Das Gesicht des Krieges – Ausstellung im Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen

Die Stadt Leinfelden-Echterdingen erinnert mit der Ausstellung „Das Gesicht des Krieges – das Kriegsfototagebuch des Echterdinger Leutnants Armin Stäbler“ an das Ende des Ersten Weltkrieges vor 90 Jahren. Durch diesen Krieg, der mit Recht als „die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ gilt, wurde Europa in einen Strudel unvorstellbarer Gewalt, Grausamkeit und Zerstörung gestürzt. Seine Folgen auf wirtschaftlichem, politischem und gesellschaftlichen Gebiet können kaum überschätzt werden. Sie haben die Entwicklung in der Weimarer Republik maßgeblich beeinflusst.

Der Echterdinger Armin Stäbler (1899-1978), ein Urenkel des Schultheißen Johann Ludwig Stäbler, hatte als Leutnant der 26. württembergischen Reservedivision den Krieg mitgemacht. Der Tatsache, dass er Hobbyfotograf war, haben wir gleichermaßen seltene wie erschütternde Bilder von der Somme-Schlacht, neben Verdun der größten Schlacht des Krieges, zu verdanken. Die raren Bilder vermitteln etwas vom Schrecken und der Brutalität des Krieges. Es sind zum einen technisch sehr gute Bilder und zum anderen vor allem authentische Bilder, die Stäbler für sich als Privatperson gemacht hat. Sie haben einen ganz anderen Quellen- und Erkenntniswert als die damals weitverbreiteten Propagandabilder. Aus diesen Grunde gilt das Kriegsfototagebuch heute als „europäisches Kulturgut.“ Es wird im französischen Zentralmuseum zur Erforschung des 1. Weltkriegs in Péronne an der Somme archiviert. Im Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen liegen Kopien davon.

Die Bildersammlung Stäblers hat zwei Schwerpunkte. Zum Ersten wird in umfangreichen Gegenüberstellungen an die Zerstörung einer nordfranzösischen Kulturlandschaft erinnert. Bilder von verträumten Dörfern aus dem Jahr 1914 werden Fotos mit denselben Motiven von 1916 gegenübergestellt, auf denen bereits erste Zerstörungen zu sehen sind. Dasselbe Motiv zeigt dann 1918 nur noch eine wüste Trümmerlandschaft. Zum Zweiten wird an ein längst vergessenes Kriegsverbrechen erinnert, die Aktion Alberich 1917. Nach dem strategischen Rückzug in die Siegfriedlinie zerstörten deutsche Soldaten und Pioniere systematisch 280 Dörfer. Jedes Haus wurde verbrannt, jeder Kirchturm gesprengt, jeder Apfelbaum umgeschlagen. Militärisch war diese Aktion sinnlos, denn sie hielt den Vormarsch der Engländer nicht auf. Doch damit wurden über 200 Dörfer und Städte, die bisher nicht vom Krieg in Mitleidenschaft gezogen worden waren, einfach ausgelöscht.

Der fotografische Nachlass von Armin Stäbler kam in den Besitz seines Verwandten Frieder Riedel (Echterdingen). Er hat diese Ausstellung ehrenamtlich vorbereitet und ist zudem Autor zweier Bücher über die Somme-Schlacht. Die Fotoausstellung wird ergänzt durch lokale Exponate zum 1. Weltkrieg aus dem Stadtarchiv. Der Krieg forderte auch hier viele Opfer und bedeutete für die Filder und die vier – damals noch relativ kleinen Gemeinden – eine tiefe Zäsur. Zahlreiche Gefallene waren zu beklagen: In Echterdingen kehrten 90, in Leinfelden 50, in Musberg 43 und in Stetten 29 Männer nicht mehr aus dem Krieg zurück. In die Familien wurden tiefe Lücken gerissen. Auch auf das Alltagsleben der Bevölkerung hatte der Krieg starke Auswirkungen – Hunger wurde auch auf den Fildern zur zentralen Erfahrung.

