Am 1. August 2011 übergab die Direktorin des Nationalarchivs (Národní Archiv) in Prag, Dr. Eva Drašarová, dem Direktor des Sächsischen Staatsarchivs, Dr. Jürgen Rainer Wolf, 21 Kartons mit Unterlagen des „Volksbundes für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) aus den Jahren 1935 bis 1939.
Die Archivalien werden künftig im Hauptstaatsarchiv Dresden verwahrt, das bereits seit langem über umfangreiche Hinterlassenschaften des „Volksbundes“ verfügt. Die Übergabe war am 25. Juli 2011 durch einen zwischen der Tschechischen Republik und dem Freistaat Sachsen in Prag geschlossenen Überlassungsvertrag vorbereitet worden.
Korrespondenz des „Volksbunds für das Deutschtum im Ausland“
Die in Dresden zusammengeführte Überlieferung besteht aus Briefwechsel, den der sächsische Landesverband des VDA weltweit mit Auslandsdeutschen, meist Auswanderern aus Sachsen, geführt hat. In Sachsen wurden diese Unterlagen 1945 auf Grund eines Befehls der Sowjetischen Militäradministration zusammen mit Akten der NSDAP und anderer NS-Organisationen beschlagnahmt. Wie die bislang in Prag befindlichen Schriftstücke in das tschechische Nationalarchiv gelangt sind, ist noch ungeklärt.
Im Hauptstaatsarchiv Dresden befanden sich bisher bereits 2,2 Regalmeter Korrespondenz des „Volksbunds“ aus der Zeit zwischen 1934 und 1942. Dabei handelt es sich zumeist um Briefe ausgewanderter Sachsen, die von sächsischen Landesverband mit Druckschriften wie den „Sächsischen Heimatbriefen“ versorgt wurden. Aus ihnen gehen persönliche Lebensumstände und politische Haltung der Absender hervor. Oft sind die Schreiben mit Fotos angereichert. Nicht selten finden sich darin Absagen an den „Volksbund“ oder kritische Meinungsäußerungen gegen die Politik des „Dritten Reichs“.
Neue Quellen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Sachsen
Aufgabe des VDA, der 1933 aus dem seit 1881 bestehenden „Allgemeinen Deutschen Schulverein“ („Verein für das Deutschtum im Ausland“) hervorging, war die Unterstützung der im Ausland lebenden Deutschen bei der Bewahrung ihrer kulturellen Identität. Im „Dritten Reich“ geriet die bereits früh durch völkische Ideen beeinflusste Vereinigung unter die Kontrolle der NS-Volkstumspolitik. In Sachsen bestand bereits seit 1883 ein Landesverband des VDA. In der Weimarer Republik hatte das „VDA-Wirtschaftsunternehmen“ hier seinen Sitz, das zeitweise durch den liberalen Politiker Dr. Wilhelm Külz geleitet wurde.
Die Archivalien des „Volksbunds“ im Hauptstaatsarchiv Dresden geben nicht nur Einblick in die Lebenswelten sächsischer Auswanderer und ihre Haltung zum Nationalsozialismus, sie illustrieren auch die Propagandatätigkeit des sächsischen Landesverbands des VDA. Für die Geschichte der NS-Zeit besitzen sie große Bedeutung, da die historische Quellenlage in Sachsen wegen der kriegsbedingten Verluste an Unterlagen der NSDAP und anderer NS-Organisationen begrenzt ist. Den Schriftstücken, die jetzt aus Prag übergeben wurden, kommt daher besonderer Wert für die wissenschaftliche Forschung zu. Nach erfolgter Einarbeitung in den Dresdner Archivbestand sollen sie für die öffentliche Nutzung zur Verfügung stehen.
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Quelle: Hauptstaatsarchiv Dresden, Medieninformation 2 / 2011