Der Regierungskoordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt, soll im Herbst 1987 vertrauliche Militärstudien der Nato an die damalige DDR-Regierung geliefert haben.
Die für Spionagedelikte zuständige Bundesanwaltschaft habe das Justizministerium über diesen Verdacht bereits im Dezember vergangenen Jahres in einem ausführlichen Dossier unterrichtet, berichtet FOCUS. Der bei Generalbundesanwalt Kay Nehm angelegte Beobachtungsvorgang zum Fall des SPD-Spitzenpolitikers Voigt basiere auf kopierten Parteiakten der SED, die Sicherheitsexperten des Bundesnachrichtendienstes (BND) bereits im Juni 1998 in einer Außenstelle des Bundesarchivs in Berlin entdeckt hätten.
Aus internen Mitteilungen eines Abteilungsleiters im Zentralkomitee der SED an Politbüro-Mitglied Egon Krenz gehe hervor, dass Voigt zwei Nato-Berichte bereits vor deren Beratung und Verabschiedung im Nato-Militärausschuss seinen Kontaktleuten in Ost-Berlin übergeben habe.
Wie FOCUS weiter berichtet, schildern die Nato-Analysen geheime Konzepte des Luft- und Bodenkriegs sowie Modernisierungsprogramme bei den chemischen Waffen. Auch sensible Verteidigungsanalysen sowie die Umstände eines möglichen Einsatzes von nuklearen Waffen seien in den von Voigt weitergegeben Papieren geschildert worden.
Ein früherer General aus dem Führungsstab der Streitkräfte im Verteidigungsministerium sagte FOCUS, dass die Herausgabe dieser Unterlagen die Sicherheit der Nato eindeutig beeinträchtigt habe. Auf eine FOCUS-Anfrage zum Fall Voigt sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft, dass ein privater Hinweis eingegangen sei, dem jetzt nachgegangen werde. Weiteres wollte sie nicht mitteilen. Das Justizministerium lehnte eine Stellungnahme strikt ab.
Der frühere SPD-Außenpolitiker Voigt, der in den 80er-Jahren mit der DDR Abrüstungsverhandlungen geführt hatte, sagte FOCUS, er habe kein Verschlussmaterial an Ost-Berlin weitergegeben. Diese Papiere und Berichte bezögen sich zwar auf interne Unterlagen, aber die Inhalte seiner Berichte an den Militärausschuss waren seinerzeit bereits öffentlich.
Nach FOCUS-Recherchen wurden die im Bundesarchiv entdeckten Voigt-Papiere bereits im Juni 1998 dem damaligen BND-Präsidenten und heutigen Justizstaatssekretär Hansjörg Geiger vorgelegt. Er habe damals, drei Monate vor der Bundestagswahl, eine interne Untersuchung abgelehnt. Die belastenden Originaldokumente seien mittlerweile aus den Beständen des Archivs verschwunden. Eine akribische Suche der Bundesanwaltschaft in Berlin sei ohne Erfolg geblieben, so FOCUS.
Quelle: Focus online, 12.2.2005