Dortmunder Ausstellung »Aufbau West« über die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen

Eine Ausstellung über die Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie aus der SBZ/DDR im Ruhrgebiet nach 1945 ist bis zum 26. März 2006 im Westfälischen Industriemuseum Zeche Zollern II/IV in Dortmund zu sehen. Die Schau mit dem Titel \“Aufbau West\“ zeigt, wie die Menschen aus Ost und West den schwierigen Neuanfang bewältigten, die Produktion in Fabriken und Bergwerken wieder in Gang setzten und in Betrieben und Siedlungen zueinander fanden.

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300 Objekte, 40 Lebensgeschichten sowie zahlreiche historische Fotos, Film- und Tondokumente begleiten die Besucher auf der Zeitreise von 1945 bis in die Gegenwart. Das Spektrum der Exponate ist vielfältig, reicht vom Streichholzbriefchen bis zum Drahtwebstuhl. Vielfach handelt es sich um persönliche Erinnerungsstücke, da die Ausstellung den Blick immer wieder auf einzelne Schicksale lenkt. Den Rahmen für diese Lebensgeschichten bildet die wirtschaftliche Entwicklung in sechs Branchen. An den Beispielen Montanindustrie, Bauwirtschaft, Textil- und Bekleidungsindustrie, Glasherstellung und Maschinenbau macht die Ausstellung die Ausmaße und Folgen des Ost-West-Transfers insbesondere für das Bundesland Nordrhein-Westfalen deutlich.

Der von Dagmar Kift herausgegebene Katalog zur Ausstellung beinhaltet neben einer ausführlichen und reich bebilderten Dokumentation der Ausstellungsabteilungen auch mehrere wissenschaftliche Beiträge zur Verortung des Ausstellungsthemas \“Aufbau West\“ im Forschungskontext. Dabei plädiert Alexander von Plato im Ergebnis seiner erfahrungsgeschichtlichen Untersuchungen für einen zurückhaltenden und differenzierten Gebrauch des Begriffs \“Integration\“, wenn es um die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen in die westdeutsche Gesellschaft geht. Die damalige Wirtsgesellschaft war selbst von starken Friktionen gekennzeichnet. Auch die Einheimischen mussten sich nach dem Zweiten Weltkrieg ändern, so dass sich beide Parteien, Einheimische wie Flüchtlinge, \“in eine neuen Welt integrieren mussten\“. Zum Beleg führt von Plato stabilisierende wie destabilisierende Elemente der Integration an: War einerseits der Arbeitsmarkt in den 1950er Jahren hochgradig aufnahmefähig, so besaßen die Flüchtlinge andererseits vergleichsweise schlechtere Ausgangsbedingungen als die Einheimischen, mussten auf berufsfremden Feldern arbeiten, waren von Feindseligkeiten und Vorurteilen betroffen, ebenso wie von der Trennung von ihren Familien. – Nach Jahrzehnten stellen sich daher heute auch intergenerationell unterschiedliche Langzeitwirkungen der Integrationserfahrungen ein: Versuchte die zweite Generation noch schmerzvoll, sich von der Erfahrungswelt ihrer Eltern zu lösen, so geht die dritte Generation dahin, sich ihrer Wurzeln zu versichern. Hierzu bietet die Ausstellung reichlich Gelegenheit.

Die Ausstellung \“Aufbau West\“ auf dem historischen Zechengelände in Dortmund-Bövinghausen ist dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr zu sehen (Eintritt Erwachsene 5€, Kinder und Jugendliche 2€). Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm begleitet die Ausstellung, darunter Filmnächte und Lesungen. Zudem werden museumspädagogische Programme, Führungen und Projekte für unterschiedliche Altersstufen angeboten.

Link: www.ausstellung-aufbau-west.de

Info:
Dagmar Kift (Hg.): Aufbau West. Neubeginn zwischen Vertreibung und Wirtschaftswunder.
Ausstellungskatalog: Essen (Klartext Verlag) 2005, 19,90 Euro, 287 S., ISBN 3-89861-542-1

Kontakt:
Westfälisches Industriemuseum
Landesmuseum für Industriekultur
Zeche Zollern II/IV
Grubenweg 5
44388 Dortmund
Tel. 0231-6961-111
Fax: 0231-6961-114
zeche-zollern@lwl.org
www.zeche-zollern.de

Quelle: ddp/Freie Presse, 18.9.2005

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