Erft-Kreis

In der Reihe „Studien zur Geschichte an Rhein und Erft“ des Rhein-Erft-Kreises/Kreisarchiv ist als neueste Publikation das Buch: „Gut untergebracht. Die Geschichte der Kinderheime des Landkreises Köln“ erschienen. Im Buch beschreibt die Autorin Dr. Jutta Becher umfangreich und detailliert anhand von Archivmaterial und Zeitzeugenaussagen erstmals die Geschichte der landkreiseigenen Kinderheime.

Die Geschichte der Kinderheime des Landkreises Köln reicht zurück bis in die Mitte der 1920er Jahre, als gesellschaftspolitische Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg die Gründung des landkreiseigenen Kindererholungsheims im 200 Kilometer entfernten Barkhausen an der Porta Westfalica notwendig machten. „Hier wurde im Kindererholungsheim des Landkreises Köln (1926-1956) eine Waisenabteilung eingerichtet, die Kindern aus dem Kreis 20 Jahre lang ein neues Zuhause bot“, erinnert Landrat Frank Rock.

Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs stellten den Landkreis vor die drängende Aufgabe, der großen Menge verlassener oder elternloser Kinder eine von Fachkräften geleitete und betreute Unterkunft zu bieten. Für eine Übergangszeit wählte man 1950 das damals vom Landkreis als Hilfskrankenhaus genutzte ehemalige Rathaus von Brauweiler, richtete es als »Waisenhaus« ein und gab ihm den Namen »Haus Ehrenfried« (1950-1958).


Abb.: „Haus Ehrenfried“ in der Liblarer Straße 21-25 in Brühl. Luftbild um 1960 (Foto: Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis)

Schon 1957 gelang es, den Grundstein für einen Kinderheim-Neubau in Brühl zu legen, der den Erfordernissen einer modernen Heimpädagogik entsprach. Bis 1965 leiteten Ordensschwestern das Kreiskinderheim „Haus Ehrenfried“. Im Jahr 1983 endete die Ära des Kreiskinderheimes, als es nach knapp 25 Jahren unter großen Protesten geschlossen und 1989 abgerissen wurde.

Das Kindererholungsheim in Barkhausen ebenso wie das Kinderheim »Haus Ehrenfried« und seine Geschichte von 1950 bis zur Schließung im Jahr 1983 werden in dieser Studie erstmals umfassend anhand der Aktenlage und unter Einbeziehung von Interviews mit ehemaligen Bewohnern und pädagogischem Personal erforscht.

Das vorliegende Buch gliedert sich in einen textlichen Teil, der Einblicke in die Geschichte der drei Kinderheimstandorte des Landkreises Köln ermöglicht, sowie einen umfangreichen Bildteil. Zudem geht die Studie auf Brühl als historischen Standort für Kindererziehung ein.

Jutta Becher ist promovierte Diplom-Pädagogin und spezialisiert auf die Erforschung und Dokumentation von Themen zur Alltags-, Kultur- und Sozialgeschichte. Ihr Fokus liegt dabei auf der Erschließung von historischen und sozialen Zusammenhängen zur Betreuungssituation von Kindern und Jugendlichen.

Info:
Jutta Becher:
Gut untergebracht. Die Geschichte der Kinderheime des Landkreises Köln
(Studien zur Geschichte an Rhein und Erft; Band 9)
338 Seiten, mit 154 s/w-Abb., gebunden
ISBN: 978-3-412-52319-0
Böhlau Verlag Köln, 1. Auflage, 2021
45,00 €

Bisher erschienene Werke der Reihe „Studien zur Geschichte an Rhein und Erft“:

Band 1: Teil 1: Sabine Graumann (Bearb.), Der Kreis Bergheim um 1827, Köln/Weimar/ Wien 2006. ISBN 9783412293055

Bans 1: Teil 2: Sabine Graumann (Bearb.), Der Kreis Köln um 1825, Köln/Weimar/Wien 2007

Band 1: Teil 3: Sabine Graumann (Bearb.): Der Kreis Lechenich um 1826, Köln/Weimar/Wien 2008. ISBN 978-3-412-37605-5

Band 2: Volker Schüler: Die Ceelen’schen Mühlen am Frechener Bach, Köln 2007.

