Die Deutsche Forschungsgemeinschaft lässt wertvolle mittelalterliche Handschriften aus Halberstadt aufarbeiten (siehe auch den Bericht vom 7.7.2006). Die unter dem Namen Halberstädter Gymnasialbibliothek bekannten 79 Schriften, von denen derzeit 40 im Domschatz lagern und 39 im Stadtarchiv, sollen zusammengeführt und katalogisiert werden. Es handelt sich um die erste umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Schriften.
Abb.: Handschriften der Gymnasialbibliothek, Sig M 107, Missale, pars hiemalis, 15. Jh.
Viele der 39 mittelalterlichen Archiv-Handschriften waren wegen der Kriegswirren in Russland und Georgien ausgelagert und kamen erst zwischen 1993 und 2004 nach Halberstadt zurück. Dagegen blieb der Bestand des Domschatzes komplett erhalten. \“Die Förderung durch die Forschungsgemeinschaft dokumentiert den wissenschaftlichen und kulturhistorischen Wert der Handschriften\“, erklärte Gabriele Bremer, zuständig für das Historische Archiv der Stadt Halberstadt. Als Partner der wissenschaftlichen Bearbeitung konnte die renommierte Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel gewonnen werden.
Wie kam es zu diesem Antrag:
Literarische Schätze schlummern in Halberstädter Archiven. Viele davon sind der Öffentlichkeit kaum bekannt und waren bislang selten oder gar nicht zu sehen. Nun rücken sie durch wissenschaftliche Bearbeitung ins Rampenlicht. \“Es ist kaum verwunderlich, dass Halberstadt mit seiner langen Geschichte als Bischofssitz eine Fülle von außergewöhnlichen Archivalien besitzt\“. Nicht nur im Historischen Archiv der Stadt – ein erster Stadtschreiber wurde schon 1309 erwähnt – auch im Domschatz befinden sich neben den Dingen, die in der Schatzkammer zu sehen sind, sehr alte, bis in karolingische Zeit zurückreichende Schriftstücke.
Auf Initiative von Professor Aliza Cohen-Mushlin von der Universität Jerusalem wurde ein gemeinsamer Förderantrag von der Stadt, dem Evangelischen Kirchspiel Halberstadt, der Domschatzverwaltung sowie der Stiftung Dome und Schlösser Sachsen-Anhalt an die Deutsche Forschungsgemeinschaft zur wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Sammlung gestellt\“, sagt Gabriele Bremer vom Historischen Archiv.
\“Die Förderung wurde vor kurzem bewilligt. Zunächst steht Geld für die kommenden drei Jahre zur Verfügung\“, freut sich Dr. Helmar Härtel von der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbütttel. Diese renommierte Literaturstätte konnte als Partner gewonnen werden. \“Eine der wenigen Einrichtungen, an der die wissenschaftliche Bearbeitung solcher Archivalien vorgenommen werden kann\“, berichtet Schulze. Dass der Bestand an mittelalterlichen Handschriften bisher nicht im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stehen konnte, hat mehrere Gründe. Zum einen befanden sich viele der literarischen Zeitzeugen nicht in Halberstadt. Zum anderen mangelte es an einer kompetenten und anerkannten Fürsprecherin wie Frau Professor Cohen-Mushlin.
Rückkehr in die Domstadt
Im Zuge der Rückgabe von Schriften durch die Sowjetunion beziehungsweise Russland – dort lagerten viele Bestände seit Ende des Zweiten Weltkrieges – gelangten zwischen 1993 und 2004 über 800 Bücher und andere Schriftstücke zurück in die Domstadt. \“Darunter befinden sich 79 Handschriften, die dem Stadtarchiv und der Domschatzverwaltung gehören\“, sagt Domkustus Jörg Richter. Er informierte im Rahmen eines Pressegespräches über die Geschichte der wertvollen Gymnasialbibliotheksbestände und was davon wieder in Halberstadt vorhanden ist.
Im Rahmen von mehreren, im offiziellen Sprachgebrauch \“als Rückführung kriegsbedingter Auslagerungen\“ bezeichneten Rückgaben, konnten sich das Stadtarchiv, der Domschatz und das Gleimhaus in den letzten Jahren über die Komplettierung ihrer Bibliotheks- und Archivbestände freuen. \“Am interessantesten sind die zurückgekehrten mittelalterlichen Handschriften der Halberstädter Gymnasialbibliothek\“, schätzt Richter ein.
Diese Dokumente legen Zeugnis ab über mittelalterliche geistliche Institutionen. Es sind im wesentlichen Schriften theologischer Literaten seit Beginn des 9. Jahrhunderts, Einzelstücke aus Klöstern der Dominikaner und Franziskaner, aus dem Stift Hamersleben und dem Kloster Huysburg. \“Auch Buchmalereien aus dem 13. Jahrhundert gehören dazu. Die jüngsten Schriften stammen von Halberstädter Domherren aus dem 18. Jahrhundert\“, erläutert Richter. Natürlich bedürfen die Jahrhunderte alten Handschriften eines besonderen Schutzes, der längere Präsentationen nicht gestattet und sie somit nur gelegentlich zugänglich macht. Ein weiterer Grund, warum die Schriften kaum ausgestellt wurden, war bislang die fehlende wissenschaftliche Bearbeitung und damit deren inhaltliche Erschließung. Die Schriften sind so kaum mehr als bloße Schaustücke. Ihre inhaltliche Erschließung für Experten und die Öffentlichkeit kann nun beginnen.
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