Nein – diesen Kerl wollten die Nürnberger Ratsherren nun wirklich nicht in den Mauern ihrer Stadt wissen. Zu suspekt war dieser Negromant und Schwarzkünstler, zu schillernd sein Ruf als angeblicher Knabenverführer. Jedenfalls die Menschen emsig beschäftigt hat der ums Jahr 1480 aller Wahrscheinlichkeit nach in Knittlingen geborene historische Johann Georg Faust. Und keineswegs nur seine Zeitgenossen. Denn bald nachdem Faust vom Teufel geholt worden sein soll im breisgauischen Staufen – jedenfalls berichtet das die im allgemeinen zuverlässige Chronik der Herren von Zimmern -, setzte ein bis heute nicht endender Strom an Faust-Literatur ein.
Begonnen hatte dieser mit der "Historia von D. Johann Fausten" im Jahr 1587, das durch den Frankfurter Drucker Johann Spiess verlegte, so genannte Volksbuch. Zwar ist der Verfasser dieser Schrift nicht bekannt, doch wie groß das Interesse an der legenden- und gerüchteumwucherten Person des Faust war, zeigt sich schon daran, dass das Spiessche Volksbuch bereits ein Jahr nach Erscheinen ins Englische und Plattdeutsche übersetzt wurde, 1589 ins Französische und 1592 ins Holländische.
Eine "wichtige Inspirationsquelle" für den munter fabulierenden Autor des bis 1599 in 22 Auflagen (!) erschienenen Volksbuches war ein anderes, weltberühmtes Buch, das zu den Kronjuwelen der Kulturgeschichte zählt: die 1493 in Nürnberg verlegte Schedelsche Weltchronik, ein großformatiges, 596 Seiten starkes Werk mit über 1800 kolorierten Holzschnitten. Sowohl die Weltchronik als auch das Volksbuch sind nun Hauptanziehungspunkte einer Ausstellung im Knittlinger Faust-Archiv. Pikanterweise schmückt Ausstellungsprospekt und -plakat die der Weltchronik entnommene, topografisch genaue Abbildung von Nürnberg, jener Stadt, die den Faust partout nicht hereinlassen wollte. Die Beziehungen zwischen Schedelscher Weltchronik und Volksbuch sind offenkundig. Im 26. Kapitel des Volksbuches erzählt der Verfasser "Dr. Fausts dritte Fahrt, in verschiedene Königreiche und Fürstentümer, auch die vornehmsten Länder und Städte". Vorlage dazu sind die Städtebeschreibungen in der Weltchronik, wobei außer den neun historisch gesicherten Aufenthaltsorten des Faust noch eine ganze Reihe anderer Orte beschrieben werden, die der "lasterhafte Sünder" und "Teufelsbündler" angeblich besucht hat. In Zusammenarbeit mit der Edition Libri Illustri präsentiert die Knittlinger Ausstellung die einzige kolorierte, in vierjähriger Arbeit geschaffene Faksimile-Ausgabe der Weltchronik. Damit die Besucher einen besonders guten Einblick gewinnen können in die Illustrationen der Weltchronik, an denen möglicherweise auch Dürer mitgearbeitet hat, sind zahlreiche Einzelblätter ausgestellt, darunter wunderschöne, authentische Städteansichten und eine drastische Totentanzdarstellung.
Ergänzt wird die kulturhistorisch bedeutsame Exposition mit verschiedenen Faksimiles und Originalen von Faust-Büchern, so unter anderem die "Wahrhafftige Historie" von Georg Rudolff Widmann, 1599, eine Wolfenbütteler Handschrift um 1572, der Tübinger Reimfaust von 1588, Dr. Johann Fausten Gaukeltasche von 1607, und das noch zu Fausts Lebzeiten 1536 entstandene, kostbare Original des Abtes Johannes Trithemius, der an dem "Scharlatan", "Päderasten" und "Gotteslästerer" kein gutes Haar lässt.
Quelle: Sebastian Giebenrath, Pforzheimer Zeitung, 30.03.2005