Ein lebendiges Bild von Neumarkt in der Oberpfalz um 1860 zeichnen eine Ausstellung im Stadtmuseum und der als Buch vorgestellte "Physikatsbericht" des Landgerichtsarztes Dr. Franz Seraph Schweninger. Beides wurde am Montag von Oberbürgermeister Thomas Thumann, Dr. Frank Präger, Leiter des Stadtarchivs Neumarkt, Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Moritz, Petra Henseler, Leiterin des Stadtmuseums und Stadtrat Rudi Bayerl präsentiert
Das Jahr 1860 in Neumarkt: Wie kleideten sich die Bürgersfrauen in der Stadt und wie die Bäuerinnen auf dem Lande? Wie feierte man Hochzeit? Wie zog man die Kinder auf, wie waren die hygienischen Verhältnisse und welche Hausmittel und Geheimrezepte verwendete man gegen Kopfschmerzen und Halsweh? Dies und noch viel mehr über Menschen, Landschaft, Flora und Fauna im damaligen Bezirksamt Neumarkt beschrieb der Landgerichtsarzt Dr. Schweninger in seinem 156seitigen Physikatsbericht an die bayerische Landesregierung. Der in der Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrte Bericht ist in zwei Hauptteile gegliedert, den medizinisch-topographischen und den ethnographischen Teil. In ersterem wurden alle natürlichen Umweltfaktoren dargestellt, von denen man annahm, dass sie Einfluss auf die menschliche Gesundheit hätten, insbesondere Lage, Klima, Saat und Ernte, geographische Beschaffenheit, Quellen, Bäche etc., Mineralquellen, Mineralien, Bodenkultur, die Verteilung des Landes in Feld, Wald etc., Fruchtbarkeit, Pflanzen und Tiere. Der zweite Teil war der Schilderung der sozialen Umwelt und der Lebensweise der Menschen gewidmet mit folgenden Themen: die physische und intellektuelle Konstitution der Bevölkerung, Verteilung der Bevölkerung, Einwohnerschaft, Verteilung, Verhältnis nach Geschlechtern, Alter etc., Bevölkerungsbewegung, Sterblichkeit, Wohnungsverhältnisse, Kleidungsweise, Nahrungsweise, Beschäftigung, Wohlstand, Reinlichkeit, Vergnügungen, Feste, Achtsamkeit bei Wöchnerinnen und Schwangeren, eheliches Leben, Geschlechtsausschweifung, Fruchtbarkeit, geistige Konstitution, Neigung zu höherer Ausbildung, Verharren in der Heimat und ihrem Leben, religiöse Haltung, Aberglaube, Mystizismus.
Diese einmalige handschriftliche Quelle, in der ein seltenes und lebendiges Zeugnis von Menschen, Landschaft, Flora und Fauna in und um Neumarkt gezeichnet wurde, hat Stadtarchivar Dr. Frank Präger bearbeitet und damit für jedermann lesbar gemacht. Sie ist als Publikation des Historischen Vereins als Neumarkter Historische Beiträge, Band 8 unter dem Titel "Medizinische Topographie und Ethnographie des Physikatsbezirks Neumarkt in der Oberpfalz. Der \’Physikatsbericht\‘ für Neumarkt und Umgebung aus dem Jahr 1860" erhältlich.
Aus Anlass der Buchpräsentation hat das Stadtmuseum eine begleitende Ausstellung erarbeitet, die ausgewählte Textpassagen dieses Berichtes mit interessanten Exponaten illustriert. Dabei ergeben sich weitere, äußerst aufschlussreiche und zuweilen auch – aus heutiger Sicht – kuriose Einblicke in die Lebenswelt der Neumarkter \“von der Wiege bis zur Bahre\“ Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber auch die ärztliche Versorgung in Neumarkt im 19. Jahrhundert wird in der Ausstellung mit interessanten Exponaten und Informationen thematisiert sowie die Person des Verfassers des Physikatsberichtes illustriert. Als Amtsarzt für den Bezirk Neumarkt hatte Schweninger folgende Aufgaben: Aufsicht über das gesamte Heilpersonal vom Bader bis zur Hebamme, über die Medizinaleinrichtungen des Bezirks, die Gesundheitspolizei und die Seuchenbekämpfung, Führen einer Geburts-, Sterbe- und Krankenstatistik, Erstellen gerichtsmedizinischer Gutachten und die kostenlose Behandlung der Armen des Bezirks. Auf eigene Bitte wurde Schweninger am 1. Februar 1886 im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand versetzt. Von der Stadt Neumarkt erhielt er Anfang März das Ehrenbürgerrecht. Am 20. Februar 1891 starb Franz Schweninger in Neumarkt. Ihm zu Ehren benannte die Stadt am 12. Juli 1912 eine Straße.
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Quelle: Neumarkt Online, 6.11.2006