Die Bergung von Archivalien des Historischen Archivs der Stadt Köln im Grundwasser soll fortgesetzt werden. Das schlägt Oberbürgermeister Fritz Schramma dem Rat vor und hat eine entsprechende Vorlage am Freitag, 7. August 2009, schlussgezeichnet. In Vertretung des Rates hatte anschließend der Hauptausschuss darüber zu entscheiden. Oberbürgermeister Fritz Schramma hält die weitere Unterwasserbergung aus rechtlichen, kulturpolitischen und wirtschaftlichen Gründen für geboten:
"Ich sehe uns da einerseits in einer rechtlichen Verpflichtung durch das Archivgesetz Nordrhein-Westfalen und durch die Verträge mit den Leihgebern, die weiteren Archivalien auch im Grundwasser zu retten. Ein Verzicht auf diese Maßnahmen würde wichtiges Kulturgut und einen Teil des \’Kölner Gedächtnisses\‘ für immer verloren geben und einen national wie international kaum abzuschätzenden kulturpolitischen Schaden anrichten. Ich bin erleichtert, dass ein technisches Verfahren von unserem externen Sachverständigen gefunden wurde, das deutlich unter den anfangs befürchteten zweistelligen Millionenkosten bleibt und trotzdem sicher ist. Auch wirtschaftlich gesehen ist die weitere Bergung im Grundwasser anzuraten, zumal das zu rettende Archivgut auch einen wirtschaftlichen Nutzen für die Stadt Köln hat."
Bei der Fortführung der Bergungsarbeiten ist laut einer Machbarkeitsstudie der beauftragten Gutachter, der Smoltczyk & Partner GmbH, je nach technischen Erfordernissen mit voraussichtlichen Kosten zwischen rund 3,9 Millionen und 4,2 Millionen Euro zu rechnen. Bei einem Verzicht auf die weitere Bergung würden dennoch weitere Kosten in Höhe von mehr als 2,3 Millionen Euro anfallen, weil der Einsturztrichter mit hochwertigem Material verfüllt und die unter Wasser liegenden Trümmer und aufgelockerten Bodenbereiche durch aufwändige Bodenverfestigungsverfahren stabilisiert und gefestigt werden müssten.
Die weiteren Bergungsarbeiten könnten voraussichtlich innerhalb von 15 Monaten abgeschlossen sein, Planung, Ausschreibung, Vergabe und Bauausführung eingeschlossen. Frühestens sechs Monate nach Beschlussfassung könnte die Archivalienrettung vor Ort beginnen. Dazu würden wieder freiwillige Helferinnen und Helfer gebraucht.
Die bereits abgeschlossenen Bergungsarbeiten zwischen 36 Meter und 38 Meter über NN haben erwiesen, dass Archivgut auch unterhalb des Grundwasserspiegels in bergungsfähigem und wieder herstellbarem Zustand überlebt. Der Anteil der völlig fragmentierten oder gar ganz verlorenen Stücke lag auch bei der Unterwasserbergung im Juli nicht signifikant über dem bei der Bergung des trockenen Archivgutes. Dies lässt auch für die Bergungsarbeiten in größerer Wassertiefe noch gute Ergebnisse erhoffen. Eine Bergung des Archivgutes aus diesem Bereich erfolgt mit Blick auf Kosten, Risiken und Zeitbedarf am günstigsten als Unterwasserbergung in einem durch Bohrpfahlwände gesicherten Arbeitsbereich.
Die bisherigen Bergungsergebnisse lassen den Schluss zu, dass bei zeitnaher Fortsetzung der Bergung nur mit einer geringen Quote an Totalverlusten, etwa fünf Prozent, des Gesamtbestandes vor dem 3. März 2009 zu rechnen ist. Damit sind im nun verbleibenden Bergungsbereich noch etwa zehn Prozent an zu rettendem Archivgut mit einem Versicherungswert von ca. 26,5 Millionen Euro zu erwarten.
Unter anderem werden im zu bearbeiten Bereich Teile von Nachlässen und Deposita Kölner Kulturschaffender, Heinrich Böll und Kölner Männer-Gesangverein, erwartet, ebenso wie Großformate aus städtischem Eigentum, beispielsweise Codex Welser und Deposita, Architektennachlässe, z. B. Wilhelm Riphahn, Erich Schneider-Wesseling. Darüber hinaus befinden sich im Trichter noch signifikante Anteile städtischer Überlieferung sowie weitere Personenstandsregister.
Seit dem Einsturz des Historischen Archivs am 3. März 2009 sind oberhalb des Grundwasserspiegels, gegenwärtig bei 38 Meter NN, insgesamt 85 Prozent des Archivgutes geborgen worden. Das gefundene Archivgut wurde durch das Unglück verstreut und ist in großen Teilen stark fragmentiert. Mechanische Beschädigungen sowie der massive Eintrag von alkalischem Betonstaub, aber auch Feuchtigkeitsschäden und Mikrobenbefall haben zu einem erheblichen Restaurierungsbedarf geführt. Schätzungsweise 6.000 Fachrestauratorinnen und -restauratoren müssten ein Jahr lang arbeiten, um die anfallenden Restaurierungsmaßnahmen durchzuführen.
Quelle: Stadt Köln, Pressemitteilung, 7.8.2009