Zur Ausstellung, die vom 11. November 2008 bis 29. März 2009 zu sehen ist, wurde zusätzlich ein umfangreiches Rahmenprogramm vorbereitet. In Vorträgen stellen renommierte Historiker ihre Forschungen zum 1. Weltkrieg vor.

Donnerstag, 15.1.2009, 19.30 – 21.00 Uhr, Echterdingen, Stadtmuseum, Hauptstr. 79: 

Zwischen Kriegsgericht und Heldentod. Der Grabenkrieg an der Somme 1914 – 1916. Frieder Riedel, Echterdingen.
Neueste Forschungsergebnisse zu den Fotos von Armin Stäbler brachten bisher unbekannte Tatsachen zum 1. Weltkrieg zutage. Der Misserfolg der Engländer insbesondere am ersten Tag der Sommeschlacht beruhten auf der Anwendung neuster Gefechtstaktiken und besonderer Feldstellungsbauten, die beide eigentlich verboten waren. Die 26. württembergische Reservedivision beging also streng genommen Befehlsverweigerung – eine bisher in der Geschichtsschreibung verschwiegene Tatsache.

Montag, 2.2.2009, 19.30 – 21.00 Uhr, Echterdingen, Stadtmuseum, Hauptstr. 79

Deutsche und alliierte Kriegsverbrechen – Fakten und Fiktionen. Prof. Dr. Alan Kramer, Universität Dublin, Trinity College.
Kriegsverbrechen wurden im 1. Weltkrieg von allen Beteiligten begangen. Jede Seite betonte propagandistisch besonders stark die Verbrechen des Gegners und versuchte die eigenen in ihrer Bedeutung herunterzuspielen oder gänzlich zu negieren. Neueste Forschungsergebnisse von Prof. Kramer bringen mehr Licht in das bisher von ideologischer Verblendung überdeckte Dunkel.

Donnerstag, 26.2.2009, 19.30 – 21.00 Uhr. Echterdingen, Kulturtreff am Schafrain, Schafrain 2

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf Leinfelden, Echterdingen, Musberg, Stetten. Dr. Bernd Klagholz, Stadtarchivar
Das Deutsche Reich war zwar selbst nicht Kriegsschauplatz, aber jede Gemeinde hat die Auswirkungen des Krieges zu spüren bekommen. Auch auf den Fildern waren zahlreiche Gefallene zu beklagen, die Lebens- und Arbeitsbedingungen verschlechterten sich grundlegend. Die Ernährung der Bevölkerung konnte nur durch Zwangsbewirtschaftung aufrecht erhalten werden. Der Vortrag erfolgt anhand von historischen Fotografien und Dokumenten, die projiziert werden.

Sonntag, 29.3.2009, 11.00 – 12.30 Uhr. Musberg, Stadtarchiv, Schönaicher Sträßle 4

Verdun: Krieg und Nachkrieg im Spiegel literarischer und anderer Zeugnisse. Finissage der Ausstellung. Dr. Kurt Oesterle, Tübingen, Journalist und Schriftsteller.
Hier sollen zunächst die Grundlinien der Verdunschlacht von 1916 dargestellt werden. Darüber hinaus wird Dr. Oesterle an einer Reihe literarischer Beispiele (Arnold Zweig, Erich Kästner, Kurt Tucholsky) zeigen, was von ihr in Erinnerung geblieben ist und wo die besonderen Schwierigkeiten liegen, sich der „Materialschlacht“ und ihrer Folgen für Mensch und Natur zu erinnern. Ebenso soll zur Sprache kommen, wie Verdun sich heute seinen Besuchern präsentiert.

Kontakt
Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen
Stadtteil Musberg
Schönaicher Sträßle 4
70771 Leinfelden-Echterdingen 
Tel.: 0711 / 9975409
Fax: 0711 / 9975410
b.klagholz@le-mail.de

Quelle: Aktuelles Leinfelden-Echterdingen; Ausstellung Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen

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