Ärger um Ein-Euro-Jobs im Stadtarchiv Wiesbaden

Die so genannten „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ für Empfänger von Arbeitslosengeld II werden aufgrund der Höhe der Mehraufwandsentschädigung als \“Ein-Euro-Jobs\“ bezeichnet. Formale Voraussetzung eines Ein-Euro-Jobs muss seine Gemeinnützigkeit und die Zusätzlichkeit dieser Arbeit sein; er darf nicht als Billiglohnvariante zur Kompensation und damit zur Verdrängung regulärer Arbeitsplätze dienen.

Der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern ist daher diffizil, wenngleich sich das Archivwesen aufgrund vielfältiger Tätigkeitsfelder und Zuarbeitsmöglichkeiten als geradezu unerschöpflicher Beschäftigungssektor anbietet. Viele Archive und ihre Träger verzichten aber bewusst auf den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern, um vorhandene Stellen nicht zu gefährden oder einem künstlichen Niedriglohnsektor Vorschub zu leisten. Viele andere Archive machen hingegen Gebrauch von den Ein-Euro-Jobs, und durchaus auch viele ALG-II-Empfänger ziehen die Arbeit in einem Archiv anderen ihnen zugewiesenen Jobs vor.

Im Stadtarchiv Wiesbaden ist nun die Frage um die Rechtmäßigkeit des dortigen Einsatzes von Ein-Euro-Jobbern eskaliert, wie das Wiesbadener Tagblatt und der Wiesbadener Kurier berichten. Ein Mitarbeiter des Multimediaarchivs sieht sich ausgebeutet und von seinen Vorgesetzten hingehalten. Denn über Jahre hinweg wurde das digitale Multimediaarchiv im Wiesbadener Stadtarchiv (siehe Bericht vom 15.2.2004) von Ein-Euro-Jobbern betrieben. Einer von ihnen, Wilfried Lüderitz (62), prangert jetzt die Verhältnisse an. 

Lüderitz, der ein Studium der Pädagogik, Soziologie und Kunstgeschichte absolviert hat, und zudem examinierter Gebrauchsgrafiker ist, sieht sich bei der Besetzung der im Frühjahr 2006 vakant gewordenen Stelle eines wissenschaftlichen Leiters des Multimediaarchivs ungerechtfertigterweise übergangen. Denn im Herbst 2006 wurde nicht er, der für die Nachfolge \“perfekt geeignet\“ schien, sondern ein politisch in Ungnade gefallener Referent der Kulturdezernentin Rita Thies, von Hause aus Mediziner, auf den Leiterposten abgeschoben.

Eine echte Jobperspektive habe Wilfried Lüderitz hingegen nicht erhalten; er sei ein ums andere Mal vertröstet und hingehalten worden. Jetzt wandte er sich an einen Rechtsanwalt sowie an die Öffentlichkeit, um Beistand zu erhalten. – Kulturdezernentin Rita Thies wollte sich, den Presseberichten zufolge, zu der \“Personalangelegenheit\“ nicht äußern, zumal sie mit Rechtsstreitigkeiten verbunden sei.

Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 13.2.2008; Manfred Gerber, Wiesbadener Kurier, 13.2.2008

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