Band 3: Mühlenverband Rhein-Erft-Rur (Hrsg.), Mühlen und Hämmer links und rechts des Rheins. Studie zur Aufnahme der Mühlenstandorte im Gebiet der Regionale 2010, Köln 2007

Band 4: Ralf Kreiner, Historische Querbauwerke der Gewässersysteme Nordrhein-Westfalens. I.: Teileinzugsgebiet Rhein/Erft NRW, Köln 2009

Band 5: Sabine Graumann, Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um 1840, Köln/Weimar/Wien 2015. ISBN 978-3-412-22379-3

Band 6: Ralf Kreiner, Die Gymnicher Mühle, 700 Jahre Mühlengeschichte an der Erft, Essen 2019. ISBN 978-3-00-056121-4

Band 7: Rhein-Erft-Kreis, Braunkohle im Rhein-Erft-Kreis. Perspektiven, Bergheim 2018. ISBN 978-3-00-055141-3

Band 8: Sabine Graumann, Dokumente zur Geschichte des Erftraumes II (1256–1994). Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis Bestand 004.1, Bergheim 2019

Band 9: Jutta Becher, Gut untergebracht. Die Geschichte der Kinderheime des Landkreises Köln, 2021. ISBN 978-3-412-52319-0

Kontakt:
Kreisarchiv Rhein-Erft-Kreis
Willy-Brandt-Platz 1
50126 Bergheim
archiv@rhein-erft-kreis.de

Quelle: Rhein-Erft-Kreis, Meldungen/Presse, 2.2.2022; Brühler Schlossbote / Rheinische Anzeigenblätter (RAG): Zeitzeugen gesucht, 28.2.2018; RAG: Ein Buch voller Erinnerungen, 20.3.2021

Archiv für alternatives Schrifttum in Duisburg bangt weiter um Existenz

Die größte private Sammlung linker Schriften – das Archiv für alternatives Schrifttum (Afas) in Duisburg – sieht sich weiterhin in seiner Existenz gefährdet, berichtet der Deutschlandfunk. Die Finanzierung sei ein permanenter Kampf, sagte der Mitgründer und hauptverantwortliche Leiter des Afas, Dr. Jürgen Bacia, dem Sender gegenüber. Er und sein Team vermuten politische Gründe hinter den Schwierigkeiten. Teilen der Politik sei die Arbeit des Afas suspekt, führte Bacia aus. Viele würden das Afas leider oft mit den Materialien identifizieren, die dort gesammelt würden.


Abb.: 2021 konnte das Afas ein Teilprojekt im Rahmen eines dreijährigen Erschließungsprojektes abschließen: 1025 Plakate aus der Region Westfalen-Lippe aus dem Zeitraum 1970er – 2010er Jahre wurden digitalisiert und katalogisiert (Foto: Afas).

Das Afas umfasst Material linksalternativer Bürger-, Studierenden- und Umweltbewegungen seit den 1960er-Jahren. Das Spektrum reicht bis zu den Kommandoerklärungen der linksextremistischen Terrorgruppe RAF. 1985 gegründet, gilt das Afas heute mit mehr als zwei Regalkilometern an Dokumenten aus linkspolitischen Kreisen als größtes freies Archiv in Deutschland.

Bacia kritisierte, dass im Kulturausschuss des Landtags von Nordrhein-Westfalen getroffene Beschlüsse nicht umgesetzt würden. Schon 2019 seien alle Landesmittel gestrichen worden, obwohl der Ausschuss 2009 für die dauerhafte Förderung des Afas gestimmt habe. Wer im Landtag letztlich für die Streichung der Haushaltsgelder gesorgt und sich damit gegen die Entscheidung gestellt habe, sei bis heute unklar. Öffentlich bekannt habe sich niemand, führte Bacia im Deutschlandfunk weiter aus. 2018/2019 formierte sich öffentlicher Widerspruch aus der Archiv- und Geschichtsszene gegen das Ende der Förderung.

Aktuell finanziere sich das Afas durch projektbezogene Mittel. Diese Notlösung laufe Ende 2022 ab. Bacia hofft auf einen neuen Beschluss im Laufe des Jahres, der wieder Haushaltsmittel für die private Sammlung bereitstellt.

In einem Beitrag im Rahmen der Ausstellung Pop Punk Politik. Die 1980er Jahre in München führte Jürgen Bacia dieser Tage aus, welche Rolle Archive für die Erkämpfung und Erinnerung von autonomen Räumen spielen und warum Freie Archive, wie das Afas, wichtig seien:

»Im Lesesaal des archivs für alternatives schrifttum (afas) hängt ein Transparent mit dem Spruch „Werft Eure Geschichte nicht weg.“ Einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit verbringt das afas damit, den Spuren – und damit den Dokumenten – all der soeben geschilderten Gruppen und Initiativen nachzugehen. Denn Bewegungen haben, wie ihr Name schon sagt, die Eigenschaft, sich zu bewegen, also sich fortzuentwickeln – und nicht selten, sich aufzulösen. Fast alle der oben abgebildeten Zeitschriften haben längst ihr Erscheinen eingestellt, die genannten Broschüren sind vergriffen. Dadurch besteht die Gefahr, dass auch das Wissen, das sich dort angesammelt hat, aus dem kollektiven Gedächtnis nicht nur der Freien Szene, sondern der Gesellschaft insgesamt verschwindet.


