Die Journalistin und Mitarbeiterin des Hofer Anzeigers, Beate Franck, und der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Freundeskreises in Hof, Aytunc Kilincsoy, haben sich im Oktober 2004 "auf die Spuren türkischer Pioniere" begeben. In einem gleichnamigen Projekt unter Trägerschaft des Vereins, das im Rahmen des Bundesprogramms "Lokales Kapital für Soziale Zwecke (LOS)" des Europäischen Sozialfonds gefördert wird, betreiben sie Geschichtsforschung einmal anders.
Sucht man nämlich in Archiven nach Lebenszeugnissen der sog. Gastarbeiter, so ist das Ergebnis mager. Ausländer kamen Ende der sechziger und in den siebziger Jahren, als die Gastarbeiterwelle ihren Höhepunkt hatte, in der öffentlichen Wahrnehmung nur als statistische Zahl vor. Interessant war darüber hinaus lediglich die Frage, ob Ausländerbehörden oder Polizei "Ärger" mit den Gastarbeitern hatten. Das war nach den Zeugnissen im Stadtarchiv Hof allerdings wohl äußerst selten der Fall. Über das Leben der hauptsächlich griechischen, italienischen und türkischen Arbeitnehmer, die bald die größte Gruppe in Hof darstellte, aber erfuhr man kaum etwas. Dabei sind viele von den Gastarbeitern der ersten Generation in Hof geblieben. Eine Rückkehr in ihr Herkunftsland kam auch im Alter nicht mehr in Frage, Hof ist für sie längst zur zweiten Heimat geworden. Angesichts der Diskussion um Parallelgesellschaften wollen Franck und Kilincsoy mit ihrem Projekt einen Beitrag für Toleranz und Verständnis leisten. Gerade die Türken seien sehr stolz darauf, ein Teil der Hofer Bevölkerung zu sein, hat Beate Franck erfahren.
Seit Oktober sind die beiden Projekt-Partner mit Aufnahmegerät und Foto-Apparat bei türkischen "Pionieren" zu Besuch. Sie erzählen in ihren eigenen Worten ihre Lebensgeschichte, die sie von der Türkei Anfang der sechziger Jahre nach Hof geführt hat. Eine Besonderheit des Projekts ist, dass auch vier Jugendliche aus der Enkel-Generation bei Interviews und Dokumentation mitarbeiten. Zwei Männer, ein Ehepaar und eine Frau haben bisher ihre Biografien aufzeichnen lassen. Die Bandaufzeichnungen, in der Regel auf Türkisch, werden inzwischen übersetzt und redaktionell überarbeitet, aber im Wesentlichen authentisch belassen. Aus der Dokumentation, die um Hintergrundinformationen ergänzt wird, soll ein Buch werden. Es wird im Herbst 2005 als zweiter Band einer kleinen Reihe von Lebenserinnerungen aus dem Bahnhofsviertel erscheinen.
Kontakt:
ESF-Bundesprogramm \“Lokales Kapital für soziale Zwecke – LOS\“
Klosterstr. 23
D-95028 Hof
Tel.: (09281) 93 60 6
Fax: (09281) 79 48 98
klaus.wulf@stadt-hof.de
Quelle: Frankenpost, 2.6.2005