Mit einem Festprogramm am 20. und 21. Mai 2007 begeht die Universität Erfurt das 50. Jubiläum der Wiedereröffnung der Forschungsbibliothek Gotha nach Rückführung ihrer Bücher aus der Sowjetunion 1956/57. Mehr als 300.000 Handschriften und Alte Drucke der Herzoglichen Sammlung auf Schloss Friedenstein waren im April 1946 als Kriegsbeute des Zweiten Weltkriegs durch die Trophäenkommission der Roten Armee in die Sowjetunion verbracht worden. Von August bis November 1956 kehrten sie nahezu vollständig nach Gotha zurück, am 21. Mai 1957 wurde die Forschungsbibliothek Gotha wiedereröffnet. \“Damit gehörte\“, so die Direktorin der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha, Christiane Schmiedeknecht, \“die Forschungsbibliothek neben der Dresdner Gemäldesammlung zu den Institutionen, deren Bestände in einer ersten Rückführungswelle an den Ort ihrer historischen Überlieferung zurückgegeben wurden.\“ Dies war im Zuge der vorsichtigen Liberalisierung nach dem Tode Stalins 1953, der Anerkennung der Souveränität der DDR 1954 und der Gründung des Warschauer Paktes 1955 möglich geworden.
Noch immer werden etwa 1 Million Kunstgegenstände, 4,6 Millionen Bücher und 3 Regalkilometer Akten vermisst. In der Forschungsbibliothek klafft noch eine Lücke von etwa 25.000 Bänden, auch die Museen auf dem Friedenstein und das Thüringische Staatsarchiv Gotha haben noch Verluste. \“Das Jubiläum von Rückführung und Wiedereröffnung der Gothaer Bibliothek ist deshalb eine wichtiger Anlass\“, so Schmiedeknecht weiter, \“auf die Verluste hinzuweisen und über Möglichkeiten zu diskutieren, die noch nicht zurückgegebenen Kulturgüter zugänglich zu machen.\“ Die Forschungsbibliothek lädt deshalb zu einem zweitägigen Programm ein. \“In einer Sonderschau wird neben Originaldokumenten des Abtransports und der Rückführung auch ein repräsentativer Querschnitt durch die wiedergewonnenen Handschriften und Bücher gezeigt\“, so die Leiterin der Forschungsbibliothek, Dr. Kathrin Paasch. Neben Führungen durch die Ausstellung, einem Festakt der Universität Erfurt, einer Matinee des Freundeskreises der Forschungsbibliothek hat die Bibliothek Experten aus deutschen Bibliotheken und Museen eingeladen, um über den Stand der Rückführungen zu informieren und über bilaterale Projekte zu berichten.
Info:
Die Veranstaltungen finden, wenn nicht anders ausgewiesen, im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek Gotha statt. Anmeldungen unter bibliothek.gotha@uni-erfurt.de
Sonntag, 20. Mai 2007
9.00 Uhr, 10.30 Uhr, 14.00, 15.30 Uhr
Führungen durch die Sonderausstellung \“Zurückgekehrte Kostbarkeiten der Forschungsbibliothek Gotha\“ und durch die Schauräume der Bibliothek
Treffpunkt: Eingang der Forschungsbibliothek. Eintritt frei
13.00 Uhr
Matinee des Freundeskreises der Forschungsbibliothek Gotha e.V. Musik: Dr. Denis Lomtev, Klavier
Stipendiat der Forschungsbibliothek / Russlanddeutsche Akademie der Wissenschaften, Moskau
14.00-17.00 Uhr
Mitgliederversammlung des Freundeskreises (nicht öffentlich)
17.30 Uhr
Festveranstaltung: Grußworte Dr. Wolfgang Bergsdorf, Präsident der Universität Erfurt ; Knut Kreuch, Oberbürgermeister der Stadt Gotha; Christiane Schmiedeknecht, Direktorin der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha
Festvortrag: Tradition mit Zukunft – Perspektiven der Forschungsbibliothek
Prof. Dr. Dr. Georg Schuppener, Vorsitzender des Freundeskreises der Forschungsbibliothek / Universität Leipzig
Musik
Sergio Pontes, Klavier, Hochschule für Musik Franz List, Weimar
Montag, 21. Mai 2007
Kriegsbedingt verlagertes Kulturgut aus Bibliotheken und Museen. Kolloquium
Zahlreiche deutsche Bibliotheken und Museen haben neben Kriegverlusten an ihren Beständen noch immer die Folgen von Kriegsverlagerungen im Zuge des Zweiten Weltkrieges zu beklagen. Die musealen und die Buchbestände der Gothaer Museen und der Forschungsbibliothek Gotha wurden in östliche und westliche Richtung verbracht. Auch wenn in den 1950er Jahren große Teile aus der Sowjetunion zurückgeführt werden konnten, klaffen noch immer empfindliche Lücken im Bestand. Das Kolloquium versammelt Experten aus deutschen Museen und Bibliotheken, die über den Verbleib und die Möglichkeiten der Zugänglichmachung einzelner Sammlungen und Bestände berichten. Eintritt frei
9.15 Uhr
Dr. Kathrin Paasch (Forschungsbibliothek Gotha): Begrüßung
9.45 Uhr
PD Dr. Gilbert Lupfer (Staatliche Kunstsammlungen Dresden): Seit 1945 vermisste Bestände der Dresdner Museen und die Versuche zu ihrer Rückgewinnung
10.30 Uhr
Günter Schuchardt (Wartburgstiftung Eisenach): Die Verlustgeschichte der Rüstkammer auf der Wartburg
11.00
Pause
11.30 Uhr
Prof. Dr. Günter Schauerte (Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin): Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Beutekunst. Zwischenbericht zu einer über sechzigjährigen Geschichte
12.15 Uhr
Ute Däberitz (Schlossmuseum Gotha): Beispiele der Rückgewinnung nach 1945 verloren gegangener Kunstwerke aus Gothaer Museumsbesitz
13.00 Uhr
Mittagspause
14.30 Uhr
Olaf Hamann (Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz): \“Ne vydavat\’\“ – Keine Ausleihe: Über Verteilung, Nachweis und Nutzung von Beutebüchern in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten
15.15 Uhr
Dr. Annette Gerlach (Zentral- und Landesbibliothek Berlin): Verloren? Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen deutschen und russischen bzw. polnischen Bibliotheken. Beispiele aus der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
16.00 Uhr
Cornelia Hopf (Forschungsbibliothek Gotha): \“… vor dem Einmarsch der Russen nach Koburg zu transportieren\“. Die Verlagerung von Zimelien der Forschungsbibliothek Gotha 1945 und ihr Verkauf
16.45 Uhr
Ausklang: Führungen durch Bibliothek und Museen
Kontakt:
Forschungsbibliothek Gotha
Dr. Kathrin Paasch
Schloss Friedenstein
99867 Gotha
Tel.: 0361 / 737 – 5531
Fax: 0361 / 737 – 5539
bibliothek.gotha@uni-erfurt.de
kathrin.paasch@uni-erfurt.de
Quelle: Jens Panse, Pressemitteilung Universität Erfurt, 14.5.2007