Den Tag der offenen Tür im Stadtarchiv Gießen nutzten Ende Mai 2008 an die fünfzig Besucher, um sich von Archivleiter Dr. Ludwig Brake durch die ihnen sonst verschlossenen Räumlichkeiten des Stadtarchivs führen zu lassen. Im Magazinbereich zogen vor allem die zahlreichen mit einem großen "L" und einer Ziffer gekennzeichneten Akten das Interesse der Besucher auf sich. Dr. Brake erläuterte, dass es sich dabei um Material handelt, das zuvor in einem Außenlager des Archivs in der Ludwigstraße gelagert worden war. Man würde diese Kennzeichnung beibehalten, um nicht die Nachprüfbarkeit von Zitaten in wissenschaftlichen Arbeiten zu erschweren.
Die Bestände des Stadtarchivs Gießen, die ca. 1.500 Regalmeter umfassen, reichen nur in Einzelstücken bis ins Mittelalter zurück. So gibt es z. B. eine Urkunde der Stadt aus dem Jahr 1325, die die erste Stadterweiterung dokumentiert. Die großen Lücken in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Überlieferung der Stadt rühren möglicherweise von schweren Bränden im 15. und 16. Jahrhundert her. Eine dichtere Überlieferung beginnt ab dem 17. und 18. Jahrhundert. Der Schwerpunkt der Bestände liegt im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Unter anderem finden sich hier die in Gießen seit 1750 erschienenen Zeitungen. Weitere Verluste entstanden durch die Kriegsschäden des Zweiten Weltkrieges sowie durch absichtliche Aktenvernichtungen während des Nationalsozialismus. Betroffen waren vor allem die Bibliothek, die Sammlung von Programmen, Plakaten und Flugschriften, das Archiv der israelitischen Gemeinde, Teile der Ortsarchive Wieseck und Kleinlinden, Nachlässe einiger Bürger, städtische Forstakten, Polizeiakten und Rechnungen.
Wie Dr. Brake weiter ausführte, gibt es im Stadtarchiv Gießen die Abteilungen Historisches Archiv bis 1918/19, Aktenarchiv ab 1920 und das im Aufbau befindliche Aktenarchiv ab 1945. Die Akten aus den Ortsteilen Kleinlinden, Lützellinden, Rödgen, Wieseck und Allendorf befinden sich ebenfalls im Stadtarchiv. Des Weiteren dokumentieren zahlreiche Fotos annähernd 150 Jahre Gießener Geschichte. Zum Bestand gehören aber auch Briefsammlungen, private Nachlässe sowie Firmenarchive. Interessiert verfolgten die Besucher im Lesesaal, wie viel Arbeitsschritte nötig sind, um ein Schriftstück sachgemäß zu archivieren. Die eigentlich geplante Recherche der Besucher am Computer musste jedoch ausfallen, da ein Blitzschlag das gesamte Computersystem lahm gelegt hatte. Im Anschluss an die Führungen beantworteten die Mitarbeiter noch zahlreiche Fragen der Besucher.
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Quelle: Klaus- J. Frahm, Gießener Anzeiger, 3.6.2008; Bestände und Abteilungen des Stadtarchivs Gießen