Luchterhand Literaturverlag will eigene NS-Vergangenheit aufarbeiten

Der Luchterhand Literaturverlag will nach dem Vorwurf der Bereicherung in der Nazizeit seine Vergangenheit aufarbeiten. In einer ersten Stellungnahme äußerte sich der Verlag zu einem Bericht der "taz", der Verlag habe sich 1939 zu einem äußerst günstigen Preis in die Druckerei von Otto Heinrich Scholz eingekauft, der von den Nazis drangsaliert wurde:

Am 7. August 2012 abends erreichte den Luchterhand Literaturverlag ein Fax der Berliner taz.die tageszeitung, das über Recherchen der Zeitung informierte, nach denen Eduard Reifferscheid und Heinz Luchterhand, der Sohn von Hermann Luchterhand, 1939 einen Vertrag unterschrieben haben, durch den der damalige Luchterhand Verlag Gesellschafter der Druckerei von Otto Heinrich Scholz wurden. Scholz, dessen Verlobte und spätere Frau Jüdin gewesen sei, sei im Zuge der politischen Verfolgung gezwungen gewesen, die Druckerei zu verkaufen; der Luchterhand Verlag habe davon nicht nur passiv profitiert, sondern die Verfolgung von Scholz selbst bei den Behörden aktiv betrieben. Otto Scholz hat offensichtlich nach dem Krieg an die Wiedergutmachungskammer in Berlin Folgendes geschrieben: "Vielen Leuten war es allgemein bekannt, dass der damalige Prokurist und heutige Mitinhaber des Luchterhand Verlages Herr Reifferscheid und Herr Luchterhand jr. der Gestapo Mitteilungen über unsere Verhältnisse machten, wodurch unser gesamtes Vermögen beschlagnahmt wurde".

Die taz bat bis zum 9. August 2012 um 9 Uhr um eine Stellungnahme des Luchterhand Literaturverlags. Anderenfalls dürfe man davon ausgehen, dass die getroffenen Behauptungen und insbesondere die zitierten Aussagen in inhaltlicher Hinsicht zutreffend seien, so Philipp Gessler von der taz.

Luchterhand-Verleger Georg Reuchlein hat daraufhin wie folgt Stellung genommen:
"Wir bitten um Verständnis, dass wir in der Kürze der Zeit kein Urteil über die Richtigkeit Ihrer Recherchen, von deren Ergebnissen wir heute zum ersten Mal erfahren, abgeben können. Wir legen auf jeden Fall größten Wert auf die lückenlose Erforschung und Aufarbeitung der Geschichte des Luchterhand Verlags, dies gilt insbesondere und ausdrücklich auch für die Epoche der NS-Zeit. Daher messen wir Ihren Recherchen große Bedeutung bei und sind an deren genauen Ergebnissen und Quellen sehr interessiert."

Der Luchterhand Verlag, 1924 von Hermann Luchterhand gegründet, wurde 1987 an die niederländische Verlagsgruppe Wolters Kluwer verkauft, die kurz darauf den literarischen Teil des Hermann Luchterhand Verlags an die Arche Verlag AG Zürich weitergab. Seitdem firmiert dieser Teil des Verlags unter dem Verlagsnamen Luchterhand Literaturverlag; daneben gibt es weiterhin den Luchterhand-Fachverlag bei Wolters Kluwer Deutschland. 1994 erwarb der Münchner Wirtschaftsanwalt Dietrich von Boetticher den Literaturverlag, von dem ihn die Verlagsgruppe Random House im Oktober 2001 übernahm. Der wichtigste Bestand des Luchterhand Archivs ist seit den 1990er Jahren in den Händen des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Die restlichen noch vorhandenen Unterlagen befinden sich im Unternehmensarchiv der Bertelsmann AG in Gütersloh. Dieses dort vorhandene Material datiert allerdings nicht aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Am Samstag, 11. August 2012 erschienen dann in der taz ein "Ein dunkler Keller" überschriebener Artikel sowie ein Kommentar "Was nie gesagt worden ist" von Philipp Gessler zur NS-Vergangenheit des Hermann Luchterhand Verlags.

Der Luchterhand Literaturverlag abschließend in seiner Stellungnahme: "Wie bereits in der Stellungnahme der taz gegenüber formuliert, ist dem Luchterhand Literaturverlag sehr daran gelegen, die, folgt man den vorliegenden taz-Recherchen, bestürzenden und beschämenden Vorgänge in der NS-Zeit rückhaltlos aufzuklären. Wir werden uns in den kommenden Wochen darum bemühen, geeignete Wissenschaftler für eine unabhängige Aufarbeitung der Verlagsgeschichte zu gewinnen. Fortschritte und Ergebnisse entsprechender Recherchen werden wir zeitnah öffentlich kommunizieren."

Quelle: Luchterhand Literaturverlag, Stellungnahme zum Artikel "Ein dunkler Keller" in der taz vom 11. August 2012, München, 13.8.2012; Die WELT, 15.8.2012

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