Ein der Wissenschaft bislang unzugängliches Konvolut von 104 Briefen Theodor Fontanes an seinen Sohn Theodor wurde von der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und dem Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv gemeinsam erworben. Die Erwerbung wurde durch die Kulturstiftung der Länder und den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft großzügig gefördert. Zuletzt wurde das Konvolut im Oktober 1933 bei der für den Nachlass Theodor Fontanes folgenschweren Versteigerung des Berliner Auktionshauses Meyer & Ernst unter dem damaligen Schätzpreis für 255 RM an einen privaten Sammler verkauft. Bis jetzt blieben die Briefe der Forschung unzugänglich. Dass das Konvolut unbeschadet und ohne Verluste bewahrt werden konnte, ist erst seit kurzem bekannt. Es ist daher eine Sensation, dass dieses berühmte Briefkonvolut nun in öffentlichem Besitz der Forschung zur Verfügung stehen wird. Angesichts der Bedeutung der Briefe, welche das prominente Fontanesche Briefwerk bestens ergänzen, entschlossen sich die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und das Potsdamer Theodor-Fontane-Archiv, das Konvolut gemeinsam zu erwerben. Im Interesse der Forschung wird auch weiterhin konzertiert gehandelt: Zunächst werden alle Briefe digitalisiert und als elektronische Kopien sowohl in Potsdam als auch in Berlin den Nutzern zur Verfügung stehen. Auch die weiteren Schritte – die Erschließung, Restaurierung und Veröffentlichung der Dokumente – werden gemeinsam unternommen. Der gemeinsame Ankauf des Briefkonvoluts markierte den Auftakt für eine Gesamterschließung des auf mehrere Institutionen verteilten Fontane-Nachlasses. Ziel ist, der Forschung den elektronischen Zugriff auf den handschriftlichen Nachlass des Dichters zu gewähren, unabhängig vom Ort der Aufbewahrung der Originale.
Das Briefkonvolut umfasst 104 eigenhändige Briefe von Theodor Fontane an seinen Sohn Theodor (1856–1933) bzw. dessen Frau Martha, geb. Soldmann (1865–1934), einige Postkarten sowie Briefe und Briefnachschriften von Emilie Fontane bzw. von den Geschwistern Martha (1860–1917) und George (1851–1887). Damit enthält das Briefkonvolut weit mehr als 90 % aller heute bekannten Briefe Fontanes an den Sohn Theodor. Gut die Hälfte der Briefe ist unveröffentlicht. Über Theodor jun., den der Vater als „Programm-Menschen“ und „preußisch-conventionell abgestempelten Prinzipienreiter“ beschreibt, weiß man bislang wenig. Gewiss ist, dass der „kluge, nüchterne [und] ehrgeizige“ Theodor, der als guter Gymnasiast und erfolgreicher Jurastudent reüssierte, eine veritable Karriere in der preußischen Heeresintendantur machte. In seinen nur bruchstückhaft publizierten Erinnerungen gibt der Sohn ein differenziertes Bild von der Persönlichkeit und der komplizierten Arbeitsweise des Schriftsteller-Vaters. Augenfällig scheint die äußerliche Ähnlichkeit mit dem Vater gewesen zu sein, die Theodor jun. dazu prädestinierte, sowohl Max Wiese für das Fontane-Denkmal in Neuruppin als auch Max Klein für das Denkmal im Berliner Tiergarten Modell zu sitzen bzw. zu stehen.
Auch literarisch beschäftigte Theodor jun. den Vater immer wieder. Zwar ist die Erzählung, die „Theos Geschichte“ hätte werden sollen, nicht geschrieben worden, aber Romanfiguren wie der Sohn Wendelin in dem Roman Die Poggenpuhls und Baron von Innstetten in Fontanes wohl berühmtesten Roman Effi Briest tragen Theos Züge. Ob dem Sohn tatsächlich die Eigenschaften eines Baron von Innstetten zugesprochen werden können, darüber wird die Forschung zu befinden haben. Anhand des gewichtigen Briefkonvoluts wird sich zeigen, welche Rolle der Sohn Theodor in der Fontaneschen Familiensaga und in der Familien-“Schreibwerkstatt“ des Dichters gespielt hat. Am 14. November 2007 wird in der Villa Quandt in Potsdam, dem neuen Domizil des Fontane-Archivs, die hochkarätige Erwerbung mit einer Festveranstaltung gefeiert, die um 19 Uhr beginnt. Der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz wird aus den bisher unbekannten Briefen lesen.
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Theodor-Fontane-Archiv
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Tel.: 0331 / 201396
0331 / 2013970
fontanearchiv@uni-potsdam.de
Quelle: Pressemitteilung Staatsbibliothek zu Berlin, 21.9.2007