Familienforschung bei der Genealogischen Gesellschaft Hamburg

Einst war sie eine Angelegenheit des Adels und der Großbürgerfamilien. Inzwischen ist die Suche nach den eigenen Wurzeln zur Sache für alle geworden. \“Es interessieren sich sogar zunehmend auch jüngere Leute für ihre Familiengeschichte\“, bestätigt Ulf Bollmann (38), Diplom-Bibliothekar und Vorsitzender der Genealogischen Gesellschaft Hamburg e.V. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die sogenannten modernen \“Patchwork-Familien\“, durch Scheidungen, alleinerziehende Eltern und durch Kriegskinder aus ungeklärten Verhältnissen. Rund 1500 Besucher verzeichnet Bollmann pro Jahr im Archiv der Gesellschaft. \“Die Menschen wollen wissen, wer ihre Vorfahren waren und wie sie gelebt haben.\“

In den Archivräumen im Souterrain an der Alsterchaussée Nummer 11 ist es kühl – die gekachelten Wände zeugen davon, daß hier früher die Küche des einst herrschaftlichen Einfamilienhauses war. Heute stehen die Wände voller Regale, türmen sich Zettelkästen, Ahnentafeln, Stammbäume, Geschlechterbücher, Register und Bücher zur Heimatgeschichte Norddeutschlands bis zur Decke. Dennoch, so Bollmann, wird der Computer immer mehr zum beherrschenden Medium der Familienforschung: \“Computergenealogie ist besonders reizvoll für jüngere Menschen.\“ In den USA steht das Thema Genealogie bei der PC-Nutzung bereits an zweiter Stelle.

Der Einstieg in die Forschung beginnt oft ganz harmlos, mit der Bedeutung des Nachnamens. Gut zwei Meter Literatur hat das Archiv allein dazu. Müller ist ein einfacher Fall. Bei Lehmann oder Scherzberg wird es schon schwieriger. Dann steigt die Neugier. Und die Sucht. Der durchschnittliche Familienforscher ist um die 60 Jahre alt und kann einige Zeit in sein Hobby investieren. Bollmann selbst hat in seiner Freizeit schon 2000 seiner Ahnen erforscht, gelangte bis ins 17. Jahrhundert. \“Gesicherte Daten gibt es nur aus den Zeiten, als bereits Kirchenbücher geschrieben wurden\“, erklärt er. Das war ab etwa 1600 nach Christi Geburt. \“Es gibt Leute, die ihren Stammbaum bis zu Karl dem Großen zurückführen. Aber das ist wissenschaftlich dann nicht gesichert.\“

Derzeit sitzt Bollmann daran, Musterungslisten aus Hamburg aus dem Jahr 1710 zu sichten und in die Datenbank einzugeben. 2500 Männer wurden damals für die Garnison Hamburg gemustert, ihre Lebensumstände dokumentiert. Bollmann: \“Es gibt immer noch ungehobene Schätze in den Archiven, beispielsweise Waisenhauslisten, Gefangenenlisten, Steuerlisten.\“ Durch diese Dokumente erfahren die Familienforscher mehr über ihre Vorfahren als aus den einfachen Heirats- oder Melderegistern: \“Die historische Einbindung, Wissen über den Alltag der Vorfahren machen die Forschung noch interessanter.\“ Deshalb auch die zahlreichen heimatkundlichen Bände in dem Archiv. Manchmal gibt\’s auch eine Überraschung: Wenn der Urururahn gar nicht nach Amerika ausgewandert ist, wie die Familienlegende es will, sondern einige Jahre im Gefängnis verbrachte.

Wer sich über Familienforschung informieren möchte: Am kommenden Freitag (15-19 Uhr) und Sonnabend (12-17 Uhr) werden die Genealogische Gesellschaft und die Buchhandlung Thalia (Spitalerstraße) das Thema Familienforschung vorstellen und bei der Beantwortung der Fragen helfen. eli

Quelle: Hamburger Abendblatt, 5.4.2005

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.