Kohls Stasi-Akten werden herausgegeben

Nach jahrelangem Streit wird die Stasi-Akten-Behörde Unterlagen über Helmut Kohl herausgeben. Überraschend hat der Altkanzler seine Einwände zurückgezogen, so dass Wissenschaftler und Journalisten nun Einblick in seine Akten erhalten. Die in den vergangenen Monaten zusammengestellten Unterlagen seien Kohl zu Beginn des Jahres – wie gesetzlich vorgeschrieben – zur Einsicht vorgelegt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Juni 2004 die Herausgabe von Teilen der Kohl-Akten erlaubt, aber stark eingeschränkt.

Behördenleiterin Marianne Birthler sagte, sie freue sich, „dass nach jahrelangen Auseinandersetzungen nun endlich Unterlagen zu Dr.
Helmut Kohl herausgegeben werden können, die für die Aufarbeitung der Tätigkeit des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) von großem Interesse sind“. Es handele sich um „zwei Ordner mit reichlich 1000 Seiten“. Die Unterlagen werden zwei Wissenschaftlern und sieben Journalisten zu Forschungszwecken herausgegeben.

Zitate aus den Papieren:

„Kohl (bezieht) zu wichtigen außen- und innenpolitischen Fragen schwankende und z.T. widersprüchliche Positionen (…) Kohl, der zu den realistischer denkenden CDU-Politikern gezählt werden kann, hat trotz seiner liberalen Position in politischen Hauptfragen dem Druck von rechts nachgegeben.“
(Eine Einschätzung des Ministeriums für Staatssicherheit von 1982.)

„Die Regierungserklärung setzt – besonders zu den Fragen der Abrüstungsproblematik und des Verhältnisses gegenüber der UdSSR und der DDR – einige neue Akzente. Die in sie gesetzten Erwartungen (…) wurden jedoch nicht erfüllt.“
(Eine Stasi-Einschätzung zu Kohls Regierungserklärung aus dem Jahr 1987.)

„Die jüngste Entwicklung in der BRD lässt erkennen, dass es der Regierung Kohl-Genscher nicht gelungen ist, im Interesse des Monopolkapitals die verlangte Wende herbeizuführen.“
(Ein undatiertes Dokument, das mit dem Hinweis \’Parteiinternes Material\‘ gekennzeichnet ist.)

„Anderseits vertrat Kohl in anmaßender Weise den bekannten nationalistischen Standpunkt von der angeblichen Offenheit der deutschen Frage. (…) Gen. Gorbatschow würdigte die brüderlichen Beziehungen UdSSR-DDR (…)
(Interpretation der Hauptverwaltung A, Abteilung VII, der Stasi zu Kohls Moskau-Besuch im Oktober 1988.)

„Zur operativen Sicherung des Dr. Kohl und seiner Begleitpersonen, zugleich zum Schutz vor Belästigungen und zur unauffälligen Überwachung mit dem Ziel der Verhinderung von Provokationen, Demonstrationen oder Sympathiekundgebungen (…) sind sorgfältige, nach außen besonders für Dr. Kohl und seine Begleitpersonen nicht sichtbar werdende politisch-operative Maßnahmen (…) durchzusetzen.“
(Anweisung an untergeordnete Dienststellen vom Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, anlässlich des Kohl-Besuchs in Leipzig und Dresden im November 1974.)

„Massenmedien des Gegners, neben Funk und Fernsehen insbesondere die \’Bild-Zeitung\‘, \’Berliner Morgenpost\‘ und \’Die Welt\‘, gingen seit dem 7. Januar 1987 verstärkt dazu über, so genannte \’Kronzeugen\‘ vorzustellen, die mit ihren Schilderungen über angebliche eigene Erlebnisse, insbesondere im Strafvollzug der DDR, die Verleumdungen der DDR durch Kohl unterstützen sollen.“
(Stasi-Mitteilung vom 11. Januar 1987.)

„Sofortmeldepflichtig sind: Pläne, Absichten und Maßnahmen des Gegners (…) zur Aufklärung von Sicherungsmaßnahmen der DDR, einschließlich damit verbundener Aktivitäten von Korrespondenten/Journalisten westlicher Massenmedien (…) Übergabe von Briefen Bittschaften u.a. Schriftstücke (…)“
(Stasi-Anleitung für einen privaten Kohl-Besuch am 27. und 28. Mai 1988.)

Quelle: Süddeutsche/dpa/AP, 24.3.2005; Die WELT 24.3.2005

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