15 Jahre Thüringer Archiv für Zeitgeschichte »Matthias Domaschk«

Das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk\“ (ThürAZ) in Jena ist ein unabhängiges Spezialarchiv zur Thematik Opposition/Widerstand/Zivilcourage in der DDR. Es wurde 1991 im Rahmen der Aufarbeitung der Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegründet. Die personellen Wurzeln des Archivs liegen in der DDR-Opposition, wie zum Beispiel der Jenaer Gruppe Künstler für Andere. Der Archivbestand setzt sich aus privaten Sammlungen (Privatarchive), Körperschaftsarchiven und thematischen Sammlungen zusammen. Das Spektrum der Dokumente reicht dabei von persönlichen Aufzeichnungen, Fotos und Filmen bis hin zu in Kopie vorhandenen Unterlagen des MfS, Briefen und Eingaben über politischen und künstlerischen Samisdat. Samisdat (dt. Eigenverlag) meint dabei Dokumente künstlerischen oder politischen Inhalts, welche per Schreibmaschine, Ormik-, Wachs-, Siebdruck- oder Computerdruckverfahren hergestellt und an der staatlichen Kontrolle vorbei verbreitet wurden und steht dadurch in klarer Abgrenzung zu sogenannter Grauer Literatur. Zu Samisdat zählen Zeitschriften der Opposition, Aufrufe und Appelle, Reader, Offene Briefe u.a.

Die größte Materialdichte ist für die 70er und 80er Jahre des 20.Jh. zu verzeichnen. Die inhaltlichen Schwerpunkte der Sammlungen liegen hier in den Themenbereichen Frieden (Aufrüstung, Blockkonfrontation), Umweltschutz, Wehrdienst (Bausoldaten, Sozialer Friedensdienst), der Einforderung von demokratischen Grundrechten (Reisefreiheit, Wahlen) sowie der Wende 1989. Weitere Schwerpunkte sind die seit Anfang der 70er Jahre bestehende Offene Arbeit und die alternative Jugend- und Kulturszene. Gegenwärtig beträgt die Bestandsgröße ca. 400 lfm. Perspektivisch wird von einem Zuwachs der Bestände im Umfang von 15 lfm pro Jahr ausgegangen.

Der geographische Schwerpunkt liegt in den Grenzen des heutigen Freistaates Thüringen (ehem. Bezirke Erfurt, Gera, Suhl). Darüber hinaus befinden sich im Bestand Sammlungen, Materialien mit Bezug zu weiteren Orten bzw. Entwicklungen im Gesamtkontext der DDR. Im Rahmen der kontinuierlichen Sammeltätigkeit des ThürAZ besteht großes Interesse an der Erwerbung bzw. der Hinterlegung weiterer Bestände von Privatpersonen, Gruppen etc. zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Archivs. Das ThürAZ ist eine Einrichtung des Vereins Künstler für Andere e.V. (Jena). Das Archiv ist öffentlich zugänglich.

Vor dem Hintergrund seines 15jährigen Bestehens veranstaltete das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte "Matthias Domaschk" (ThürAZ), am 25. November 2006 eine Tagung in Jena. Mit dieser sollte eine Initiative der DFG zum wechselseitigen Dialog zwischen Archiven und der Geschichtswissenschaft aufgegriffen werden. Die Tagung gab Einblicke in die Arbeit unterschiedlicher Archive mit den Überlieferungen der DDR. Der Fokus lag dabei insbesondere auf der Überlieferungsbildung unter den spezifischen Bedingungen der SED-Diktatur. Nachdem im Rahmen der Evaluierung des ThürAZ im Sommer 2004 die Frage nach der Einordnung und Bedeutung nichtstaatlicher Sammlungen mit regionalem Bezug aufgeworfen wurde, sollte die Tagung zudem einen Beitrag zur Kontextualisierung der staatlichen und nichtstaatlichen Überlieferungen der DDR leisten.

Diesem Gegenstand widmete sich der erste Themenschwerpunkt unter dem Titel „Bestandsbildung unter den Bedingungen einer Diktatur”. Der Rahmen reichte dabei von den nichtstaatlichen Überlieferungen, dem Bezirksparteiarchiv der SED, den kommunalen Beständen am Beispiel des Rates der Stadt Jena hin zu den Grundlagen der Bestandsbildung des MfS. Damit wurden sowohl die Unterschiedlichkeit der Problemlagen im Umgang mit den hier vorhandenen Dokumenten als auch die Überschneidungen einzelner Überlieferungen für die wissenschaftliche Arbeit verdeutlicht. Der zweite Schwerpunkt stand unter dem Titel „Erinnerungskultur versus Wissenschaftslandschaft? Entwicklungen und Perspektiven”. Gerade die im Spannungsfeld zwischen „Aufarbeitung der SED-Diktatur” und „DDR-Forschung” entstandene Geschichtslandschaft hat seit Anfang der 90er Jahre eine starke Ausdifferenzierung erfahren. Ausgehend vom Stand der DDR-Forschung sollte die mit dieser Thematik verbundene Wissenschafts- und Aufarbeitungslandschaft zwischen bürgerschaftlichem, politischem und wissenschaftlichem Engagement und die hier stattfindenden Diskussionen und Konflikte beleuchtet werden.

Kontakt
Thüringer Archiv für Zeitgeschichte (ThürAZ)
Am Rähmen 3
Jena 07743
Tel.: 03641 228605
Fax: 03641 229743
archiv@thueraz.de

Quelle: Tagung: Archiv, Forschung, Bildung.; MDR, 25.11.2006; Thüringer Archiv für Zeitgeschichte; Ostthüringer Zeitung, 27.11.2006

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