Abb: Viertausend. Düsseldorf 1986. Foto: afas. Bedeutung von Archiven. #PopPunkPolitik (Münchner Stadtbibliothek, Blog)

Es braucht also Archive, die dafür sorgen, dass die Materialien all der Gruppen und Initiativen, die in den letzten 50 Jahren autonome Räume und Gegenentwürfe zur Mehrheitsgesellschaft geschaffen und ausprobiert haben, dauerhaft gesichert und zugänglich gemacht werden.

Auf die traditionellen Archive ist diesbezüglich kein Verlass, weil sie häufig schon durch ihre Kernaufgaben vollständig ausgelastet sind, keinen Zugang zu oder kein Interesse an den autonomen Räumen haben, von den alternativen und autonomen Milieus nicht akzeptiert werden: Gruppen, die sich in ihrem Kampf um autonome Räume jahrelang mit Stadtverwaltungen oder Kulturbürokratien herumgeschlagen haben, denken oft gar nicht daran, die Materialien ihrer gesellschaftskritischen Aktivitäten einem traditionellen Archiv zu überlassen. Glücklicherweise hat sich im Laufe der letzten vierzig Jahre eine Freie Archivlandschaft herausgebildet, die dafür sorgt, dass die „Geschichte der linken und alternativen Bewegungen nicht zu einer Geschichte der verschollenen Dokumente wird“ (so die Formulierung des afas).

Am besten funktioniert das bei den Frauen- und Lesbenarchive. Sie haben sich schon 1994 zum ida-Dachverband der Frauen- und Lesbenarchive zusammengeschlossen. Seit 2003 gibt es den Workshop der Archive von unten, in dem sich informell Leute aus allen Archivsparten zu jährlichen Fachsimpeleien treffen. Die Protokolle aller Workshops sind auf „Bewegungsarchive“ nachlesbar. Das afas erarbeitet und betreut seit vielen Jahren ein Verzeichnis Freier Archive, das auf seiner Homepage aufrufbar ist.

Das 1985 gegründete afas nimmt eine Sonderrolle in der Freien Archivszene ein, weil es 1.) Hunderte von Sammlungen von Gruppen und Einzelpersonen übernommen hat, 2.) zum letzten Anker für ganze Archive geworden ist, die aufgeben mussten. Mit einem Gesamtbestand im Umfang von rund 2.500 Regalmetern ist das afas zum bei weitem größten Freien Archiv in Deutschland angewachsen. Details unter http://afas-archiv.de/bestande/

Den meisten Freien Archiven geht es wie den Gruppen in den autonomen Räumen: Sie kämpfen ständig um öffentliche Unterstützung (die berühmte „Staatsknete), halten sich jahrzehntelang mit Projektmitteln über Wasser, überbrücken Trockenzeiten mit unbezahlter Arbeit. Eine Parole in der Freien (Archiv-)Szene lautet: „Unsere Geschichte gehört uns!“ Damit das so bleibt, müssen die autonomen Räume der Freien Archive deutlich besser abgesichert werden.«

Info:
Dr. Jürgen Bacia ist Politologe und konnte sich nach seiner Arbeit im APO-Archiv der Freien Universität Berlin ein Leben ohne Archive nicht mehr vorstellen. 1985 war er Mitbegründer des archivs für alternatives schrifttum (afas) in Duisburg und gehört bis heute zum Leitungsteam des Archivs. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Neuen Sozialen Bewegungen. Außerdem ist er seit langem an der Vernetzung der Freien Archive beteiligt.

Kontakt:
Archiv für alternatives Schrifttum (afas)
Münzstraße 37-43
47051 Duisburg
Tel.: 0203 / 93 55 43 00
Fax: 0203 / 93 55 43 02
afas-archiv@t-online.de
http://afas-archiv.de/

Quelle: Deutschlandfunk, Nachrichten, 11.2022; Münchner Stadtbibilothek, Blog: Die Kämpfe um autonome Räume und die Bedeutung von Archiven: Was bleibt? | #PopPunkPolitik, 8.2.2022; ARCHIVAR 2/2017