Ausbau des Schiller-Nationalmuseums / Deutschen Literaturarchivs

Für Kenner der deutschen Literatur ist Marbach ein Mekka, ein Sehnsuchtsort, an den sie regelmäßig pilgern. All jene aber, die nicht so viel mit Büchern im Sinn haben, kennen Marbach allenfalls als verschlafenes Städtchen am Rande Stuttgarts. Doch in Marbach residieren sowohl das Schiller-Nationalmuseum als auch das Deutsche Literaturarchiv, in dem viele der kostbarsten Handschriften unserer Geistesgeschichte ruhen und in dem Manuskripte, Arbeitsunterlagen, biographische Zeugnisse unserer wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller gesammelt werden. Marbach kann sich folglich, recht besehen, als eines der intellektuellen Gravitationszentren des Landes betrachten.

Seit rund 100 Tagen haben beide Marbacher Häuser einen neuen Direktor: den als Historiker und Journalisten gleichermaßen profilierten Ulrich Raulff. In Jahresfrist wird noch eine dritte Institution für ihn hinzukommen. Dann nämlich soll das Museum der Moderne bezugsfertig sein – neben dem Schiller Nationalmuseum ein zweites Ausstellungsgebäude, das der Literatur gewidmet ist. Mit diesen beiden Häusern will Raulff die Arbeit der Marbacher Institutionen stärker ins Bewußtsein des kulturinteressierten Publikums rücken. Auch wenn Präsentationen zu literarischen Themen wohl nie die Attraktivität großer Kunstausstellungen erzielen, läßt sich die Anziehungskraft Marbachs sicher noch steigern.

Was dann sicher auch dem Literaturarchiv zu Gute kommt. Denn in den letzten Jahren haben sich mehr und mehr andere Interessenten mit beträchtlichem Erfolg um die Archivbestände des literarischen Lebens bemüht. Die Akademie der Künste in Berlin etwa, wo jetzt große Teile des Walter Benjamin-Nachlasses zu finden sind. Oder die Universität Frankfurt/M., die nach und nach das Archiv des Suhrkamp Verlages übernimmt.

Sicher, Konkurrenz belebt das Geschäft, es ist kein Fehler, wenn Marbach sich im Wettstreit befindet mit anderen Sammlern um die materiellen Zeugnisse unseres Geisteslebens. Doch um konkurrenzfähig zu sein, muß das Literaturarchiv nicht nur Seriosität, sondern auch Glanz verbreiten. Raulff hat dies erkannt und schickt sich an, dafür zu sorgen, daß Marbach nicht nur für Kenner, sondern ebenso im Bewußtsein des großen Publikums mehr ist als nur ein Vorort Stuttgarts.

Quelle: Uwe Wittstock, Die WELT, 15.2.2005

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