Als Haus voller Geschichte kann man das Gebäude Münsterstraße 76 in Bocholt bezeichnen, dessen Bild das Stadtarchiv Bocholt zum Foto des Monats April 2007 gewählt hat. Das ursprüngliche Bürohaus der Maschinenfabrik des Unternehmers Otto Pieron (gest. 1943) entstand im Jahre 1923 an der Münsterstraße Nr. 76 nach den Plänen des Düsseldorfer Architekten Carl Staudt. Die Firma hatte hier bis 1927 produziert, in deren Schreinerei wurde 1932 die Notkirche Heilig Kreuz eingerichtet. Das ehemalige Verwaltungsgebäude – zunächst Sitz der Kreisleitung der NSDAP – bezog im März 1938 die Bocholter Schutz- und Kriminalpolizei. Es erhielt nach dem Kauf durch die Stadt Bocholt die Bezeichnung „Hermann-Göring-Haus“. Auch die Dienststelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) war hier untergebracht. Einige Berichte und Erinnerungen bezeugen Vorfälle über Folter und Misshandlungen von Gegnern des Nazi-Regimes in seinen Mauern. Den Opfern zum Gedenken und den Lebenden zur Mahnung enthüllte man am 9. November 1988 im Eingangsbereich des Hauses eine Gedenktafel. Beim Bombenangriff im März 1945 wurde das Gebäude schwer beschädigt und nach Kriegsende bis Januar 1946 durch britische Besatzungstruppen belegt. Anschließend zogen die Polizeiverwaltung hier wieder ein sowie vorübergehend auch noch andere Ämter der Stadtverwaltung, das Arbeitsamt, die Industrie- und Handelskammer und die Kreishandwerkerschaft. Als am 8. Februar 1946 nach tagelangen Regenfällen die Aa über die Ufer trat, gelangte das Wasser bis über die Stufen des Haupteinganges. Nachdem die Polizeiverwaltung hier bis Juli 1975 ihren Sitz hatte, nutzten vorübergehend wieder verschiedene Ämter der städtischen Verwaltung die Räumlichkeiten. Auch Asylbewerber erhielten hier nach Umzug der städtischen Ämter in das neue Rathaus am Berliner Platz zeitweise eine Unterkunft. Die linke Hälfte des Gebäudes nutzte zwischen 1982 und 2007 das Arbeitsgericht, wogegen die benachbarte Seite seit 1984 die Hauptstelle des Bocholter Stadtarchivs beheimatet, das als „Haus voller Geschichte“ die wichtigsten Dokumente aus der Bocholter Vergangenheit bewahrt.
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Quelle: Pressemeldung Stadt Bocholt, 31.3.2007