Die Akademie der Künste stellte diese Woche in ihrer Reihe "Archiv-Blätter" einen Katalog über die Bestandsverluste der Preußischen Akademie in der Kunstsammlung, dem historischen Verwaltungsarchiv und der Präsidialbibliothek am Ende des Zweiten Weltkriegs vor. Die Dimension des Verlustes zeigt allein der Blick auf die graphischen Sammlungen der Akademie. Gut 1.800 erhaltenen Zeichnungen und Drucken stehen rund 18.000 verlorene Blätter gegenüber. Dabei liegt die Tragik nicht in der Quantität des Verlustes: Die Akademie war aufgrund räumlicher Beschränkungen – zunächst Unter den Linden, später am Brandenburger Tor – stets gezwungen, ausschließlich auf die Qualität ihrer Exponate zu achten, was letztlich ihren außerordentlichen Wert ausmachte. Namen wie Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottfried Schadow, Daniel Chodowiecki oder Carl Blechen, die alle an der Akademie der Künste wirkten oder ihr Skizzen, Gemälde oder Skulpturen hinterließen, stehen beispielhaft für die kulturelle Blütezeit Preußens.
Die Akademie will mit der systematischen Erschließung aller Verluste die Grundlage für die etwaige Rückkehr verschollener Kulturgüter bilden. Dass die Präsentation der fehlenden Bestände erst 60 Jahre nach dem Kriege erfolgt, hängt mit der 40-jährigen Teilung Berlins zusammen. Insbesondere die Verluste der Kunstsammlung konnten erst nach der Zusammenführung der beiden Akademien aus Ost und West (1993) ermittelt werden. Während größere Teile der Kunstsammlung 1958 von der Sowjetunion an die Akademie der DDR gegeben wurden, waren die Inventare und Auslagerungsprotokolle mit dem historischen Archiv der Preußischen Akademie nach 1945 in die Akademie West gelangt.
Das Hauptproblem der Akademie besteht in der Weigerung Russlands, die nach dem Kriege geraubten Kulturgüter an Deutschland zurückzugeben. Und dies, so Wolfgang Maurus, Leiter des Referats \“Rückführung von Kulturgut; deutsch-russische Kulturbeziehungen\“ bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, obwohl die Russen 1990 mit Deutschland einen völkerrechtlich bindenden Vertrag eingegangen sind, der die gegenseitige Rückgabe fremden Eigentums vorsieht. Gut eine Million Gemälde, etwa 4,6 Millionen Bücher und über drei Kilometer Archivbestände werden seit Jahren zurückgehalten. Das Festhalten an den gegenwärtigen Zuständen befremdet um so mehr, wenn man bedenkt, dass in Russland zum Teil Kisten lagern, die bis heute noch nicht einmal geöffnet wurden.
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Quelle: René Nehring, Berliner Morgenpost, 15.6.2005