Nachdem in Sachsens Verfassungsschutz neuerlich unbekannte Akten zur Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aufgetaucht sind, muss Vize-Verfassungsschutzpräsident Olaf Vahrenhold seinen Posten räumen: Zum 1. Juli 2013 wird er als Abteilungsleiter in das Sächsische Staatsarchiv versetzt. Innenminister Markus Ulbig (CDU) erklärte am 19. Juni dazu, dass die Versetzung nicht nur mit dem Fund neuer NSU-Akten zu tun habe, sondern mit der notwendigen Neuordnung des Verfassungsschutzes.
Im Sächsischen Staatsarchiv ist derzeit die Leitung der Abteilung 1 – "Zentrale Aufgaben, Grundsatz" – vakant. Welche archivfachlichen Qualifikationen Vahrenhold für eine leitende Position im Staatsarchiv mitbringt, ist nicht bekannt. Der Freistaat Sachsen macht sich mit dieser Personalentscheidung in archivfachlicher Hinsicht abermals zum Gespött zumindest der Fachöffentlichkeit, nachdem der Sächsische Landesrechnungshofbericht des Jahres 2003 zur Bestandsreduzierung die Ersatzverfilmung, Digitalisierung, Nachbewertung und Nachkassation vorhandener Archivbestände vorgeschlagen hatte und nachdem das Sächsische Staatsministerium für Kultus zu Schuljahresbeginn 2012 die Abordnung von Lehrerinnen und Lehrern an die Staatsarchive zum Zwecke der Archivpädagogik und Historischen Bildungsarbeit beendet hat – dies kurz nachdem im Rahmen dieses erfolgreichen Programms noch die 26. Archivpädagogenkonferenz 2012 in Dresden durchgeführt worden war!
Der Umgang mit den Archiven und das Verständnis vom Archivwesen dokumentiert in Sachsen offenkundig antiquierte, aber längst nicht überwundene stereotype Vorstellungen von den Archiven als Ablagestelle für missliebige, inkompetente oder in Ungnade gefallene Behördenmitarbeiter. Dass im aktuellen Fall der sächsische Vize-Verfassungsschutzpräsident, der bewiesen hat, nicht mit Akten umgehen zu können, gerade ins Staatsarchiv versetzt wird, erscheint skandalös und nicht akzeptabel.
Vor einem Jahr hatte Verfassungsschutzchef Reinhard Boos um seine Versetzung gebeten, nachdem erstmals unbekannte NSU-Akten aufgetaucht waren. Das Landesamt für Verfassungsschutz sei "offenbar steigerungsfähig", erklärte die Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz gegenüber der Leipziger Volkszeitung ironisch: Vor einem Jahr sei eine einzelne Akte zum NSU aufgetaucht, nunmehr handele es gleich um drei Akten "aus dem Bermuda-Dreieck namens Archiv des Landesamtes für Verfassungsschutz".
Quelle: LVZ-Online, 19.6.2013