Dietmar Bartz, Archivar und Autor der \“taz\“, arbeitete vier Tage lang im Kölner Erstversorgungszentrum des Historischen Archivs mit. In mehreren Episoden protokolliert er seinen Einsatz. Im folgenden Auszüge vom ersten Tag, unten Verweise auf allen vorliegenden Folgen:
»In Umkleideräumen streifen wir Schutzanzüge, Atemmasken und Einweghandschuhe über. Zwanzig aufgeregte weiße Michelinmännchen und -weibchen versammeln sich vor dem Triage-Plakat. Ein Mann hat ein rotes T-Shirt an. Hintendrauf steht: Archivar vom Dienst. Die Frau neben ihm trägt grün, auf dem Rücken: Restaurateurin vom Dienst. Außerdem laufen noch Blaue mit der Aufschrift Historisches Archiv Stadt Köln herum. Ansprechpartner für die nächsten Tage. Eine Idee der Katastrophenmediziner?
Der Rote, ein gemütlicher Spätdreißiger, ist unser Schichtleiter. Er weist uns ein: \“Erstens: Wir werfen nichts weg! Zweitens: Wir lesen nicht!\“ Kichern, wir alle wissen, dass die Aktenlektüre der größte Zeitfresser beim Umgang mit Archivalien ist.
Andreas Rossmann, der örtliche Korrespondent der FAZ, wird oft mit seiner Kurzanalyse zitiert: \“Der Umgang mit Stadtentwicklung, Denkmalschutz oder dem Kulturetat in den letzten Jahren zeigt die Geringschätzung von Geschichte aufseiten der Stadtverwaltung. Der Zusammensturz des Archivs ist nun die maßlose Strafe für diese Haltung.\“ Eine ideale Vorlage für die Stadtspitze. Gott straft? Dann sind im katholischen Köln gleich die Sünden vergeben, die zum Kollaps geführt haben.
Nur: Die Strafe ist auf Jahre nicht vorbei. Sie steckt in Kartons, Plastikwannen, Gitterboxen. Und es werden immer mehr.
Nachricht von drinnen: 35 Tage nach dem Einsturz wurde der vermisste Kater Felix unter den Trümmern gefunden, berichtet die Feuerwehr.
Nachricht von draußen: Erdbeben in der italienischen Stadt L\’Aquila mit 60 Toten. Auch das dortige Staatsarchiv mit vier Kilometern Schriftgut sei betroffen, meldet Agenzia Italia.«
Under-Cover-Bericht zum Kölner Archiv:
Tag 1: \“Wir lesen nicht!\“ [www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/%5Cwir-lesen-nicht%5C/]
Tag 4: "Das wird noch Oktober"
Quelle: Dietmar Bartz, taz, 14.4.2009; taz, 15.4.2009; taz, 16.4.2009; taz, 17.4.2009