Säurefraß in Hamburger Archiven und Bibliotheken

In einer aktuellen Drucksache hat der Hamburger Senat den Abschlussbericht zur Beantwortung des bürgerschaftlichen Ersuchens „Schriftgut Hamburger Archive und Bibliotheken retten – Säurefraß stoppen!“ vorgelegt.

Der sogenannte „Säurefraß“ ist eines der größten Probleme für Bibliotheken und Archive: Gedruckt und geschrieben wurde zwischen den Jahren 1840 und 1990 größtenteils auf industriell gefertigten Papieren, deren Basismaterialien Zellulose und Holzschliff im Zusammenwirken mit der Leimung auf Dauer die Bildung von Säuren begünstigen. Diese Säuren führen dazu, dass das Papier vergilbt, braun wird und schließlich zu zerfallen droht. In den vergangenen Jahren haben sich technische Verfahren zur Papierentsäuerung etabliert, die den Papierzerfall stoppen und darüber hinaus die Lebensdauer des Papiers beträchtlich verlängern. Für die öffentlichen Bibliotheken und das Staatsarchiv in Hamburg liegt nun eine umfassende Schadensanalyse sowie ein Maßnahmenplan zur Entsäuerung vor.

Die Bibliotheken staatlicher Trägerschaft haben unter Federführung der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky (SUB) 2007 einen detaillierten Schadensbericht vorgelegt. Danach sind 3,94 Millionen Bände säuregeschädigt. Das entspricht 82,5 Prozent der Gesamtbestände, aus den Erscheinungsjahren 1840 bis 1990. Die beteiligten Bibliotheken haben anhand von festen Kriterien eine Priorisierung vorgenommen und ca. 35% der säuregeschädigten Bände als besonders dringlich zu entsäuern eingestuft. Diese Bestände wurden nach Dringlichkeit in Prioritätsstufen 1 bis 3 geordnet.

Die SUB hat ein Konzept zur Entsäuerung entwickelt und die benannten Bestände nach inhaltlichen Aspekten bewertet (z.B. Einmaligkeit der Bände) und vier Aktionslinien zugeordnet: Geistiges Erbe (in Hamburg entstandenes Schrifttum), Hamburgs Wissenschaftsgeschichte (Einrichtungen und Sammlungen sowie spezielle Themengebiete) und Wissen über Hamburg. Die Entsäuerungsmaßnahmen der vier Aktionslinien finden parallel statt.

Die SUB ist kapazitätsmäßig in der Lage, jährliche Entsäuerungsmaßnahmen in einem Volumen von ca. 65.000 Bänden zu koordinieren und davon selbst ca. 30.000 Bände abzuarbeiten. Die nach fachlichen Gesichtpunktspunkten unbedingt notwendige Entsäuerung der ca. 1,36 Mio Bände würde sich über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren erstrecken und allein die Entsäuerung der mit Priorität 1 eingestuften ca. 804.000 Bände würde 12 Jahre in Anspruch nehmen.

Das Staatsarchiv Hamburg hat seine Schadensanalyse Ende des Jahres 2008 abgeschlossen. Es hat eine repräsentative Stichprobenuntersuchung seiner 2.600 Akten- und Amtsbuchbestände in einem Gesamtumfang von ca. 31.500 Regalmetern sowie von 26 repräsentativen Einzelbeständen durchführen lassen. Erstere wurde mittels eines bislang weltweit einmaligen spektroskopischen Messverfahrens zur Charakterisierung des Alterungszustandes von Archiv- und Bibliotheksbeständen, der sogenannten NIR (Nah-Infrarot)-Spektroskopie oder auch NIR-Paperrating-Technologie durchgeführt. Danach sind 75% der gesamten Bestände säuregeschädigt.

Daraufhin hat das Staatsarchiv eine Priorisierung und inhaltliche Bewertung des Gesamtbestandes vorgenommen und auf dessen Grundlage einen Bestandsicherungsplan erarbeitet, der sich an den ermittelten Schadenszuständen und der inhaltlichen Wertigkeit der Bestände orientiert. Bei den zur Verfügung stehenden Personal- und Sachkapazitäten bietet sich eine projektartige Bearbeitung nach Priorität an. Unter Berücksichtigung seiner derzeitigen personellen Kapazitäten und nach bisheriger Erfahrung ist das Staatsarchiv in der Lage, jährlich bis zu ca. 250 Meter Archivschriftgut entsäuern zu lassen. Die Entsäuerung der 160.000 Archivguteinheiten würde bei dieser Jahresleistung dann in einem Zeitraum von rund 11 Jahren (2019) abgearbeitet sein.

Maßnahmen der Mengenentsäuerung unterstützt der Senat in den Jahren 2009 und 2010 mit insgesamt ca. 2,65 Millionen Euro. Davon werden für Bibliotheksschriftgut unter Federführung der SUB im Jahr 2009 1 Mio. Euro und im Jahr 2010 rund 800.000 Euro aus dem Titel 3660.971.20 „Maßnahmen zum Erhalt der gefährdeten Bestände in wissenschaftlichen Bibliotheken“ bereitgestellt. Für das Archivschriftgut des Staatsarchivs stehen im Jahr 2009 rund 650.000 Euro und im Jahr 2010 rund 200.000 Euro aus dem Titel 3750.971.01 „Maßnahmen zum Schutz vor Papierzerfall und Säurefraß“ zur Verfügung.

Kontakt:
Staatsarchiv Hamburg
Kattunbleiche 19
22041 Hamburg
Fon: 040 – 428 31 – 3200
poststelle@staatsarchiv.hamburg.de
www.hamburg.de/staatsarchiv

Quelle: Freie und Hansestadt Hamburg, Pressemitteilung, 18.8.2009

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