Mannheimer Publikationen zur Jüdischen Geschichte

Seit langem zählt die Erforschung der Geschichte jüdischen Lebens in Mannheim zu den Schwerpunkten der vom Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte herausgegebenen Veröffentlichungen. In letzter Zeit Jahren sind dazu drei wichtige und interessante Publikationen erschienen, auf die in Zusammenhang mit der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit nochmals hingewiesen wird, weil sie – jede auf ihre Art – deutlich machen, was Mannheim durch die gründliche Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten verloren gegangen ist. 

Die erst vor wenigen Wochen erschienene Dissertation von Britta Waßmuth greift mit den „Mannheimer Hofjuden des 18. Jahrhunderts“ ein Thema auf, das sowohl für die Mannheimer Stadtgeschichte als auch für die überregionale Geschichtsschreibung von großem Interesse ist. Mit Lemle Moses Reinganum erlangte zu Ende des 17. Jahrhunderts erstmals ein in Mannheim wohnhafter Jude den Status eines kurpfälzischen Hoffaktors. Nachdem die Stadt 1720 von Kurfürst Karl Philipp zur Residenz erhoben wurde, stieg die Zahl der Hofjuden in Mannheim an. Insgesamt lebten zwischen 1720 und 1778 in Mannheim 27 Hoffaktoren, mehr als die Hälfte aller bekannten kurpfälzischen Hofjuden. Karl Philipp brauchte Hofjuden für Finanztransfers, ohne die in Mannheim niemals das Schloss hätte erbaut werden können. Die Mannheimer Hofjuden konnten ihrer Rolle als Finanziers des Kurfürsten aber nur durch enge Vernetzung mit anderen wichtigen jüdischen Familien in Deutschland gerecht werden. Wichtige Kontakte bestanden daher nach Wien, München, Stuttgart, Frankfurt, Hannover und Berlin. Die interessante und detaillierte Studie schließt eine Lücke in der Mannheimer Geschichtsschreibung. 

Ein beeindruckendes Zeugnis für lebendige jüdische Vereinskultur ist das „Goldene Buch des Liederkranzes“ – die Chronik eines bedeutenden jüdischen Männergesangvereins, der mehr als 80 Jahre lang ein wichtiger Teil des Mannheimer Kulturlebens gewesen ist. Konzerte und Aufführungen des Liederkranzes waren musikalisch hoch ambitioniert, das gesellige Vereinsleben von einer großzügigen, originellen und fröhlichen Leichtigkeit geprägt. Davon erzählen die zwei erhaltenen künstlerisch hochwertig gestalteten Bände, die im Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte aufbewahrt werden. Digitalisiert und auf CD-ROM gebrannt stehen diese wunderbaren Seiten einer außergewöhnlichen Vereinschronik allen Interessierten zur Verfügung – adäquat verpackt in eine von Susanne Schlösser geschriebene und schön gestaltete Broschüre, deren Lektüre neugierig macht auf das eigene Stöbern im „Goldenen Buch des Liederkranzes“.

Mit einem großzügigen Blick über die jüdische Geschichte Mannheims, den Beitrag der jüdischen Bevölkerung zur Mannheimer Stadtgeschichte, aber auch die Friktionen und Konflikte bis hin zur Entstehung des politischen Antisemitismus an der Wende zum 20. Jahrhundert leitet Hans-Joachim Hirsch seine Studie zur Entstehung des Glaskubus in den Mannheimer Planken ein. Gewissermaßen als Vorgeschichte zur Vertreibung und Vernichtung jüdischen Lebens aus der Stadt, die eine sehr lebendige Gemeinde, ja die bedeutendste im deutschen Südwesten beherbergte. Anknüpfend an die nur unzureichend bewältigte Vergangenheit des Holocaust deckt der Autor in seinem nachdenklichen Textbeitrag moralische Defizite in der Aufarbeitung auf, versteht es aber auch, Entstehung und Entwicklung einer engagierten Gedenkkultur in den gesellschaftlichen Kontext der Mannheimer Stadtgeschichte einzubinden. Die Einweihung des Glaskubus versteht er als politische Geste, Zwischenschritt auf dem Weg zu einer abschließenden Einbindung des Geschehenen in einen bildungspolitischen Kontext. Dem attraktiv gestalteten Bändchen sind Übersichten der auf dem Gedenkkubus eingestrahlten Namen beigegeben, mit denen man einzelne Namenszüge auf den Glastafeln lokalisieren kann. Beiträge des für den Entwurf zeichnenden Künstlers Jochen Kitzbihler, des die bauliche Seite betreuenden Prof. Helmut Striffler sowie des Mannheimer Kulturdezernenten Dr. Peter Kurz runden das Erscheinungsbild dieser Publikation ab. 

Info:
Britta Waßmuth: Im Spannungsfeld zwischen Hof, Stadt und Judengemeinde. Soziale Beziehungen und Mentalitätswandel der Hofjuden in der kurpfälzischen Residenzstadt Mannheim am Ausgang des Ancien Régime (Sonderveröffentlichung des Stadtarchivs Mannheim – Institut für Stadtgeschichte Nr. 32). 296 Seiten zzgl. 16 Seiten in Farbe. Ludwigshafen 2005. pro MESSAGE. ISBN 3-934845-30-4. 24,00 € 

Susanne Schlösser: Das Goldene Buch des Liederkranzes. Die Chronik eines jüdischen Männergesangvereins in Mannheim 1856-1938. 36 S. mit CD-ROM (Stadtgeschichte digital Nr. 4). Herausgegeben vom Verein der Freunde des Stadtarchivs Mannheim e.V. Mannheim 2004. Verlagsbüro v. Brandt. ISBN 3-926260-64-5 12,00 € 

Hans-Joachim Hirsch: „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen“. Die Gedenkskulptur für die Jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Mannheim (Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim 23). 120 S. mit 43 Abbildungen. Mannheim 2005. Verlagsbüro v. Brandt. ISBN 3-926260-65-3, 15,00 € 

Kontakt:
Stadtarchiv Mannheim
Institut für Stadtgeschichte
Collini-Center
Collinistr. 1
D-68161 Mannheim 
Fon +49 621 293-7027
Fax +49 621 293-7476
stadtarchiv@mannheim.de

Quelle: Stadt Mannheim, Pressemitteilung, 15.3.2006

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