Als sich die Evangelische Kirche von Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg in heutiger Form bildete, war es keineswegs ausgemacht, dass Bielefeld Sitz der Kirchenleitung werden würde. Als es schließlich dazu kam, spielte auch das große Interesse der Stadt eine Rolle. Vor fünfzig Jahren, im April 1956, konnte dann der Neubau des Landeskirchenamtes am Altstädter Kirchplatz seiner Bestimmung übergeben werden. Dazu ist jetzt als Band 8 der Schriften des Landeskirchlichen Archivs das Buch „Kirchenleitung in Bielefeld” erschienen. Es schildert die Geschichte, es zeichnet die Baugeschichte nach und ordnet das Gebäude in städtebauliche, architektonische und kunstgeschichtliche Zusammenhänge ein. Und es beschreibt seine weitere Entwicklung bis heute.
Bielefeld wurde – neben alten katholischen Zentren wie Paderborn und Münster – zur westfälischen „Bischofsstadt”, wie Professor Dr. Bernd Hey festhält. Als Leiter des Landeskirchlichen Archivs hat er das Buch herausgegeben. In seinem Beitrag beschreibt er die Übergangszeit der ersten zehn Jahre nach Kriegsende, als Leitung und Verwaltung in mehreren Provisorien residierten. Der Theologe Prof. Dr. Jürgen Kampmann befasst sich mit den kirchengeschichtlich bedeutsamen und teils überraschenden Entscheidungen, die in den Frühlingstagen 1945 getroffen wurden. Westfalens Protestanten, bis dahin preußische Provinzialkirche, lösten sich nach dem politischen Zusammenbruch aus der Abhängigkeit der Berliner Zentrale. Maßgebliche Persönlichkeit war dabei Karl Koch: Am 24. April 1945 gab er in einem Brief an die westfälischen evangelischen Kirchengemeinden bekannt, dass er sein Amt als Präses, das unter der Nazidiktatur geruht hatte, jetzt wieder ausübe. Bewusst verabschiedete man sich vom alten Konsistorium in Münster, das, wie Kampmann schreibt, „auch ein Symbol für die Fremdbestimmung der westfälischen kirchlichen Angelegenheiten von Berlin aus” war.
Mit dem Neubau in zentraler Lage brachte die Landeskirche ihre neu gewonnene Eigenständigkeit selbstbewusst zum Ausdruck. „Bemerkenswert ist, dass dies spätestens seit den Bebauungsplänen von 1950 mit Nachdruck von der Stadt Bielefeld gefördert wurde”, stellt der Kunsthistoriker Dr. Ulrich Althöfer dazu fest: „Man versicherte sich der verlässlichen und vertrauenswürdigen Institution Kirche, unterstützte und hofierte sie geradezu, den erstrangigen Platz zu füllen.” Die Bielefelder Presse urteilte nach der Fertigstellung: „Ein zweckdienlicher und moderner Bau.” Althöfer würdigt das Gebäude als gediegenes Beispiel für das Bauen der fünfziger Jahre, von zurückhaltender Würde geprägt und von anderen Verwaltungsgebäuden oder von Kaufhäusern nachhaltig unterschieden.
Die Umbauten und anderen Veränderungen, die im Lauf eines halben Jahrhunderts an dem Haus vorgenommen wurden, beschreibt Landeskirchenbaudirektor Reinhard Miermeister. Hans-Walter Pahmeier, ebenfalls Architekt, widmet sich in seinem Beitrag der bildenden Kunst im Landeskirchenamt und beleuchtet die Frage nach dem Dialog zwischen Kunst und Religion.
Info:
Bernd Hey (Hg.), Kirchenleitung in Bielefeld. 50 Jahre Landeskirchenamt am Altstädter Kirchplatz (Schriften des Landeskirchlichen Archivs Band 8), Gütersloh/Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2006, 80 S., ISBN 3895346187