Warum der Blick in die Vergangenheit lohnt, machte der Limburger Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker in seinem Vortrag "Limburg im langen 19. Jahrhundert (von 1789 bis 1914)" deutlich. Er betonte, dass es die 125 Jahre des "langen 19. Jahrhunderts" – von der Französischen Revolution bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs – benötigte, um den Ideen der Aufklärung wie Volkssouveränität und persönliche Freiheit zu ihrem Durchbruch zu verhelfen. Aus heutiger Sicht sei das 19. Jahrhundert deshalb "unsere Wurzel, auf die wir uns besinnen müssen".
Erfreut von der großen Resonanz und dem starken Interesse an Limburger Geschichte hatte sich Bürgermeister Martin Richard (CDU) gezeigt. Die vielen Mühen im Vorfeld des Limburger Jubiläumsjahrs 2010 hätten sich gelohnt, stellte er zur Begrüßung im kleinen Saal der Stadthalle vor rund 180 Zuhörern fest, bevor er das Wort dem Referenten erteilte. In seinem eineinhalbstündigen Vortrag zeigte der Stadtarchivar unter anderem auf, dass Limburg im "langen 19. Jahrhundert" immer wieder ein Ort des religiösen Konflikts, aber auch religiöser Toleranz gewesen ist.
Es begann mit der Französischen Revolution 1789, in deren Verlauf etwa 400 französische Geistliche und Adlige ihren Weg nach Limburg fanden. Im Revolutionsjahr hatte die Stadt seit 383 Jahren dem Erzstift Trier angehört. Die Ereignisse der folgenden Jahrzehnte, wie die französischen Revolutionskriege, die Napoleonischen Kriege und die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815 führten zu einem grundlegenden Wechsel der hiesigen Besitzverhältnisse. Limburg fiel damals nach und nach an das protestantische Herzogtum Nassau.
Einerseits profitierte die Stadt von der fortschrittlichen Politik Nassaus, die unter anderem zur Aufhebung der Leibeigenschaft sowie der Einführung der Reise- und Niederlassungsfreiheit führte. Andererseits löste der neue Landesherr das Limburger Stift, das Franziskanerkloster sowie weitere geistliche Einrichtungen auf. "Für die Stadt hatte dies schlimme Folgen", sagte Waldecker und verwies auf das von Franziskanern betriebene städtische Gymnasium, das 1813 seinen Betrieb einstellen musste. Limburg erhielt erst 25 Jahre später wieder eine weiterführende Schule.
An der territorialen Zugehörigkeit Limburgs änderte sich nach 1815 für mehrere Jahrzehnte nichts. 1866 beging der Herzog von Nassau aber einen folgenschweren Fehler und unterstützte im preußisch-österreichischen Krieg die Österreicher. Als Konsequenz wurde sein Land von den Preußen besetzt, er verlor seinen Thron und ging ins Exil. Der Wechsel der Herrschaft wurde keineswegs als "eine Vergewaltigung des Bevölkerungswillens" empfunden, betonte Waldecker. Vielmehr begrüßten Großbürgertum, Unternehmerschaft sowie auch die politischen Eliten den Anschluss an Preußen. Bis 1945 sollte Limburg eine preußische Stadt bleiben.
Aber auch diese Beziehung war nicht konfliktfrei. So war Limburg 1827 Bischofsstadt geworden, und die Beziehungen zwischen Stadt und Bistum waren "fast immer sehr gut" gewesen. Fackelzüge, Ehrenpforten und festliche Beflaggung anlässlich der Einführung eines Bischofs waren selbstverständlich, was Waldecker auch mit einigen alten Fotos belegte. Als es während des preußischen Kulturkampfes zum Konflikt zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staat kam, unterstützten die Limburger Bürger vehement ihren Bischof Peter Joseph Blum. Sie kauften zum Beispiel 1874 dessen zwangsversteigerten Reisewagen, um ihn unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich an Blum zurückzugeben. Neben der katholischen Kirche existierten in Limburg auch wachsende evangelische und jüdische Gemeinden. So weihte man 1866 die evangelische Kirche am Bahnhof und 1903 den Neubau der Synagoge an der Schiede ein.
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Dr. Christoph Waldecker M.A., Dipl.-Archivar (FH)
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Text und Foto: Johannes Koenig (Nassauische Neuen Presse, 17.3.2010)