Die Einrichtung eines eigenen Archivs macht sich für die Stadt Gotha zunehmend bezahlt: Seit der Übernahme der einst im Kreisarchiv Gotha gelagerten städtischen Bestände ist das Stadtarchiv Gotha durch Schenkungen und Spenden von Bürgern und Gotha-Freunden zunehmend gewachsen. Nun kann Archivarin Ute Kolbe weitere Raritäten in die Bestände einfügen. Oberbürgermeister Knut Kreuch (SPD) überreichte ihr am 28. Februar 2009 Schenkungen, die ihm kürzlich zugegangen waren.
Der gebürtige Gothaer Jurist Heinz Mohnhaupt, der 1991 mit seinem Buch „Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten“ nationale Bekanntheit erlangte und heute in Frankfurt am Main lebt, gehört zu denjenigen Bürgern, die sich ihrer Heimatstadt auf besondere Art und Weise verbunden fühlen. Bei der Sichtung vom Nachlass seines verstorbenen Vaters Karl Mohnhaupt, der jahrelang als Vorstand der GOTHAER arbeitete, fand er interessante Dokumente, die er jetzt dem Stadtarchiv Gotha zur Verfügung stellte.
Karl Mohnhaupt gehört zu jenen, die im Jahre 1945 die Verlagerung der GOTHAER nach Göttingen ermöglichten und damit die Grundlagen für den heute weltweit agierenden Versicherungskonzern schufen. In seinem Nachlass fanden sich teilweise einmalige Dokumente, so die von einem Mitarbeiter verfassten „Grenzgänger-Geschichten“, in denen die Mitarbeiter des Versicherungsunternehmens beschreiben, wie sie die wertvollen Versicherungsdaten vor der Verstaatlichung retteten.
Ebenso wertvoll ist das Buch „Die Geschichte der Gothaer Lebensversicherung A.G.“ von 1945 bis 1950, in dem Wolfgang Hedemann die Anfangsjahre in Göttingen beschreibt. Hier wird im ersten Teil die Ankunft der Amerikaner in Gotha beschrieben. Das Bankgebäude wurde im April 1945 vom Stab des Generals Patton belegt und möglicherweise wurde das Haus von noch namhafteren Personen der Zeitgeschichte betreten, denn in der Publikation ist auch folgendes zu lesen: „Übrigens soll damals auch General Eisenhower in der Bank gewesen sein, der von Gotha aus die Konzentrationslager von Buchenwald und Ohrdruf besichtigte.“
Zum Nachlass gehört auch eine Bierzeitung, verfasst anlässlich des 1. Oktoberfestes am 26.10.1946 in Göttingen, die einige sehenswerte Karikaturen enthält und mit folgenden Versen beginnt:
"Ganz Gotha sieht es mit Entsetzen:
Die Amis unverhofft entwetzen,
stattdessen naht die Rot-Armee.
Jedoch im schnellen PKW
In letzter Stunde – Gott sei Dank –
Entwischen von der Lebensbank
In Eile und mit vielen Listen
Ne Dame und zwei Prokuristen.
Und hinten hält sich – ei Potz Blitz,
Arnoldi auf dem Soziussitz."
Der Gothaer Kaufmann Ernst-Wilhelm Arnoldi (1778-1841) war der Gründer der Gothaer Versicherung. – In ihrer Ausgabe vom Sonnabend, dem 18. März 1950 schwärmt eine Göttinger Tageszeitung, dass 500 Mitarbeiter der GOTHAER im Innendienst ein neues Verwaltungsgebäude beziehen, erzählt wie viele neue Wohnhäuser die GOTHAER bauen ließ und wie die GOTHAER mit Hypotheken den Bau der Universität ermöglichte. Von Gotha wird nur in der Vergangenheit berichtet.
Zur Vergangenheit gehört auch das „Gothaische Tageblatt“ vom 9. Juli 1927, welches sich im Nachlass fand und in dem die GOTHAER ganz groß ihr 100-jähriges Jubiläum in der Gründungsstadt feiert. Sie zitiert den noch heute gültigen Satz Arnoldis: „Der Reichtum ist eine relative Sache. Reich an Liebe sein für die Menschheit, zunächst für das Volk, dem man angehört, in der Empfindung ein Mensch, reich an dieser sein und in solchem Sinne seiner Zeit dienen, ohne den Lohn oder den Andank in Rechnung zu bringen, der von außen kommt, dieser Reichtum ist das herrlichste Erbe des einzelnen Glücklichen.“
Die Stiftungen von Heinz Mohnhaupt aus dem Nachlass seines Vaters werden dem Arnoldi-Archiv im Stadtarchiv Gotha zugeleitet.
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Quelle: Stadt Gotha, Pressemitteilung, 27.2.2009; TLZ, 27.2.2009