Die offene Umfrage diente der Eruierung von Bekanntheit und Verbreitung der OVG sowie des Bedarfs nach einem aktualisierten Regelwerk in ähnlicher Form. Sie wurde vom 14.05.2005-17.06.20051 durchgeführt (Umfrage). Den Teilnehmern wurde eine anonyme Auswertung garantiert.
Zunächst wurde ein dynamisches pdf-Formular nebst einem einleitenden Text auf der archivischen Informationsseite www.augias.net hinterlegt, das eine Online-Beantwortung sowie eine automatisierte Auswertung der Daten ermöglichen sollte. Da sich vielfach Probleme bei der Anzeige ergaben (resultierend aus lokal installierten älteren Acrobat-Reader-Versionen), wurde am 17.05. ein inhaltlich identisches statisches Formular hinzugefügt. Als Antwortmöglichkeiten waren Datenversendung per Mail, Faxen oder Postversand des ausgefüllten Formulars vorgesehen.2
Prinzipiell war keine Beschränkung auf öffentliche oder private Archive oder in geografischer Hinsicht vorgesehen. Um eine größere Teilnehmerzahl zu erreichen, wurden aber in den folgenden Wochen verschiedene Archive gezielt per Mail oder per Telefon auf die Umfrage hingewiesen. Dies waren insbesondere (aber nicht ausschließlich) die Archive der Länder, die Kreisarchive des Landes Brandenburg, die Subskribenten der Mailingliste der Archivschule Marburg und der Mailingliste der Kirchenarchive sowie sonstige Archive mit Bezug zur Region Berlin-Brandenburg. In der Folge wurden zwei Umfragen in Papierform verschickt und eine telefonisch durchgeführt. Unter diesen Voraussetzungen muss eingeräumt werden, dass ein relatives Übergewicht von Archiven zu erwarten wäre, in denen die OVG bekannt sind und angewandt wurden. Diesem Umstand wird Rechnung getragen, indem bei der Auswertung punktuell zwischen Archiven der alten und neuen Länder differenziert wird. Die Anlage des Fragebogens hätte im Übrigen auch die Beteiligung mehrerer Mitarbeiter desselben Archivs zugelassen, doch ist dieser Fall nicht eingetreten. Lediglich von einem Archiv gingen Antworten sowohl in papier- als auch in elektronischer Form ein. Da sie inhaltlich vollkommen identisch waren, werden sie nur einfach gezählt. Antworten von Archiven außerhalb Deutschlands waren nicht zu verzeichnen; allerdings wurden diese auch nicht gezielt angesprochen.
Insgesamt gingen Antworten von 31 Archiven ein. Darunter waren
- 12 Archive von Kommunen, Kreisen oder Regionalverbänden (hierbei sind die sieben Kreisarchive des Landes Brandenburg hervorzuheben),
- 7 Landes- und Staatsarchive,
- 4 kirchliche Archive,
- 3 Archive von Hochschulen u. ä. Einrichtungen („Universitätsarchive“),
- 2 Archive politischer Stiftungen („Parteiarchive“)
- sowie 2 Archive der Wirtschaft (ein regionales Wirtschaftsarchiv sowie ein Konzernarchiv).
Ein Fragebogen konnte nicht ausgewertet werden, da er unvollständig ausgefüllt und die betroffene Einrichtung nicht zu identifizieren war. – In Anbetracht der überschaubaren Zahlen wird sich die folgende Auswertung zumeist auf die absoluten Angaben beschränken und nur in begründeten Fällen mit Prozentwerten arbeiten.
Mit Blick auf die Verteilung auf alte und neue Bundesländer fällt auf, dass sich bedauerlicherweise ausschließlich Staats- und Landesarchive aus der Altbundesrepublik3 beteiligt haben. Dem gegenüber dominieren bei den kommunalen Archiven die ostdeutschen mit acht von zwölf (sieben davon, wie erwähnt, aus Brandenburg).
Bezogen auf das „hauptamtliche“ Personal ergeben die Angaben folgendes Bild:
- 1-2 Mitarbeiter: 3
- 3-5 Mitarbeiter: 12
- 6-10 Mitarbeiter: 6
- 11-20 Mitarbeiter: 4
- über 20 Mitarbeiter: 5
Probleme bereitete offensichtlich, dass die Frage nicht zwischen Archivaren und Hilfskräften sowie ganzen und halben Stellen differenzierte; dies kommt auch in einigen handschriftlichen Anmerkungen zum Ausdruck. Gemeint waren tatsächlich alle in der jeweiligen Einrichtung beruflich mit archivischen Tätigkeiten befassten Personen. Dieser Umstand sowie die relativ geringe Gesamtteilnehmerzahl relativieren die Auswertbarkeit dieses Punktes. Im Folgenden wird daher eher auf die einzelnen Archivtypen Bezug genommen als auf Archive einer bestimmten „Größenordnung“.
