Im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar sind als Archivbestände die Registraturen der Weimarer Kunstlehranstalten überliefert – beginnend mit der 1860 gegründeten Großherzoglichen Kunstschule und endend mit den Hochschulen für Baukunst, bildende Künste und Handwerk (bis 1945). Im Hinblick auf die kommenden Jubiläen – 2008 das 100-jährige Gründungsjubiläum der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule, 2009 das 90-jährige Gründungsjubiläum des Staatlichen Bauhauses und 2010 das 150-jährige Gründungsjubiläum der Großherzoglichen Kunstschule – werden derzeit die drei überlieferten Archivbestände für ein noch in diesem Jahr zu publizierendes Spezialrepertorium neu erschlossen.
Auch das Jahr 2007 hat mit dem 50. Todestag Henry van de Veldes Anstoß zu zwei wissenschaftlichern Projekten gegeben, die in die Öffentlichkeit wirken sollen: zu einer bereits im Frühjahr in der Schriftenreihe der Historischen Kommission für Thüringen erschienenen Edition von Dokumenten und Berichten über Henry van de Veldes amtliche Tätigkeit in Weimar und einer seit dem 15. Oktober und noch bis zum 28. Dezember 2007 laufenden Kabinettausstellung im Marstall, die dem gleichen Thema gewidmet ist, seinem Wirken als Berater für Handwerk und Industrie im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach von 1902 bis 1915.
Der belgische Architekt, Designer und Kunstreformer ist 1902 als Berater des Großherzogs auf dem Gebiet des Kunstgewerbes nach Weimar berufen worden, wo er das „Kunstgewerbliche Seminar“ begründete. 1906 begann er in einem nach seinen Plänen errichteten Ateliergebäude mit der Einrichtung eines privaten „Kunstgewerblichen Instituts“ mit Werkstätten, das bereits seit Mitte 1907 Ausbildungskurse anbot. Daraus ging die zum 1. April 1908 offiziell eröffnete „Großherzogliche Kunstgewerbeschule“ hervor, die von van de Velde als Direktor noch bis zu deren Schließung zum 1. Oktober 1915 geleitet wurde. Sie war eine vom Großherzog finanzierte private Lehranstalt, stand aber unter Aufsicht der Hof- und Staatsbehörden. Bereits seit 1913 wurde van de Veldes Ablösung betrieben, der er durch eigene Kündigung im Juli 1914 zuvorkam. Nach Kriegsausbruch im August 1914 verschlechterte sich seine Position in Weimar, da er unter Kriegsrecht als „feindlicher Ausländer“ galt. Im Mai 1917 verließ er die Residenzstadt und ging in die Schweiz. Bemühungen zu seiner Rückberufung 1919 scheiterten. Die im Anschluß an die Edition gestaltete Archivalienausstellung hat ihre Materialgrundlage in der archivalischen Überlieferung des Thüringischen Hauptstaatsarchivs, insbesondere in dem Bestand Großherzogliche Kunstgewerbeschule.
In vier Komplexen wird die Amtstätigkeit Henry van de Veldes als Berater für Kunsthandwerk und Industrie, für die er nach Weimar berufen wurde, veranschaulicht. Originaldokumente zeigen seine Berufung nach Weimar und den amtlichen Auftrag, seine von 1902 bis 1904 durchgeführte Inspektionstätigkeit im Lande, die Entwicklung vom „Kunstgewerblichen Seminar“ zum „Kunstgewerblichen Institut“ sowie die Gründung und Entwicklung der „Großherzoglichen Kunstgewerbeschule“. In einem abschließenden Komplex „Von Henry van de Velde zu Walter Gropius“ wird dokumentiert, daß bei der Nachfolgereglung für Henry van de Velde als Direktor der Kunstgewerbeschule bereits 1915 mit dem Berliner Architekten Walter Gropius verhandelt wurde und dieser sich nach Kriegsende und Revolution am 31. Januar 1919 dafür wieder in Erinnerung brachte. Er übernahm, nachdem die Kunstgewerbeschule aufgelöst war, am 11. April 1919 schließlich die vakante Direktorstelle der Hochschule für bildende Kunst, die ab Semestereröffnung am 28. April 1919 nunmehr als Staatliches Bauhaus in Weimar firmierte.
Die Ausstellung ist im Marstall während der Öffnungszeiten des Archivs von Montag bis Freitag (8.00-16.00 Uhr) zu besichtigen (Eingang Marstallstraße 2). Im „Schaukasten“ des Thüringischen Hauptstaatsarchivs (im Internet und als Poster vor dem Marstallgebäude) greift die Folge 12 ebenfalls dieses Thema auf: Henry van de Velde in Weimar 1902 bis 1917.
Kontakt:
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar
Marstallstraße 2
99423 Weimar
Telefon: +49 (0) 36 43 / 870-0
Telefax: +49 (0) 36 43 / 870-100
Quelle: Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Pressemitteilung, 15.10.2007