Ausstellung in der Villa Hügel, Essen, läuft bis zum 8. Oktober 2017
Man schrieb an Krupp – Politisches und Alltägliches, wohlformuliert, blumig oder sachlich-nüchtern, mit Feder oder Schreibmaschine, auf kräftigem Bütten- oder hauchzartem Luftpostpapier.
Kaiser Wilhelm II. schrieb von Hand, gleich sechs Seiten an die junge Konzernerbin Bertha Krupp und empfahl: »Gehen sie jeden Tag in die Fabrik«. – Am 22. November 1902 starb überraschend Friedrich Alfred Krupp. In den Wochen zuvor hatte die sozialdemokratische Presse ihn unter dem Vorwurf der Homosexualität massiv attackiert. Kaiser Wilhelm II. nahm demonstrativ am Begräbnis teil und einige Tage später schrieb er an die Erbin der Firma, die erst 16-jährige Bertha Krupp. Das sechsseitige Handschreiben charakterisiert den Monarchen: impulsiv, energisch und pathetisch. Er drängte Bertha Krupp, die Firma als Familienunternehmen weiterzuführen, engen Kontakt zu den Arbeitern zu halten, ihre Pflicht anzunehmen und sich demütig Gottes Willen zu beugen. Nicht zuletzt bot der Kaiser Unterstützung an – wohl nicht ohne Hintergedanken: Er strebte nach Einfluss auf einen Konzern, der für die ökonomische und militärische Macht des Reiches bedeutsam war.
Der Forschungsreisende Alexander von Humboldt und Alfred Krupp schätzten sich und lobten die gleichen Tugenden: Pflichterfüllung und Uneigennützigkeit. Der Erfinder Thomas Alva Edison schickte einen Phonographen in die Villa Hügel. Der Maler Max Liebermann bedankte sich artig für Ankäufe, und Autobauer »Ferry« Porsche informierte seinen bedeutenden Kunden Alfried Krupp von Bohlen und Halbach persönlich, dass sich der Liefertermin seines neuen Carrera 2 verzögere.
Die Briefe atmen Zeitgeist und spiegeln den Wandel der Kulturtechnik des Schreibens in zwei Jahrhunderten. Zwischen den Zeilen verraten sie Nichtgesagtes, werfen ein Schlaglicht auf Charakter und Weltsicht der Verfasser und zeichnen zugleich ein Bild der Adressaten. Sie laden ein zu einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit.
Vom 25. März bis 8. Oktober 2017 präsentiert die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in der Ausstellung „Humboldt dankt, Adenauer dementiert. Briefe aus dem Historischen Archiv Krupp“ in der Villa Hügel in Essen 44 Dokumente aus den Jahren zwischen 1800 und 1992 – handgeschrieben oder eigenhändig unterschrieben. Politiker, Wissenschaftler, Künstler und Industrielle sandten sie an die Familie Krupp, Alfried Krupps Generalbevollmächtigten Berthold Beitz oder das Unternehmen. Zu sehen sind die Originale in einer Inszenierung, die sowohl das Lesen ermöglicht als auch die Geschichte hinter den Dokumenten erzählt. Zur Ausstellung ist ein Begleitband gleichen Titels erschienen (Besucherinfo).
Kontakt:
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung
Historisches Archiv Krupp
Villa Hügel
Hügel 1
45133 Essen
Telefon: +49 201 188 48 21
Fax: +49 201 188 48 59
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