Die erste Frage, „Sind Ihnen die OVG bekannt?“, wurde wie folgt beantwortet:
- Ja: 25
- Vom Begriff her, aber nicht näher: 6
- Nein: 0
Dass sich ausschließlich Personen von der Umfrage angesprochen fühlten, denen die OVG zumindest ein Begriff sind, überrascht nicht. Bemerkenswert ist eher, dass das Regelwerk immerhin in vier von sieben Staatsarchiven sowie in allen teilnehmenden Kirchenarchiven bekannt ist, auch wenn es für diese nie verbindlich war.
Die Frage, ob die OVG im eigenen Archiv, ggf. mit Anpassungen, angewandt wurden oder werden, wurde folgendermaßen beantwortet:
- Ja, in der Vergangenheit: 3
- Ja, bis heute: 14
- Nein: 134
Als erstes fällt auf, dass die OVG sich an den allermeisten Orten, an denen sie eingeführt wurden, trotz einiger offensichtlichen Anachronismen bis zum heutigen Tag behaupten konnten. Bemerkenswert ist außerdem die Zuordnung der aktuellen OVG-Anwender: Es sind dies sechs ostdeutsche kommunale Archive und ein Landesarchiv, aber auch ein Parteiarchiv sowie je zwei Wirtschafts-, Universitäts- und kirchliche Archive. Die ehemaligen Anwender sind zwei kommunale Archive und ein weiteres kirchliches Archiv. Darin zeigt sich, dass die OVG auch außerhalb des ehemaligen „staatlichen Archivfonds“ der DDR Anwendung fanden und finden, obwohl sie nur für diesen verbindlich waren.
Auf die Frage: „Würden Sie ein aktualisiertes Regelwerk in ähnlicher Gestalt wie die OVG begrüßen?“ antworteten die Teilnehmer:
- Ja: 25
- Nein: 1
- Kann ich nicht sagen: 4
Der Teilnehmer, der die Frage verneinte (übrigens bis heute Anwender der OVG), erläuterte seine Motive in einer ausführlichen Mail. Darin verwies er auf die grundsätzlich andere Situation zur Entstehungszeit der OVG mit einer zentralen staatlichen Archivverwaltung. Heute dagegen sei die Einführung einer verbindlichen Richtlinie nur über die Kultusministerkonferenz und den Archivarsverband möglich, wofür er nur geringe Erfolgsaussichten sehe.
Eine positive Antwort kam dagegen von den anderen 13 OVG-Anwendern, sowie auch von den drei Stellen, bei denen früher nach den OVG gearbeitet worden war, und von neun weiteren. Ein Teilnehmer machte seine Zustimmung explizit von der ISAD(G)-Konformität dieser Regeln abhängig. Nicht unbedingt zu erwarten war, dass sich auch fünf der sieben Vertreter der staatlichen Archive für eine derartige Richtlinie aussprachen. Drei der vier Teilnehmer, die kein Urteil wagten, kannten die OVG nur vom Begriff her; der verbleibende gab die Begründung, die OVG seien auf Kirchenarchive nicht anwendbar (was mit dieser Umfrage widerlegt wurde).
Aus den Ergebnissen lassen sich die folgenden Thesen ableiten:
- Die OVG sind in Archivarskreisen allgemein bekannt.
- Die OVG sind weit verbreitet und vielfach bis heute in Gebrauch.
- Es besteht der Wunsch nach einem ISAD(G)-konformen modernen Regelwerk in ähnlicher Gestalt.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern herzlichen Dank!
Potsdam, den 17.06.2005
Felix Roth <froth@unimx.de>
—-
Anmerkungen:
1) Der ursprüngliche Endtermin wurde um eine Woche nach hinten verschoben.
2) Es ist schwer abzuschätzen, wie viele potenzielle Teilnehmer sich durch die technologische Hemmschwelle abschrecken ließen. Im Nachhinein würde d. Verf. die Papierform vorziehen. Der manuelle Postversand von Fragebögen hätte kaum mehr Zeit in Anspruch genommen als die vorgenommenen Telefon- und Mailaktionen. Die Auswertung musste ohnehin manuell erfolgen, da der ganz überwiegende Teil der Antworten als Fax oder Brief eintraf.
3) Allerdings unter Einschluss Berlins.
4) In einem Fall wurde diese Aussage relativiert durch den handschriftlichen Vermerk „aber in Anlehnung daran“.