Der Bezirk Cottbus galt zu DDR-Zeiten als "Hochburg der Stasi". Die Spitzeldichte war deutlich höher als andernorts. Einer der Gründe war die Bedeutung der Region für die Energieversorgung der gesamten DDR. Dort lagen große Braunkohletagebaue und Kraftwerke.
Nach der deutschen Wiedervereinigung zog in die ehemalige Cottbuser Stasi-Zentrale das städtische Finanzamt ein – doch nun wurde der Bau abgerissen. Als "kleinen Sensationsfund" bezeichnet Rüdiger Sielaff, der Außenstellenleiter des BStU in Frankfurt (Oder), jene Stasi-Unterlagen, die jüngst beim Abriss der ehemaligen Bezirksverwaltung des MfS im brandenburgischen Cottbus aufgefunden wurden.
Bauarbeiter stießen auf mehrere Kisten eingelagerter Stasi-Unterlagen. Bei seiner Antragstellung auf Akteneinsicht informierte ein Bürger die für die Cottbuser Unterlagen zuständige BStU-Außenstelle Frankfurt (Oder). Die Bauarbeiter vor Ort bargen daraufhin die Dokumente, die nun ausgewertet werden. Hauptsächlich handelt es sich um die Bauunterlagen für das Gebäude der Stasi-Bezirksverwaltung Cottbus nebst einem Bunker.
Der Fund bereichert das regionale Stasi-Unterlagen-Archiv in Frankfurt (Oder) um eine nicht uninteressante Komponente. Er lässt Rückschlüsse auf Planungen, technische Ausstattung und regionale Vernetzung der Stasi zu. Der gut erhaltene Aktenfund hat Außenstellenleiter Rüdiger Sielaff "angenehm überrascht". Bislang waren nachträglich eher vorvernichtete Stasi-Unterlagen aufgetaucht. Denn bevor Mitglieder eines Bürgerkomitees im Dezember 1989 die Cottbuser Bezirksverwaltung besetzten, konnten Stasi-Offiziere noch große Mengen an Akten über ihre Spitzelarbeit schreddern.
Im Gespräch mit dem Cottbuser Gunnar Pflug, der einst im Bürgerkomitee zur Auflösung des MfS in Cottbus war, wird deutlich, wie kompliziert die Lage Anfang 1990 vor Ort gewesen ist. "Viele Dinge sind uns wahrscheinlich bei der Kontrolle durch die Lappen gegangen", räumt der Bürgerrechtler ein, "denn mit vier bis sieben Personen waren wir einfach zu wenige." Der Archivbestand habe sich tatsächlich in dem jetzt erst abgerissenen Hauptgebäude "Am Nordrand" im Westflügel der 2. und 3. Etage befunden. Pflug unterstreicht, dass es den Auflösern der Stasi in Cottbus damals vorrangig darum ging, "nur die personenbezogenen Akten" zu sichern. Dazu gehörte der nun wieder aufgetauchte Bestand der MfS-Abteilung "Rückwärtige Dienste" nicht. Mit allen Beteiligten habe man damals beschlossen, diese "zum Gebäude gehörenden Dokumente" auch dort zu belassen, erinnert sich Gunnar Pflug. Wichtiger sei es damals gewesen, zunächst dafür zu sorgen, dass tausende Waffen der MfS-Mitarbeiter abgegeben wurden.
Alle Unterlagen, so Gunnar Pflug, wurden damals in einen Munitionsbunker und in Garagenkomplexe auf dem Gelände der MfS-Bezirksverwaltung gebracht. Erst nach dem "Berliner Signal", dem Sturm auf die dortige MfS-Zentrale am 15. Januar 1990, habe in Cottbus eine geordnete Sichtung und Sicherung von Akten, Waffen und Inventar begonnen. Und auch erst dann wurde richtig begriffen, wie viel schon vorvernichtet war. Rund 750 Säcke mit zerrissenen Unterlagen wurden aufgefunden, von denen bisher erst ein Teil in Frankfurt (Oder) manuell rekonstruiert werden konnte. Dabei fanden sich auch Observationsfotos und Papiere der Spionageabwehr.
Erst kürzlich wurden aus diesem Bestand rekonstruierte Akten über einen hochkarätigen IM aus der Kirchenszene publik. Die Stasi hatte ihm zur Belohnung den Weg zu einer Hochschulprofessur geebnet. Die Außenstelle Frankfurt (Oder) des BStU lud dessen Opfer zu einer Diskussionsrunde ein. Der ehemalige IM selbst stellte sich der Debatte nicht.
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Quelle: BStU, Notizen, 4.3.2014