Der 75. Deutsche Archivtag beschäftigt sich mit den Archivaren im Nationalsozialismus (Pressemitteilung des VdA):
Im Zuge der Entnazifizierung mussten auch die Archivare für ihr Verhalten in den Jahren 1933 bis 1945 Rechenschaft ablegen. Die Archive als wissenschaftliche Institutionen befanden sich im Dritten Reich in keiner unpolitischen Nische, vielmehr leistete der Berufstand in vielfacher Weise systemkonforme Dienste.
Um nur drei Beispiele zu nennen: Die Archive spielten eine wichtige Rolle bei der Erbringung von „Ariernachweisen“. Sie haben gezielt Unterlagen zur „Judenfrage“ ermittelt und inventarisiert. Und in den besetzten Gebieten betrieben Archivare einen regelrechten „Archivgutschutz“; damit wollte man – wie als Zielvorgabe 1940 formuliert wurde – „allenthalben das vorhandene Archivgut wegen seiner allgemeinen Bedeutung und vor allem wegen seines Wertes für die deutschen politischen und wissenschaftlichen Interessen durch raschen Zugriff sicherstellen“.
Die damaligen „Archive der Täter“ wurden nach 1945 die „Archive der Opfer“. Bis heute werden sie bei Anträgen auf Entschädigung herangezogen. Im Bundesarchiv, aber auch in den vielen Archiven der Länder, Städte, Parteien, der Kirchen und der Wirtschaft wird seit Jahrzehnten zum Unrecht im Nationalsozialismus von Betroffenen und Journalisten recherchiert und wissenschaftlich geforscht. Welche Funktionen die Archive selbst im Nationalsozialismus einnahmen und wie sich der Berufsstand der Archivare zwischen 1933 und 1945 verhalten hat, wurde bisher nur in lokalen Einzelstudien untersucht, jedoch noch nie im größeren Rahmen.
Dies soll der 75. Deutsche Archivtag leisten, der vom 27. bis 30 September 2005 in Stuttgart zum Thema
„Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus“
stattfindet.
Der Deutsche Archivtag findet jährlich in Verbindung mit der Fachmesse Archivistica (www.archivistica.de) statt. Veranstaltet wird er vom VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, dem mit rund 2.200 Mitgliedern größten Berufsverband zum Archivwesen in Europa. In Stuttgart werden rund 600 Archivarinnen und Archivare aus dem In- und Ausland erwartet.
Der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare hat das Kriegsende vor 60 Jahren zum Anlass genommen, die Rolle seines Berufsstands im Nationalsozialismus kritisch und umfassend zu hinterfragen und die Ergebnisse auf dem Deutschen Archivtag zu diskutieren.
Am Dienstag, den 27. September 2005, 11.00 Uhr findet im Rathaus der Stadt Stuttgart, Raum 301, eine Pressekonferenz statt, zu der wir sie herzlich einladen.
Gerne stehen wir Ihnen auch schon vorher für Informationen zur Verfügung – im persönlichen Gespräch oder durch Übersendung weiteren Informationsmaterials.
Abstracts zu den vorgesehenen Referaten sind auch im Internet zugänglich (www.archivtag.de).
MfG
Dr. Robert Kretzschmar
Pressereferent des VdA
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Tel. 0711 / 212-43 35
Fax: 0711 / 212-43 60
robert.kretzschmar@la-bw.de
Link: www.archivtag.de
Quelle: Pressemitteilung des VdA, 10.9.2005