Der Ostersonntag ist heute der Tag, an dem der Osterhase bunte Eier bringt und für die Kinder im Garten oder in der Wohnung versteckt. Das war aber noch nicht immer so, weiß Dr. Lutz Volmer, Volkskundler beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Münster.
\“Die Westfalen haben um 1900 oft ganz anders Ostern gefeiert. Oft gab es sehr schlichte Osterfeste, dabei stellte die Hausfrau eine Schüssel mit Eiern auf den Tisch, und das war es auch schon.\“ Das eigentliche Ereignis bildete die Mahlzeit mit den zahlreichen Eiern. Besonders münsterländische Bauern haben um 1900 am Osterfest eine aus heutiger Sicht bemerkenswert große Zahl Eier gegessen, oft fünf bis zehn Stück. \“Manchmal soll es beim Kirchenbesuch zu Blähungen gekommen sein\“, kennt Volmer eine negative Begleiterscheinung des Osterfests. So viele Eier zu essen war nicht alltäglich, obwohl fast jeder Haushalt Hühner hatte. Die Hühnerbesitzer haben die Eier meist nicht selbst verspeist, sondern verkauft.
Die Ursprünge des Osterhasenbrauches liegen in evangelischen Familien des 17. Jahrhunderts. Die heutigen Vorstellungen von Ostern finden sich bereits in einer Schrift des Mediziners Georg Franck aus der Pfalz. Dort ist von \“Haseneiern\“ die Rede: Diese hießen so \“nach der Fabel, die man den Naiveren und den Kindern einprägt, dass der Osterhase solche Eier lege und in den Gärten im Grase, in den Obststräuchern usw. verstecke, damit sie von den Knaben um so eifriger gesucht würden\“. Der Arzt wusste – passend zu den Gebräuchen im Münsterland – auch von Todesfällen durch übermäßigen Eierkonsum zu berichten.
\“Das Beschenken mit Schokoladenhasen und -eiern ist eine Erfindung der bürgerlich-städtischen Bevölkerung, die um 1800 aufkam. Hiermit sollte offenbar den Stadtkindern die Herkunft der Eier erklärt werden. Den Landkindern war die Herkunft der Eier ohnehin bekannt, ihnen war die Geschichte vom eierlegenden Hasen nicht so einfach plausibel zu machen\“, so Volmer.
Obwohl der Osterhase schon lange durch einige westfälische Gärten hoppelte, hatte sich die Vorstellung vom ostereierlegenden und -versteckenden Hasen in Westfalen bis 1900 noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Vielmehr traten an die Stelle des Hasen in einigen Regionen oder Orten andere Tiere: Im Nordosten Westfalens und den angrenzenden niedersächsischen Gebieten brachte außer dem Hasen oft auch der Fuchs (\“Voss\“) die Eier, so etwa in Bielefeld-Schildesche, Versmold, Versmold-Bockhorst, Spenge und Kirchlengern-Südlengern. Der Fuchs taucht ansonsten in Erzählungen und Bildern des 18. und 19. Jahrhunderts oft als Hühner- oder Wurstdieb auf. Nördlich von Münster brachte ein Kranich die Eier; im Südwesten Westfalens wurde in einzelnen Orten auch ganz schlicht die Henne als Urheberin der Eier angesehen.
Die Kommerzialisierung des Osterfestes hat ein anderes Tier mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt: das Osterlamm. Dieses Tier ist fester Bestandteil des christlichen Osterfestes. Es wird auf jüdischen Ursprung zurückgeführt. Denn am Passahfest pflegten die Juden ein Lamm zu schlachten und zu essen. Zugleich steht das Lamm stellvertretend für Jesus Christus. (\“Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt\“, Johannesevangelium 1, 29). Außer im kirchlichen Bereich nimmt das Osterlamm auch bei österlichen Speisen einen festen Platz ein: \“Lamm findet sich heute an Ostern auf dem Speiseplan vieler Menschen in Deutschland. Außerdem gibt es aufwändig verzierte Gebildbrote in Form eines Lammes\“, so Volmer.
Einen Zusammenhang zwischen Lamm und Sonnenaufgang am Ostersonntag überliefert der Publizist von Cölln in einem Artikel des \“Westphälischen Magazins\“ von 1784. Dem Volksglauben nach sei das Lamm am ersten Ostertag bei Sonnenuntergang am Himmel zu sehen und tanze, so von Cölln. Diese Vorstellung ist nur wenig verändert noch für die Zeit um 1900 für das Sauerland und den Minden-Ravensberger Raum bezeugt: Zum Beispiel in Liesen (Hochsauerlandkreis) und Versmold (Kreis Gütersloh) zeigten um 1900 viele Eltern am Ostersonntag ihren Kindern den Sonnenaufgang und sagten, die Sonne mache an diesem Morgen vor Freude über die Auferstehung Christi drei Freudensprünge. Da die aufgehende Sonne durch Luftspiegelungen oft so aussah, als würde sie sich hin und her bewegen, bedurfte es keiner besonderen Phantasie, die Sonne wirklich tanzen zu sehen.
Quelle: Mailingliste Westfälische Geschichte.